Montag,
9. Juni 2008 (284 Meilen) Ich
wache auf und sehe aus dem Fenster. Was ist denn das? Alles rot da drüben!
Da war doch gestern nichts zu sehen! Ich reibe mir die Augen und langsam
erkenne ich den Grund: Sonnenaufgang! Aber der ist doch genau
entgegengesetzt im Osten! Die Bergkette im Westen leuchtet, als würde
sie brennen. Und dabei sind noch gar keine Sonnenstrahlen da! Und kein
Schwein sieht es! Außer mir! Niemand aus all den anderen Wohnmobilisten
ist auf; die verschlafen mal wieder alles. Ich ziehe schnell meine Hose
an und stürze ins Freie, denn jetzt müssen natürlich gnadenlos Fotos
gemacht werden. Nach und nach kommen dann auch Sonnenstrahlen drüben
an. Als
ich eine dreiviertel Stunde später zurückkomme, ist das Frühstück
schon fertig. Es gibt wieder prima amerikanisches Frühstück, mit
Spiegeleiern und gebratenem Speck und vielen anderen guten Sachen. Während
Ingrid später spült und abtrocknet, mache ich wieder draußen am WoMo
alles reisefertig. Danach wird geduscht und ich frage mich mal wieder,
wie hier größere Menschen als ich mit meinen 1,75 m hineinpassen
sollen, und dabei geht es noch nicht einmal allein um die Länge. Mein
bester Freund J. mit seinen doch, äh…, eher etwas barocken Formen würde
wahrscheinlich noch nicht einmal durch die Tür passen. Und wenn, dann hätte
das Wasser doch ein kleines Problem dabei, seinen Astralkörper zu
umspielen. Und bei dieser Gelegenheit noch ein paar Meckereien: Es gibt
keine Uhr im WoMo, nur die im Autoradio, aber die kann man nicht
einstellen, jedenfalls der Vormieter nicht - und ich auch nicht. (Ich
merke an diesen Dingen übrigens immer öfter, daß ich alt geworden
bin. Denn auch die Uhr in der Mikrowelle kann ich nicht einstellen.
Ingrid schafft es natürlich erst recht nicht, aber sie ist ja auch nur
eine Frau...) Das
ist ja inzwischen überhaupt so eine Sache mit den elektronischen Geräten.
Wenn eine einfache Kabel-Maus (z.B. von Microsoft) schon ein dickes
mehrsprachiges Heft benötigt, „Produkthandbuch“ genannt, in dem
allein in deutscher Sprache auf zwölf Seiten langatmige
Bedienungshinweise, Sicherheitshinweise und andere abstruse und sinnlose
Erklärungen abgegeben werden, die bestimmt kein Käufer jemals lesen
wird, dann ist das doch pervers und abartig! Schmunzeln kann ich darüber
jedenfalls schon lange nicht mehr. Aber es kommt noch schlimmer: Die
Bedienungsanleitung zu einem „einfachen“ Plasma-TV, („Ich will
doch nur fernsehen!“) ist dicker als ein Quelle-Katalog, eine
Bedienungsanleitung für ein Navigationsgerät, („Ich will doch nur
ganz einfach von A nach B!“) ist dicker als eine Bibel! Wer soll den
ganzen Quatsch denn lesen?! Gibt es keine Geräte mehr, die man wirklich
„intuitiv“ bedienen kann? Und die auch ein einfach denkender Mensch
wie ich bedienen kann?? Ich habe einfach keine Lust mehr, meine ohnehin
schon knappe Zeit mit derart sinnloser Beschäftigung zu vertun. Aber
ich fürchte, alles appellieren an die Industriedesigner wird da nichts
fruchten, die Bedienungsanleitungen - und natürlich vor allem auch die
Bedienung neuer Geräte, auch der einfachsten Sachen!, wird immer
komplizierter und unverständlicher werden. Da finde ich es
ausnahmsweise mal gut, daß ich das alles nicht mehr miterleben werde… Aber
es ist Urlaub und ich will mir meine gute Laune nicht verderben lassen.
Deshalb wische ich alle übellaunigen Gedanken weg und konzentriere mich
wieder auf das Hier und Heute, auf die schöne Gegend, auf die gutmütige
Ingrid und auf unseren gemütlichen Ozeandampfer. Bald sind wir schon
wieder gutgelaunt unterwegs, Richtung Badwater,
der mit minus 282 feet (ca. 85 m unter NN) tiefsten Stelle
Nord-Amerikas. War
ein Atomkrieg? Sind wir plötzlich die alleinigen Überlebenden? Kein
einziges Auto begegnet uns auf zwanzig Meilen und weiter! Nur in
Badwater selbst steht ein einsames Wohnmobil mit zwei Deutschen herum. Dann,
plötzlich, wie eine Fata Morgana, begegnet uns ein einzelner Radfahrer
hinter einer Kurve, er grüßt uns noch kurz mit der Hand und ist schon
wieder verschwunden. Schade, wenn ich ihn eher gesehen hätte, hätte
ich angehalten und ihm eine kalte Dose Cola oder Wasser rausgereicht.
Aber es ist ja noch früh am Morgen und entsprechend kühl, ich wende
unser Schiff also deswegen nicht. Ich
bedauere, daß wir mit unserem Dampfer die seitlichen Sehenswürdigkeiten
schon wieder nicht anfahren dürfen, denn sämtliche Wege dorthin sind
nur geschottert. Früher, mit den Mopeds, durften wir nicht, und jetzt dürfen
wir schon wieder nicht. Ob ich jemals z.B. Zabriskie
Point oder Dantes View
sehen werde? Dann
geht es erst wieder lange bergauf und dann noch länger bergab. Wir
haben das Tal des Todes ohne Zwischenfälle durchquert und sind gesund
herausgekommen! Ich lasse unser Auto bergab rollen und fahre, was bzw.
wieviel die Straße hergibt, ohne viel zu bremsen, manchmal deutlich über
70 Meilen die Stunde. Was soll ich das Auto schonen? Wenn die bei
Roadbear unfreundlich zu mir sind, antworte ich mit gleicher Münze zurück.
Die Kiste schwankt und der Fernseher über uns klappert bedenklich.
Ingrid meckert natürlich und hat Angst, aber wenn er runterfällt, dann
hoffentlich nur zwischen uns ins Armaturenbrett, also kein Grund zu
bremsen, wir müssen schließlich Benzin sparen… Kurzer
Stopp in Shoshone, einem winzigen Ort in der Wüste, die eigentlich gar keine
richtige „Wüste“ ist, denn überall wachsen Pflanzen und Kakteen,
manchmal sogar ein einzelner Joshua-Baum
– oder ist es in Wirklichkeit ein Joshua-„Kaktus“? In
Parump wird getankt, 4,16 $
per Gallone 87 Oktan. (Eigentlich sollen/müssen wir ja 89 Oktan tanken,
aber da muß ich an mein Portemonnaie denken, und es sind stets immerhin
10 Cent Unterschied zwischen diesen beiden Qualitäten.) Bald
überqueren wir die erste Staatsgrenze, nämlich die von California nach
Nevada. Zu spät erkenne ich, daß wir zum Red Rock Canyon hätten links
abbiegen müssen und bleibe statt dessen notgedrungen auf der
Schnellstraße. Durch ein paar Hügel hindurch sehen wir die Skyline von
Las Vegas und sind bald auch
schon mitten im Süden dieser Stadt. Aber nicht der Strip zieht uns an,
den kennen wir ja schon mit seinem Trubel, nein, wir bleiben südlich
und müssen uns etwas durchkämpfen, denn hier ist eine einzige riesige
Groß-Baustelle, überall werden, weithin sichtbar, neue Casinos aus dem
Boden gestampft, neue Firmen entstehen, neue Wohngebiete werden angelegt
und natürlich neue Straßen gebaut. Wir
halten unseren Kurs nach Osten und nähern uns bald einem weiteren Höhepunkt,
dem von 1931 bis 1935 erbauten Hoover
Dam, der im übrigen, klugscheißerlich betrachtet, kein Staudamm
sondern eine Staumauer ist.
Hier waren wir noch nicht. Endlich mal etwas Neues. Aber schade, der
Hoover Staudamm ist für Lkws und Busse gesperrt! Was sollen wir jetzt
machen. Zurück? Nein! Ein Visitor Center taucht auf. Schnell rein und
nachfragen. „Steht auf den Schildern etwas von RVs? Nein, es ist nur
von Trucks und Bussen die Rede! Sind Sie ein Truck oder Bus?“ werden
wir von der Mitarbeiterin gefragt. Kurz und gut, wir dürfen, auch wenn
unser Schiff reichlich lang ist. Also geht es weiter. Die Straße wird
enger, viel Verkehr in beiden Richtungen. Plötzlich ein Schild “Prepare to Stop!”! Security
Check! Ich
muß einige Klappen der Staufächer unter dem Auto öffnen, der Officer
kommt auch kurz zu uns ins Auto rein, schnell noch ein Foto, das
war’s! Den Sprengstoff hätten wir leicht verstecken können. Aber man
sieht uns ja auch an, daß wir beide in friedlicher Mission kommen und dürfen
weiter. Noch
ein paar enge Kurven, rechts über uns wird in schwindelnder Höhe eine
neue Autobahnbrücke gebaut, und plötzlich liegt ganz dicht vor und
unter uns die Staumauer. Eigentlich ist alles genau so, wie ich es mir
vorgestellt habe. Nur das aufgestaute Wasser leuchtet in viel
eindrucksvollerem Grün. Auf dem Damm sehe ich blankgeputzte breite
goldene Türen an den Eingängen und Aufzügen nach unten, unheimlich
viele Leute wuseln hier herum, viele Autos drängeln über die schmale
Straße aneinander vorbei. Viel zu schnell sind wir drüber und fahren
in kurzen Serpentinen wieder bergauf. Zum Glück gibt es hier genügend
Parkplätze, auch für unseren Dampfer. Ich natürlich schnell raus.
Peng, haut mir mal wieder die Hitze eins in die Schnauze. Mann, ist das
heiß hier! Also
schnell zurück, Generator und große Klimaanlage an. Und da es jetzt
endlich mal wieder Strom gibt, werden auch gleich die Akkus geladen.
Dann, wissend was auf mich zukommt, wage ich mich wieder raus, in die brüllende
Hitze, zum Fotografieren und Bestaunen. Ingrid ist es erstmal noch zu
heiß draußen und läßt mich allein. Gut, daß sie wenigstens ein bißchen
Essen zubereitet, so können wir dann auch gleich drinnen im Kühlen
unser verspätetes Mittagessen einnehmen. Dann
fahren wir ganz rauf und suchen einen Platz zum Wenden. Nach ein, zwei
Kilometern wende ich in der Baustelle nebenan, wo die Autobahn gebaut
wird und, rrrumms, setzt unser Heck nach einer winzigen Bodenwelle auf!
Ich natürlich raus, Schäden begutachten. Doch wie so oft, ich bin eben
ein Glückskind, schon wieder Glück gehabt. Der Tank, der hinten tief
runterhängt, ist unbeschädigt, wir haben nur mit den dafür
vorgesehenen schwarzen eisernen Schutzecken aufgesetzt. Also
Gasgeben und zurück. Widersprüchlich wie Amerikaner nun mal sind, ist
es gut möglich, daß auf dieser Seite keine Sicherheitskontrolle
stattfindet. Vielleicht ist sie aber nur noch etwas weiter entfernt, ich
weiß es nicht. Wir
halten natürlich noch einmal in dem ganzen Trubel oberhalb des Hoover
Staudamms an und jetzt steigt auch Ingrid aus. Schade, daß wir keine
Zeit haben, um hier noch etwas länger zu verweilen. Aber dann könnten
(und müßten) wir ja überall viel zu lang stehenbleiben. Leider
ist mitten auf dem Damm die Speicherkarte unserer Kamera voll, ich habe
mal wieder nicht darauf geachtet. Hier können wir natürlich nicht
anhalten und fahren einfach weiter zurück. Kurz danach biegen wir zum Lake Mead ab,
(„größter Stausee der USA“), der hier vom Hoover Staudamm
aufgestaut wird, wenn der Wasserstand auch, wie alle Stauseen in den
USA, die wir gesehen haben, leider gewohnt niedrig ist. Irgendwo habe
ich das auch etwas poetischer gelesen und ich will es hier dem geneigten
Leser und der verehrten Leserin auf keinen Fall vorenthalten: Lake
Mead verdankt sein wohltuendes Blau dem gleich dahinter liegenden Hoover
Dam, weil dieser den Colorado River erst weiterfließen läßt, nachdem
er seine Hausaufgaben erledigt hat, nämlich Strom zu produzieren. Ganz
plötzlich eine unerwartete Mautstelle. Wieder erspart uns unsere Golden
Eagle-Karte einige Dollar Durchfahrtgebühr, die sich auch nicht gelohnt
hätten. Hier ist hauptsächlich eine große Stelle, um bequem Boote ins
Wasser zu lassen. Es wäre zu schwierig, um es mit den Leuten
abzurechnen, deshalb verlangt man einfach eine Eintrittsgebühr fürs
ganze Gebiet. Wir
sind schnell durch und fahren an North Las Vegas mit seinen vielen
Golfplätzen vorbei und dann lange Zeit am See entlang. Auch diesen Weg
kennen wird noch gut vom letzten Mal. Immer noch ist es glühendheiß
draußen, was uns aber nicht stört, denn diesmal haben wir es angenehm
klimatisiert hier drinnen. Ein weiter Abstecher nach Echo
Bay erweist sich, natürlich erst hinterher, als nicht lohnend, denn
der dortige RV-Platz gefällt uns wegen einer Baustelle ganz und gar
nicht.
Wir
müssen heute 21,75 $ für unseren Full Hook-up und Pull through- Platz
bezahlen, also relativ wenig, wenn es auch nur ein schäbiger
Schotterplatz ist, mit einer kleinen Betonfläche zum Sitzen; diesmal
gibt es auch keine Sitzgruppe, nur eine als Tisch umfunktionierte alte
Kabeltrommel. Ingrid
ist beim Abwaschen, als ich auf die kranke Idee komme, meinen sehr
unbequemen und bei Roadbear teuer bezahlten Campingstuhl mit den Vorderfüßen
auf die etwas höhere Betonplatte zustellen, um etwas bequemer sitzen zu
können, mich hineinsetze, und prompt nach hinten umfalle. Während des
Fallens überlege ich mir, wie ich jetzt am besten aufprallen soll: Mit
den Händen abstützen, dann sind sie möglicherweise wegen des
Schotters verschrammt; mit dem flachen Rücken, dann knallt es zu sehr.
Also mache ich meinen Rücken so rund wie möglich und hebe die Arme
hoch. Nach all den vielen Überlegereien treffen erst mein Rücken und
dann mein Kopf schließlich relativ hart auf dem Boden auf, was sich am
nächsten Tag immer noch mit leichten Kopfschmerzen bemerkbar machen
wird. Sonst ist nichts kaputtgegangen, auch der Sch…-Stuhl nicht. Ich
sage ja immer, ich werde jeden Tag älter und blöder… Trotzdem
wird es noch ein gemütlicher Abend. An der gegenüberliegenden
Tankstelle sehen wir, daß es lange nach Sonnenuntergang noch immer über
100 °F heiß ist. Zum Schluß sehen wir uns noch einen der von zu Hause
mitgebrachten DVD-Filme im Fernseher an. Unsere Kissen werden dank
unserer Schmutzwäsche langsam dicker.
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