Mittwoch, 29. April 2009
Las Cruces – Quemado, 464 Meilen

Wie meistens geht auch hier mein Fenster wieder gen Osten. (Wie mir geneigte Leserinnen und Leser ja wissen, achte ich auf meinen Reisen stets darauf, daß mein Zimmer möglichst im ersten Stock liegt und daß das Fenster nach Osten und somit in Richtung Sonnenaufgang weist. Den einen und anderen Spleen möge man mir nachsehen.) Daher kündigt sich Frau Sonne schon früh bei mir an. D.h., daß ich mich wieder dick mit Sonnencreme einschmieren muß und dann immer wie ein Clown aussehe. (Sonnenschutz ist mir sehr ans Herz gelegt worden.) Mein Handgelenk schmerzt übrigens noch immer; zu Hause muß ich unbedingt mal nachsehen lassen. Aber sonst ist alles bestens. Das Navi prophezeit 676 km für heute.

 

Von Nashville nach Phoenix

 

Die Fahrt geht erstmal nördlich, durch ein fruchtbares grünes Tal am berühmten Rio Grande entlang, von dem wir ja alle viel gelesen und in den Western viel gesehen haben.

 

Von Nashville nach Phoenix

Eigentlich wollte ich mir den Ort mit dem ungewöhnlichen Namen „Truth Or Consequences“ ansehen. So ein Ortsname verlangt geradezu danach, daß man einfach mal durchfährt. Aber ich disponiere unterwegs um und biege vorher westlich ab, um ein paar kleine Sträßchen zu erkunden. (Später zuhause lese ich, daß sich der Ort Truth Or Consequences in den 50er Jahren nach einer damals bekannten Spielshow im Radio und TV umbenannt hat. Wäre schon komisch, wenn sich hier bei uns z.B. Castrop-Rauxel in „Deutschland sucht den Superstar“ umbenennen würde…)

Truth or Consequences – Wikipedia

Meine Reise geht heute auf dem „Trail of the Mountain Spirits“ wieder durch schattige Wälder und über hohe Berge und durch tiefe Täler und an einem See entlang. Meine Straße ist schmal und verlassen, kein Fahrzeug begegnet mir mal wieder. Die GoldWing stellt mir immer ausreichend Kraft zur Verfügung und ich genieße es auch reichlich. Plötzlich ein Schild am Straßenrand: Ein Radrennen wird hier die nächsten Tage stattfinden. Ich bedaure die Leute schon jetzt ob der steilen Anstiege. In manchen Haarnadelkurven nach rechts muß ich sogar bis in den ersten Gang zurückschalten.

 

Von Nashville nach Phoenix

Von Nashville nach Phoenix

Von Nashville nach Phoenix

 

Am frühen Nachmittag geht es wieder bergab und ich komme durch Silver City. Die Stadt zeichnet sich dadurch aus, daß sie ihren Namen zu Unrecht trägt, sie kann einem nicht gefallen. Silver City ist eine Kleinstadt mit früherem Bergbau und mit mal wieder den schlechtesten Straßen - und mit den tiefsten Schlaglöchern auf dieser Reise. (Eigentlich haben alle Städte in den USA, egal ob groß, ob klein, schlechte und sehr schlechte, manchmal sogar katastrophal schlechte innerstädtische Straßen.) Auch in der Historic Old Town muß man nicht gewesen sein.

Leider ist ab hier die Straße wieder breit und langweilig, aber es hilft nichts, es gibt keine andere Route für mich. In einem Songtext würde ich schreiben, „ich surfe an der Grenze nach Arizona entlang“. (Gefällt mir!) Heute gibt es zwei Kontrollposten, an denen sämtliche Fahrzeuge auf Drogen untersucht werden. Ich darf aber immer problemlos durch, sehe ja auch brav aus – und bin es (meistens) ja auch.

 

Von Nashville nach Phoenix

 

Station mache ich in Quemado, einem winzigen und schon wieder fast verlassenem Ort, denn hier gibt es weit und breit das einzige Motel. Die Chefin ist total unfreundlich und mir deshalb auf Anhieb unsympathisch, dazu dick, was allein ja nicht schlimm ist, (eher angenehm, ich mag es gerne etwas größer und anfaßbarer), aber auch noch häßlich dazu, genau wie ihr 10jähriger Sohn und später eine etwas ältere Tochter, die Inzucht springt einem regelrecht ins Auge. Preisnachlaß gibt es keinen, deshalb bezahle ich zähneknirschend die geforderten 65 $. Das Abendessen im Motel für 11 $ ist auch nicht besser, zumal mir der Appetit durch die anwesenden vielen Polizisten vermiest wird. (Der geneigte Leser wird sicherlich verstehen, daß ich nach meinem gestrigen Erlebnis erstmal keine Cops mehr mag.) Draußen standen schon ein paar Polizeiautos vor den Zimmern herum, manche mit Hunden (vierbeinigen) drin, alle mit laufenden Motoren, (wegen der Klimaanlagen), stundenlang, Benzin kostet hier in den USA ja tatsächlich nicht viel, deshalb kennt man hier den Begriff „Energiesparen“ auch nicht. (Trucker kennen ihn schon gar nicht.) Offenbar haben die Bullen hier ein oder mehrere Zimmer im Motel angemietet, obwohl sie wohl alle hier aus der Gegend sind.

Ein abgerissener bärtiger alter Mann ißt am Nebentisch. Als er aufsteht, sehe ich einen Colt mit ganz schön langem Lauf im Holster an seinem wohlgefüllten Patronengürtel hängen, der Typ sieht aus, als wäre er gerade einem Wild-West-Film entsprungen. (Vielleicht ist es ja der Bruder von Fuzzy aus einem der alten Zorro-Filme? Dieser hier ist nur etwas größer.) Sein Geburtsjahr stimmt wahrscheinlich mit dem Baujahr seines Autos überein, jedenfalls ist dieses genauso verbeult und verrostet wie er selbst. Ich bin immer wieder davon fasziniert, wie hier in den USA die Leute mit allen möglichen Pistolen und Revolvern herumlaufen dürfen, für jeden offen sichtbar, manche sogar noch mit klirrenden Sporen an den Stiefeln. Manchmal steckt eine Pistole aber auch nur einfach so lose im Gürtel oder im Hosenbund. Übrigens, so ganz nebenbei: Wer hier in New Mexico etwas auf sich hält, trägt einen Cowboyhut. Ohne diesen ist mann hier offenbar kein Mann und nicht richtig angezogen!

Auf dem Wandinstrument am Lokal lese ich 8% Luftfeuchtigkeit ab. (Neuer Rekord! Im Fernsehen sehe ich den Wert dann später bestätigt. Ich wollte ihn erst nicht glauben.) Fernsehen gibt es zwar, aber ich kriege den Fernseher nicht richtig zum Laufen, nur einen einzigen Kanal, alle anderen müssen mit einem Satelliten-Receiver weitergeschaltet werden. Vielleicht kostet es auch Geld, ich habe aber keine Lust, mich jetzt noch lang und breit damit beschäftigen zu müssen. Fernsehen in den USA macht ja sowieso nur blöd. Wegen der ständigen Werbung. Alle fünf Minuten. Oder noch kürzer. Zigarre entfällt jetzt schon den dritten Abend hintereinander, es ist zu kühl draußen und ich bin auch viel zu müde.

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