Dienstag,
4. September 2007 |
Um
kurz nach neun rufe ich bei EagleRider in Chantilly an. Wie gewohnt ist
man am Telefon recht kaltschnäuzig: Ich soll erst „nach elf“
kommen, vorher habe man zuviel mit anderen Kunden zu tun. Da uns das zu
lange dauert, bestellen wir uns ein Taxi und fahren schon mal hin. Der
Taxifahrer kennt sich natürlich nicht aus und zieht gleich sein Navi
zurate. Trotzdem muß ich ihm unterwegs noch helfen, aber letztendlich
finden wir EagleRider dann doch noch. Draußen vor der Tür stehen tatsächlich
genug Leute herum, die wohl alle Harleys übernehmen wollen. Deutsche
natürlich, aus Unna und Umgebung. Sie wollen nach New York zu einer
Gedenkfahrt zum 11. September. Bei
EagleRider in Chantilly Irgendwann
sind sie aber dann doch fertig und knattern ohrenbetäubend los. Die Übernahme
unserer GoldWing ist, wie stets bei EagleRider, etwas frustrierend ob
der Unfreundlichkeit und Langwierigkeit des Personals. Später
schreibt mir hierzu ein gutinformierter Bekannter: „Der
Service an den Mietstationen hängt leider immer von den Mitarbeitern
ab. Und, auch wenn man es kaum glauben mag, das Management befindet sich
in deutschen Händen. Da jedoch die meisten EagleRider-Stationen
Franchise-Filialen sind, hat man von der Zentrale nicht immer so die
Kontrolle drüber. In Miami gab es deshalb sogar schon massive
Beschwerden…“ (Inzwischen
habe ich in den USA auch ein, zwei andere Motorradvermietungen mit
GoldWings gefunden, sodaß
man nicht mehr allein von EagleRider abhängig ist. Bei Interesse bitte
melden.) Aber
nach einiger Zeit sind dann doch endlich alle Formalitäten erledigt und
wir dürfen unser Moped beladen. Unsere GoldWing ist ein 2007er Modell,
dunkelrot, wie meistens „nackt“ (leider auch kein CD-Player) und hat
10.245 Meilen auf dem Tacho. Ingrid
hat wie immer reichlich Klamotten mitgenommen. Mit viel Glück und noch
mehr Druck auf die Kofferdeckel kriege ich aber alles reingequetscht.
Das TomTom-Navi ist diesmal in fünf Minuten angebaut, und zwar endlich
mal ordentlich: Stromanschluß an der ACC-Klemme, (den dafür
notwendigen großen Schraubendreher habe ich extra von zu Hause
mitgebracht - sonst kriegt man die beiden Schrauben einfach nicht auf),
und dann wird das Gerät mit zwei Gummibändern in der Höhle des
Zusatzdisplays für Radio usw. befestigt. Eine perfekte Vorbereitung ist
halt alles… TomTom,
endlich mal "ordentlich" befestigt Beim
Losfahren werde ich noch von dem EagleRider-Typ ermahnt, mit der
GoldWing so umzugehen, als wenn es meine eigene wäre. Als wenn ich das
nicht immer so täte! Die
Sonne scheint, es ist heiß, also nackte Arme. Rasch sind wir auf der
Autobahn nach Washington. Vierzig Kilometer. Wir wollen uns die
wichtigsten Sachen dort ansehen, waren schließlich noch nie da. Erstmal
zum Weißen Haus. Kein Parkplatz. Ist aber kein Problem, da vorne komme
ich gerade so durch zwei Blumenkübel durch und kann mich da hinstellen.
Denke ich. Mein Vorderrad ist erst zu höchstens zehn Zentimetern durch
die beiden Blumenkübel, da brüllen hinter uns schon laute Sirenen:
Zwei Polizeiautos stehen hinter uns, Scheinwerfer und alle rot/weiß/blauen
Lampen auf dem Dach und sämtliche Sirenen an. Wir sind eingekreist! Präsident
Bush fühlte sich wahrscheinlich durch unsere GoldWing bedroht und hat
uns den Secret Service (steht auf den Autotüren) auf den Hals gehetzt.
Doch ganz im Ernst: Es ist absolut erstaunlich, wie schnell die beiden
Autos aus dem Nichts aufgetaucht sind; kurz vorher waren sie noch
nirgends zu sehen. Ich sehe mich vorsichtig um, doch nirgendwo kann ich
die Videokameras entdecken. Eine
strenge Beamtin steigt aus und kommt auf uns zu, ihr Kollege bleibt im
Wagen und beobachtet uns, dazu noch die beiden Typen im zweiten Auto,
beide Autos mit laufenden Motoren. Ach, und da kommt auch noch ein
moppeliger weiblicher Officer auf dem Fahrrad angeradelt und stellt sich
lauernd in Positur. Auch sie mit einer schußsicheren Weste, den Busen drunter
platt gequetscht. Die Schutzweste verursacht ihren Brüsten sicher
Schmerzen und sie würde mich bestimmt schon allein deswegen liebend
gerne bei der geringsten falschen Bewegung einfach abknallen. Ich
kriege den barschen Befehl, mich sofort hinter
das Moped stellen. Bestimmt weil ich so gewalttätig und brutal und überhaupt
gefährlich aussehe. „Driver License!“ wird verlangt. Hab ich nicht,
nur meinen alten grauen deutschen Führerschein. (Ja, ich weiß, ich müßte
mir unbedingt einen internationalen besorgen…) Mit meinem grauen
„Lappen“ kann sie aber nichts anfangen und ist davon geradezu
angeekelt. Ich strecke ihr schnell meinen Paß hin. Sie schnappt zu und
ist damit erstmal zufrieden und zieht sich in ihr Auto zurück.
Wenigstens sind die Sirenen jetzt erst einmal aus. Eine viertel Stunde
dauert es, bis sie endlich über Funk herausgefunden hat, daß ich wohl
offenbar doch kein Terrorist bin. Sie kommt zurück und ermahnt mich
streng, so etwas in Zukunft zu unterlassen. Ingrid steht die ganze Zeit
bei mir, sie wird aber nicht überprüft. Die Beteiligten verteilen sich
in alle Himmelsrichtungen. Na,
noch mal Glück gehabt! Wir sind gerade noch mal mit dem Leben
davongekommen! Ich habe uns schon beide tot auf der Straße liegen
sehen, immer größer werdende
Blutlachen unter uns, na ja, zumindest im Knast,
ob unserer bzw. meines schweren Verbrechens. Nur schade, daß wir kein
Foto von dieser Situation machen konnten; ich wollte es aber auch nicht
übertreiben. Ich
parke die GoldWing jetzt einfach im Parkverbot am Straßenrand, (wofür
sich niemand interessiert), und wir gehen dann zu Fuß durch die bewußten
Blumenkübel. Das ist erlaubt, jede Menge Leute wuseln hier rum, mit
Kinderwagen, Rucksäcken und allem möglichen, alles prima
Bombenverstecke, alles potentielle Terroristen, aber niemand achtet auf
diese Leute. Keiner der Fußgänger wird irgendwie kontrolliert. Nur vor
unserem Moped hat man Angst gehabt. Die Amis sind halt komische Leute. Weißes
Haus, ganz hinten Auf
den Schreck trinken wir erstmal etwas. Um ehrlich zu sein: Wir hatten
ganz schön Bammel. Es hätte erhebliche Probleme geben können- ich
male sie mir lieber nicht aus. Nach diesem Erlebnis reicht es uns daher
hier erstmal und wir beschließen spontan und unisono, die
Stadtbesichtigung abzubrechen und endgültig loszufahren. Washington
reicht uns! Es ist auch viel zu heiß dafür. Also
fahren wir fast die gleiche Strecke zurück und weiter über den Highway
50 Richtung Front Royal. Washington DC. ist ja ein kleiner Stadtstaat,
deshalb passieren wir schon bald die Grenze nach Virginia, nicht zu
verwechseln mit West Virginia, das etwas weiter westlich an Virginia
angrenzt, aber von uns nicht berührt werden wird. Die wohlvertraute
gelbe Mittellinie ist unser Ariadne-Faden, der uns jetzt stets zu
unserem Ziel bringen wird. Auch hier auf dem Land ist es heiß; wir
halten ein paar Mal, trinken öfters etwas, ruhen uns aus und genießen
es, noch in Freiheit zu sein. Dinos
aus Beton Gegen
5 pm erreichen wir Front Royal und fahren Richtung Skyline Drive, der
auch gut beschildert ist. Diese Straße soll uns über die Appalachen führen.
Leider kostet der Skyline Drive Eintritt, da er zu den National Parks zählt.
Wir erwerben einen neuen Jahres-Paß für die Nationalparks, er kostet
inzwischen schon 80 $, dreißig mehr als bisher. Hier am Parkeingang
sehen wir auch, daß es im Park so gut wie keine Übernachtungsmöglichkeiten
gibt und fahren zurück nach Front Royal. Auch hier in unmittelbarer Nähe
nur ein brauchbares Motel: Super 8. Unser Zimmer ist OK, wir haben ja
keine Wahl. Gegenüber im „Spelunker’s“ können wir etwas essen.
Auch hier am Motel wieder keine Bank, um mal eine Zigarette/Zigarre zu
rauchen, wir müssen uns auf die Mauer setzen, aber die ist wenigstens
von der Sonne noch schön warm.
|
vorige Station![]() ![]() |
Reise 2007 Übersicht |
|