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Tag, Montag, 13. August 2007
Hinfahrt 2. Teil und Ankunft |
Das typisch französische Frühstück
ist spartanisch, nur Baguette mit Butter und Marmelade und Kaffee.
Trotzdem muß es für den ganzen Tag reichen, ich will schließlich das
eine oder andere Kilogramm abnehmen, und wir kriegen erst abends wieder
etwas zu essen. Um 9.00 geht’s los, das Wetter ist immer noch warm und
sonnig. Kurz vor Lyon ist die Autobahn wieder kostenlos und so komme ich
prima um Lyon drum rum. Weiter geht es an St. Etienne vorbei. Kurz danach, bei Yssingeaux
fahre ich von der Autobahn runter und mein Navi führt mich über
schmale, sehr schmale Nebenstraßen durch einsame Wälder und
romantische Täler durch Aubenas nach Vialas. Endlich mal keine Ausländer
auf der Straße, keine Deutschen, noch nicht einmal Holländer, nur ein
paar ganz wenige französische Autos. Mein Auto kam mir, bisher
jedenfalls, nie zu breit vor, hier schon, aber zum Glück gibt es nur
wenig Begegnungsverkehr. Und noch eine Wohltat für meine Augen fällt
mir angenehm (nicht) auf: Keine Windräder bisher! Über ein nun wirklich beängstigend schmales Sträßchen, aber
wenigstens immer noch geteert, fahre ich wagemutig einen Berg hinauf.
Ich frage mich dabei dauernd, ob ich hier noch richtig bin. Aber das Glück
gehört dem Tüchtigen, denn auf einmal stehe ich an einem Schild „Gentiane“
(französisch, „genti ânes“, für „Freundliche Esel“). Ich bin
in Castagnols, endlich am Ziel, es ist halbsechs und 982 km habe ich auf
dem Zähler. Bis nach Montpellier am Mittelmeer wären es nur noch
achtzig km nach Süden. Eine ganze Reihe Autos stehen hier. Vor allem natürlich Franzosen
und doch wieder ein, zwei Holländer, aber die sind ja überall, haben
kein Zuhause und müssen auf der Straße leben. Ich bin der einzige
Deutsche. Ich bekomme tatsächlich den allerletzten Parkplatz in der
Reihe mit ca. fünfzehn Autos und quetsche mich schräg rein, mit dem
linken Vorderrad direkt über dem Abgrund. Ich muß so parken, weil
sonst die andern Autos hinten nicht vorbeikämen. Sophie zeigt mir das Haus, es ist eine Gîte d’étape, eine Herberge für Wanderer. Im Haus sind vier
Zimmer mit je bis zu sechs Betten. Nur ein einziges Badezimmer für
alle. Dann bringe ich mein Gepäck ins Zimmer und hoffe, daß ich diese
Nacht, wie von Sophie versprochen, alleine schlafen kann. Mein Zimmer
ist ganz oben und hat fünf asketisch erscheinende Einzelbetten, schmal,
sehr schmal, und sehr kurz, aber OK. Dann muß ich Hanni anbinden; sie darf nicht mit zu den Eseln, weil
die sonst Angst bekommen und beginnen könnten, im Pferch herumzurennen.
Also gehe ich allein mit zwei anderen französischen Familien hinunter.
Circa zehn, zwölf Esel stehen herum und warten auf Kundschaft. Franck
erteilt uns die Esel-Einweisung. Wichtig ist unter vielen anderen Dingen,
z.B. immer das Gewicht auf beide Seiten gleichmäßig verteilen. Den
Esel, solange er das Gepäck in den beiden riesigen Seitentaschen trägt,
nie loslassen, weil er sich sonst sofort auf dem Boden wälzen und
rollen könnte, und dann ist das gesamte Gepäck zermatscht. Und immer
beide Packtaschen gleichzeitig einhängen, sonst könnte es Verärgerung
(beim Esel) geben. (Wie soll ich das alleine machen?!) Wir erfahren, wie
wir ihn zum Weitergehen überreden können, wenn er mal nicht mehr will.
Oder auch zum Anhalten, wenn er plötzlich losrennen sollte. Dann, wie
das Zaumzeug angelegt und die Gurte des hölzernen Tragegestells für
die beiden Satteltaschen befestigt werden müssen, manche etwas locker,
einer davon vorne am Bauch etwas strammer (aber auf keinen Fall zu
fest!). Essen und Trinken braucht er nur morgens und abends. Tagsüber
unterwegs soll man seinem Wunsch nach Grasen oder Blätterknabbern nicht
zu oft nachgeben, sonst macht er bald mit einem, was er will. Morgens und abends müssen alle vier
Hufe sorgfältig saubergekratzt und -gebürstet werden. („Vorsicht,
die mittlere zarte Falte im hinteren Huf ist überaus empfindlich!“)
Dazu erfahre ich die Methode, wie ich meinen Esel dazu bewegen kann, daß
er den jeweils benötigten Huf anhebt. Dann den Rücken und den Bauch
striegeln, vor allem morgens, damit sich da nach dem Rumrollen im Staub
keine Steinchen im Fell verbergen können, die ihm dann später unter
den Sattelgurten wehtun. Dann muß man ihn an allen möglichen Stellen
mit einer stinkenden Tinktur einreiben, (biologisch, aus Kräutern der
Region), damit Mücken und vor allem Bremsen vertrieben werden. Und dann
erfahre ich noch, wie ich eventuelle Wunden behandeln kann. (Mit einem
grauen Steinpulver, das ich naß machen, sämig verreiben und ganz
vorsichtig auf der Wunde verteilen muß.) Nach einer Stunde weiß ich alles über Esel. Auch, daß so ein
Esel etwa soviel Trockengewicht hat wie meine GoldWing: 400 kg. Dann gehe ich wieder rauf zu Hanni; sie
war brav und hat nicht gebellt. Wir warten noch kurz und ich versuche,
mich mit den Franzosen etwas und so gut es geht zu unterhalten. Hanni
springt erstmal aufs Sofa und wir erhalten einen Anpfiff von der Frau,
die das Essen kocht. Die hat ja wohl den A… auf, so ein Theater zu
machen, Hanni ist doch nicht schmutzig. Und genug Eselsch…e liegt auch
überall herum! Und weil sie uns derart anschnauzt, will ich auch ihren
Namen nicht wissen. Dann gibt es auch schon Abendessen: Kürbis-
und Melonenwürfel, Lammragout mit Kartoffelgratin, (mein Lamm bekommt
Hanni, ich esse grundsätzlich keine Streicheltiere!), Käse und
Obstsalat. Dazu Rotwein und vor dem Essen einen Aperitif, wobei es sogar
reichlich Auswahl gibt. Dann noch schnell eine Zigarre. Um elf
liegen wir beide im Bett und haben das Zimmer tatsächlich ganz allein für
uns.
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