Dienstag, 16. November 2010
Hesperia, CA – San Diego, CA
(395 Meilen )

 

Schade, bei meinem letzten Aufenthalt gab es hier im Haus noch ein herzhaftes Frühstück. Jetzt als Motel 6 gibt es nur noch Kaffee. Da frühstücke ich doch lieber wieder gegenüber im Farmers Boys.

Dach auf und los, denn das Beste gibt‘s zum Schluß: Heute kommt noch eine Lieblingsstraße, die 2, der Angeles Crest National Scenic Highway, der sich durch die San Gabriel Mountains schlängelt. Im Internet habe ich unterwegs nochmal nachgesehen, er ist noch immer bzw. schon wieder zwischendrin gesperrt. Das hält mich aber nicht davon ab, ihn heute mal von dieser Seite zu befahren und zwar so schnell wie möglich. Die Sitze im Mustang sind ja erprobt und für gut befunden. Die Kurven können also gar nicht eng genug sein; sie spenden mir wirklich reichlich Spaß. Kein einziges Auto muß überholt werden und wegen der Sperrung begegnet mir auch keins. Nur gut, daß niemand neben mir sitzt und rumjammert. Dann die einzige Begegnung (der merkwürdigen Art): Ein einsamer Schneepflug kommt mir entgegen. Ein Schneepflug?! Weit und breit liegt kein Schnee! Halluziniere ich schon? Aber er war tatsächlich echt, vielleicht mußte er Geröll wegschieben. Das ist dann aber wirklich das allereinzige Fahrzeug in dieser Stunde. „Freude am Fahren“ – hier paßt der Spruch. Der Fahrspaß überwältigt mich. Auch ein Mustang verleiht Flüühüüügel! Ich kann wirklich fliegen! Ich könnte vor Freude in die Hose pinkeln. Die Straße wurde ganz allein für mich aus dem Berg gehauen.

 

USA Reise November 2010

USA Reise November 2010

USA Reise November 2010

USA Reise November 2010

 

Ich bin mit größtem Vergnügen erneut ganz allein im Universum unterwegs! Ich bin ein intergalaktischer Zeitreisender mit einem Körper aus glänzendem Chrom, mit todbringenden Laserpistolen - und mit einem riesigen Schwanz aus rostfreiem Stahl! Ich bin für immer unsterblich! Ich bin ganz einfach der Größte!

Die geneigten Leser erkennen es unschwer, und ich bitte, diese mentale Entgleisung und Überschätzung meiner selbst zu entschuldigen: Adrenalin und Endorphine schütten mich massenhaft zu.

Adrenalin wird in der Nebenniere gebildet und bei Belastungen ausgeschüttet. Seine Hauptfunktion ist die Anpassung des Herzkreislaufsystems und des Stoffwechsels an stressbedingte Belastungen. Adrenalin steigert u.a. die Pulsfrequenz, das Herzminutenvolumen und den Blutdruck. Durch die Ausschüttung des Adrenalins werden Zucker und Fette für den höheren Energiebedarf bereitgestellt. Über erhöhte Atemfrequenz wird der für die Energiegewinnung in den Zellen benötigte Sauerstoff zur Verfügung gestellt.

Endorphine sind körpereigene Drogen. Sie werden in Extremsituationen vom Körper selbst produziert. Sie verschaffen eine wohlig-glückliche Stimmung bis zur Ekstase, (regen den Schlaf an) und erhöhen die Wahrnehmung. Damit haben sie eine vergleichbare Wirkungsweise wie körperfremde Opiate. Endorphine sind die Glückshormone des Körpers.

Ich habe Glück: Fünfzig Kilometer kann ich so ungestört, ohne Zwischenfall und wie ein Irrer durch die Gegend rasen, ohne Zeit für Fotos - bis die blöde Sperre am Mount Wilson mir den Weg blockiert. Ein paar Arbeiter sind zu sehen und ich erkundige mich bei ihnen nach dem Grund der Sperrung. Die Straße ist (schon wieder) verschüttet. Letztes Mal war eine Brücke zerstört gewesen, jetzt sind es Erdrutsche. Diese Straße ist offenbar ständig irgendwo unterbrochen. Faustgroße Steine lagen oft auf der Fahrbahn, ich mußte beim schnellen Fahren ordentlich aufpassen. Die fehlenden letzten dreißig Kilometer kenne ich ja schon, es ist also nicht so schlimm.

 

 

Ich wende und fahre ein paar Meilen zurück, dann kann ich die einzige vorhandene Nebenstraße runterfahren. Sie heißt später Angeles Forest Highway und schenkt mir auch nochmal reichlich viel Freude. Erneut habe ich Glück, ein Sheriff begegnet mir, als ich zufällig „normal“ fahre. Er läßt mich unbehelligt. Ich fahre die Straße „just for fun“ (nur zum Spaß) bis ans „falsche“ Ende, wende, und sause die gesamte Straße zurück und weiter bis Sunland, einem kleinen Vorposten von Los Angeles.

Eigentlich wollte ich es ja schon viel früher tun, aber erst jetzt gibt es eine Gelegenheit dazu: Das Auto sieht inzwischen unheimlich schmutzig aus und der Mustang muß einfach dringend gewaschen werden! Vorne an der Stoßstange jede Menge toter Insekten, an der Seite und hinten reichlich viel Staub. Auf dem Dach mehrere Kleckse von dem, was Vögel ausscheiden. Die Prozedur ist dann auch rasch erledigt, schade, daß ich es nicht viel eher gemacht habe, jetzt sieht das Auto endlich wieder vernünftig aus und ich bekomme morgen bei der Rückgabe keinen Ärger.

 

USA Reise November 2010

USA Reise November 2010

 

Hier in Sunland komme ich gleich auf die Autobahn I 210 und dann auf die I 10. Hundert Meilen weit muß ich auf der meist mindestens vierspurigen Autobahn mit viel Verkehr mitschwimmen, was natürlich wenig Spaß bringt, aber ich bin ja befriedigt.

 

USA Reise November 2010

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Als Nachtisch habe ich mir noch zwei kleine Straßen ausgesucht: Die erste ist die 243, der Banning Idyllwild Panoramic Scenic Highway durch den San Bernardino National Forest. Er windet sich ebenso steil wie elegant in die Berge hinauf. Ruckzuck bin ich schon wieder auf 7.000 Fuß. Solche Straßen können die Amis mindestens ebenso gut wie Österreicher oder Schweizer in die Berge schlagen. Eine Gruppe getarnter und überklebter Autos (Erlkönige) kommt unverhofft an mir vorbei.

 

USA Reise November 2010

USA Reise November 2010

USA Reise November 2010

 

Am Lake Fulmor, einem fast spiegelglatten See, der mir deswegen schon beim letzten Mal aufgefallen war, halte ich diesmal kurz zum Fotostopp an. Auch hier hüpfen mir ein paar Erdhörnchen vor den Füßen herum. Leider habe ich schon wieder nichts zum Füttern dabei.

 

USA Reise November 2010

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Es verblüfft mich immer wieder, wie leer die Straße ist und daß mich kein dummer Schleicher behindert. Denn überholen wäre hier reichlich riskant. Natürlich wird es wieder saukalt, aber das Dach bleibt diesmal auf! Wenn ich mich jetzt erkälte, ist es nicht mehr schlimm.

Dann, hinter Hemet und Lake Elsinore, nehme ich die 74, den Ortega Highway. Meine zweite und allerletzte Nachspeise heute und überhaupt. Hier kommt mir eine einzige unendlich lange Autoschlange entgegen, während ich lange Zeit alleine die Kurven und den Berg hinuntersausen kann. Ich fürchte schon, daß die Autobahn unten gesperrt ist und der Verkehr umgeleitet wird, weil mir so viele Autos entgegen kommen, was aber nicht der Fall ist, es sind tatsächlich nur Leute, die da unten zwischen L.A. und S.D. arbeiten und jetzt alle nach Hause wollen.

 

USA Reise November 2010

 

Es wird gerade dunkel, als ich in San Juan Capistrano kurz anhalte und mein Dach schließe, um dann auf die I 5 Richtung Süden ins Orange County abzubiegen, aber nicht in das von „OCC“, die sind im US-Staat New York. Was jetzt kommt, stellt sich als der blanke Horror heraus. Wie fast alle Tage schmerzen natürlich auch heute wieder meine Augen. Heute war es besonders unangenehm. Aber jetzt habe ich vierspurig stundenlangen zähflüssigen Verkehr vor und hinter mir, ich mittendrin, ein einziger Lindwurm, mit entsprechend gleißend hellen rubinroten Rück- und Bremslichtern vor mir, die dauernd an- und ausgehen, und noch schlimmer, mit hundsgemeinen strahlendweißen Scheinwerfern hinter mir. Am niederträchtigsten sind die der unzähligen überdimensionierten Pick‑Ups, denn die sind viel höher als der Mustang und bohren mit größter Freude ihre hundsgemeinen grausamen tödlichen Scheinwerfer-Laserstrahlen aus der Höhe direkt schräg nach unten über die drei Rückspiegel direkt in meine qualvoll schmerzenden Augen. Erschwert und „bereichert“ wird das Ganze als i-Tüpfelchen durch die entgegenkommenden vier Spuren mit entsprechendem weißem Scheinwerferlicht auf der anderen Seite. Gesunden Augen tut das alles schon nicht gut…

Einziger Balsam in dieser Situation ist dann die Mormonen-Kirche, die ich am ersten Tag schon bewundert habe und deren makelloser weißer Marmor (?), jetzt im Dunkeln strahlend hell und überaus eindrucksvoll beleuchtet wird und mir gerade Ertrinkendem wie ein Fels in der Brandung Trost und Kraft spendet. (Oder ist das alles nur eine Plastikfassade oder gar nur mit Kunststofffarbe angestrichen??)

 

USA Reise November 2010

 

Mein Hotel, das vorher gebuchte Howard Johnson Inn in San Diego ist etwas schwer zu finden, denn seine Leuchtreklame ist kaputt oder ausgeschaltet. Das Navi sagt, daß ich gerade dran vorbeigefahren sein muß. Da ich noch volltanken muß, will ich an einer der Tankstellen fragen. Das gestaltet sich aber als schwieriger als erwartet. Die erste Tankstelle (am/pm) nimmt grundsätzlich keine Kreditkarten. Die zweite (Chevron) ist taghell beleuchtet aber trotzdem geschlossen; sämtliche Tanksäulen sind mit einem dünnen gelben Band umschlossen. Die dritte und teuerste (Shell) verlangt jedesmal eine PLZ und nimmt nach entsprechender Eingabe doch keine meiner Kreditkarten an. (Auch die sonst manchmal hilfreiche „90210“ erweist sich hier als nicht nützlich.) Ich muß reingehen und eine Karte hinterlegen. Der Chef (ein großer dickbäuchiger angsteinflößender Neger) kommt beim Bezahlen zufällig aus seinem Büro heraus und ich frage ihn nach dem Howard Johnson Motel. Klar, ist ja logisch, er weiß es nicht, er besitzt die Tankstelle erst seit zwei Tagen! Aber, so kann man sich täuschen, er telefoniert mit jemandem und gibt mir dann ein paar hilfreiche Hinweise.

Merkwürdig: Viele lebendige nackte Frauen („Live Nude Women“) werden hier in San Diego Downtown angepriesen. Das paßt gar nicht zu meinem sauberen USA-Bild. (Wo sind eigentlich die lebenden nackten Männer?? Gibt es hier keine Gleichberechtigung?)

Das Howard Johnson ist reichlich alt und schäbig; es kostet ja auch „nur“ 72 Dollar. Ich hatte es ausgesucht, weil es in der Nähe des Flughafens ist. Aber immerhin, zum wirklich allerersten Mal sehe ich leibhaftig in einem amerikanischen Motel eine Handbrause mit Schlauch, genau wie man sie bei uns hat. Sonst sind hier die Brauseköpfe grundsätzlich immer fest oben an der Wand montiert.

Abendessen gibt es in einem mexikanischen Restaurant auf dem Motel-Gelände. Das Essen ist OK, die zwei Coronas und die (diesmal klassische) Margarita auch, obwohl sie auch hier reichlich wässrig schmeckt. Trotzdem, ich weiß nicht, warum die Treppe jetzt auf dem Rückweg viel schwieriger zu begehen ist als auf dem Herweg…

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