Tag
2 Mittwoch,
13. April 2011 Amman
Zitadelle, Fahrt durch die Stadt, Busfahrt nach Petra Schade,
daß es keinen Schalter gibt, den man einfach umlegt, damit die Zeit ab
jetzt nur noch halb so schnell vergeht. Dann hätte man viel mehr vom
Urlaub. Aber stattdessen verstreicht die Zeit im Urlaub ja viel schneller
als sonst… Überall
in der Stadt wird emsig gebaut. Diese Stadt hat die menschliche
Zivilisation entscheidend mitgeprägt und drei Religionen hervorgebracht.
Für den, der sich dafür interessiert: Die Einwohner nennt man Ammani. Der
telefonische Weckruf erfolgt um 9:30 Uhr, ich bin aber schon viel eher
wach, denn unzählige Muezzins schrien schon frühmorgens aus zahlreichen
Minaretten und aus sämtlichen Himmelsrichtungen ihre schrecklichen Gesänge
zu mir ins Zimmer. Jallah!
(Auf geht’s!) Nach einem einfachen Frühstück geht es gleich im Bus mit
unserem Besichtigungsprogramm los. Jede der beiden Gruppen, ich bin jetzt
für die gesamte Reise in der blauen, hat ihren eigenen Bus und behält
ihn auch. Zuerst geht es auf die fünfzig Meter hohe Zitadelle.
(Sollen das wirklich nur fünfzig Meter sein? Mir kommt unser Hügel doch
deutlich höher vor.) Von hier oben haben wir eine gute Aussicht auf das
schier endlose Häusermeer der Stadt. Das Wetter ist warm und sonnig. Schade:
Das ca. 6.000 Personen fassende und aus dem zweiten Jahrhundert stammende
gegenüberliegende antike römische Amphitheater wird aus Zeitgründen
leider nicht besucht; genauso das Nationalmuseum. Zwei angekündigte
Programmpunkte weniger. Unser
Reiseleiter Atef spricht sehr gut Deutsch; schließlich hat er früher in
Frankfurt und Darmstadt Geophysik studiert. Er erzählt uns viel
Interessantes über die Geschichte Jordaniens. Amman ist bereits über fünftausend Jahre
alt und hatte deshalb viele Namen; im Jahr 250 hieß die Stadt
Philadelphia. Viele Dinge aus der Bronzezeit gibt es hier noch
auszugraben. Jetzt soll Amman angeblich eine der zehn saubersten Hauptstädte
der Welt sein. (Wer beurteilt so etwas eigentlich?) Hier
oben auf dem Jebel Qalaat stehen genug beeindruckende Tempelreste und Säulen
aus frühbyzantinischer und römischer Zeit herum. Es gibt auch ein
winziges archäologisches Museum. Amman
lag früher auf sieben Hügeln, jetzt sind es siebzehn (oder noch mehr),
weil die Stadt natürlich ständig wächst. Hier
kann der Interessierte dazu weitere Informationen abrufen: Benzin
ist in Jordanien außerordentlich billig, Normal ca. 60 Eurocent,
Diesel noch weniger. Deshalb bleiben sämtliche Motoren der vielen Busse
immer am Laufen. Unser Mittagessen erhalten wir gegen 14 Uhr in einem
großen Restaurant, wo einige hundert Leute aus mehreren Reisebussen
gleichzeitig abgefüttert werden können. Ich bin verblüfft, wie
routiniert hier alles abläuft. Vier Gänge, bei den Vorspeisen (Mezze)
bedient man sich aus sechs, acht Schüsseln, auch beim heißen Fladenbrot,
danach beim Hauptgang (oft drei Sorten Fleisch, meistens Rind, Huhn, Lamm)
ist alles schon auf den Tellern. Kichererbsenbrei (Humos) wird zu meiner
favorisierten Lieblings-Vorspeise in der nächsten Zeit. Und Auberginenpürree
in Olivenöl. Zum Schluß gibt es Obst, Bananen und Orangen. (Nota Bene:
Der vornehme Ammani schneidet beide Enden einer Banane ab, macht einen Längsschnitt
und kann sie dann mit Messer und Gabel verspeisen ohne sie je in die Hand
genommen zu haben.) Wasser ist im Übrigen immer kostenlos; wer etwas
anderes trinken möchte, muß es separat bezahlen. Bei
der Weiterfahrt können wir ein paar teure Villen sehen, eine Wohltat für
meine Augen, die vielen Hausruinen und heruntergekommen Behausungen, der
viele Schmutz, Müll und Unrat, dazu unendlich viel Staub, alles das ist
schlimm anzusehen. Wer
Sauberkeit und intakte Dinge in arabischen Ländern erwartet, hat von der
arabischen Mentalität nichts verstanden. Ich war ja schon mehrmals in Ägypten
und auch in Tunesien, daß es aber so schlimm in Jordanien werden würde,
hätte ich nicht erwartet. Und dabei war ich ja schonmal kurz in diesem
Land hier… Der
Verkehr ist ähnlich wie in jeder Großstadt, jede Menge teure Autos,
Corvette, Mustang, Hummer, Lexus und selbstverständlich auch zahlreiche
deutsche teure Autos. Ein paar moderne gläserne Hochhäuser sind im Bau. Natürlich
gibt es hier seit zehn Jahren alle üblichen Fast Food-Läden, genauso wie
viele US‑Hotelketten. An
der riesigen neuen US-Botschaft vorbei, geht es jetzt südlich aus der
Stadt heraus, wir passieren das neue Außenministerium und biegen auf die
Autobahn 15 ab, Richtung Aqaba. Es ist derselbe Weg, den wir heute
Nacht in die Stadt gekommen sind, nur gibt es jetzt deutlich mehr Verkehr.
Der Flughafen und die Zufahrtstraßen werden sehr groß ausgebaut, man
sucht offensichtlich Anschluß an die weite Welt. Nach der morgendlichen Kühle
ist es längst heiß und sonnig. Mir
fallen die vielen Schulen und Universitäten auf, ein Großteil ist
offenbar privat finanziert. Jeder dritte Jordanier soll Akademiker sein.
Es gibt schon lange Schulzwang, jedes Kind muß zur Schule gehen.
Beduinenkinder können und müssen Militärschulen in der Nähe ihres
jeweiligen Lagerplatzes besuchen. Viele Jordanier gehen nach der Schule
zum Studium ins Ausland und bringen viel Wissen von dort mit. Im
Bus gibt es ständig Wasser in Flaschen, pauschal sollen wir zwei Euro pro
Tag dafür bezahlen. Jordanien
ist übrigens immer ein Durchgangsland gewesen. Nur für Moses nicht. Der
mußte, nachdem er das Gelobte Land erblickt hatte, hier bleiben und
sterben. Der
König ist überall gegenwärtig, auf Bildern, Plakaten und Fahnen in den
Geschäften und an Häusern, Schaufenstern, Autoscheiben. Polizisten
stehen oft am Straßenrand mit Laserpistolen und kassieren gleich ab. Die
vierspurige "Schnell"strasse ist total uneben, unser Bus
schwankt oft bedenklich, er bleibt daher meistens auf der linken Spur.
Hoffentlich werde ich nicht seekrank. Direkt,
nachdem wir aus der Stadt raus sind, fängt die Wüste an. Hier wächst
gar nichts mehr, nicht wie in den USA oder Mexiko, wo es doch immer noch
viele Pflanzen und Büsche gibt. Ziegen und Schafe können hier eigentlich
nichts zu essen finden. Trotzdem sind sie im gesamten Land anzutreffen. In
der Nähe winziger Dörfer zwingen lästige Fahrbahnschwellen jedes
Fahrzeug zum starken Abbremsen – und wieder Beschleunigen. Ich hasse
diese Sch…dinger. (Am schlimmsten sind sie ja in Holland.) Als
Chronist sitze ich heute ausnahmsweise mal ganz vorne, auf dem Sitz des
Reiseleiters. Sonst sitze ich während dieser Vorreise bis Damaskus im Bus
meistens in der ersten Reihe links, direkt hinter dem Busfahrer. Ab
Damaskus dann meistens ganz hinten. Die
unzähligen großen LKW sind alle von Mercedes (Actros), mit ganz seltenen
Ausnahmen von MAN. Die meisten transportieren Container zum oder vom Hafen
in Aqaba (eigentlich Al‘ Aqaba). Es gibt auch viele Tankwagen. Ich
sehe viele Reifenpannen, man hält auch sonst gerne einfach auf dem
Standstreifen an, z.B. zum Picknick oder zum Beten. Wegweiser
nach Saudi Arabien und sogar nach Jemen fallen mir auf. Später auch eine
Eisenbahnlinie. Es ist die berühmte Hedschasbahn, die Anfang des 20. Jahrhunderts
hauptsächlich für Pilgerreisende zwischen Damaskus und Medina (Mekka) mühsam
gebaut worden und nach Fertigstellung nur kurze Zeit benutzt worden ist. Eine
hunderte Kilometer lange Pipeline mit mindestens anderthalb Metern
Durchmesser für Trinkwasser aus dem Süden wird gerade parallel zur
Autobahn mit großem Aufwand vergraben. Der Norden und vor allem Amman
brauchen sehr viel Wasser. Jordanien ist eines der zehn wasserärmsten Länder.
Die Eisenrohre kommen sämtlich viele hundert Kilometer auf unzähligen
Lastwagen aus der Türkei. In
einer Phosphatmine werden Düngemittel im Tagebau abgebaut. Man erkennt
reichlich Staubwolken seitlich links im Hintergrund über den Bergen.
Jordanien steht an vierter Stelle weltweit. Später
biegen unsere beiden Busse rechts ab, auf eine gerade neu reparierte
Landstraße mit jeder Menge Straßenlaternen. Endlich fünfzig Kilometer
angenehme Fahrt. Unser Ziel ist Petra, die uralte Nabatäerstadt. Petra
ist eines der sieben neuen Weltwunder und natürlich längst
UNESCO-Weltkulturerbe. Wir
erreichen die Stadt gerade noch rechtzeitig zum Sonnenuntergang, den wir
über der Stadt Wadi Musa von einem hohen Berg aus bewundern können. Dann
kommen wir in unserem Hotel an, das viersternige „Petra Panorama Hotel“
oben an einem steilen Berghang. Nach
der Sicherheitskontrolle betreten wir das Hotel im obersten Stockwerk und
fahren im Aufzug nach unten; im elften Stock muß man umsteigen und weiter
runter fahren. Das Hotel ist alt, vier Sterne sind eigentlich deutlich zu
viel, alles ist abgewohnt, die Teppichböden katastrophal miserabel
verlegt. Mein Zimmer hat aber wenigstens eine großzügige Terrasse mit
wunderschöner Aussicht nach Westen und die Balkontür läßt sich weit
aufschieben. (Da drüben, tief zwischen den vielen Felsen, werden wir
Morgen auf Exkursion gehen.) Das
ist das Positive. Alles andere ist schlimm, die Einrichtung ist alt und
abgewohnt, zwei schmale einfache Holzbetten, die Matratzen auf je einem
alten Brett. (Wie soll da die Matratze auslüften? Ich wische schnell
jeden weiteren Gedanken an unangenehme feuchte Matratzen weg.) Dazu
gibt es einen alten kleinen Fernseher (immerhin mit ZDF!), keinen Safe,
keine Flasche mit Trinkwasser, keine Uhr, keinen Rauchmelder, nur je ein
hartes Kissen. Das Bad entsprechend schlimm, angebrochene Fliesen, kein
Bidet, eklige Silikonfugen - und der alte schäbige Duschvorhang in
der engen Badewanne ist beim Duschen „sehr entgegenkommend“. Kollegen
berichten von einem frisch gestrichenen Zimmer direkt neben ihrem mit
entsprechendem Farbengestank - und einer offenen Verbindungstür.
Dieses
Hotel kann nicht weiterempfohlen werden. Eine General-Renovierung ist für
dieses Haus dringend angesagt.
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