Samstag,
1. November 2008 |
Ich
frühstücke heute morgen zur Abwechslung mal bei „Wienerschnitzel“,
ich finde im übrigen auch gar nichts anderes. Aber es gibt hier weder
Schnitzel noch Wiener in irgendeiner Form noch sonst etwas anderes, außer
scharfen Burgern. Naja, man muß ja alles mal probieren, also warum
nicht einmal einen scharfen Chilliburger mit Pommes zum Frühstück?! Ein
paar GoldWinger treffen sich hier vorm Haus und als sie mich sehen,
kommen sie nach und nach zu mir rein und wir unterhalten uns kurz. Sie
machen heute eine Tour und laden mich spontan ein mit ihnen zu fahren,
aber leider ist heute mein letzter Tag und ich muß am Abend in Los
Angeles sein und das Moped zurückgeben. Deshalb tauschen wir nur
Adressen aus, vielleicht ergibt sich ja mal etwas für später. Einer
dieser Leute überreicht mir sogar seine Visitenkarte; er heißt Jerry
Grant und sieht wie ein alter Haudegen aus. Später zu Hause lese ich,
daß er tatsächlich früher ein berühmter Rennfahrer war und der erste
Mensch ist, der (1972) die 200 Meilen pro Stunde überschritten hat. Ich
bin sicher, daß ich diesen interessanten Menschen bei meinem nächsten
Besuch in California besuchen werde. The
Adventurer: Jerry Grant, First 200MPH Man - Forbes.com Ich
will heute unbedingt noch einmal Berge fressen und weil ich mich auch
hier noch etwas von früher her auskenne, fahre ich erst die 79 und die
371 und dann, zur ultimativen Befriedigung meiner Lust, biege ich am berühmten
Lookout Roadhouse rechts ab und fahre die wunderschöne 74 in östlicher
Richtung bis ans Ende hinunter, mit grandiosem Blick runter auf Thousand
Palms und vor allem mit entsprechend vielen Kurven und Serpentinen
bergab. Am Visitor Center stellen zwei Künstler ihre Bilder aus,
deshalb lege ich hier eine kurze Rast ein. Dann wende ich und fahre zurück
und am Lookout geradeaus weiter bis Mountain Center. Hier biege ich auf
die 243 ab und fahre durch den San Bernardino National Forest. Wie so
oft auf dieser Reise bin ich ganz alleine auf der Straße unterwegs und
genieße noch schnell die (fast) letzten Kurven.
Zum
Schluß geht es lange steil und sehr kurvig bergab, auch hier ist wieder
deutlich zu sehen, wie total eben da unten alles ist; die Berge sehen
aus, als wären sie aus Kuchenteig auf einen Tortenboden aufgeklebt
worden. Dazu kommen wieder schachbrettartige Straßen der Stadt, der ich
mich immer mehr nähere (Banning) und eine schnurgerade Autobahn. Alles
erinnert an eine Spielzeugwelt und ich bin der Riese darin.
Unten
angekommen biege ich gleich links für ein paar Meilen auf die I-10 ab
und fahre bald darauf durch Hemet, Perris und Elsinore auf der 74 und
dann zum krönenden Abschluß über den wunderschönen Ortega Highway
hinunter. (Viele „interessante“ Filme dazu auf Youtube.com. Auf
jeden Fall fahren die Protagonisten dort meistens etwas schneller als
erlaubt, viiiel schneller…)
Unten
in San Juan Capistrano bin ich wieder am pazifischen Ozean. Ich muß
jetzt ständig die Zeit im Auge behalten, denn spätestens um 6 Uhr
heute Abend muß ich die GoldWing bei EagleRider zurückgegeben haben
und deshalb schwenke ich zielstrebig gleich auf die I-5 und kurz darauf
auf die I-405 und fahre nördlich, Richtung L.A., aber der Weg über die
Autobahn ist lang und nimmt jetzt, wo ich doch etwas unruhig bin, weil
ich nicht weiß, wie weit es tatsächlich noch ist, meinem Gefühl nach
viel zu viel Zeit in Anspruch, zumal wir vor ein paar Jahren nach der Übernahme
der Motorräder für die Strecke von L.A. bis San Juan Capistrano einen
ganzen Tag benötigt haben, allerdings sind wir damals über den Pacific
Coast Highway am Meer entlanggefahren und haben einen längeren
Aufenthalt in Long Beach eingelegt. Die
Autobahn ist hier oft achtspurig, manchmal auch zehn-, zwölfspurig,
allein in meiner Fahrtrichtung, und auch heute am Samstag stark
befahren. Aber wenigstens ist sie nicht so kaputt wie die ganzen
Interstates in der Umgebung von San Francisco. Ich sehe ein IKEA, das
wohl demnächst neu eröffnet werden wird. Ob es am Tag der Eröffnung
auch so überrannt werden wird wie die unsrigen? Doch
alles geht schon wieder gut, warum habe ich mich eigentlich so beeilt?
Ich schaffe es rechtzeitig, kann auch unterwegs mein Stromkabel fürs
Navi abbauen und sogar noch meine beiden Taschen im Hotel Crowne Plaza
am Flughafen abgeben, wo mich zwei schäbige Doorkeeper wegen meines
Motorrades und ob meiner Kluft etwas hochnäsig empfangen. Dabei sollten
sie erst einmal ihre Hemden besser bügeln und ihre Schuhe öfters
putzen. Um
5 Uhr abends bin ich bei EagleRider und gebe das Moped zurück. Ein mißmutiger,
unfreundlicher junger Angestellter, genauso ungepflegt und schmutzig wie
sein Chef kürzlich, merkwürdigerweise mit den gleichen restlos
abgekauten Fingernägeln wie sein Chef, (ist das ansteckend?) nimmt die
Rücknahme vor; der Chef latscht an mir vorbei und würdigt mich dabei
keines Blickes. Keine Frage von ihm, „Wie geht’s, wie war’s, alles
OK?“ Hier
ist immer noch alles so schäbig wie bei der Anmietung der GoldWing.
Eine winzigkleine Delle, so klein wie ein Fingernagel, rechts unten am
Anfang des Auspuffs wird beanstandet, ich weiß nicht, wo sie herkommt,
habe sie dummerweise vorher auch nicht gesehen, das Moped ist weder
umgefallen noch ist es ein Steinschlag, denn der Chrom selbst ist
unbeschädigt. Dafür
werden mir die Kosten für das entsprechende Neuteil mit fast 180 $ in
Rechnung gestellt, obwohl die Delle leicht mit dem Daumen herausgedrückt
werden kann bzw. könnte, aber das wird nicht gemacht, nein, ich muß
bezahlen, es gibt keine Diskussion. Naja, dazu passen dann auch die Schäbigkeit
der hiesigen EagleRider-Filiale und die abgefressenen Fingernägel und
die fettigen Haare und überhaupt das Auftreten der beiden gleich
schmuddeligen Leute hier. Schade, nach dieser Abzocke bedauere ich es
ein wenig, die GoldWing so pfleglich behandelt zu haben – aber die
kann ja auch nichts für ihre Besitzer. Ich
packe meine restlichen Klamotten in die hier zurückgelassene Packtasche
und verlasse grußlos das ungastliche Haus. Hier werde ich mir
jedenfalls kein Motorrad mehr mieten! Vor dem Haus sehe ich zufällig
einen Bus mit Zielangabe „LAX“ vorbeifahren. Super, denke ich, da muß
ich doch hin, und nehme den nächsten statt eines Taxis. Erstaunlich
finde ich dann, daß meine Fahrkarte zum Flughafen nur lächerliche 25
Cent kostet, die fünf, sechs Kilometer Taxifahrt hätten bestimmt
wieder 30 $ verschlungen. Ich muß dann zwar noch in einen zweiten,
immerhin völlig kostenlosen Bus, der mich endgültig zum Terminal
bringt, zu Fuß über die Treppe eine Etage runter und dann in den
Hotel-Shuttlebus umsteigen, aber
dafür habe ich eine Menge „Bucks“ gespart. Gut, daß ich mein Gepäck
vorher im Hotel abgegeben habe, es bewährt sich jetzt hier. 30 $
Ersparnis, ohne großen Zeitverlust, das ist doch ganz positiv nach dem
Beschiß vorhin bei EagleRider. (OK, die Busfahrerei war nicht ganz so
bequem wie ein Taxi.) Mein
Hotelzimmer hier im Cowne Plaza ist sehr behaglich und luxuriös, 10.
Stock, großartiger Blick auf den Flughafen. Das Fenster läßt sich
sogar öffnen! Mein Zimmer ist eine einzige Wohltat nach all den
langweiligen, eintönigen und manchmal sogar schäbigen Motels
unterwegs. Grasweicher Teppich, bequeme Sessel mit weichen Polstern,
riesiges Bett mit unzähligen Kissen, glitzerndes Badezimmer mit weichen
Handtüchern, kuscheliger Bademantel und so manches andere noch dazu. Jetzt
wird mir erst bewußt, wie sehr ich das alles auf dieser Reise vermißt
habe. Was will ich mehr? Nichts, nur noch etwas essen. Da es hier in
unmittelbarer Nähe keine besseren Restaurants gibt, laufe ich um die
Ecke zu Burger King und es schmeckt dort auch ganz gut. Erneut
erkenne ich verblüfft, wie sehr sich schwarze Frauen ähneln. Habe ich
die Frau zwei Tische weiter nicht gestern unterwegs schon einmal
getroffen und mich länger mit ihr über Gott und die Welt angenehm
unterhalten? Aber sie ist es nicht, kennt mich gar nicht. Ob sie das
gleiche von uns weißen Menschen denken? Die Zigarre auf dem
Nachhauseweg schließt den letztendlich doch noch angenehmen Abend
entsprechend rund ab. Zusammen
mit dem Concierge löse ich dann auch noch das Rätsel mit der
Sommer-/Winterzeit: Heute nacht wird hier in Kalifornien die Uhr eine
Stunde auf Winterzeit zurückgestellt. Das gilt für „PT“, also
California. In Arizona mit der „MT“-Zeitzone gibt es so gut wie
keine Sommerzeit, deshalb waren beide Zeitzonen bisher gleich. Aber das
konnte mir unterwegs niemand erklären. Die zusätzliche Stunde in
dieser Nacht kommt mir übrigens nicht ganz ungelegen, weil ich morgen
eigentlich sehr früh aufstehen muß. Es
war doch diesmal ganz interessant mit den zusätzlichen Features auf
dieser Tour: Die letzten Tage vor der großen Wahl, Halloween, die
Zeitumstellung…
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