Sonntag, 14. November 2010
Casa Grande, AZ – Twentynine Palms, CA  
(384 Meilen)

 

Heute ist Sonntag, heute darf ich eine halbe Stunde länger schlafen. Erstaunlich, trotz des günstigen Preises gibt es schon wieder ein ordentliches Continental Breakfast im Motel.

 

USA Reise November 2010

 

Gleich nach dem Start riecht es nach Pommes Frites. Richtig: Ich komme an einer riesigen Frito-Lay-Fabrik vorbei; hier werden alle möglichen Kartoffelchips hergestellt.

Gestern habe ich den ganzen Tag vergeblich darauf gewartet, heute spielt mir Elvis in seinem Sender, kaum daß ich im Auto sitze, gleich mein Lieblingslied von ihm vor: Hey Jude! Dieser Tag wird ein guter Tag werden!

 

USA Reise November 2010

 

Ich fahre erst westlich die 238 nach Gila Bend und dann nördlich die 85 nach Buckeye rauf. Hier gibt es keine andere Möglichkeit, ich muß auf die Autobahn I 10 Richtung San Diego. Unheimlich viel (Rückreise?-)Verkehr gibt es hier, fast alle Autos haben California-Kennzeichen. (Wie bei uns zu Hause auf der A61 an manchen Wochenenden die ameisenmäßige Invasion der Kaasköppe mit ihren gelben Nummernschildern…)

Schnurgerade geht es 100 Meilen westwärts. Dies ist wirklich die langweiligste und (wegen der vielen Fahrzeuge) bisher unangenehmste Etappe. Natürlich lauern auch hier wie überall Cops und kassieren unschuldige Leute ab.

Positiv: An den Baustellen wird sogar sonntags (und oft auch nachts) gearbeitet.

Mittags kann ich das Dach endlich mal wieder „aufreißen“. Ich habe mir eine kleine Abkürzung nach Vicksburg ausgesucht, vergeblich, sie ist gesperrt. Das kommt häufig vor: Eine Straße wird einfach gesperrt und man muß zum Teil lange Umwege in Kauf nehmen. Hier geht es noch, es ist ausnahmsweise gleich am Anfang ausgeschildert. Meistens werden solche Sperren erst kurz vor dem Hindernis angezeigt und man muß den gerade gekommenen Weg häufig sehr weit wieder zurückfahren. So pragmatisch die Amis oft sind. Genauso brutal und unverständlich können sie sein.

 

USA Reise November 2010

 

Wüste habe ich jetzt genug gesehen, es reicht mir eigentlich. Für dieses Jahr. Sonne hatte ich auch genug. Ich freue mich auf Kälte und Regen – und ein freies Land. Deutschland mag klein sein, aber etwas freier sind wir ja.

Ich fahre nach Parker und dann noch ein paar Meilen am Colorado River entlang, bis zum Parker Dam, einer eigentlich kleinen Staumauer. Vor ein paar Jahren durften wir ja nicht mit unserem Wohnmobil drüber, übrigens auch keine LKW, obwohl, ich hatte damals kurz daran gedacht, das Verbot einfach zu ignorieren. Das wäre aber gar nicht möglich gewesen, hier sind schwere Beton-Hindernisse aufgebaut, so eng, daß man gerade noch so mit einem normalen Auto durchkommt. Viele Schleifspuren legen beredt dafür Beweis ab, daß die Leute nicht fahren können. Dann kommt noch ein Wächter, der offensichtlich mit Waffen und weiteren geheimen Einrichtungen scharf aufpaßt, daß hier kein Lastwagen drauf fährt, Sprengstoff ablädt und das ganze einfach in die Luft jagt. Ich steige kurz aus, um ein Foto zu machen und habe wirklich große Angst, gleich verhaftet oder kurzerhand erschossen zu werden.

 

USA Reise November 2010

USA Reise November 2010

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Auf der anderen Seite die gleichen spiegelbildlichen Sicherheitseinrichtungen. Wahnsinn, so ein Aufwand. Aber der aufgestaute Lake Havasu würde mit seinen riesigen Wassermassen bei einer Zerstörung des Damms natürlich auch gewaltige Überflutungen auslösen. Und der hier produzierte Strom fehlte auch. Aber, ich habe hier in Amerika schon viele andere Staudämme ohne jegliche Sicherheitseinrichtung oder Bewachung gesehen…

Weiter geht es, über die Grenze nach Kalifornien. Hier gibt es eine der bekannten California Agrar Inspections kurz hinter der Grenze. Jedes hineinfahrende Auto wird nach frischem Obst und Gemüse befragt. Wenn man etwas davon dabei haben sollte, wird es (wahrscheinlich) sofort beschlagnahmt. Was soll denn der Quatsch? Ich habe von heute Morgen extra noch Äpfel und eine restliche Banane aufgehoben, um sie hier über die Grenze zu schmuggeln.

Der mich befragende Beamte hat kaum noch einen Zahn im Mund. Hat Amerika so wenig Geld, um seine Angestellten ordentlich zu bezahlen?

Mit großer Befriedigung schmuggle ich also lächerliches Obst über diese lächerliche Grenze. Wer die kalifornische Agrar-Industrie vernichten wollte, könnte es doch jederzeit machen, da nutzt doch eine so lasche Kontrolle gar nichts. Deshalb werfe ich zur Strafe nach und nach extra aufgehobene gebrauchte Tempotücher auf die kalifornische Straße. Wenn man mich jetzt erwischte, käme ich bestimmt für Jahre in den Knast. Übrigens Knast: Ich habe hier viele, viele Gefängnisse gesehen oder wenigstens die Hinweisschilder.

Die Sonne geht langsam unter, ich muß mich sputen, denn ich habe noch immer fünfzig Meilen in der Abenddämmerung bis nach Twentynine Palms vor mir, wo ich im Dunkeln ankomme. (Ich fahre ungern in den USA im Finstern herum, weil ständig alles Mögliche auf der Straße herumliegen kann.)

 

USA Reise November 2010

 

Ich mache Station in einem Holiday Inn Express, weil mir das hiesige Best Western noch bekannt ist, und weil ich mich erinnere, daß es schon damals reichlich abgewohnt und renovierungsbedürftig war. Hier gegenüber ist zwar ein Motel 6 zum halben Preis, aber ich nehme mir lieber ein Luxuszimmer für runtergehandelte hundertacht Dollar (statt immerhin 160 $).

Zum Abendessen gehe ich ins Carousel Café. Es sieht im Dunkeln von außen teuer und vornehm aus, aber das ist mir jetzt egal. In Wirklichkeit ist es aber eine total heruntergekommene Kaschemme, vom Abendessen mit (von oben nach unten) dünnen Turkey-Scheiben (Truthahn), schleimiger undefinierbarer Sauce und zu viel Pommes Frites sind mir die Croutons auf dem Salat noch am besten in Erinnerung, alles andere vergesse ich lieber für immer und ewig.

Mein Zimmer ist wirklich luxuriös, es gibt unheimlich viele Kissen, das Haus ist gerade erst wiedereröffnet worden. Der riesige Flachbild-Fernseher strahlt sechsundsechzig Programme aus, doch ich schaffe es noch nicht einmal, alle Kanäle durchzuzappen, bin viel zu müde. Und das amerikanische Fernsehen macht ja auch nur blöd und dumm. Kein Wunder, daß die meisten Amis nichts wissen, die können ja nichts dazulernen. Sie können gar nichts dafür, daß sie so zurückgeblieben sind. Beim Einschlafen beschließe ich, in Zukunft meine Zimmer nur noch in Holiday Inns zu nehmen…

 

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