7. Tag, Samstag, 18. August 2007 

Von Le Temple nach Le Lauzas

Trotz des erinnerungswürdigen Abends, ich stehe pünktlich um acht auf, denn das Frühstück ist auf halb neun bestellt. Alle schlafen noch, alle bis auf Fabienne. Ich beeile mich, damit sie sich vielleicht noch mal zurück ins Bett legen kann, und mache den Esel fertig. Fabienne hat mir auch noch etwas Futter für den Esel gegeben, das ich schnell mit etwas Wasser eingeweicht habe. Leider muß er es unterwegs verdauen, wir müssen los.

Keine Seit für die petit dejeuner. Schade, muß ich mit die volle Bauch los.

Der Weg ist eigentlich unzumutbar, hier im Wald ist er auch kaum noch erkennbar, ich könnte auch einfach der Nase nach gehen.

Der Esel, der Hund und ich

"Wo bleibt Ihr denn?"

Dazu geht es auch noch steil bergauf. Vanille ist folgsam und klettert mir mühselig und total brav hinterher. Nach langem mühseligem Aufstieg sind wir dann aber endlich oben, verweilen kurz zur Rast und können dann einem schmalen Weg folgen. Immer wieder eine herrliche Aussicht nach Süden über weit entfernte blaue Berge.

Der Esel, der Hund und ich

Sieht aus wie gemalt, ist aber nur ein Foto

 

An einer kleinen kühlen Quelle machen wir Rast. Fabienne hat mir ein kleines deliziöses Picknick mitgegeben, ein köstliches Stück Quiche, ein noch köstlicheres Stück Käse, ein paar überaus schmackhafte selbstgezogene Tomaten, frisches Baguette, und einen dicken, saftigen Pfirsich. Hanni bekommt natürlich auch etwas davon ab. Vanille erhält zwei der von zu Hause mitgebrachten Mohrrüben.

Danach läßt sich der Esel noch mehr hängen als gestern. Ich muß ganz schön ziehen. Es geht schon wieder bergauf über steinige „Wege“. Gut, daß ich die deutsche Wegbeschreibung bekommen habe. Sonst müßte ich ganz schön suchen, nur allein mit der Karte wäre es deutlich schwieriger, ich müßte auf alle möglichen Details achten.

Inzwischen hat der Esel gar keinen Bock mehr und bleibt dauernd stehen. Ich bin froh, daß Frank mir den Trick mit dem leichten(!) Klaps aufs Hinterteil gezeigt hat, denn dann setzt er sich doch immer wieder in Bewegung.

Ah, trés bon, meine Meister sieht mich immer so brav an die Leine. Das is  trés comfortable pour moi! Und dann immer die kleine Klaps auf meine Popo, das macht mir richtisch viele Spaß! Isch glaube, isch abe ihn gut dressiert.

Die Hitze ist inzwischen längst wieder viel zu groß, wir schwitzen und dampfen alle drei ganz schön. Hannis raushängende Zunge ist schon fast halb so lang wie ihr Körper. Schade, daß ich nichts habe, das ich so effektiv zur Kühlung raushängen kann, denn auch mir ist unheimlich heiß.

Der Esel, der Hund und ich  

Vanille läßt sich immer so hängen

 

Eigentlich könnte ich auch einen Strich auf meiner Wanderkarte ziehen und versuchen, auf ihm durchs Gelände und durch Büsche und Bäume zu kommen, denn unser „Weg“ ist immer wieder nur schwer erkennbar. Asterix und Obelix und ihre Freunde könnten hier noch leben, aber ich weiß ja, ihr Dorf ist oben, ganz oben im Norden. Wildschweine soll es hier zuhauf geben, gut, daß ich noch keine gesehen habe. Und Hinkelsteine sollen hier auch genügend rumliegen, ich habe aber noch keine gesehen.

Unser Ziel ist die Wanderherberge „Le Lauzas“. Ah, ja, endlich! Es geht den Berg hinunter, da unten am Bach soll sie liegen. Ich sehe sie noch nicht. Hoffentlich ist die Wanderherberge zu Hause und nicht gerade weggewandert…  Über eine kleine Brücke und dann liegt sie vor uns, ein altes Steingebäude, was heißt eins, es sind mehrere kleine Häuschen, teilweise untereinander verbunden, romantisch von außen anzusehen. Es ist vier Uhr nachmittags und es waren auch wieder angeblich nur neun Kilometer.

Die Herbergsleute, Eric und Pierette, empfangen uns freundlich. Eric gibt dem Esel erst einmal zu essen. Leider haben die Gurte ein paar Schrammen unten am Bauch verursacht. Aber ich habe ja das Steinmehl dabei. Eric rührt es in einer kleinen Schale mit Wasser an und verteilt den Brei sorgfältig auf den Wunden.

O, je suis trés malade. Isch glaube, isch kann morgen nicht laufen. Vielleicht trägt misch meine Meister demain? (demain = morgen, W.V.)

Irgend etwas muß ich mit den Gurten falsch gemacht haben, zu fest oder zu locker, oder unterwegs nicht genug nachgespannt, oder der Weg war heute einfach zu steil und zu mühselig. Eric beruhigt mich aber, bis morgen soll alles wieder gut sein.

Vanille bekommt wieder einen Eimer mit Körnern und Wasser und tut sich erst einmal daran gütlich. Dann kommt sie in ihren Pferch. Hanni und ich bekommen unser Zimmer gezeigt. Oh, ist das schön, ist das das Wohnzimmer? Ich weiß es nicht, unheimlich viele Bücher in den Regalen an der Wand, Bilder, und sechs Betten. Kann also kein Wohnzimmer sein. Egal, ich bin am Ende und falle einfach ins Bett. Autsch, das ist ja ganz hart. Ich sehe nach, ja, es kam mir auch eigentlich gleich komisch vor, es sind zwei lange schmale Holzkisten mit einer dünnen Matratze drauf. Egal, schlafen, einfach nur schlafen, alles tut weh, ist egal, ich will nur noch schlafen!

Nach zwei Stunden Nachmittags-Schläfchen geht es Hanni und mir wieder deutlich besser. Nur das Bett ist immer noch so hart. Ich messe mit meinem karierten Papier mal nach: Höchstens 1,8 m lang und nur 60 cm breit! Kann man das überhaupt „Bett“ nennen? Nein, es ist höchstens ein Lager, und das noch nicht einmal. Aber egal, ich bin gut drauf und fühle mich gut.

Die Tür ins Bad ist nur anderthalb Meter hoch. Schlau, wie die Leute sind, ist die Türklinke ganz weit unten angebracht, man muß sich tief bücken, um sie zu öffnen und kann sich daher auch nicht den Kopf stoßen. (Nur leider, am nächsten Morgen hat jemand die blöde Tür offen gelassen…)

Um halb sieben trinke ich auf der Terrasse ein kühles Wasser mit süßem Sirup und sehe mir die Gegend etwas an. Danach wasche ich ein paar Klamotten. Um halb acht läutet die Glocke zum Essen. Toll, heute mal nicht so spät wie sonst. Erwartungsvoll begeben wir uns zurück zur Terrasse mit der wunderschönen Aussicht ins Tal und harren der Dinge, die da gleich kommen werden. Um halb neun harren wir immer noch, es dauert und dauert, inzwischen nichts, nur hungrige Leute, ein paar Franzosen, ein alter Amerikaner mit Frau/Freundin, es ist langweilig.

Wenigstens gibt es schon mal einen Aperitif: Pastis mit Wasser und zusätzlich süßer Sirup; schmeckt jetzt eigentlich gar nicht mal so übel, ich mag ja sonst kein Lakritz. Endlich kommt die Vorspeise: Halbierte Tomaten mit Kräutern. Dann eine weitere, Gurkenscheiben mit einer leckeren cremigen Kräutersoße dazu, dann ein Fisch, (natürlich für jeden einen Fisch!), wahrscheinlich eine Forelle, wahrscheinlich hier im Bach gefangen, ich sehe Angelzeug herumstehen. Dann eine Quiche. Als Nachtisch kleine Törtchen mit Vanillesoße. Rotwein und Wasser wie immer. Ein sehr gutes Abendessen.

Ich bin satt und rund, dabei wollte ich doch abnehmen! Aber die lassen mich einfach nicht, die Franzosen, die essen einfach zu gut und viel zu spät. Die Frau mir gegenüber sieht aus wie Camilla (die vom Charles), nur mit noch mehr Falten, oder hat Camilla mehr? Jedenfalls weiß ich nicht, ob sie im Gesicht oder in der Hose mehr Falten hat. Die andere Französin erzählt, daß sie gerade in Deutschland auf „Bachreise“ war, überall, wo JSB früher Orgel gespielt oder komponiert hat, hat man Station gemacht und Bach-Werke angehört. Schön, hätte mich auch interessiert, ich liebe JSB. Kühl ist es hier draußen.

Ich mache wohl einen etwas verfrorenen Eindruck, jedenfalls, Eric zieht einfach seine kuschelige Weste aus und gibt sie mir. Und das schönste, ich darf sie erst einmal behalten und kann sie zum Schluß bei Christian Brochier zurücklassen; Eric holt sie sich dann später wieder dort ab. Ich habe halt so wenig Gepäck wie möglich mitgenommen. Jetzt ist es natürlich viel gemütlicher, den Leuten zuzuhören und noch das eine oder andere Gläschen Rouge zu trinken…

Trotzdem, um elf liege ich in bzw. auf meiner Kiste und schlafe auch ganz schnell ein. Wieder ein schöner Tag, wenn auch etwas mühselig mit dem Herumgekraxle die Berge hinauf.

 

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