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Tag, Freitag, 17. August 2007
Von Castagnols nach Le Temple |
Heute wird es ernst. Um zehn marschieren wir los. Der Esel ist mit
unserem Gepäck für fünf Tage beladen. Das erste Stück des Weges
kenne ich, bin es ja schon zweimal gelaufen. Die Sonne scheint und es
ist schon schön warm. Da wir es heute nicht so eilig haben, werden wir von einer anderen
Familie mit Esel eingeholt. Ich lasse sie vorbei. Das gefällt aber
Vanille nicht. Sie will ihrer Schwester immer hinterher. Und dann überholt
uns noch eine andere Familie mit zwei kleinen Kindern und Esel. Für so
kleine Kinder ist das mit dem Esel natürlich ganz besonders schön. Sie
dürfen auch auf dem Esel reiten, denn der Esel darf bis zu 40 kg
tragen, mehr aber auch nicht. Also ich darf nicht drauf. Hätte ich die beiden anderen Familien doch nur nicht vorbei
gelassen. Vanille ist nicht mehr zu halten und irgendwann rennt sie los.
Ich schwinge zwar anfangs noch das lose Ende des Zügels vor ihrem Kopf
herum und das hilft auch ein bißchen, aber dann rennt sie, den andern
Eseln hinterher. Ich im Schweinsgalopp nebenher, Hanni, vor Freude
bellend, dazwischen. Die Leute gucken ganz entgeistert. Muß ja auch
alles total lustig aussehen. Für sie wenigstens… Isch kann doch diese Zicken Irisette und Esanelle nisch einfach vor
mir laufen lassen. Die wackeln doch nur mit ihre Popo und können sonst
rien (franz. für „nichts“. WV). Aber dann, als wir die beiden Familien und ihre Esel überholt
haben, ist alles wieder in Ordnung. Die Aktion war doch etwas aufregend.
Glück gehabt, noch mal alles gut gegangen. Jetzt achte ich drauf, daß
wir vorne bleiben und auch etwas Tempo zulegen. Irgendwann sind die
andern nicht mehr zu sehen.
Christian hat mir heute morgen noch erklärt, daß der Wanderweg
etwas geändert werden mußte. Ein böser Mensch unterwegs ist nicht gut
auf die Leute mit Eseln zu sprechen und hat den Weg über sein Grundstück
einfach gesperrt. Der Bürgermeister verhandelt zwar seit geraumer Zeit
mit ihm, aber vorerst muß man einen anderen Weg gehen. Der letzte Teil
unseres Weges führt daher über eine Teerstraße, ist aber nicht
schlimm, es begegnen uns in dieser Stunde nur ganze zwei Autos. Gegen halb vier treffen wir drei bei unserer ersten Herberge Le
Temple ein. Ich bin froh und erleichtert, den richtigen Weg durch
teilweise Wildnis und über fast unsichtbare „Wanderwege“ so
zielsicher gefunden zu haben. Robert und Fabienne und ihr Hund erwarten
uns schon und geben dem Esel erstmal zu essen und zu trinken und mir ein
kühles Fläschchen Bier. Dann führen wir Vanille rüber in ihren
Pferch. C’est bon, endlisch kann isch rühen aus. War anstrengend
genüg. Danach kriege ich mein Quartier gezeigt, ein kleines Steinhäuschen
mit zwei Zimmern und je vier Betten. Sogar eine Dusche gibt es hier
drin. Hanni und ich sind wie immer total kaputt und schlafen erstmal
ein, zwei Stündchen, denn wir sind über zehn Kilometer gelaufen mit
230 Metern rauf und 340 Metern runter. Da es dann noch etwas früh fürs
Abendessen ist, laufen Hanni und ich noch ein bißchen durch die Gegend
und schaffen es gerade noch, pünktlich zum Abendessen um acht zurück
zu sein. Meine Gastgeber sind überaus freundliche Leute, wir sitzen in
ihrer Wohnküche und unterhalten uns auf englisch/französisch/deutsch
und „händisch“. Dazu kommen, ich weiß gar nicht woher,
(wahrscheinlich Gäste aus der Ferienwohnung), immer noch mehr Leute und
manche gehen auch wieder, es ist ein ganz geschäftiges Treiben. Als
Aperitif gibt es Sekt mit süßem Kastaniensaft. Dann als Vorspeise
Muscheln. Ich habe noch nie Muscheln gegessen, wollte auch nie welche
essen, muß aber. Sie sind roh und werden wie Austern aufgebrochen und
ausgeschlürft, manchmal mit etwas Essig drüber. Ich muß ja, also würge
ich zwei rein. Das eigentliche Abendessen ist dann
nebenan im Speisesaal. Es sind noch zwei andere ältere Damen da, dazu
ein jugendlicher Gast, Alexandre, (ein Schmied,) mit seiner Freundin
Zola (sie schlafen in zwei Zelten in der Nähe des Esels) aus Marseille,
aber sie ist, angeblich, nicht seine „richtige“ Freundin. Natürlich,
es gibt Muscheln, diesmal gekocht, und leckere Kartoffeln dazu. Da ich
jetzt richtig Hunger verspüre, komme ich nicht drum herum und esse auch
einige Muscheln. Ich hoffe, zum ersten und zum letzten Mal in meinem
Leben. (Da sieht man mal wieder, es ist alles eine Frage des Hungers.
Wenn der Hunger groß genug ist, ißt man alles, wirklich
alles…) Dazu wie immer, Wein aus dem Container, weiß und/oder
rot; schmeckt auch aus einem Container. Danach Käse und Baguette und
Melone. Meine Zigarre rauche ich draußen auf
der Terrasse. Robert will auch mal daran ziehen. Die andern auch. Na ja,
ist nicht zu ändern, die Zigarre geht reihum wie vorhin diese komische
wie ein Joint aussehende Zigarette. Liegt es daran, daß mir jetzt so
komisch ist, oder waren es doch eher die Muscheln? Schon wieder ein
einsames Flugzeug am sternenübersäten Himmel; Robert vermutet, d.h. er
ist sich sicher, daß es von Paris nach Marakesch fliegt. Wieviel Sterne
hier am Himmel zu sehen sind, viel mehr als bei uns. Der nächtliche
Himmel ist einziges Meer weißer Sterne, die beinahe taghell zu uns
herabstrahlen. Robert zeigt mir die Milchstraße, die ganz klar und
deutlich zu erkennen ist.
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