Freitag, 24. Oktober 2008
Von Yuma nach Tuscon, 390 Meilen

 

Ich frühstücke im IHOP. Die Frau am Nebentisch kommt telefonierend herein und nimmt ihr Handy die ganze Zeit nicht mehr vom Ohr. Bestellung, Wartezeit und Essen, alles mit Handy am Ohr und ununterbrochen mit einer offensichtlich anderen Frau quatschend – und ich muß die Quasselei eine halbe Stunde lang ertragen! Aber dafür darf ich mich ab heute von meinem Helm trennen und ihn hinten aufschnallen, ich benötige ihn die nächsten Tage nicht mehr! Welch eine Wohltat, endlich mal wieder ohne Helm fahren zu dürfen! (Es darf halt nur nichts passieren…)

Ich tanke hier in Yuma noch günstiger als sonst. Habe ich die Tage vorher noch manchmal deutlich über 3 $ bezahlt, kostet die billigste Qualität hier in Arizona nur noch 2,99 $ per Gallone. (Im Juni, auf unserer Tour mit dem großen Wohnmobil, mußte ich noch zwischen 4 und 4,50 $ bezahlen! Da hat eine Tankfüllung gerne schon mal 200 $ gekostet, während diesmal das Volltanken meistens weniger als 10 Dollar ausmacht.)

 

USA Reise Okt/Nov 2008

 

Dann geht es erst einmal zurück auf die Autobahn I-8, weiter östlich, 114 Meilen. Macht aber nichts, denn schon bald durchquere ich ein interessantes Stück Landschaft mit den unterschiedlichsten Felsformationen und die Gegenfahrbahn ist hier sogar mal auf der rechten, also falschen Seite. Später lege ich dann noch eine kurze Rast auf einem Autobahn-Parkplatz ein, die hier ja nicht so reich gesät sind wie bei uns, nein, sie sind hier eher selten.

Unterwegs gibt es ein Staatsgefängnis in der Nähe der Autobahn; ein Schild warnt davor, Anhalter mitzunehmen…

 

USA Reise Okt/Nov 2008

In Gila Bend darf ich dann endlich runter von der Interstate auf den State Highway 85, er verläuft fast kerzengerade genau südlich, direkt auf die mexikanische Grenze zu. Hier ist viel mehr Verkehr als sonst, viele Leute streben offensichtlich nach Mexiko, ich weiß gar nicht, warum. Heiß ist es, sehr heiß. Aber ich genieße die Freiheit frei zu sein! Wind zerzauselt meine Haare.

 

USA Reise Okt/Nov 2008

 

Mein Weg führt durch Ajo, eine alte Stadt, der man noch etwas von ihrer vergangenen Blüte vor langer Zeit ansehen kann, denn hier wurde Kupfer gefördert; riesige Abraumhalden liegen überall in der Gegend herum.

Auch hier fallen mir ständig Polizeiautos auf, die entweder herumfahren und nach Zuschnellfahrern suchen oder bereits mit zuckenden Lichtern am Straßenrand stehen und abkassieren. Das wird auch alle Tage meiner Reise so bleiben, offenbar braucht man Geld, viel Geld, sehr viel Geld, und das will man auch mit diesen Mitteln hereinholen.

Ich bleibe deshalb relativ brav und fahre stets nur zwei, drei Meilen (höchstens mal fünf) schneller als erlaubt, auch wenn meine rechte Hand gerne schon mal dagegen meutern würde. So lasse ich mich auf der Autobahn auch oft überholen und bekomme keinen Ärger mit den vielen Cops. Mein übersteigertes Selbstvertrauen erhält durch die vielen Polizisten immer mehr Dämpfer. Aber es schadet ja auch nichts, wenn man auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird.

Immer weiter südlich geht es, bis ich endlich sehen kann, wofür ich den langen Weg heute gemacht habe: Kakteen, unzählige Kakteen. Ich bin im Organ Pipe Cactus National Monument, nur hier gibt es die wie Orgelpfeifen aussehenden Kakteen.

Organ Pipe Cactus National Monument – Wikipedia

 

USA Reise Okt/Nov 2008

USA Reise Okt/Nov 2008

USA Reise Okt/Nov 2008

USA Reise Okt/Nov 2008

USA Reise Okt/Nov 2008

 

Ich fahre bis zur Grenze nach Mexiko, bis nach Lukeville. Eigentlich wollte ich ja mal nach Mexiko rüberfahren, obwohl es im Mietvertrag ausdrücklich verboten ist. Aber mein Mut verläßt mich, unterwegs hat mir schon mal jemand davon abgeraten, außerdem müßte ich eine sogenannte Mexiko-Versicherung abschließen, die auch nicht ganz billig sein soll, obwohl sie andererseits überall am Straßenrand angeboten wird – also, ich klemme lieber ängstlich meinen Schwanz ein und fahre wieder zurück. Ich habe mich schließlich auf fremdes, feindliches Territorium gewagt, immer wieder beschleicht mich heute das Gefühl, als könnte etwas Unangenehmes passieren. Aber ich kann es vorwegnehmen, ich habe Glück, alles wird gutgehen!

 

USA Reise Okt/Nov 2008

USA Reise Okt/Nov 2008

 

Nach 27 Meilen kann ich rechts auf die 86 abbiegen und fahre jetzt wieder in östlicher Richtung, die schwächer werdende Sonne und den späteren Sonnenuntergang in meinem Rücken und in den Rückspiegeln. Aber auch hier bin ich schlagartig wieder in einem Kakteengebiet, die sind also gar nicht nur da unten im Organ Pipe Cactus N.M.! So sind die Amis halt mit ihren ständigen Übertreibungen…

Die Straße zieht sich, gut daß ich vorhin beim Abbiegen noch mal voll getankt habe und deshalb jetzt noch genügend Benzin im Tank habe, denn es gibt auf den nächsten hundert Meilen bis Tucson keine einzige Tankstelle. Noch dazu bin ich auch hier wieder, wie so oft auf dieser Reise, im feindlichen Indianergebiet. Langsam wird es dunkel und damit auch kühl und kalt. Ich muß sogar anhalten und meine Jacke mit den langen Ärmeln anziehen.

Gerne fahre ich nicht hier im Dunkeln herum, denn schon ein paarmal lagen Reifenreste auf der Straße; jetzt über so ein manchmal recht großes Stück oder entsprechende Reifen-Drahtreste zu fahren – das könnte unangenehm werden und fatale Folgen nach sich ziehen! Vorhin, auf meinem Weg nach Lukeville lag solch ein größeres Reifenteil auf der Straße. Das Polizeiauto hinter mir hat es einfach unbeachtet liegen gelassen, und auf meinem Rückweg lag es immer noch da!

 

USA Reise Okt/Nov 2008

 

Doch ich habe Glück wie immer, nichts liegt bösartig auf der Straße herum und will mir an die Wäsche, nur eine Border Patrol-Kontrollstelle kommt mal wieder, im Dunkeln, mit entsprechend vielen Scheinwerfern, Leuten, Hunden, Spiegeln und was weiß ich noch alles.

Ganz kurz vor Tucson biege ich dummerweise an einer Tankstelle links falsch ab, weil es da Lodging geben soll, aber das muß ich irgendwie falsch verstanden haben, denn ich bin bald wieder in der Einsamkeit, die Straße geht in starken Wellen rauf und runter. Ein Schild, das ich im Dunkeln gerade noch so erkennen kann, sagt mir, daß ich im Saguaro National Park bin, also falsch. Das bedeutet, erst einmal wenden und den ganzen Weg zurück und dann weiter Richtung Tucson.

Dort komme ich gleich auf die Interstate I-19 und muß mich entscheiden: rechts oder links - ich fahre nach links und sehe auch bald ein Motel6 auf der anderen Seite mir zuwinken, mit dem ich letzte Nacht ja eigentlich ganz zufrieden war. Aber, leider, die nächste Ausfahrt ist wegen Bauarbeiten gesperrt. Na, nicht schlimm, nehme ich halt die übernächste Ausfahrt und fahre zurück. Geht nicht, Pustekuchen, genauso gesperrt! Und die nächsten zehn Ausfahrten auch! Das bedeutet, fünfzehn (15!) Meilen nur geradeaus bis ich endlich wenden kann und noch mal fünfzehn Meilen zurück. Aber irgendwann bin ich dann doch am zuvor gesehenen Motel, bekomme ein Zimmer für 39,99 $ und esse gegenüber im Kettler für 27 $. Anne bedient mich sehr freundlich, ihre Mutter stammt aus Berlin und so können wir etwas deutsch miteinander reden.
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