Mittwoch, 07. Juli 2010
Sparta – Baileys Harbor (310 Meilen)

 

 

Etwas neblig ist es, aber das gibt sich schon bald. Ein kurzes Bad im Pool muß sein und dann bin ich auch schon wieder im offenen Mustang unterwegs. Das Auto macht wirklich Spaß, nur etwas viel Plastik gibt es innen. Und Staub im Kofferraum, der Deckel schließt nicht dicht – amerikanische Unzulänglichkeit. Überhaupt ist das Auto mit einer Corvette nicht zu vergleichen, aber, wie gesagt, durchaus OK. Ist das nicht herrlich, heute brennen die Augen kaum und wenn, dann nur wegen der zu dick aufgetragenen Sonnenschutzcreme.

Endlich brauche ich mir keinen Weather-Channel  mehr anzusehen oder den Himmel vor mir radarmäßig ständig nach schlechtem Wetter und schwarzen Wolken abzusuchen. Die vielen grünen Unwetter-Ungeheuer auf der Landkarte im Fernseher gingen mir schon reichlich auf den Keks. Sie hatten mich weiträumig umzingelt und inzwischen wußte ich schon gar nicht mehr, wohin ich ausweichen sollte. Viel weiter weg ist es heiß und sonnig, im Westen, im Süd-Westen, im Süden und sogar an der Ostküste (New York, Washington D.C., Miami), teilweise werden dort neue Hitzerekorde aufgestellt, nur hier bei mir im Mittleren Westen ist das Wetter so besch…, äh, bescheiden.

 

USA Reise Juli 2010

 

Im Sirius-Kanal habe ich einen Sender gefunden, der ausschließlich Elvis-Lieder spielt, mit nur ganz wenig Gequassel. Viel mehr brauche ich nicht: Ein schönes Cabrio und gute Musik. Und die Gegend ist auch nicht mehr so eintönig. (OK, ein hübsches Mädchen fehlte mir jetzt nur noch.) Das Auto ist natürlich viel einfacher als ein Motorrad zu fahren. Auch deshalb fühle ich mich recht behaglich.

 

USA Reise Juli 2010

 

Unterwegs strömt mir Pommes-frites-Geruch in die Nase, und richtig, nach ein paar Minuten komme ich an einer riesigen McCain-Fabrik vorbei.

Übrigens, außerhalb der Ortschaften kann ich fahren wie ich will, es gibt so gut wie keine Polizei, keine Blitzer, keine Laser, keine mobilen Spinner und Wegelagerer, auch keine Radarfallen, nichts, hier auf dem Land gibt es noch die so oft besungene grenzenlose Freiheit.

Jedes Haus hier im Mittleren Westen hat Rasen drum herum, und der muß alle drei Tage gemäht werden. Spätestens wenn das Gras mehr als vier, fünf Zentimeter über normal gewachsen ist, muß es weg, sonst ist das eine Todsünde und man ist bei sämtlichen Nachbarn unten durch. (Konnie Reimann wurde deswegen sogar von seinem Nachbarn verklagt…) Akkurat gemähte Rasen und blitzsaubere Vorgärten sind Pflicht - und deshalb auch normal. Dazu sind alle Grundstücke offen, Zäune kennt man hier nicht. Das gibt dann ein Gefühl der Großzügigkeit und Weite.

Und Geld sieht man hier, deutlich mehr Geld als in den Gegenden vorher oder auf früheren Reisen. Das hängt wohl auch mit dem Nord/Südgefälle zusammen, Norden kühl und reich, Süden heiß und arm…

 

USA Reise Juli 2010

 

In Green Bay komme ich auf eine Halbinsel, Door County,  und fahre weiter bis Algoma, wo es an der Wasserfront deutlich kühler wird, das Thermometer geht hier, wie überall am Pazifik, schlagartig mindestens zehn Grad runter. Dann fahre ich rauf über Sturgeon Bay bis ans nördliche Ende der Halbinsel, Gills Rock, und dort noch bis an die Fähre, mit der man auf eine kleine Insel übersetzen kann. Hier gibt es überall viele Obstbäume, vor allem Kirschen und Beeren – nein, keine Bären. Schade, meine Kirschen zu Hause werden jetzt gerade reif und ich bin nicht da. Viele Ferienleute sind hier unterwegs, obwohl, mir kommt es hier ja ein bißchen eintönig vor.

 

USA Reise Juli 2010

 

Abends suche ich mir in Baileys Harbor ein Zimmer am Meer. Um genau zu sein,  das ist hier nur ein See, ein riesiger See, Lake Michigan, aber er ist ja fast so groß wie ein Meer. Leider bekomme ich nur noch eine Suite in der oberen Etage eines alten Motels, für 150 Dollar, dafür aber mit eigenem Privatbalkon, zwei Zimmern, im Wohnzimmer schwere Ledermöbel und offener Kamin, wertvolle Bücher in den Regalen, großes Schlafzimmer, schönes Bad und überhaupt mit allem Drum und Dran und einem überdachten Pool. (Kein Wunder, daß die Leute hier Geld haben, bei solchen Preisen…) Aber das ist es mir wert, wenn ich schon am Meer bin, will ich auch entsprechende Aussicht genießen, Füße hoch, mit Blick auf die langsam im Meer versinkende glutrote Sonne, mit einem Drink in der einen und einer Zigarre in der anderen Hand. Leider wird sich diese romantische Vorstellung aber in Luft auflösen bzw. ins Wasser fallen – aber davon weiß ich jetzt noch nichts. Das Zimmer ist wirklich und wahrhaftig das letzte hier im ganzen Ort, denn auch hier wird sofort nach mir die No Vacancy –Reklame eingeschaltet.

Zunächst esse ich aber erst einmal gegenüber im Blue Ox, einem merkwürdigen Lokal; ich muß bar und im Voraus bezahlen. Das kann ich dann auch später durchaus verstehen, denn entsprechend schmeckt mein Hamburger, den ich draußen auf der Veranda verzehre, da muß man einfach vorher in bar kassieren…

 

USA Reise Juli 2010

 

Tja, der gemütliche Abend fällt dann auch, wie weiter oben bereits zart angedeutet, buchstäblich ins kalte Wasser: Es beginnt zu regnen. Heftig. Vorher beim Essen haben mir zwei hier urlaubende Amerikaner schon erzählt, daß es hier seit Wochen jeden Abend regnet, ich wollte es nur (noch) nicht glauben. So stehe ich dann schließlich auf meinem hölzernen Privatbalkon, die (vorher) so schöne Aussicht bewundernd, mit dem Rücken an die Hauswand gepreßt, das Corona  langsam vom Regen verwässernd - und er würde zu gerne auch noch die Glut meiner Zigarre ertränken. Einziger Trost: Auch heute Abend ist es nicht kalt.

 

USA Reise Juli 2010

 

Unten, vor meinem Balkon, wird der geplante Grillabend einer Familie gleichfalls vom Regen vernichtet und alle Leute ziehen sich ins Haus zurück. Nur zwei mutige Angler kommen mit ihrem Kanu über dem Kopf angestolpert, stülpen es ins Wasser und paddeln ebenso eifrig wie unerschrocken los, ich kann sie noch sehr lange beim Angeln beobachten.

 

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