19./20.
Oktober 2008 |
Heute
morgen sieht es erst gar nicht so gut aus. Denn mein Taxifahrer, der
mich vom Hotel abgeholt hat, sucht mühsam nach der Vermieterfirma
EagleRider, findet sie aber nicht. Wo sind die denn nur??!
Freundlicherweise hat er inzwischen wenigstens seine Taxiuhr abgestellt.
Das einzige, was wir beide gefunden haben, ist ein normaler
Motorradladen und wir stehen jetzt schon zum zweiten Mal davor. Doch
keins der vielen Reklameschilder am Haus weist auf EagleRider hin. Jetzt
hat er mich mit meinen beiden schweren Packtaschen ganz alleine vor dem
Laden stehengelassen und ich gehe einfach mal rein, um mich zu
erkundigen. Der gesamte Raum ist mit Motorrädern und Rollern
vollgestellt. Ein Angestellter zeigt auf meine Frage wortlos mit der
Hand nach hinten, ganz hinten. Er grinst rätselhaft, geradezu
sybillinisch; bilde ich es mir nur ein oder blicken die andern
Angestellten tatsächlich mit einem Bedauern auf mich? Mühsam suche ich
mir einen Weg durch das Gewirr von Motorrädern. Ja,
tatsächlich, hier hinten in der Ecke, direkt am Klo und mit Blick auf
die schmutzigen Türen, ist ein selbstgezimmertes kleines Stehpult aus
Spanplatten und der schäbige Typ dahinter gibt sich auf meine Frage als
Chef der hiesigen EagleRider-Filiale zu erkennen. Es dauert lange bis
alle Formalitäten erledigt sind; der PC hängt ein paarmal – oder
kann er ihn nur nicht bedienen? Schweiß perlt, nein, er quillt aus
seiner Stirn, ständig und reichlich. Ich habe noch nie jemanden so sehr
schwitzen sehen. Ob ich sein erster Kunde bin? Aber alles ist alt und
staubig, er muß hier also schon längere Zeit hausen. Sämtliche seiner
Fingernägel sind „bis auf die Felgen“ abgekaut. Haare fettig,
Klamotten schmutzig, milde ausgedrückt: der Typ ist total ungepflegt.
Meine Bedenken, ob hier alles korrekt läuft, wachsen überproportional
zur Zeit, die hier verschwendet wird. Das
Taxigeld erhalte ich zwar ausbezahlt, wie vorhin am Telefon vereinbart,
jetzt und in bar allerdings erst auf mein Drängen hin, nur das
obligatorische Trinkgeld will mir der Typ nicht mit auszahlen. Ich muß
etwas mit ihm darüber diskutieren. Er hält mich offenbar für blöd. Draußen
steht dann „meine“ GoldWing und wartet auf mich, grau, gerade frisch
gewaschen, noch etwas feucht in ihren Ritzen. Es ist das alte Modell,
ohne jedes Extra, sogar das Radiodisplay, das doch vor ein, zwei Jahren
deutlich vergrößert worden ist, ist noch so klein wie früher. Um mich
herum, auf dem kleinen vollgestellten Hinterhof stehen noch drei weitere
GoldWings, sehr staubig, und ein paar andere Motorräder und Roller,
alle unheimlich eng neben- und hintereinander gequetscht. Das Ganze
kommt mir immer weniger geheuer vor und so bin ich es auch nicht von der
an sich renommierten Firma EagleRider gewohnt, aber es gibt kein Zurück
mehr, ich muß jetzt durch! Ins Bild paßt, daß ich keinen Gruß zum
Abschied bekomme, kein übliches „Have a nice ride!, Have a safe trip!“
oder so. Also packe ich meine Sachen in und aufs Moped, lasse eine leere
Gepäcktasche zur Aufbewahrung zurück und fahre etwas beklemmt von
hinnen. Unterwegs
halte ich kurz an, nehme ein Seitenteil ab, schließe das Stromkabel für
Navi und MP3-Player an. Dann
schaue ich in die Karte, um endlich zu entscheiden, wo ich denn nun
hinfahre. Mein Freund Erwin hat mir zuhause einen Tipp gegeben, dem ich
folgen will: Deshalb fahre ich jetzt nördlich auf der Autobahn I-5, an
Downtown L.A. mit den entsprechenden Hochhäusern vorbei nach La Canada.
Hier will ich die sechsundsechzig Meilen den Angeles Crest Highway durch
die San Gabriel Mountains hochsausen und mir den hoffentlich noch warmen
Wind um die Nase wehen lassen. Gestern
bin ich in einer 737 der Lufthansa von Düsseldorf nach Frankfurt und
dann in einer 777 von United Airlines nach L.A. geflogen. Zum Glück
hatte ich mal wieder einen Sitzplatz in der Economy Plus-Klasse, sodaß
ich etwas mehr Platz als üblicherweise hatte. Und das besondere Bonbon:
Weil ich mich entsprechend beeilt und im Bus taktisch agiert habe, war
ich bei der Immigration Control in L.A. tatsächlich der allerallererste
Passagier aus unserem Flieger und kam prima, schnell und leicht wie nie,
durch die ätzende Gesichtskontrolle! Die
Übernachtung im Comfort Inn & Suites-Motel war nicht besonders
luxuriös, zumal ich ein indisches Zimmer zugewiesen bekam, nämlich
„am Ende des Ganges“, aber dafür war es besonders groß und hatte
Fenster in drei Richtungen, die andern Zimmer hatten alle nur ein
einziges Fenster auf den Flur hinaus. Man muß halt positiv denken und
immer das Gute finden!
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