Freitag, 5. November 2010
Gila Bend, AZ – Nogales, AZ  (308 Meilen)

Nachts habe ich, wie auch schon vorletzte Nacht, ein paar Züge gehört; sie stoßen ständig ihr filmtypisches und langgezogenes Gehupe aus, was einen aber nicht wirklich stört. Einer der Züge ist fünf Minuten und elf Sekunden lang. Ein kräftiges Breakfast aus der normalen Speisekarte ist im Übernachtungspreis enthalten, was dann den Preis des Zimmers relativiert, also deutlich günstiger macht. Schließlich kann so ein Breakfast leicht zehn Dollar plus Tip (= Trinkgeld) ausmachen.

Wie immer scheint die Sonne und zwar wieder kräftig, geradezu gleißend. Schon bald schmerzen beide Augen, sie kratzen, brennen und stechen. Ich nehme an, daß die Sonnenstrahlen die Ursache sind. Meine mitgebrachte Sonnenbrille ist offenbar zu schwach. Deshalb erstehe ich erst einmal (ja, schon wieder) einen Strohhut. (Habe ja auch erst zehn zu Hause rumliegen…) Vernünftige Sonnenbrillen gibt es hier leider nicht in diesem winzigen Tankstellen-Shop.

 

USA Reise November 2010

 

Die Landschaft ist flach, sehr eben, nur Wüste, Steppe und Prairie, aber um mich herum stehen ständig hohe Berge. Ganz unvermittelt tauchen riesige Kakteen auf, unzählige, bald umzingeln sie mich geradezu, ich bin im Kaktusland angekommen. Aber es gibt hier nicht nur die überall rumlungernden armleuchterförmigen Saguaros, die zum Sinnbild für den Wilden Westen der USA geworden sind. Nein, viele andere Kakteen wachsen hier mit größtem Behagen, z.B. knöchrige Ocotillos mit ihren dürren schlanken Zweigen, süßaussehende Chollas mit ihren teddybärähnlichen Armen und viele andere Kakteen, deren Namen ich (noch) nicht kenne. Und riesige Agaven. Aber das sind keine Kakteen.

 

USA Reise November 2010

USA Reise November 2010

 

Hier muß ich die inzwischen schon sechste Polizeisperre so geduldig wie möglich über mich ergehen lassen, längst sind auch Hunde und Spiegel dabei, die Hunde, um Drogen und Menschen in den Kofferräumen zu finden und die Spiegel, um damit unter den Autos nachzusehen.

Es geht die 85 runter, genau südlich, in den  Organ Pipe Cactus National Park, bis an die Grenze nach Lukeville. Ich wundere mich, daß so viele Autos mit mir nach Süden, nach Mexiko streben. Aber dann fällt es mir ein, heute ist Freitag, da wollen die Amis wohl ein schönes lockeres Wochenende (mit reichlich Sex and Drugs) drüben verbringen.

Und ich darf wieder mal nicht mit, schade, denn an der Grenzstation muß ich wie immer brav umdrehen, darf ja nicht über die Grenze nach Mexiko, der Vermieter hat es strikt verboten. Auch hier, kurz hinter der Grenze, ragen respektable Berge auf.

Ich möchte diesmal eine staubige Piste in die Berge und ins Sonoyta Valley befahren, wende aber nach ein paar Meilen. Ich hätte eigentlich mal wieder für die Durchfahrt bezahlen müssen – und es würde viel zu lange dauern. Deshalb bin ich lieber einsichtig und bald schon wieder auf dem normalen Rückweg.

In Why, einem Ort bestehend aus zwei Tankstellen, wo ich vorhin den Hut gekauft habe, biege ich auf die 86 ab. Die Straße ist noch unverändert gut. Auch die Berge sind noch alle da. Auch die Sternwarte auf dem Kitty Peak, die ich noch lange sehen kann. Ich fahre weiter nach Westen bis Three Points, wo es auf der 286 schon wieder runter nach Süden und dann nach Osten geht. Die meisten Dörfer sind verlassen, ganz anders als im Norden. Kakteen begleiten mich heute den ganzen Tag. Und die Sternwarte ist auch immer noch zu sehen.

Obwohl es auch hier einen Grenzübergang gibt, bleibt diese Straße leer. Endlich bin ich wieder der einzige überlebende Mensch auf der Erde. Wenn mir wirklich mal ein Auto begegnet, werde ich mit Handzeichen gegrüßt und grüße natürlich kollegial zurück. Auf sanften Hügeln wächst hohes rötlich-goldenes Gras.

Schon oft gab es eine Polizeikontrolle der Border Police, aber hier tut sich ein Wichtigtuer besonders wichtig und ich muß jetzt sogar meinen Paß herauskramen. Hier (und auch später noch öfters) haben sie sogar ausfahrbare transportable Wachttürme an den doofen Check‑Points aufgebaut.

 

USA Reise November 2010

 

Es folgen noch unzählige dieser lästigen Kontrollen, an fast allen jetzt mit dieser lästigen Paßkontrolle und noch lästigeren dummen Fragen. Man sucht gleichermaßen nach ins Land geschmuggelten Mexikanern wie nach Drogen. Mehrmals schnüffelt ein Hund an meinem Hinterteil (des Autos) herum. Ich glaube eigentlich nicht, daß das besonders effektiv ist, es stört nur den Verkehr. Ich fühle mich dabei immer wieder stark an die früheren DDR-Kontrollen erinnert. Von einem freien Land kann hier unten im Süden jedenfalls keine Rede sein. Ganz im Gegenteil: Amerika ist kein freies Land. Unter „Freiheit“ verstehe ich etwas anderes. Auch wenn jeder Waffen aller Art im WalMart und überhaupt in jedem Supermarkt kaufen kann und in seiner Tasche haben darf, aber diese unzähligen Polizeikontrollen passen nicht zu einem freien Land und sind einfach nur lästig. Es wimmelt nur so von den Border Control-Polizeiautos. Man sieht sie massenhaft, überall, auch auf den Sandpisten mitten in der Wüste. Ob das an der EU-Ostgrenze auch so schlimm ist?

Es folgt ein kurzes Stück Autobahn I 19, wo die Entfernungen ausnahmsweise und nur hier, in Kilometern angegeben werden; aber nicht die Tempolimits.

In einem Motel8 erscheint mir der geforderte Preis von 56 Dollar plus tax zu hoch und ich versuche es in einem Motel 6, wo die Reklametafel vorhin einen Preis in Höhe von 39,99 $ (plus tax) angepriesen hatte, das Office ist aber unbesetzt und es warten schon mehrere Leute. Ich habe keine Lust, mich hinten anzustellen und vielleicht noch ewig lang warten zu müssen und fahre kurzerhand in ein neu aussehendes Best Western, wo ich für das Zimmer zwar 114 $ bezahlen muß, aber dafür wahrscheinlich auch ein bißchen mehr Komfort und Sauberkeit erhalte.

Wenn schon das Zimmer so teuer ist, muß ich am Essen sparen, deshalb gehe ich ins angrenzende Carl’s; es ist billig und schlecht. Pech gehabt, wieder mal an der falschen Stelle gespart…

Die Schmerzen in meinen Augen sind inzwischen recht heftig und ich mache mir große Sorgen, was morgen mit meinen Augen sein wird. Das rechte Auge ist längst rot blutunterlaufen. Werde ich vielleicht blind? Was passiert dann mit der Tour? Und mit mir? Wie wird es weitergehen? Gibt es hier überhaupt einen Augenarzt?

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