Samstag, 13. November 2010
Alpine, AZ – Casa Grande, AZ  (314 Meilen)

 

Heute Nacht fuhr mal kein Zug durch mein Zimmer. Keine Bahnlinie weit und breit. Überhaupt war es geradezu unheimlich ruhig. Total ungewohnt. Ich konnte meinen eigenen Haaren beim Wachsen zuhören.

Draußen sind es 12°F! Das sind weniger als minus 11 Grad Celsius! Bibber, bibber. Aber die Gasheizung hat ihr Bestes gegeben und sich angestrengt, mein Zimmer und meine Wenigkeit zu verteidigen und die größte Kälte nicht durchs leicht geöffnete Fenster reingelassen. So klar wie die Luft hier oben ist, so klare Träume hatte ich heute Nacht.

Die gläsernen Perrier-Wasserflaschen im Kofferraum sind tatsächlich alle komplett eingefroren! Aber nicht geplatzt! (Ja, OK, deren Inhalt.)

Ich vermisse eine Sitzheizung im Auto, die Sitze sind eiskalt! (Ich gestehe: Ich bin halt ein Warmduscher – und ein Warmsitzer! Deshalb habe ich heute Morgen auch schon klugerweise auf eine Dusche im eiskalten Badezimmer verzichtet.) Hoffentlich frieren meine A…backen nicht am Leder fest! Wir sind zweieinhalbtausend Meter hoch.

 

USA Reise November 2010

 

Frühstück im gestrigen Café. Gegenüber gäbe es auch eins, aber ich bin ja treu, solange ich zufrieden bin.

Ich tanke das Auto ganz gegen meine Gewohnheit voll, obwohl eigentlich noch genug Benzin drin wäre. Aber es gibt jetzt erst einmal eine einsame Straße, die 191, schon wieder eine meiner Lieblingsstraßen in Amerika. Heute fahre ich sie endlich mal in umgekehrter Richtung, dadurch ist sie ganz anders als beim letzten Mal.

Überraschung: Meine Freundin, die 191, begrüßt mich in den Waldstücken erst einmal mit festgefahrener Schneedecke! Und reichlich Eis auf der Fahrbahn! Aber das gibt sich bald wieder und ich komme in etwas wärmere Gefilde.

 

USA Reise November 2010

 

Heute fahre ich in der „richtigen“ Richtung, nach Süden runter, und habe deshalb die Abgründe meistens rechts – und wunderschöne Ausblicke mit entsprechender Fernsicht. Die Straße ist sehr schmal und hat meistens keine störenden Leitplanken. Dazu endlich wieder Kurven, viele, viele Kurven und es geht erneut dauernd steil rauf und runter. Amerikanischen Autofahrern, die ja bekanntlich nicht fahren können, wird teilweise eine Geschwindigkeit von höchstens 10 mph (16 km/h) angeraten. Da muß ich mich natürlich nicht dran halten und genieße meine Fahrt. Der Straßenbelag ist durchweg griffig - und rauh wie die Handfläche eines Bauarbeiters. Heute lasse ich mir vom Sirius-Radio Bluegrass-Music vorspielen.

 

USA Reise November 2010

USA Reise November 2010

USA Reise November 2010

USA Reise November 2010

 

Wieder sehe ich stundenlang kein Auto, keinen Menschen. So muß man sich als einziger Überlebender nach einem Atomkrieg fühlen. Abgründe tun sich vor und neben mir auf. Wirklich: Auf hundertzwanzig Kilometer fast keine einzige Leitplanke. Wenn man hier die Straße verpaßte, ginge es ein paar hundert Meter abwärts. Höhenangst sollte man hier also besser nicht haben. Endlich mal wieder Bäume, hauptsächlich Nadelwald.

Ein „Kollege“ begegnet mir, in einer schnell fahrenden Corvette. Normale Amis meiden diese Straße wie der Teufel das Weihwasser, sie können nur geradeaus, nur Straßen ohne viele Kurven fahren.

Am Ende der 191 führt die Straße mitten durch die Morenci-Mine, links und rechts erneut Abgründe. Hier wird vor allem Kupfer gefördert, aber auch Edelmetalle. Der Krater ist inzwischen noch mehr gewachsen. Und der war vor zwei Jahren schon gewaltig. Man fährt da auf einem Grat mitten durch und staunt über solch enorme Erdbewegungen. Auch heute, am Samstag, wird hier gearbeitet. Wie so oft in Amerika.

 

morenci mine

 

USA Reise November 2010

 

Ich komme wieder durch Safford, wo ich schon vor ein paar Tagen war. Aber es gibt hier unten nie viel Auswahl bei den Straßen, deswegen fahre ich so oft über mir bereits bekannte Straßen und durch viele bekannte Orte. Endlich: Hier wird Sonnenbrille # 5 erworben; sie hat oben und unten noch dunklere Felder als in der Mitte.

Hier ist übrigens ein großes Anbaugebiet für Baumwolle. Sie wächst mit dicken Wattebäuschchen an kleinen niedrigen braunen Büschen und wird (nach derer künstlichen Entlaubung) von schweren Maschinen geerntet. (Leider sind die Maschinen offensichtlich noch stark verbesserungswürdig, denn es bleiben ganz schön viele der weißen Baumwoll-Flöckchen unter den Büschen liegen.) Die Baumwolle wird gleich an Ort und Stelle zu Ballen gepreßt und in sehr großen schneeweißen rechteckigen Zehn-Tonnen-Blöcken direkt an den Feldern gelagert. Und weil es hier zurzeit so gut wie nie regnet, genügt es, die Blöcke mit einer Plane obenherum abzudecken. (Übrigens: Baumwolle ist einjährig und muß jedes Jahr neu gesät werden.)

Baumwolle – Wikipedia

 

USA Reise November 2010

USA Reise November 2010

 

Nordwestlich führt der Weg über die eintönige 70 nach Globe. Unterwegs möchte ich mal wieder eine kleine schmale Straße (3) zu einem Staudamm (Coolidge Dam) nehmen. Ein Schild weist auf den schlechten Zustand der Straße hin, sie wird kaum oder gar nicht instand gehalten. Das hält mich aber nicht davon ab, sie zu benutzen. Viele Steine und unzählige Schlaglöcher gibt es. (Man müßte lange suchen, um eine derart schlechte Straße in Amerika noch einmal zu finden.) Es holpert reichlich und der Mustang knarzt widerwillig; er mag die Straße nicht. OK, ich lasse mich dann doch nach zehn Meilen von ihm überreden, zu wenden. Habe ich bisher noch nie gemacht. Wenn ich hier mit Reifenschaden liegenbliebe, käme wahrscheinlich tagelang niemand vorbei, um mir zu helfen – oder würde mich ermorden, oder, noch schlimmer, ausrauben…

Inzwischen bin ich längst wieder in der Wüste mit vielen Kakteen in einem der vielen Indianer-Reservate mit entsprechendem Spiel-Casino. Mein Dach hielt ich heute den ganzen Tag geschlossen, es war mit höchstens 60° F einfach zu kalt zum Offenfahren. Am Abend gibt es in Casa Grande ein zufriedenstellendes Best Western; Fenster geht auf. Das Zimmer kostet 84 $ und konnte von mir kräftig runtergehandelt werden. Abendessen gibt’s heute im McDonald‘s.

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