Dienstag,
9. November 2010 |
Schade,
knapp verpaßt: Hier in Terlingua, TX findet jedes Jahr am ersten Samstag
im November, also vor nur drei Tagen, eine insgesamt viertägige
Weltmeisterschaft im Kochen mit Chili (natürlich in Verbindung mit
Fleisch) statt. Ein paar tausend Leute sollen sich hier jedes Jahr
treffen. Ich
bin kurz nach der Abfahrt am Eingang zum Big Bend National Park und muß
die bereits erwähnten zwanzig Dollar Eintritt bezahlen. Ich bitte den
Ranger, mir die wichtigsten Punkte im Park in der Übersichtskarte zu
markieren. Es gibt derer nur drei! (So wenige Attraktionen in einem Park
habe ich noch nie erlebt. Sonst gibt es unzählige.) Er meint auf meine
Andeutung, daß der Eintritt teuer sei, es würde sich auch lohnen – und
die Eintrittskarte gelte ja für sieben Tage. Das ist der übliche Besch…,
äh, die übliche Schummelei, mit der man in Amerika gerne den Eintritt zu
den Parks billig runter redet, denn die wenigsten Touristen sind länger
als einen Tag in diesen Parks unterwegs. Ich
fahre dann letztendlich in einem recht langweiligen Park herum. Vor allem,
wenn man ihn mit den anderen Parks wie Monument Valley, Grand Canyon,
Yosemity, Yellowstone, Bryce und Zion und all den andern vergleicht. Es
gibt so gut wie nichts zu sehen, außer Berge und Landschaft.
Marslandschaft. Obwohl, eine Marslandschaft sieht wahrscheinlich ganz
anders aus. Ein geländegängiges Fahrzeug wäre hier sinnvoll; dem
Mustang will ich die Sand- und Geröllpisten nicht zumuten. Zumal Schilder
raten, auf den Sandpisten nur in Allrad-Autos mit besonders hoher
Bodenfreiheit herumzufahren. Ich
habe mir vorgestellt, einen herrlichen Ausblick auf eine Schleife des Rio
Grande werfen zu können und gleichzeitig genüßlich eine Zigarre zu
rauchen, denn „Big Bend“ heißt schließlich „große Schleife“,
aber er heißt nur so, weil er insgesamt in einer großen weiten Schleife
des Flusses liegt. Der Rio Grande ist fast ausgetrocknet und man sieht ihn
überhaupt nur an ein, zwei Stellen als kleinen schmalen Fluß. Die
beiden vorhin vom Ranger markierten Stellen erweisen sich als, …hmmm,
sagen wir mal, „als nicht sehr spannend“. Das meiste erschließt sich
einem hier offenbar erst beim Wandern. Wenn überhaupt. Aber: Für eins
ist die jetzige Jahreszeit auf jeden Fall perfekt gewählt. Es gibt nämlich
kein einziges der sonst überall herumschleichenden Wohnmobile mit lästigen
altersschwachen Ausländern drin. Nie! Auf meiner gesamten Tour nicht.
(Ja, OK, ich weiß, ich gehöre auch schon längst dazu. Wäre ich ein
Eskimo, säße ich jetzt auf der berühmten einsamen Eisscholle und man hätte
sie längst weggeschubst…) Nur
ganz gelegentlich, sehr selten, gibt es mal eins der großen
amerikanischen Reisemobile, aber die stören wirklich nicht; auf der
Autobahn fahren sie oft noch schneller als ich – und sie haben meistens
noch einen PKW hinten dranhängen. Ich
fülle im Park sehr teuer für über 3,60 $ pro Gallone etwas Benzin auf,
auf dieser Tour bin ich etwas vorsichtiger, habe noch mindestens hundert
Meilen bis zum nächsten größeren Ort. (Ich hätte doch besser heute
Morgen am Motel auftanken sollen.) Eine
kleine Straße zum Chisos Basin kann ich leider nicht hinauffahren, weil
eine einspurige Baustelle besteht und ich muß (müßte) zu lange warten,
bis der Gegenverkehr endlich durch wäre. Und das schließlich zweimal,
Hinweg und Rückweg. Der Flagman macht jedenfalls sybillinische
Andeutungen über die zu erwartende längere Wartezeit. Deshalb wende ich
lieber. Später gibt es noch einmal so eine Baustelle. Da es hier nur
diese einzige Straße zum Herausfahren gibt, muß ich ewig warten, bis
endlich ein (unnötiges) Pilot Car unsere Warteschlange durch die
Baustelle führt. Ich
sehe einen der unzähligen Brief“träger“. Dieser hier kommt von draußen
weit her, fährt durch den gesamten Park und wieder raus und noch viel
weiter, bestimmt jeden Tag ein paar hundert Meilen. Da ich einige Male zum
Fotografieren anhalte, sehe ihn ein paarmal bei seiner Arbeit, wie er
gerade die bekannten US‑Briefkästen füllt. Sein Auto ist, wie die
meisten Autos der US Post, rechtsgesteuert, damit er dabei nicht
aussteigen muß. Ich
bin jetzt viele tausend Meilen hierhergefahren (und geflogen) – und der
weite Weg hat sich (eigentlich) nicht gelohnt. Da waren meine anderen
USA-Reisen viel spannender, kurzweiliger, interessanter. Trotzdem, ich bin
natürlich froh, den Big Bend National Park gesehen zu haben und abhaken
zu können. Aber eine Empfehlung dafür würde ich nicht aussprechen, eher
abraten, lohnt nicht. Es
bleibt etwas dunstig und kleine Wölkchen spenden geringfügige kleine
Schatten. Aber man muß auch mit wenig zufrieden sein – und das bin ich.
Das Dach kann ich den ganzen Tag offenlassen. Trotzdem: Augenprobleme wie
immer, „same procedure as every day“. Erst
geht es, erfreulicherweise, genau nach Norden rauf und dann auf der 90
nach Osten, die Sonne dabei ständig im Rücken habend, nach Del Rio, dem
am weitesten entfernten Ort meiner Reise. Deshalb schmerzen die Augen
nachmittags zum ersten Mal nicht mehr so stark. Auf dem Highway bin ich längst
wieder der einsame Reisende durch Zeit und Raum. Ich
muß Gas geben, es sind noch 172 Meilen und ich werde wohl im Dunkeln
ankommen. Aber ich darf hier, obwohl „nur“ Landstraße, offiziell
erlaubte immerhin 75 mph fahren. Hier ist alles flach wie ein Brett,
kein Berg oder gar Gebirge weit und breit, nur Ebene und kleine Büsche.
Gut, daß die Ford-Ingenieure dem Mustang eine Cruise-Control eingepflanzt
haben. Ab und zu begegnet mir mal ein Überland-Truck. Kein
Verkehr wie bei uns zu Hause, keine träumenden Hausfrauen, die rechts
blinken und links abbiegen, keine lahmärschigen Männer ohne Eier, die
mit 80 km/h über die Landstraße kriechen, oder mit 120 über die
Autobahn auf der linken Spur; sie dürfen ja langsam fahren, dagegen habe
ich wirklich nichts, aber können sie dann nicht einfach rechts bleiben?
Ich lebe nun mal auf der Überholspur… Die
Karte verspricht eine landschaftlich schöne Straße, die in Wirklichkeit
aber auch nur schnurgerade in südöstlicher Richtung durch die Wüste läuft.
Am
Ende, kurz vor Del Rio sollen ein paar schöne Seen sein. Diese
Etappe hätte ich aber auch weglassen können, auch sie lohnt sich
eigentlich nicht. Ich habe sie kurz entschlossen vorhin noch angehängt.
Bestimmt hat sich noch nie ein Tourist hierher verirrt, schon gar kein
deutscher. (Hat doch was: Erster Deutscher in dieser Stadt! Vielleicht
verleiht mir der Bürgermeister morgen früh einen entsprechenden
Pokal…). Morgen geht es zurück. |