Sonntag,
2. November 2008 |
Der
Hotel-Computer kommt seiner Aufgabe eifrig nach und weckt mich pünktlich
um 6 Uhr. Gut, daß ich eine Stunde geschenkt bekommen habe. Trotzdem
bin ich noch etwas müde und unlustig. Erst einmal der obligatorische
Blick aus dem riesigen Fenster. Der Himmel weint bittere Tränen: Es
regnet! Es regnet?? „It
never rains in Southern California“!!? dachte ich bisher immer und
habe es auch brav geglaubt. Zum ersten Mal auf meiner Tour regnet es!
Naja, es regnet eigentlich nicht, es nieselt nur. Zwei Stunden später
wird der Spuk auch schon wieder vorbei sein und die Sonne wieder
scheinen. Wie selbstverständlich steht unten auf dem Century Boulevard
ein Polizeiauto, mit zuckenden rot-weiß-blauen-Blinklichtern und
kassiert zu so früher Morgenstunde einen armen Autofahrer ab. Das Blatt
hat sich gewendet, mit der ganz großen
Freiheit ist es vorbei, man muß jetzt halt ständig und immer den Tacho
im Auge behalten! Mein
Gepäck ist fertig gepackt - und es ist sogar noch frische unbenutzte Wäsche
drin. Mit dem Shuttle-Bus geht es zum Airport. Im Bus steigt neben zwei
Flugzeug-Crews noch eine junge Frau mit mir ein, deren schrille Stimme
auf mich wirkt wie das Schrappen von Fingernägeln auf einer Tafel. Das
berühmte Wahrzeichen des Flughafens, das Encounter Restaurant, das wie
ein gerade gelandetes UFO aussieht, ist zur Zeit eingerüstet und wird
offenbar gerade wieder mal renoviert. United
Airlines ist das letzte Terminal, das wir anfahren, d.h. daß meine
Geduld etwas auf die Probe gestellt wird, denn ich muß warten, bis ich
endlich aussteigen kann. Obwohl es noch so früh ist, herrscht reichlich
Andrang. Am Checkpoint, wo alles Gepäck auf Sprengstoff untersucht
wird, kann ich mich noch gut vorbeimogeln und erspare mir diese unnötige
Prozedur, aber dann heißt es Warten, abwarten und - keinen Tee trinken,
nein, einfach stehen und immer etwas weiter in der langen
Zick-Zack-Schlange vorrücken. Um mich herum ist Hektik, Geschrei,
Lautsprecherkrach, Kinder, Geschiebe und Gezerre, also der ganz normale
Wahnsinn – business as usual. Irgendwann
bin auch ich endlich dran und muß (darf?) elektronisch einchecken. Das
ist dann relativ einfach, eigentlich wie beim letzten Mal, denn der
Computer spricht deutsch mit mir, kramt alle Daten meines Fluges aus
seinem Inneren heraus und präsentiert sie mir in seiner umständlichen
Art; ich brauche seine Fragen nur mit wiederholtem Drücken auf den „Ja“-Button
beantworten und habe am Ende eingecheckt. Meine beiden Gepäcktaschen
werden dann von einem Menschen (freundliche
Mitarbeiterinnen gibt es tatsächlich noch, wenn auch nur noch selten)
mit den notwendigen Banderolen versorgt, dem eifrigen Transportband übergeben
und von einem Loch in der Wand gefressen. Ob ich beide Taschen nach
zweimal Umsteigen morgen Mittag wirklich pünktlich zurückbekommen
werde? Nach
all den Aufregungen frühstücke ich erst einmal ganz in Ruhe in einem
der kleinen Restaurants hinter der Sicherheitskontrolle. Die habe ich
diesmal ohne Probleme überstanden, mußte nur wieder wie immer die
Schuhe ausziehen. Mein Rat hierzu, vor allem für Frauen: Am Reisetag
immer Socken anziehen. Fast vergesse ich meinen Helm beim Aufpassen, daß
ich nichts vergesse. Ich
fliege zunächst einmal in einer 757 nach Washington D.C. und muß dort
in das Flugzeug nach Frankfurt/Main umsteigen. Da das Gepäck bis Düsseldorf
durchgecheckt ist, ficht mich das nicht an, und die Zwischenlandung ist
mir eigentlich auch ganz recht. So ist der lange Flug viel leichter zu
ertragen. Unterwegs versuche ich, irgend etwas von der Landschaft zu
erkennen („da war ich gestern doch noch“), aber ich sehe eigentlich
nur braune Wüste unter mir und ein paar schnurgerade Kanäle, die
kostbares Wasser in den Bergen aufsaugen, um es zum Moloch Westküste
und vor allem nach L.A. zu befördern, wo es viel zu oft immer noch
einfach nur verschwendet wird. Schäfchenwölkchen
lungern unten herum und werfen Schäfchen-Schatten auf den kargen Boden,
während wir der Zeit entgegen fliegen.
Auch
ein paar verlorene kerzengerade Autobahnen sind noch zu erkennen, später
auch noch ein bißchen von Las Vegas, das von Dunst überlagert wird,
aber dann liegt erstmal nur noch menschenleere Ödnis unter mir.
Unterwegs überfliegen wir noch vier, fünf Flüsse. Missouri,
Mississippi, und später dann Potomac River erkenne ich, aber die
anderen sind mir doch unbekannt. Utah und Colorado sehen von hier oben
trostlos aus, viel unwirtlicher, als wenn man da unten herumfährt. Aber
dann wird es wieder etwas grüner, wir sind über dem Mittleren Westen.
Kansas, Missouri, Illinois, Indiana, Ohio und noch ein paar kleinere
US-Staaten, ich müßte es auf der Karte zu Hause noch nachsehen. Wenn
man es nicht gesehen hat, kann man sich gar nicht vorstellen, wie
schachbrettartig die Straßen im Mittleren Westen sind, und alle nach
Nord/Süd bzw. Ost/West ausgerichtet; stundenlang ziehen die Rechtecke
und Quadrate so unter mir langsam und lautlos hin. Inzwischen
bekomme ich schon das zweite kostenlose Getränk. Ich gehöre übrigens
auch zu der merkwürdigen Kategorie von Passagieren, die glauben, einen
langweiligen Flug nur durch das Trinken von Tomatensaft überstehen zu können
– manche halten das dann auch noch für besonders aufregend… Die
Bäume haben ihr buntes Laub noch nicht abgeworfen, aber man sieht
deutlich, daß es Ende Herbst ist und daß es auf den Winter zugeht.
Auch hier gibt es wieder Schäfchenwölkchen – oder sind das nicht
vielmehr Lämmchenwölkchen? Bei uns in Europa ist alles viel kleiner,
aber auch vielfältiger. Ein kleiner Fluß mäandert durch die Gegend.
Leider ist es etwas zu dunstig für Fotos. Hier
in der Gegend von Washington D.C. ist wieder Geld zu sehen, die Grundstücke
größer, grüner und gepflegter. An Straßen wird nicht gespart.
Freizeiteinrichtungen, Sportplätze, Einkaufscenter, Firmen, Autobahnen,
alles davon wird immer mehr, je näher wir dem Flughafen kommen. Die fünf
Stunden Flugzeit sind wie im Flug vergangen. In
Washington docken wir erfreulicherweise an einem Finger an und können
bequem aussteigen und nach kurzer Wartezeit geht es dann in einer 767
durch die Nacht Richtung Frankfurt/Main, reine Flugzeit „nur“ acht
Stunden, wo wir morgens ankommen. Ich befolge diesmal den Rat eines mir
wohlgesonnen Weltreisenden: „Bei Nachtflügen einfach eine
Schlaftablette nehmen und alles verschlafen.“ Ein paar Passagiere
fliegen offenbar gleich weiter und wieder zurück nach London, das wir
vor ein, zwei Stunden überflogen haben, was ich doch für sehr pervers
halte. Auch
hier gibt es nur eine kurze Umsteigezeit, ich muß mich sputen und
erreiche gerade noch so das Flugzeug nach Düsseldorf. Ich bedauere
immer wieder Piloten, die den ganzen Tag und die ganze Woche z.B.
Frankfurt – Düsseldorf oder ähnliche Kurzstrecken fliegen müssen.
Unser Pilot ist recht zielstrebig und deshalb sind wir schon in 42
Minuten endlich und endgültig am Ziel. Der Flieger war nur zu einem
Viertel besetzt, daher stehen in Düsseldorf auch nur ein paar Leute an
meinem Gepäckband herum und so kommen beide Gepäcktaschen auch
schnurstracks angerollt. Ich staune jedesmal aufs Neue, wenn mein Gepäck
auf meinen Reisen zum Schluß vollständig angekommen ist. Bis auf
einmal in Hurghada haben wir da immer viel Glück gehabt.
|
vorige Stationnächste Station |