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Tag, Sonntag, 19. August 2007
Von Le Lauzas nach Le Rey |
Heute ist es etwas wolkig. Gut, dann wird es hoffentlich nicht
wieder so heiß. Ich hole den Esel und gebe ihm erst einmal seine schon
eingeweichten Körner. Hier gibt es leider nicht so reichlich davon wie
im letzten Quartier. Die Schrunden am Bauch sehen tatsächlich etwas
besser aus, trotzdem, ich muß noch mal Brei anrühren und auftragen.
Eric gibt mir noch ein Päckchen mit zwei sterilen Tüchern, die lege
ich zwischen Bauch und Gurt. Und Abmarsch, es ist halb zehn. Von der schmalen und harten Holzkiste tut mir mein Rücken weh,
unheimlich weh. Ich bin mit meinem Rücken ja leider etwas empfindlich,
darf am besten noch nicht einmal an schweres Heben denken. Ist aber
nicht zu ändern, ich muß weiter. Den ganzen Weg schon, an allen Pferde-, äh, Eseläpfeln stoppt der
Esel und riecht dran, ich weiß nicht warum. Ich muß ihn dann immer
besonders stramm führen. O là
là,
Suzette war kürzlisch ier. Isch kann sie noch riechen. Die is immer so
frech su ihre Meister. Heute gibt es wieder einen besonders schönen Weg, etwas breiter
als sonst meistens, auf der Karte mit zwei parallelen Strichelchen
eingezeichnet. Erst einmal, natürlich, wieder bergauf. Aber dann machen
wir einen Umweg zu einer angekündigten Badestelle am Bach, also eine
halbe Stunde den Berg hinunter. Die Badestelle ist auch ganz OK, das
Wasser ist ganz klar und plätschert munter, Fische schwimmen lässig
herum und Libellen sausen geschäftig durch die Luft. Das mitgenommene
Picknick ist gut, aber heute habe ich mir nur Tomaten mit etwas Käse
gewünscht, das soll reichen, ich muß abnehmen. Leider geht es jetzt den Berg wieder rauf und es ist inzwischen längst
wieder sonnig und heiß. So ein Esel, der keine Lust hat zu laufen hat,
kann ganz schön schwer werden. Ich ziehe und zerre, aber er hat heute
einfach keine Lust. Auch ein paar frische Äpfel können ihn nicht zum
schnelleren Gehen bewegen. Merde, meine Meister weiß einfach nisch, isch bin doch keine D-Züg!
Isch bin eine stolze Esel! Isch bestimme, wie schnell wir laufen! Bergauf dauert es nahezu doppelt so lang, eine Stunde bis zur
Abzweigung, dann sind wir endlich wieder auf unserem Weg. Hier ist der
Weg erst breit und wird dann auch wieder zur Straße. Alles ist jetzt
wieder einfacher. Hanni nehme ich lieber wieder an die Leine, für den
Fall, daß ein Auto kommen sollte. Es kommen aber nur ein, zwei Autos.
Der zusätzliche Weg zur Badestelle hat ganz schön geschlaucht.
Wieder kommen wir gegen halb vier nach nur zehn Kilometern alle drei
total erschöpft an unserer heutigen Herberge Le Rey an. Der Empfang ist
kühl, ich kenne auch keine Namen der Besitzer, sie sind nirgends
angegeben, nicht in der deutschen Wegbeschreibung, nicht am Haus und
auch nicht in ihrem Prospekt, komische Leute. Der Esel bekommt hier nur
etwas Heu und das muß er sich auch noch mit einigen kleinen Gemsen und
Schafen und einem Kollegen und einem Verwandten (Pferd) teilen.
Egal, ich bin tot, mein Rücken ist am
Ende, meine Füße auch, trotz der guten Schuhe, aber ständig tritt man
auf holprige und wackelige Steine, bergab läuft es sich auch deutlich
anstrengender als bergauf. Ah, schön, endlich darf ich in mein Zimmer,
irgend etwas wurde dort noch schnell repariert und dann geputzt, ich mußte
etwas warten, schön, das Bett ist breit, unheimlich breit! Fenster auf.
Ausziehen. Einschlafen. Ist das gemütlich hier. Und so weich! Schade, unterwegs gibt es nie eine Bank,
keine einzige. Auch sonst nichts, um sich einmal hinzusetzen. Auch keine
Steine, umgefallene Bäume oder sonst irgend etwas. Nichts! Nur auf den
Boden setzen kann man sich. Ist mir aber zu unbequem. So kann ich mich
nie einmal kurz ausruhen. Und deswegen bin ich nachmittags nach dem
Ankommen auch immer so kaputt. Trotzdem, die Wanderung ist schön,
einfach nur schön. Ich bin sehr zufrieden mit allem und bereue es
nicht, einmal eine solche „Reise“ unternommen zu haben. Ich fühle,
wie ich immer ausgeglichener werde. Und Hanni fühlt sich auch sehr gut.
Sie läuft den Weg ja fast doppelt, immer hin und her, vor und zurück,
sie ist überaus lieb und brav. Gut, daß ich sie mitgenommen habe. Aber
sie ist auch immer ziemlich fertig und legt sich immer gleich neben mich
ins Bett zum Schlafen. Ich finde einen Prospekt über die Gegend hier, wir sind im
National-Park der Cevennen. Die gesamte Region wurde von der Unesco 1985
zur Biosphäre erklärt. Über achtundfünfzigtausend Hektar Wald gibt
es, deshalb ist die Luft hier auch so gut. Später lese ich, daß unser
Départment Lozère wahrscheinlich das dünnbesiedelste Gebiet Europas
ist. (Aber dabei hat man wahrscheinlich nicht an die skandinavischen Länder
gedacht…) Die Wunden an des Esels Bauch gefallen mir nicht und ich versorge
sie erst einmal wie gewohnt mit dem grauen Brei. Weil ich weiß, daß
die Leute in der Herberge morgen deutsch sprechen, rufe ich dort einfach
übers Handy mal an. Yvonne, die Chefin, ist auch gleich am Apparat. Ich
erkläre ihr alles und sie verspricht mir sofort, mein gesamtes Gepäck
morgen im Laufe des Tages hier abzuholen. Dann kann der Esel morgen mal
ohne Tragegestell und Gurte laufen. Ich fühle mich gleich besser. Die Leute sind und bleiben komisch.
Gegen acht sind wir (Hanni und ich) im Speiseraum. Acht andere Franzosen
haben sich zu uns gesellt. Der Gastgeber auch. Erst einmal der Aperitif,
ein kleines Gläschen Kastanienlikör. Die erste Vorspeise dann nach
einer Stunde, um neun. Mit Mühe und Not bekomme ich vorher noch ein
kleines Likörchen zugeteilt. Langweilig, ich bekomme keinen Kontakt zu
den Leuten. Als Vorspeise gibt es einen kleinen Teller mit Tomaten- und
Ananasscheibchen. Dann, gegen zehn endlich die
Hauptspeise: Ein Steak mit Brot und Soße. Die Nachspeise nach einer
weiteren halben Stunde, Obststückchen. Vor Verzweiflung rauche ich draußen
wenigstens einen Zigarillo. Hier gefällt es mir nicht, und ich haue
auch gleich nach der Nachspeise ab. Schnell ins kuschelige Bett, das ist
wenigstens weich und soo breit.
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