Freitag, 16. Juli 2010
Spearfish (69 Meilen)

 

 
Natürlich mache ich ein paar Fotos vom Sunrise = Sonnenaufgang und schlafe gleich nochmal ein. Es ist nach wie vor ein bißchen unheimlich im Haus, ich habe ständig das Gefühl, beobachtet zu werden, als ob die Hausherren im Nebenraum wären. Unzählige Mode- und Quilt-Nähhefte warten vergeblich in meinem Zimmer aufs Blättern und Nachschneidern, die Nähmaschine aufs Nähen, der Fernseher aufs Einschalten. Zwei große Weihnachtsbäume stehen im Haus herum, einer mindestens vier Meter hoch; sie stehen hier fürs ganze Jahr. Überall hängen und stehen Fotos der Familie herum.

 

USA Reise Juli 2010

 

Truthähne kommen an den Futterplatz vor dem Fenster, sonst herrscht hier oben absolute Stille, keine Autos, keine ohrenbetäubenden Harleys, gar nichts. Ein Truthahn wäre übrigens auf Wunsch Benjamin Franklins beinahe das Wappentier Amerikas geworden, aber zum Glück ist es dann ja doch noch der Weißkopfseeadler geworden; der macht sich da ja nun wirklich besser als die potthäßlichen Truthähne.

 

USA Reise Juli 2010

 

Heute ist Autocross.  Craig und ich haben uns dafür angemeldet. Unten am Rande der Stadt ist ein Platz abgesperrt und ein Parcours  mit Cones  (Pylonen) abgesteckt. Diesen gilt es, so schnell wie möglich zu durchfahren. Für umgefahrene Pylone gibt es natürlich Strafsekunden. Letztes Mal war ich gar nicht mal so schlecht, wurde aber zwei- von dreimal disqualifiziert, weil ich den Weg irrtümlicherweise nicht richtig gefunden hatte. Heute ist ein weißer Strich auf dem Platz, dem ich nur nachzufahren brauche.  ‚Das wird einfach’  denke ich so vor mich hin. Aber es dauert und dauert - und dauert. Um kurz nach acht sind wir da, um eins bin ich mit der letzten Gruppe endlich dran. Bis dahin muß ich in sengender Sonne (über 100° F) ohne irgendeine Sitzgelegenheit ausharren. Naja, ein bisschen Schatten und einen Platz auf der ausgeklappten Rückwand eines Anhängers finde ich dann. Und kostenloses Wasser gibt es auch. Dreimal muß man fahren, die beste Zeit wird gewertet. Ich will es kurz machen, ich fahre eine ganz gute mittlere Zeit heraus und bekomme auch keine Strafsekunden aufgebrummt. (Dieses Mal kommen alle drei Fahrten von mir in die Wertung.) Obwohl es heute idiotensicher ist, werden doch wieder reichlich Leute disqualifiziert. Ich hätte durchaus auch eine bessere Zeit herausholen können, aber es widerstrebt mir einfach, ein fremdes Auto, dazu eine so hervorragend erhaltene Corvette, immerhin ist sie über zwanzig Jahre alt, in dieser Hitze zu sehr zu quälen.

 

USA Reise Juli 2010

USA Reise Juli 2010

USA Reise Juli 2010

 

Ein dicker alter gehbehinderter Mann nimmt auch am Autocross teil; er kann kaum aus dem Auto aussteigen. Erst er drei Runden, später dann seine (ich bitte herzlich um Entschuldigung, aber es stimmt nun mal) besonders häßliche Frau. Sie fahren eine sauteure ZR1. Dieses Auto hat mindestens 600 PS und kostet drüben 110.000 Dollar. Nicht, daß ich es den beiden nicht gönnte, aber genügte da nicht auch eine ganz normale Corvette zum halben Preis und mit bestimmt immer noch ausreichenden 400 PS…?   (US-Preise: C6 50.000 $,  Z06 75.000 $,  ZR1 110.000 $. In Deutschland unverschämt viel mehr.)

Wir treffen uns danach mit unseren anderen Freunden zum Frühstück bei Subway  und ich bekomme endlich, endlich um kurz vor zwei etwas zu essen. (Ich war kurz vor dem Verhungern.) Gut, OK, ich wollte ja auch etwas abnehmen. (Obwohl, ich muß nicht wirklich abnehmen, ich habe ja schon lange einen Super‑Waschbrettbauch    gleich unter meiner Speckschicht…)

Viele GoldWing-Trikes fallen mir auf, eigentlich auf der gesamten Tour, es werden auch jedes Jahr mehr. Hier in Sturgis ist übrigens ihre (Lehman-)Fabrik.

Beim Losfahren, ich schau wirklich nur noch schnell ein paar Sekunden nach Chromteilen bei einem Corvette-Händler, sind die andern doch schon wieder weg. Schon wieder? Ja, schon wieder!! Was sind denn das für Torfnasen?! Ich warte ein paar Minuten, habe aber auch keine Lust, mich so verarschen zu lassen. OK, denke ich, wenn sie mich nicht zum Devils Tower mitnehmen wollen, mache ich das Beste draus. Ich besorge mir erst einmal noch etwas zum Trinken, fahre ein paar hundert Meter in die Stadt, trinke einen Kaffee und fahre dann zum Haus rauf. Ich könnte auch rüber nach Sturgis fahren, entscheide mich aber dagegen, es ist viel zu heiß. Ja, es ist das berühmte „Sturgis, S.D.“, aber jetzt, außerhalb der Bike Week  ist da sowieso nichts los, es ist die allermeiste Zeit des Jahres in Wirklichkeit nur ein kleines unbedeutendes Kaff, viele Geschäfte sind meistens geschlossen.

Zum Glück ist die Haustür unverschlossen, jeder könnte rein, aber niemand Böses war da. Erst einmal eine Dusche und Ausruhen – und ein Nickerchen. Insgesamt wird es der erholsamste Nachmittag auf der ganzen Reise. Ich merke jetzt ganz deutlich, daß ich etwas erschöpft bin und doch etwas Ruhe brauche, die Tage hier in Amerika waren anstrengend. Mir fällt ein: So sind die Amis halt, jeder ist best friend, aber dann fahren sie einfach los, ohne auf einen zu warten. Da sind wir Deutschen ja doch etwas korrekter und fürsorglicher, jedenfalls einem Gast gegenüber. Aber so wird das erst einmal Unfreundliche ausnahmsweise zu etwas Positivem. Trotzdem, auch jetzt fühle ich mich etwas unsicher hier im Haus, jeden Moment könnte jemand der Familie auftauchen und mich fragen, was ich hier suche...

Zwei Sachen fallen mir besonders auf: So luxuriös das Haus ist, die Badearmaturen hier und überhaupt in den USA sind doch stets deutlich einfacher und primitiver als bei uns. Zwei Drehgriffe sind es meistens, Einhebelmischer kennt man hier kaum, einen Dusch-Schlauch schon gar nicht, den habe ich überhaupt noch nie in den USA gesehen, die Brause ist immer fest oben an der Wand angebracht. Und im Übrigen ist alles etwas größer als bei uns: Waschmaschine, Trockner, Kühl- und Eisschrank-Kombination (weiß man ja auch aus den Filmen), Herd, (hier gleich zwei übereinander), Mikrowelle, sogar der Toaster. Alles hier hat XXL-Format.

Auch hier im Haus werden alle Räume von der Klimaanlage gekühlt, Bad, Keller, Garage, Klo, teilweise sogar die Schränke, unglaublich, so eine Energieverschwendung. Umweltbewußtsein gibt es hier in Amerika immer noch nicht. Ich dagegen freue mich wie ein Schneekönig, daß ich nachts sogar zwei Fenster aufschieben kann.

 

USA Reise Juli 2010

 

Am frühen Abend kommen Craig und Laurel sowie Dick und Linda, um mich zum Abendessen abzuholen. Zu ihrer Ehrenrettung muß ich sagen, daß sie bestimmt ein ganzes Stück „unnötig“ gefahren sind, nur um mich zu suchen und abzuholen. Wir fahren rüber nach Wyoming, Brent und Brenda warten hier schon auf uns.

 

USA Reise Juli 2010

 

Zum Abendessen bekomme ich ein hervorragendes, ebenso zartes wie saftiges Buffalo T-Bone-Steak, also vom Büffel.

Vor dem Schlafengehen sitzen wir noch auf „meinem“ Balkon und schwatzen, dazu kann ich endlich mal wieder eine Zigarre rauchen. Weil es keinerlei Aschenbecher im Haus gibt, bekomme ich es aber etwas mit der Angst zu tun, denn falls ich hier durch meine Zigarre einen Brand auslöste, bekäme ich wahrscheinlich reichlich Ärger. Deshalb beschließe ich, hier am Haus keine Zigarre mehr zu rauchen, muß ja nicht sein.

Der nächtliche klare Sternenhimmel ist grandios. Hier sieht man zwischen Sonnenuntergang und –aufgang nur Sterne, nichts als Sterne, fast zum Greifen nah. Ich bin tief berührt. Bei uns zuhause würde meistens nicht mal der Halleysche Komet auffallen.

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