Mittwoch,
3. November 2010 |
Eigentlich
hatte ich erwartet, ein Best Western Motel mit dem Namen „Seven Seas“
böte schöne Zimmer an. Falsch gedacht, das Motel ist reichlich
runtergekommen, ich bin doch etwas enttäuscht. Frühstück muß extra
bezahlt werden. Da mache ich mich lieber ganz schnell aus dem Staub. Ich
fahre erst einmal ein Stück auf dem Hotel Circle herum, um das Motel noch
einmal zu sehen, in dem wir vor ein paar Jahren übernachtet haben. Aber
es gibt hier zu viele davon, alle sehen gleich aus, und deshalb breche ich
ab und folge den Hinweisen des Navis zu meinem ersten Ziel: Es
ist die hiesige strahlendweiße Mormonen-Kirche „The Church Of Jesus
Christ Of Latter-Day Saints“
(Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage) auf dem
Charmant Drive, die ich schon ein paar Mal vom naheliegenden Freeway aus
gesehen habe. Zu gern würde ich mal reingehen. Doch sie ist hermetisch
abgeriegelt und es ist ein hoher weißer Zaun drumrum; Mormonen wollen
unter sich bleiben, wie alle Sekten. Trotzdem: Sie ist wahrhaft
beeindruckend durch ihre im Sonnenlicht schneeweiße Fassade. Sie ist schön,
so schön, so wunderschön. Sie fasziniert mich jedesmal aufs Neue mit
ihrer Schönheit und ich fühle mich sehr stark von ihr angezogen.
(Eigentlich wie Odysseus bei den Sirenen in der griechischen Mythologie.
Und Orpheus.) Die Gartenlandschaft drumrum wird von mehreren Gärtnern in
Schuß gehalten. Kirche
Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage – Wikipedia Ich
mache hier meine ersten Fotos mit der ein paar Tage zuvor gekauften
brandneuen Panasonic Lumix FZ 100; außerdem habe ich noch meine bewährte
kleine Panasonic Lumix TZ 5 dabei. Zu meiner musikalischen Unterhaltung
habe ich wieder den USB-Stick, ein paar SD‑Karten und CDs eingepackt
und den i-Pod im i-Phone, das über Bluetooth oder Kabel am Mustang
angeschlossen werden kann. Also viele, viele tausend MP3-Musiktitel. Und
dann gibt es auch noch das Sirius-Radio mit hunderten Sendern, allen voran
natürlich Mr. Elvis Presley in seinem eigenen Sender, live, aus
Graceland, Memphis, Tennessee. (Eins ist ganz sicher: Elvis lives forever!
In den Herzen seiner Freunde…) Für
ausreichend Musik ist also gesorgt. Mein (ur)altes bewährtes TomTom-Navi
GO 910 wird mich auf dem rechten Weg führen. Das ist mein Equipment. Hier
an der „Kirche“, (ich glaube, offiziell ist es ein Tempel, es ist auch
nirgends ein Kreuz zu sehen), hier öffne ich endlich mein Dach. Vorher
war es mir noch zu kalt, obwohl es sonnig ist. In
San Diego gibt es übrigens reichlich viele Ampelblitzer, es werden davon
überhaupt immer mehr in den größeren Städten. Aber alle werden vorher
mit Schildern angekündigt. Deshalb: Aufmerksam sein! Man wird immer
gleichzeitig von vorn und hinten geblitzt. Also in Städten beim „noch
Drüberschlüpfen bei Dunkelgelb und Hellrot“ vorsichtig sein… Dann
geht es an den Pazifik, wo mich die heftige Brandung schon freudig empfängt
und mir mit hohen Wellen entgegenkommt. Trotzdem oder vielleicht gerade
deshalb gibt es ein paar gummiangezogene Surfer. Mein Urlaub hat endgültig
begonnen. Ich kann durchatmen, mmh, jede Menge salzigfrische Meeresluft,
ah, tut das gut! Die Leute wissen wahrscheinlich gar nicht, wie gut sie es
hier haben. In dieser guten Luft würde ich zu gerne den Rest meines
Lebens verbringen. Trotz strahlender Sonne ist es immer noch kühl, aber
das ist es ja immer an der Pazifik-Küste. Ich
bin noch immer unbefrühstückt. Deshalb suche und finde ich endlich ein
kleines und „einfaches“ Café. Diese Lokale sind oft etwas
heruntergekommen, oft etwas schmutzigklebrig, genau wie dieses hier, aber
es schmeckt in diesen Läden meistens herzhaft und typisch amerikanisch
– und es ist billiger, als es vorhin im Motel gewesen wäre. In
Encinitas trenne ich mich vom Pazifik und fahre über Escondido in die
Berge des Cleveland National Forest hinein. Ich bin froh, daß ich endlich
aus dem Häusergewirr rauskomme und in ländliche Gefilde eintauche. Die
Straße ist bald so schmal und steil, wie ich es mir immer wünsche.
Gefahr: Direkt hinter einer Kurve liegt ein umgestürzter schwerer Baum
auf der Gegenseite, glücklicherweise kommt mir niemand gerade auf meiner
Spur entgegen. Glück gehabt! Hier gibt es schon lange nur noch wenig
Verkehr. Natürlich kümmert sich niemand darum, die Straße wieder frei
zu machen. In
dieser Gegend wird viel Obst angebaut, Orangen hängen an den Bäumen.
(Aber leider keine gebratenen Täubchen.) Ein großes neues Spielcasino
taucht auf. Also bin ich wieder in einem der unzähligen
Indianerreservate. Freude kündigt sich an: Endlich zeigt das Navi eine
sich endlos schlängelnde Straße, Kurven, viele Kurven. Es
geht immer weiter aufwärts, immer noch sehr steil, immer noch sehr
kurvig, zum Mt. Palomar Observatory, also mit entsprechender Sternwarte.
Ich kenne die Strecke, wie auch fast alle Straßen dieser Tour, aber das
macht nichts, sie machen mir jedes Mal viel Spaß. Der Mustang erklimmt mühelos
jede Steigung mit Bravour, er hat ja auch genügend Pferdchen unter seiner
Haube. Während
ich an einem der Ausblicke anhalte und fotografiere, stoppt ein Auto mit
zwei Handwerkern extra wegen mir, um mir einen der folgenden Overlooks
weiter oben zu empfehlen. Es gibt hier also auch freundliche Menschen. Nach
und nach wird die Luft um mich herum dünner, aber es geht ja auch auf
5.000 Fuß rauf. Die Kuppel des Observatoriums werde ich noch lange im Rückspiegel
sehen. Motorradfahrer
sausen emsig die Bergkurven rauf und runter. Ich beneide sie um ihre Schräglage.
War es vielleicht falsch, ein Auto zu nehmen? Weiter
geht es durch den Anza-Borrego Desert State Park und durch die wunderschöne
Ocotillo-Desert (Wüste). Graubraune Berge und Hügel umringen mich, fast
alle kahl, selten gibt es ein paar grüne Farbtupfer, kleine Büsche, die
es hier in der Dürre aushalten. In dieser einsamen Gegend werden von
Toyota ein paar Autos getestet, zwei große LKWs stehen herum, aber es ist
nichts Geheimes. Nur
ganz wenige Autos begegnen mir. Fast fühle ich mich wie auf dem Mond.
Allerdings ist es hier etwas wärmer als auf unserem Trabanten: Um 4 Uhr
nachmittags (wir haben Anfang November) sind es immer noch über 90°F (= 32°C). Hier
ist die erste (kleine) der später noch vielen Polizeikontrollen. Die
mexikanische Grenze ist nah. Ich habe (noch) Glück, es werden nur die
entgegenkommenden Autos angehalten. Als
ich Eintritt zu einem kleinen State Park bezahlen soll, wende ich lieber,
es würde sich nicht lohnen, es ist bereits später Nachmittag, in zwei
Stunden wird es dunkel. Ich muß mich sputen, bis zum nächsten Motel ist
es noch weit. Erfreulicherweise komme ich dann doch noch im Hellen bis
Calexico: Calexico ist eine Stadt im Imperial
County im US-Bundesstaat Kalifornien,
Vereinigte Staaten, mit 37 552 Einwohnern
(Stand: 2007). Das Stadtgebiet hat eine Größe von 16,1 km² und befindet
sich an den California State Routes 98 und 111. Der Name der Stadt ist ein aus California
und Mexico zusammengesetztes Kunstwort, ebenso wie der Name der
Stadt Mexicali,
die sich auf der anderen Seite der Grenze
zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko unmittelbar
anschließt und Hauptstadt des Bundesstaates Baja California ist. Calexico wurde 1900
gegründet und 1907 als Gemeinde offiziell registriert. Bisher
habe ich noch nie von diesem Ort gehört. Muß man auch nicht. Ich übernachte
in einem sehr ordentlichen neuen Best Western für 79 $. Nebenan,
einen Block entfernt, esse ich herzhaft zu Abend im „Applebees“. Das
Essen ist schmackhaft und gut, habe ich gar nicht erwartet, beweise da ja
oft auch kein so gutes Händchen, aber hier ist mein Abendessen recht
befriedigend: Es gibt ein gutes saftiges Steak mit Süßkartoffeln und
vielen Zwiebeln. So leer habe ich meinen Teller in Amerika schon lange
nicht mehr geputzt. Dazu zwei Coronas (teuer für je 5 $)
und eine Margarita mit Granatapfelgeschmack.
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