Dienstag, 28. April 2009 Carrizozo – Las Cruces, 444 Meilen |
Polizeiauto
wendet, Sirene an, hinter mir her. „Nicht schlimm“ denke ich, bin ja
drauf vorbereitet und halte brav sofort rechts an. Ich bin ja schon öfters
mit dem erhobenen Zeigefinger ermahnt worden, wird also auch dieses Mal
wieder gutgehen. Wenn der Sheriff ein paar deutsche Verwandte hat, wird
er mit mir über sie oder wenigstens über deutsche Autobahnen erzählen
wollen und mich wie immer laufen lassen. Aber
leider ist es ein spanisch oder gar indianisch aussehender mürrischer
und auf Anhieb unsympathischer Cop. „ID! Driver License! Insurance!“
schnauzt mich der Typ mit barschem Ton an und zieht sich damit sofort in
sein Auto zurück. Na, wenigstens habe ich aktuelle Versicherungspapiere
mitbekommen. Ein Gespräch ist gar nicht erst möglich. Und dann dauert
es. Je länger es dauert, desto teurer wird es, sinniere ich so auf dem
Moped sitzend vor mich hin und soll damit leider recht behalten. Als der
Blödmann, (das mit „W“ beginnende und mit „ixer“ endende
Schimpfwort gehört nicht zu meinem Sprachgebrauch), nach langer Zeit
endlich aussteigt und zu mir kommt, sehe ich an seiner Mine endgültig,
daß sein Partner ihn heute nacht offenbar nicht oder nicht gut genug
befriedigt hat und daß es daher sehr teuer für mich werden wird. Er hält
mir ein mühselig bekritzeltes Ticket zur Unterschrift hin: 115 $! Er
hat mich mit 85 mph statt der erlaubten 65 mph gemessen, ganz schön
viel Geld für lächerliche 20 mph zu viel. Normalerweise wird man als
Tourist nur mündlich verwarnt, aber dieser, Entschuldigung, dieser
bescheuerte, (ich bitte wirklich um Nachsicht für meine folgende
Entgleisung), dieser Motherfucker muß seine Sch…laune ausgerechnet an
mir auslassen. Hätte ich vorhin nicht den unnötigen Aufenthalt wegen
der Quittung gehabt, wäre ich längst abgebogen und über alle Berge
gewesen! So ein Pech habe auch nur ich. (Paßt mal wieder zum kleinen
Wilf, denn so kleine Malheure zieht er ständig wie ein Magnet an.) Sei
es wie es sei, es ist jetzt nicht mehr zu ändern. „Gehe über Los und
ziehe 4.000,-- ein!“ wäre mir jedenfalls als Ereigniskarte deutlich
lieber gewesen. Von
so einem fiesen Möp lasse ich mir aber den Tag und schon gar nicht
meine gute Laune vermiesen - und fahre gleich in gewohnter
Geschwindigkeit weiter. Man soll schließlich so weiter machen, wie man
aufgehört hat – oder verwechsle ich da was? Bis zum nächsten Ort
komme ich, dann sehe ich links ein Post-Office mir zuwinken. Ich muß nämlich
mit meinem frisch und teuer erworbenen Ticket in ein solches und eine
„money order“ = einen Scheck anfertigen lassen. Diesen Scheck muß
ich in ein mitgegebenes Kuvert stecken und an irgendeine offizielle
Stelle schicken. Die Postfrau hat großes Mitleid mit mir, hilft mir
auch so gut sie nur kann, aber trotzdem bin ich anschließend um die 115
$ Bargeld, (sie nimmt nur Bares), und um weitere 1,43 $ für die
Briefmarke ärmer.
Das
Unangenehme ist somit erledigt. Ist bestimmt besser so. Wenn ich nicht
bezahlen würde, hätte ich sicher mit großen Problemen zu rechnen.
Jetzt kann ich die ganze blöde Geschichte wieder schnell abhaken. Ich
lasse den blöden Cop einfach in einer Jauchegrube ertrinken und riesige
schnellwachsende breitblättrige Lianen über das Erlebte drüberwachsen.
Ist überhaupt was gewesen? Nein! Ich weiß von nichts! Alles schon
vergessen und im Urwalddickicht verschwunden… In
Ruidoso sehe ich ein Café am Straßenrand und frühstücke jetzt erst
einmal ebenso ausgiebig wie preiswert. Dann geht es weiter auf dem
„Billy the Kid Scenic Byway“. Hier in den Bergen, die ich gestern ja
schon von weitem gesehen habe, gibt es schon wieder Kurven satt. Die
Goldwing brabbelt wohlig vor sich hin, ich inzwischen natürlich auch
schon längst wieder.
Mittags
muß ich mal wieder umdrehen und mir einen anderen Weg suchen, denn
meine Straße wird auf freier Strecke, einfach so, mal wieder „unpaved“
und sieht auch nicht gut aus. So etwas kommt immer mal wieder vor: In
der Karte wird eigentlich sehr genau zwischen „paved“ und „unpaved“
bzw. „Dirt Roads“ unterschieden, nur stimmen die Angaben dort schon
mal nicht mit den tatsächlichen Bedingungen überein. Wie so oft
besteht auch hier der bekannte Unterschied zwischen Theorie und Praxis.
Aber das alles tut der Freude keinen Abbruch, ich will ja fahren, je
mehr, desto besser, deshalb wende ich mein Pferd nach zwei, drei
Kilometern, fahre ein kurzes Stück zurück und dann weiterhin mit großem
Vergnügen durch die Gegend. Ich habe hier in den Sacramento Mountains
(gewollt) eine große Schleife gedreht und komme später wieder in
Cloudcroft raus. Natürlich wird unterwegs auch mal wieder das Benzin
knapp, oder vielmehr die Tankstellen, es gibt hier auf dem Land nämlich
einfach keine weit und breit. Aber es reicht immerhin noch, um nicht
liegen zu bleiben, wenn ich auch mal wieder die letzten Meilen nur noch
ganz, ganz zart Gas geben darf…
Hier
oben in Cloudcroft, immerhin so um die 3.000 m hoch, fängt ein
sogenannter „Safety Corridor“ an. Alle Verkehrsstrafen werden hier
einfach verdoppelt. Deshalb halte ich mich hier ausnahmsweise mal eine
Weile an die vorgegebenen Geschwindigkeiten, zumal ich schon wieder ein
paar Sheriffs gesehen habe, die durch die Gegend fahren oder versteckt
am Straßenrand lauern. Die Straße führt fünfzehn Meilen den Berg
runter bis nach Alamogordo.
In
Alamogordo fällt mir die dortige Deutsche Schule auf, wahrscheinlich,
weil ich direkt an ihr vorbeikomme. Leider sind keine Schüler in der Nähe
zu sehen, deshalb entfällt ein möglicherweise interessantes Gespräch
mit einem von ihnen. OK, sehe ich halt zuhause im Internet nach. Für
den, der sich genauso darüber wundert, warum man ausgerechnet hier in
der US-amerikanischen Wüste Deutsch lernen kann, was für die USA ja
wohl eher ungewöhnlich ist, am Ende dieses Kapitels die Aufklärung.
Und hier auch noch ein Link:
Und:
Hier oder jedenfalls in unmittelbarer Nähe wurde 1945 die erste
Atombombe gezündet. Aha, deshalb fühle ich mich hier so bedrückt,
bestimmt schwirrt immer noch ein bißchen Radioaktivität in der Luft
herum… Ab
hier gibt es eine langweilige Autobahn und es ist auch wieder glühendheiß.
Ich bin unterwegs zu den White Sands N.M., die ich mir schon immer mal
ansehen wollte. Der National Park liegt unmittelbar an meiner Autobahn.
Die 3 $ Eintritt und die aufgebrachte Zeit lohnen sich aber eigentlich
nicht: Hier liegen unheimlich viele schneeweiße Sanddünen herum, die
man (sehr mühselig) wie Schneeberge besteigen darf. Ich muß natürlich
auch da rauf. Aber es ist heute einfach viel zu heiß hier. Mit einem
Pkw oder Wohnmobil: OK. (Da kann man sich hinterher Schuhe und Füße
und alles andere saubermachen.) Unterwegs auf einem Motorrad: Lieber
nicht. Schon gar nicht in dieser gnadenlosen Gluthitze. (Unter vielem
anderen: Du bist hinterher ein ganzes Stück schwerer mit dem vielen
Sand in Socken, Schuhen, Stiefeln, Taschen und überhaupt überall! Ja,
da auch…) Nach ein paar Kilometern muß ich wenden, weil die restliche
Straße mal wieder unbefestigt ist.
Der
Sand kam mir schon gleich etwas merkwürdig vor. Zuhause erfahre ich, daß
der Sand gar kein Sand ist, sondern Gips. Aha, also deshalb war der
„Sand“ so strahlend weiß. Für Wissensbegierige: Der Gips wird von
einem Fluß in den Bergen ausgewaschen und in den Lake Lucero gespült.
Von dort wird der Gips vom himmlischen Wind hierher getragen… Hier
in der Nähe ist auch eine berühmte Airbase der US-Luftwaffe und NASA
(White Sands Missile Range) und es gäbe ein reichhaltiges
Raketen-Museum zu besichtigen. Aber nach der Wüstenhitze
mit deutlich über 100° F, heute hatte ich den heißesten Tag
auf meiner Reise, will ich nur noch ausruhen und fahre durch bis Las
Cruces. Hier im Super 8-Motel erhalte ich ein ordentliches Zimmer für
54 $. Danach esse ich im Outback ein köstliches Steak mit der berühmten
riesigen fritierten Zwiebel vorneweg. Und endlich gibt es auch mal
wieder ein kühles Corona, aber da ich mit dem Moped hierher gefahren
bin, bleibt es bei dem einen.
Ich
erkundige mich sicherheitshalber vor dem ersten Schluck bei der
Kellnerin nach der hiesigen Promille-Grenze. Sie weiß es nicht und holt
erstmal ihren Vorgesetzten. Demnach darf man hier in den USA grundsätzlich
bis zu 0,8 Promille im Blut haben. Offenbar ist das Thema aber wieder
mal ziemlich komplex, denn wie immer gibt es reichliche Unterschiede in
den einzelnen US-Staaten, daher lese ich zu Hause noch mal nach: |