Freitag, 6. Juni 2008

San Francisco – Tracy (82 Meilen)

Die Sonne scheint fröhlich in unser Zimmer und beleckt unsere Gesichter. Glücklicherweise konnten wir unser Fenster die Nacht über öffnen. Deshalb baden wir geradezu in frischer, kühler, sonniger Luft. So sollte jeder Morgen sein! Wider Erwarten haben wir königlich in unseren breiten Doppelbetten mit den vielen Kissen geschlafen.

Im Holiday Inn hätten wir kein Frühstück umsonst bekommen - hier schon, wenn auch natürlich nur Continental Breakfast, aber es gibt reichliche Auswahl. Danach haben wir Zeit, ich habe natürlich schon gleich um 8 am bei unserer Autovermietung Roadbear angerufen; deren Bus holt uns aber leider erst gegen 12 am ab, denn er kommt nur einmal über die Bay herüber, bringt heimfliegende Kunden zum Flughafen und holt gleichzeitig neue Kunden in den umliegenden Hotels ab.

USA 2008 mit dem Wohnmobil

Naja, so voller guter Laune und ebensolcher Erwartungen und voll mit reichlich Frühstück warten wir geduldig vor uns hin. Wir sitzen vor dem Best Western Nachbar-Hotel in der immer wärmer werdenden güldenen Sonne; unser Quality Inn nebenan hat noch nicht einmal eine Bank draußen.

USA 2008 mit dem Wohnmobil

 

Endlich kommt der Van vom Wohnmobil-Vermieter. Ein paar weitere Leute werden noch kurz auf dem Weg an einem anderen Hotel aufgepickt und dann sind wir auch schon auf der endlos langen Brücke (San Mateo – Hayward Bridge) über die San Francisco Bay rüber nach Hayward, wo unser Vermieter Roadbear sitzt. Marcel, unser Fahrer, ist Deutscher und hat eine GreenCard gewonnen. Er erzählt uns, wie knapp die Amis zur Zeit mit ihrem Geld auskommen müssen. Er auch zusammen mit seiner Frau, er hat zwei Jobs, sie noch mehr. Alles wird hier ständig teurer, genau wie bei uns, während die Einkommen natürlich nicht steigen. Vor allem Energie, Lebensmittel und Benzin sind hier in letzter Zeit sehr teuer geworden. Also wirklich alles wie bei uns. Aber die Amerikaner kannten das bisher noch nicht so extrem.

 USA 2008 mit dem Wohnmobil

USA 2008 mit dem Wohnmobil


Dann sind wir auch schon bei Roadbear in Hayward: Ein enges kleines Firmengelände, einige weiße Wohnmobile stehen herum. Unseres erkenne ich schon gleich, es ist das größte und scheint abfahrbereit in der Ausfahrt nur noch auf uns beide zu warten. Aber erstmal müssen die schriftlichen Formalitäten abgewickelt werden, Verträge mit vielen Unterschriften, Kautionen für alles mögliche und zusätzliche Versicherungen werden uns wie immer aufgeschwatzt, ich habe wie immer ein ungutes Gefühl dabei. Aber wenigstens ist alles in deutsch, sogar in schwyzerdütsch, denn Roadbear ist eine Schweizer Firma mit mehreren amerikanischen Franchise-Filialen und man hat hier im Sommer ein paar schweizer und deutsche Praktikanten und Praktikantinnen herumlaufen.

Der Chef bleibt an seinem Schreibtisch sitzen, er ist Ami und spricht kein Deutsch; er ist mittelalt, so klein wie ich, und überhaupt ein unsympathischer Typ, mit fettig-langem Haarzopf; bestimmt fährt er eine Harley. Er lehnt jegliches Entgegenkommen gleich rundweg und von vorneherein rigoros ab, man kann mit ihm über nichts verhandeln. Für die Rückgabe sehe ich insoweit Probleme auf uns zukommen, daß hier die Rückflugleute grundsätzlich nur einmal täglich und erst gegen 12 Uhr mittags zum Flughafen gefahren werden. Unser Flug startet aber bereits um 12.40 Uhr mittags. Der Boss läßt uns mitteilen, daß wir uns entweder ein Taxi für ca. 75 $ nehmen sollen, oder die U-Bahn mit einmal umsteigen – wie soll das gehen, mit unseren schweren Koffern?

Na, darüber regen wir uns erst einmal noch nicht auf, denn jetzt kommt die kurze Einweisung am Wohnmobil, einem „Winnebago Sightseer“. Mann, ist der groß! Jetzt, wo wir direkt davor stehen, kriege ich doch etwas Bammel, so ein Gerät habe ich bisher selten gefahren, eigentlich noch nie. Aber ich kann ja alles fahren! Das Auto ist fast so groß wie ein Ozeandampfer!! Und genauso weiß! Andrea weist uns beide ein. Und dabei wird jedes kleine Kratzerchen penibel aufgenommen. Ich werde mehrmals und ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß ich für das Auto voll verantwortlich bin und für jede kleine Schramme bezahlen muß. Auch für Steinschlag in der Scheibe oder für Reifenpannen. Auch auf überstehende Äste soll ich achtgeben, die verkratzen mit Vorliebe die komplette Seite. Und die riesige Vorderscheibe zieht jeden kleinen herumfliegenden Stein magnetisch an. Also immer aufpassen und vorsichtig sein! Sogar aufs Dach müssen wir dann noch gemeinsam klettern, um eventuelle Schäden aufzunehmen, aber nirgendwo sind welche. Also muß ich extrem aufpassen.

 USA 2008 mit dem Wohnmobil

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Die Technik ist einfacher als ich vorher gedacht hatte. Tipp: Im Internet kann man bei RoadBear und bei der Konkurrenzfirma El Monte RV das deutsche Handbuch runterladen. Deshalb bin ich über das meiste schon vorab informiert.

Unser Dampfer ist ein „Class A“-Motorhome und 30 Fuß lang (ca. 10 m), eckig und weiß wie ein Schuhkarton. Hinten befindet sich das Schlafzimmer mit Doppelbett, („großem“ Doppelbett habe ich beim Korrigieren gestrichen, denn so groß ist es dann später gar nicht),  dann die Dusche, separates WC mit Wasserspülung und Waschbecken, natürlich warm und kalt, dann weiter vorne auf der rechten Seite die Küche mit Kochplatte, Herd, Kühl- und Eisschrank, alles (auch die Warmwasserheizung) gasbetrieben - oder mit Strom, falls angeschlossen, Mikrowelle, (aus verständlichen Gründen nur elektrisch), und die einzige Tür ins Freie mit automatisch ein- und ausfahrender kleiner Treppe.

Auf der gegenüberliegenden Seite der Eßtisch mit vier (schmalen) Sitzen, dazu noch eine Sitzbank, und schließlich ganz vorne zwei bequeme breite Einzelsitze mit großem Abstand dazwischen. Hinter dem rechten Vordersitz ist ein weiterer bequemer Sessel; alle drei Sessel sind drehbar. Ein Flachbild-Fernseher befindet sich über den beiden Vordersitzen. Im Armaturenbrett noch ein kleiner Bildschirm für die Rückfahrkamera und das Radio mit CD/DVD-Player.

Genug Schränke, Schubladen und Fächer gibt es, dazu sehr viele Steckdosen, aber natürlich nur für US-Stecker. Dann eine große Klimaanlage und eine Fernsehantenne zum Kurbeln auf dem Dach; eine kleinere Klimaanlage wird vom Motor betrieben.

Was uns gleich heftig stört, ist die Plastikfolie auf dem gesamten Fußboden, von hinten bis vorne, auch vorne unter den Pedalen: Das Auto soll später verkauft werden, und deshalb muß der Teppichboden geschont werden. Eßecke und Sitzbank können mit dem „Slide-Out“ elektrisch etwa einen Meter an der linken Seite nach außen gefahren werden; dadurch wird der Wohnraum größer. Ich werde darauf aufmerksam gemacht, daß der Slide-Out vor Abfahrt eingefahren sein sollte, sonst ist er ab…

Alle nötigen Küchenutensilien sind vorhanden, Töpfe, eine Pfanne, Besteck, Teller, Tassen, Gläser, auch Toaster, Kaffeemaschine und Bügeleisen.

Fünf Schlüssel gibt es, was mich mal wieder wundert, denn das ist ja heutzutage nicht mehr Stand der Technik.

Ein Convenience-Set und zwei Campingstühle habe ich vorab bestellt, sie liegen schon bereit, stellen sich aber als sehr mager heraus: Nur ein kleines und ein größeres dünnes altes abgenutztes blaues Handtuch für jeden, ein Bettlaken, Bettbezug mit dünner Einlage, und zwei ganz mickrige Kopfkissen, das ist alles, das hatte ich mir doch deutlich besser vorgestellt, zumal „Convenience“ ja Bequemlichkeit heißt. Daher mein Tipp: Handtücher und Bettzeug von zu Hause mitbringen (wir hätten dafür sogar einen Koffer mehr mitnehmen können) oder hier kaufen und später verschenken.

Aber jetzt wollen wir endlich los! Es juckt mich! Also, Plätze im Kommandostand einnehmen und los geht’s. Unsere Lieblingsfreunde kommen auch mit, ganz vorne natürlich Elvis P. und Tina T., unter vielen anderen aber auch Andrea B., Neil D., ein paar Monkeys, Dave Dee, Dozie, Beaky, Mick und Tich. Und Ich. Und Ich! Aishe ist auch übrigens auch dabei.

Ingrid zuliebe lasse ich auch einen Herrn Roger W. zusteigen. Drafi D. will eigentlich nicht mit, ich überrede ihn aber, ohne ihn fahre ich nicht, er ist schließlich der wichtigste gute Freund! Herrn Howie C. lasse ich aber nicht mit rein, der darf nicht mit, der muß draußen bleiben! Wer unter der geehrten Leserschaft sonst noch Lust hat, mitzufahren und überhaupt dabei zu sein, der hat jetzt noch Gelegenheit, mit einzusteigen, unser Wohnmobil ist ja groß genug. Aber Achtung, wir begeben uns mit Herrn X. N. zwischendurch auch mal 20.000 Meilen übers Meer und reiten mit Frau Turner auch mal auf den Flügeln einer Nachtigall. Und mit Manuela wollen wir zwischendurch auch mal einen heißen Bossa Nova tanzen.

Doch erst einmal müssen wir noch schnell in einem nahe gelegenen Supermarkt Lebensmittel und Haushaltssachen einkaufen. Für (relativ) preiswerte 158 $ (ca. 100 EUR) erhalten wir einen riesigen Einkaufswagen voll lebensnotwendiger Dinge, darunter ein saftig-heißes, fleischiges gegrilltes Huhn, (nicht einer dieser toten bedauernswerten mageren Käfigvögel vom deutschen Grill), Fleisch, Wein, Bier, zwei große Kästen „Diet-Pepsi“ (= Pepsi Light), Klopapier (muß im WoMo unbedingt einlagig sein!), viele Rollen Küchenpapier, Obst, Gemüse, (vor allem auch einige amerikanische schwarze Avocados für mich, mmmh!), Chips zum Knabbern, Kleinkram wie z.B. Einwegteller und –besteck, ein paar Kerzen für abends, eine Tischdecke usw. usw. Uns beiden jedenfalls erscheint der Großeinkauf im Vergleich zu den heimischen Preisen eigentlich noch preiswert.

Ingrid ist ja leider nur eine Frau und kann schon allein deshalb natürlich keine Karten lesen. Folglich bin ich hier auf der Brücke Käpt’n und Navigator in Personalunion; sie übernimmt dafür die Rolle der Kamerafrau. Unser TomTom-Navi schließe ich an, während Ingrid noch beim Einkaufen ist, und lege es in die mitgebrachte rutschfeste Schale auf das Armaturenbrett; gut, daß ich faul war und den Saughalter in der Corvette nicht abgemacht habe, das TomTom wäre viel zu weit von mir entfernt, so ist es viel bequemer. Ich bin dann sehr erleichtert, daß das TomTom sofort genügend Satelliten empfängt, um gleich loszuarbeiten. Ich war vorher im Zweifel, denn wir haben ja das riesige Autodach über uns. Aber da es aus Kunststoff ist, kommen die Satellitensignale problemlos zu uns durch. (So ein Navi dürfte also auch in einem Alkoven-WoMo zufriedenstellend arbeiten. – Nur für den Fall, daß sich das jemand für seine zukünftige Reise fragt.)

Dann legen wir mit unserem Dampfer endlich ab und stechen in See. Die ist auch gleich heftig, denn es ist Stau auf der Autobahn. Naiv, wie ich bin, wollen wir über die Oakland-Bridge, dann die Golden Gate Bridge und zum krönenden Abschluß über die Richmond – San Rafael Bridge tuckern, es ist ja erst 3 pm. Übrigens, die Brücken kosten nur beim Reinfahren nach SF so um die 5 $ Toll, (Gebühr), das Rausfahren aus der Stadt ist, so weit ich das weiß, immer kostenlos. So war mein Plan, aber der Stau zieht sich bis zum Horizont hin, deshalb ändere ich kurzentschlossen unseren Kurs, biege rechts ab, auf die Interstate 850, und so segeln wir ostwärts. Übrigens: Bei Roadbear habe ich von unserem Plan mit den drei Brücken erzählt, da hätten die mir dann gleich von Freitagsrummel, Rush-hour usw. erzählen und überhaupt davon abraten können, wenn sie nur ein kleines bißchen kundenfreundlicher oder –interessierter eingestellt gewesen wären.

 USA 2008 mit dem Wohnmobil

Nicht lange, und schon wieder zappeln wir im Stau, wir immer in der Mitte, rechts und auf unserer Spur Lkws, bei uns in der Mitte und links die Pkws und Vans. (Lkws dürfen grundsätzlich nur die beiden rechten Spuren benutzen – aber wir sind keiner. Hoffe ich!) Spaß macht das Fahren im Stau eigentlich nicht. Wir sitzen in gleicher Höhe wie die Trucker, aber das wird auch bald langweilig. Deshalb ändere ich erneut unseren Kurs und fahre hinter Pleasanton von der Autobahn runter. Aber auch hier auf der Landstraße Stau, es ist Freitag-Nachmittag-Verkehr ins Wochenende, das hätte ich bedenken müssen. Mitten durch den Stau quält sich dann, von hinten kommend, auch noch ein Krankenwagen mit Blitzlichtern und Sirene durch die Autos durch und auch an uns vorbei…

Jetzt habe ich die Schnauze voll und sehe im TomTom nach einem Campingplatz. Und richtig, 20 km voraus gibt es einen! Na, nichts wie hin, Fahrt aufnehmen und Kurs weiter Ost-Südost. Wir müssen auf eine Nebenstraße abbiegen und sind dann auch sofort aus dem Stau heraus. Endlich fährt es sich etwas leichter. Mann, wie viele Kabel über der Straße hängen, die habe ich bisher nie gesehen. Hoffentlich sind die alle hoch genug…

Krrrrks, ich mußte einem entgegenkommenden Lkw auf der schmalen Landstraße ausweichen und schon kratzt ein überhängender Ast rechts am WoMo entlang! Na, das fängt ja schon gleich gut an. Ich halte an einer Ausweichstelle und sehe mir die Bescherung an. Wir haben noch mal Glück gehabt, es ist nichts zu sehen, obwohl es deutlich und von vorne bis hinten gekratzt hat. Ich muß unbedingt noch mehr auf das Auto aufpassen!

Der Campingplatz heißt offiziell Carnegie State Vehicular Recreation Area und liegt kurz vor Tracy. Beim Ranger am Eingang müssen wir zehn $ Eintritt bezahlen. Er warnt uns schon gleich vor starkem Wind.

Hier auf dem Platz können sich Enduro- und Quadfahrer aller Altersklassen, also auch noch ganz kleine, nach Herzenslust austoben. Verschiedene Wege für Anfänger, Fortgeschrittene und Erfahrene führen durchs Gelände und in die nahen Berge hinauf. Aber da es Abend wird, wird es bald ruhiger. Nur der Wind läßt nicht nach, sämtliche Bäume sind schief in Windrichtung gewachsen.

USA 2008 mit dem Wohnmobil 

USA 2008 mit dem Wohnmobil

USA 2008 mit dem Wohnmobil

Unser erstes Abendessen in der Fremde und in einem Wohnmobil gestaltet sich als gut und interessant. Eigentlich ist es schön, jederzeit sein Essen zubereiten zu können. Später dazu noch mehr.

Wir haben etwas Schutz neben unserem Ozeandampfer gefunden. Hier sind wir relativ gut gegen alle Unbill geschützt.

Wir können auch die Dachantenne ausfahren und Fernsehen schauen. Könnten! Denn hier in der Wildnis gibt es natürlich keine terrestrischen Sender, also gehen wir bald schlafen.
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