Montag,
8. November 2010 |
Ich
erwerbe Sonnenbrille # 3. (Das Bessere ist eben des Guten Feind.) Hundertfünfzig
Meilen angeblich landschaftlich schöne aber in Wirklichkeit eintönige
Meilen auf der ziemlich geraden I 10 muß ich erst einmal abreißen;
sie führt von San Diego quer durch den Kontinent bis Florida, vom
Pazifik bis an den Atlantik. Aber immerhin darf man hier tagsüber 80 mph
(fast 130 km/h) „machen“; nachts weniger; LKW tagsüber etwas weniger.
Vor mir sehe ich ein paar Cirren (Cirrus-Wolken) oder wenigstens
Wolkenschleier. Sie werden hoffentlich die Sonnenstrahlen etwas mildern.
Um halbzehn überschreitet das Thermometer endlich die 60°F-Marke. Die
Landkarte verspricht mehr, als es später dann in Wirklichkeit zu sehen
gibt. Hier
auf dieser Autobahn begegnen mir jede Menge ebenso auffälliger wie
aufwendig lackierter Trucks, die, leicht erkennbar, Rennwagen der
NASCAR-Autorennen transportieren. Heute ist Montag, also muß am
Wochenende ein Rennen gewesen sein. Zuhause sehe ich dann nach: Richtig,
am Samstag, 6. November, fand ein Rennen in Texas auf dem Martinsville
Speedway statt und das nächste ist genau eine Woche später auf dem
Phoenix International Raceway. Und genau dahin sind jetzt alle Transporter
unterwegs. Ich
glaube, zum ersten Mal sehe ich hier in Amerika einen echten Personenzug
fahren. Sonst waren es immer nur Güterzüge. In
Kent biege ich ab und nehme die 118 genau nach Süden runter. Und hier
habe ich endlich mal wieder die Erfüllung meiner sehnsüchtigsten Wünsche.
Die nach Kurven. Ich werde voll befriedigt mit einer babypopoweichen und
trotzdem griffigen, neu asphaltierten schmalen Straße ohne jeglichen
Gegenverkehr; nur ganz, ganz selten kommt mir mal ein Auto entgegen.
Endlich kann der Mustang zeigen, was er kann. Endlich kann ich ihn meine
Sporen fühlen lassen. Endlich kann ich Dampf ablassen. Hat es sich
gelohnt, den weiten Weg hierher zu machen? Ja! Ja! Ja! Die Reifen krallen
sich in den schwarzen glänzenden Asphalt und ich fahre wie auf Schienen.
Natürlich viel zu schnell. I’m the lonely cowboy… Heidewitzka,
das macht Spaß, da kann ich mich endlich mal wieder ausleben und lang
entbehrte Freuden genießen. Hier unten haben die Hügel grüne Rücken,
Junipers (Wacholderbüsche). Das Radio spielt mein Lieblingslied „Sweet
Home Alabama“ von Lynyrd Skynyrd; das ist die passende Untermalung für so einen Spaß. Das
ist eindeutig die bisher lustvollste Etappe. Die Karte hat nicht zu viel
versprochen. Hügelig, viele Kurven, guter Straßenbelag, neue gelbe
Mittellinie. Und die vielleicht einsamste Straße, die ich hier je unter
den Rädern hatte. Herz, was willst Du mehr? Dazu sind ausnahmsweise 70 mph
erlaubt. (Das bedeutet für mich: 70 plus X, also manchmal bis
zu 90 mph - und auch mal „ein bißchen“ mehr.) Eine Traumstraße;
ich bedaure erneut, jetzt nicht auf meinem Moped zu sitzen. Amerikanische
Landstraßen sind in der Regel ja immer ausgesprochen gut in Schuß, ganz
im Gegensatz zu den Straßen in den Städten. Aus
mir unerklärlichen Gründen wird der Mustang bei ca. 120 mph (= um
die 190 km/h) abgeregelt. Schneller geht definitiv nicht. Dabei sollen die
kleinsten Mustangs je nach Baujahr schon um die 300 PS haben. Davon
merke ich aber eigentlich nicht viel. Wahrscheinlich hat man dabei auch
Anlasser, Scheibenwischer und die Motoren des Dach-Aufmach-Mechanismus‘
mitgezählt. (Zuhause erfahre ich dann später, daß der Mustang noch
immer eine altmodische Starrachse hat; das Auto könnte sich damit möglicherweise
aufschaukeln. Deshalb diese restriktive Sicherheitsmaßnahme. So ein
richtiges Musterbeispiel eines Sportwagens ist ein Mustang also nicht
gerade.) Ganz
unten im Süden, in Study Butts, nehme ich mir ein relativ teures Zimmer
im Big Bend Resort Motel für 68 Dollar, dessen Preis um keinen Cent ermäßigt
wird, obwohl es doch sehr einfach ausgestattet ist. |