Tag
4 Freitag,
15. April 2011 Der
automatische Weckruf des Hotels erfolgt um 6:30 Uhr, Abfahrt ist um 8:00 Uhr.
So ein Urlaub ist halt nichts für faule Gemüter. Oder für Langschläfer.
Draußen sind es 14 Grad. Jetzt heißt es Abschied nehmen von
Petra und Wadi Musa. Atef sagt uns dazu, wer einmal in Petra war, will
unbedingt ein zweites Mal kommen. Und wer zweimal hier war, will immer
wiederkommen. Stimmt, das kann ich bestätigen: Für mich ist Petra direkt
mit Grand Canyon oder Taj Mahal
vergleichbar. Und mit wenigen anderen besonders schönen Orten auf
der Erde. Erst
noch ein kurzer Halt an der hiesigen Mosesquelle im Ort. Sie befindet sich
in einem kleinen kargen Steinhäuschen, völlig unspektakulär, und ist
des Anhaltens oder gar einer Besichtigung eigentlich nicht wert. Der
Legende nach schlug Moses hier auf seiner Wanderung in das Gelobte Land
mit seinem Stab auf den Fels und eine Quelle tat sich den dürstenden
Menschen auf. Atef
erzählt uns auf der Weiterfahrt, daß es hier durchaus im Winter schonmal
schneien kann. Er hat selbst 1992 ein Drama erlebt, bei dem seine
Reisegruppe hier in Petra total eingeschneit worden war und mit Militärhubschraubern
ausgeflogen werden mußte. Schade, hätte ich auch gerne erlebt… Wir
fahren etwa eine halbe Stunde zum Ash Shawbak, einer alten Kreuzritterburg
und besichtigen die restaurierte Ruine. Dazu müssen wir einen
respektablen Berg erklimmen. Die Sonne brennt gnadenlos, deshalb ziehe ich
mich schon bald in den Schatten des Visitor-Centers zurück und warte auf
die andern. Auf
unserer Weiterfahrt kann ich feststellen, was „orientalische
Fahrweise“ bedeutet: Man fährt dabei, wie man will. Kurven werden
geschnitten, vor Kurven wird überholt, man darf alles, es gibt keine „lästigen“
Regeln, die beachtet werden müssen. Dazu auch heute wieder
Fahrbahnschwellen, oft mit mehrfacher Ankündigung, oft aber auch solche
gemeiner Art, hinterhältig und ohne jegliche Ankündigung, gerne auch
direkt hinter Kurven oder im Schatten schwer zu erkennen. Und auch hier
auf der Landstraße lauert Polizei mit Laserpistolen. Es
ist durchaus möglich, hier in Jordanien ein Auto auszuleihen, aber man muß
auf die orientalischen Eigenheiten eingestellt sein und mit Unerwartetem
rechnen. Dazu gehören natürlich auch stets Tiere jeglicher Art, Schaf-
und Ziegenherden, Kamele usw. Insgesamt
kann man hier aber sehr gut und ohne großes Risiko fahren. Unfälle habe
ich nicht gesehen. Die
Wüste erinnert mich ein bißchen an Arizona und New Mexico, doch nein, drüben
ist sie viel grüner. Zum
Bremsen benutzt unser Busfahrer mit Vorliebe eine Art Handbremse, die wie
ein Blinkerhebel aussieht und auch ähnlich bedient wird; diese
Motorbremse hat mehrere Stufen. Witzig:
Atef nennt es „Gesundheitspause“, wenn zum Pinkeln angehalten wird. Wir
fahren jetzt parallel zur gestrigen Autobahn zurück in nördlicher
Richtung auf der „King’s Road“, der Straße der Könige.
Zugleich sind wir hier auch auf der berühmten Weihrauchstraße. Atef
erzählt uns, daß hier in Jordanien demnächst das erste Atomkraftwerk
gebaut werden soll. Und das mitten im Erdbebengebiet und auf der Berührungskante
zwischen zwei tektonischen Erdplatten, der arabischen und der
antarktischen. Mittags
erreichen wir den „Grand Canyon Wadi al Mujib“. Aus großer
Höhe schraubt sich unsere Straße mit Hilfe vieler Haarnadelkurven runter
ins Tal, überquert auf einer Staumauer einen kleinen Fluß und windet
sich dann ebenso steil wieder in die Berge hinauf. Absolut spektakulär - solange
man keine Höhenangst hat. Wenig
Müll liegt hier im Land herum. Die Jordanier sind offenbar auf dem
richtigen Weg. Plötzlich
ein unerwarteter Stopp: Atef hat etwas am Straßenrand gesehen, eine
besondere Blume wächst hier, die Schwarze Lilie, (Iris Nigricans),
die Nationalblume Jordaniens. Wenn die Lilie sprechen könnte, würde sie
uns allerdings laut zurufen: „Ich bin keine Lilie! Ich bin eine Iris!“
Fälschlicherweise wird sie meistens als Lilie bezeichnet. (Ich hatte
indes noch keine Zeit, den tatsächlichen Unterschied zwischen Lilie und
Iris herauszufinden.) Die
Gegend hier oben ist fruchtbar, die Wüste ist längst zu Ende. Hier wächst
viel Getreide, vor allem Weizen, aber auch Citrusfrüchte und Oliven. Außerdem
habe ich viele Mandel- und Aprikosenbäume gesehen. In den Dörfern gibt
es oft zurzeit gelbblühende Mimosenbäume. Die Leute fahren, als wären
sie noch in der Wüste. Wir
sind im Gelobten Land; die Gegend hier ist biblisch, jeder Stein, jedes
Dorf hat Geschichte, so nah am Jordan. Moses ist hier mit den seinen
entlang gezogen. Mittagessen
gibt es in Madaba, einem größeren kleinen Ort, sogar eine Verkehrsampel
gibt es. Madaba ist natürlich auch ein wichtiger christlicher
(byzantinischer) Ort. Auch hier wieder ein großes Restaurant, viele
hundert Leute passen hier rein. Draußen habe ich ein paar hier sündhaft
teure Autos gesehen, ein Mercedes CLS 500 mit auffällig kurzem
Nummernschild, Cadillac SUV Hybrid, Mustang, Lexus, aus Dubai, Kuwait und
anderen mir unbekannten Ländern. Natürlich,
auch hier im Ort terrorisieren die Lautsprecher der vielen Minarette die
Leute. Man ist ja oft von Minaretten geradezu umzingelt. Nach
dem Essen besichtigen wir die St. Georgskirche, eine griechisch-orthodoxe
Kirche aus dem 6. Jahrhundert. Hier bestaunen wir eine berühmte alte
Mosaik-Landkarte Palästinas aus dieser Zeit. Wahrscheinlich ist es die älteste
Landkarte dieser Region.
Dann
ein neuer Höhepunkt: Berg Nebo, auch Mosesberg genannt. Dieser Berg ist
jene Stelle, von der aus Moses das Gelobte Land sehen durfte, dann aber
sterben mußte und einfach gleich hier beerdigt wurde. Es gibt eine sehr
alte Kirche, die gerade restauriert wird und deshalb zurzeit nicht
besichtigt werden kann. Weit reicht unser Blick nach Westen, über den
Jordan rüber bis nach Jericho und Jerusalem. Jerusalem ist „nicht viel
mehr als einen Steinwurf“ entfernt: nur noch sechsundvierzig Kilometer.
Und doch von hier nur schwer erreichbar… Als
Chronist darf ich es nicht verschweigen: Der jetzige Papst hat diesen Ort
2009 besucht. Ein riesiger Gedenkstein wurde ihm zu Ehren hier
aufgestellt. Aber eigentlich ist das in diesem Reisebericht total
unwichtig. Dann
ein zu langer Besuch in einem Mosaikladen. Hier werden Mosaike handwerksmäßig
hergestellt und verkauft. Wer will kann dabei zusehen – oder eins
kaufen. Endlich
geht es weiter, den Berg wieder steil und mit vielen Kurven hinunter ins
Jordantal. Heute ist Feiertag und viele Jordanier nutzen das schöne
Wetter, um mit der ganzen Familie an Tischen und auf Stühlen beim
Picknick unter staubigen Bäumen am Straßenrand zu sitzen. Unten
im Jordantal herrscht reichlich Verkehr. Passend dazu werden wir von zwei
„verrückten“ Motorradfahrern empfangen, die uns spektakulär links
und rechts auf der Autobahn mit langen Wheelies (nur auf dem Hinterrad
fahrend) überholen. Dazu
passen dann auch zwei Check-Points mit Militär-Hummers, korrekterweise
HumVees („High Mobility Multipurpose Wheeled Vehicle“, kurz: HMMWV,
der Einfachheit halber meist „Humvee“ ausgesprochen), also die stehen
hier blöd herum mit aufmontierten schußbereiten MGs und warten auf was
weiß ich für Terroristen. Wir
kommen ungeschoren durch und erreichen ein paar Minuten später unser
heutiges Etappenziel, das „Marriott Jordan Valley Dead Sea Resort & Spa“,
angeblich die zweitbeste Hotelanlage am Toten Meer. (Direkt neben uns
liegt das „Kempinski Hotel Ishtar Dead Sea“, das zurzeit das beste
Resort auf dieser Seite des Toten Meeres sein soll.) Die Höhe,
(eigentlich müßte es ja „Tiefe“ heißen,) beträgt hier offiziell
minus 373 Meter und ist die tiefste Stelle der Erde. Der
Wasserspiegel soll aber inzwischen bereits bei weit unter minus 400 Meter
(zum Teil spricht man von -420 m) liegen; weil der Jordan kaum noch Wasser
bringt, verdunstet zu viel Wasser im See. Wikipedia „Jordan“: Durch
die ständige Wasserentnahme (vor allem Israels, W.R.V.) verkommt der
Jordan im (weiteren) Verlauf zum Rinnsal aus Abwässern. Jährlich fließen
nur noch 200 Mill. m³ Wasser in das Tote Meer, was zu einer
dramatischen Abnahme seines Wasserstandes führt. Erfreulicherweise
haben Israel und Jordanien gerade (2011) beschlossen, eine neue Pipeline
mit Wasser aus dem Roten Meer zu bauen, um das Tote Meer zu retten. scinexx
| Am Tropf des Roten Meeres: Eine Pipeline soll das Tote Meer retten... Für
den Fall, daß der Link nicht funktioniert, hier ein Auszug:
Laut
Dalia Scharaban, Sprecherin des israelischen Ministeriums für regionale
Zusammenarbeit, haben die beiden Staaten nach langen Beratungen
beschlossen, die mehr als 300 Kilometer lange Verbindung zu zwei Dritteln
über jordanisches Gebiet zu führen. Wie die Ministeriumssprecherin
betonte, ist im Rahmen des Projektes auch der Bau einer
Meerwasserentsalzungsanlage zu Bewässerungszwecken geplant. 800 Millionen
bis eine Milliarde Dollar wird allein die erste Stufe des Projektes
kosten. Viele
teure Hotelanlagen gibt es hier, eine neben der anderen. Da, wo noch keine
ist, wird noch eine dazwischen gequetscht. Atef
nennt uns noch ein paar Eckdaten (wie Det in „Grip“ auf RTL2 immer
sagt). Totes Meer: Sauerstoff 36% mehr als sonst, Salzgehalt des Wassers
33%, gut für die Haut und gegen Falten ‑ und für die
Heilung kleiner Verletzungen. Allerdings wird das Salz erstmal lange und
heftig in solchen Kratzern brennen… Nach
der obligatorischen Sicherheitskontrolle erhalten wir die Zimmerschlüssel.
Sollen sie erhalten, es dauert länger, ich helfe beim Verteilen der
Karten. Schlechte
Nachricht: Die für morgen vorgesehene Besichtigung der Taufstelle Jesu
(gegen Aufpreis) fällt leider aus, es haben sich nur zwölf der
mindestens erforderlichen fünfzehn Leute dafür gemeldet. Mein
Zimmer ist ausgesprochen luxuriös und erfüllt meine Erwartungen. Das großzügige
marmorne Badezimmer ebenso. Auch hier, wie in allen Hotels dieser Reise,
Aschenbecher auf dem Zimmer. Und wie überall, auch hier Empfang des ZDF. Nach
dem Abendessen vom Buffet schlendere ich im Dunkeln zum Strand runter,
werde aber von einem Wächter strikt verwiesen; am Wasser darf nachts
niemand sein, aus welchem Grund auch immer. (Es könnte ja ein Ungeheuer
aus den Fluten auftauchen und mich ins salzige Wasser ziehen…) Romantisch:
Etwas höher lasse ich mich an einer der Terrassen-Balustraden nieder und
genieße ganz entspannt meine abendliche Zigarre mit weitem Blick übers
Tote Meer nach Westen über zwei Bergketten hinweg; der goldene
Lichtschein drüben im Dunkel, das ist Jerusalem. Und etwas weiter links:
Das muß Bethlehem sein. Die Wasserfläche liegt vor mir wie ein Spiegel.
Dazu verwöhnt mich von oben ein fast kompletter Vollmond mit güldenem
Licht.
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