¡ Fiesta Mexicana!
Mit der GoldWing durch die 
Baja California in Mexico

Von Wilfried „Wilf“ R. Virmond


S
amstag, 7. März 2009 
Düsseldorf – Los Angeles

Düsseldorf Airport, Freitag Abend, 6. März 2009. Gutgelaunt und voller Vorfreude auf meine bevorstehende Reise stelle ich mich am Lufthansa-Schalter zum Late Night Check-in ein. Doch der berühmte Super-GAU steht mir bevor! „Ihr Flugzeug ist heute morgen gestartet! OHNE SIE!“ sagt mir doch die Lufthansa-Mitarbeiterin ganz kühl ins Gesicht und zieht mir damit geradezu den Boden unter den Füßen weg! Natürlich spinnt sie! Oder ihr blöder Computer! Oder alle beide! Ich sehe in meinen Unterlagen nach: Sie hat leider recht! Offensichtlich habe ich Schlafmütze mir den Reisetermin falsch im Terminkalender notiert und später nicht mehr überprüft! Ich dachte immer, das gibt es nur im Film, aber jetzt erlebe ich den GAU persönlich! Flugzeug weg, mein teurer schöner Sitzplatz in der Business-Class weg, Geld weg, meine Reisegruppe weg und bereits unterwegs nach Mexiko, ohne mich, alles aus! denke ich. Beißt mich jetzt der berühmte Herzinfarkt?!

Doch die LH-Mitarbeiterin tröstet mich: „Das kommt öfters vor, als Sie denken, Sie sind da nicht der erste und bestimmt auch nicht der Letzte, wir sehen mal, was wir da machen können“. Das Wichtigste: Es gibt den gleichen Flug am nächsten Vormittag, meinen schönen Sitzplatz bekomme ich auch, sogar wieder am Fenster, Wirtschaftskrise sei Dank, denn früher waren die Flieger nach USA oft ausgebucht. Allerdings: Die Umbuchung kostet Geld. 100 Euro. Ich telefoniere mit dem Reiseveranstalter, der jetzt so spät abends doch tatsächlich noch erreichbar ist. Auch von dort grünes Licht: „Nicht schlimm, Sie hätten doch morgen, Samstag, in Los Angeles einen Tag zur freien Verfügung gehabt. Ihre Gruppe fährt erst übermorgen los, am Sonntag!“

Mein Ärger ebbt ab, mein Herz schlägt wieder langsamer, mein Puls normalisiert sich, mein Blutdruck sinkt und ich komme auf den Boden zurück. Den Herzinfarkt verschiebe ich auf später – viel später. Inzwischen können Ingrid und ich schon über meine Blödheit lachen. Besonders Ingrid. Ich eher noch etwas verkniffen. Trotzdem, nichts passiert, alles noch mal gutgegangen!

Die Lufthansa-Lounge am nächsten frühen Morgen am Airport in Düsseldorf ist etwas dunkel und spartanisch eingerichtet. Trotzdem freue ich mich, ihr mal wieder meinen Besuch abstatten zu dürfen. Nach der Gesichtskontrolle werde ich doch tatsächlich von den LH-Mitarbeiterinnen reingelassen.

Im Flieger nach Frankfurt/Main sitze ich in den vorderen Reihen und bekomme Brötchen und Softdrinks spendiert. Und dabei bin ich doch satt. Die andern Passagiere weiter hinten erhalten nichts. Nach sehr kurzen 30 Minuten landen wir schon in Frankfurt. Das dauert sonst erheblich länger.

Dann durch die Sicherheitskontrolle. Sie ist lästig wie immer. Zum Glück keine besonderen Vorkommnisse. Schnell eine kleine Stange Zigarillos im Duty Free und dann das richtige Gate suchen. Dort ist alles OK, es wird keine Verspätung angezeigt.

Hier in Frankfurt sieht die LH-Lounge deutlich besser aus, wenn sie auch wieder, wie immer in Frankfurt, total überfüllt ist. (Wer weiß, irgendwann werde ich mal First Class fliegen, denn da gibt es bestimmt keine Überfüllung in der Lounge.) Ich wundere mich schon wieder drüber, wie sich diese vielen Menschen den immens teuren Business-Aufschlag leisten können – oder haben die alle nur Meilen gesammelt und lösen sie jetzt ein? Ausgerechnet heute? Egal, ich erfreue mich am Aufenthalt hier so gut es in dem Gedrängel möglich ist. Schade, daß Ingrid diesmal nicht dabei ist, sie genießt das hier immer ganz besonders.

Leider bleibt mir nicht viel Zeit, denn nach einer dreiviertel Stunde muß ich schon in den Jumbo nach Los Angeles einchecken. Aus dem Fenster blickend bin ich wie immer fasziniert, wie die kleinen Gepäcktransporter und überhaupt die vielen Fahrzeuge auf dem Flughafenvorfeld hin- und herwuseln, jeder scheint genau zu wissen, wo er hin muß und was er zu tun hat; alles funktioniert hervorragend – geradezu reibungslos. Wie die berühmten Zahnräder im Uhrwerk. Wir starten pünktlich um 9:45 Uhr.

 ¡ Fiesta Mexicana!

Während ich alle Tasten zur Verstellung meines Sitzes ausprobiere und mich dabei in meinem komfortablen Sessel herumfläze und die reiche Verköstigung und das umfangreiche Infotainment der freundlichen LH genieße, frage ich mich wie so oft in den vergangenen Tagen „war es wirklich gut, diese Reise nach Mexiko zu unternehmen?“ Vorab habe ich mich schon über die wichtigsten Dinge des täglichen Alltags in Mexiko im Internet und vor allem auch bei

Mexperience Mexico Guide

informiert (sehr informativ und bestens zu empfehlen). Trotzdem denke ich immer wieder darüber nach, ob es richtig war, meinem Wunsch nachzugeben und in diesem „gefährlichen“ Land ausgerechnet auf einem Motorrad herumfahren zu wollen, denn es scheinen dort tatsächlich allerlei Risiken und Gefahren auf mich zu lauern. Das Schlimmste, was man in Mexiko falsch machen kann, ist übrigens, sich mit Alkohol am Steuer oder gar Drogen erwischen zu lassen, wobei von beiden auch kleinste Mengen garantiert schwerste Probleme nach sich ziehen. (Mexikanischer Knast ist bekanntermaßen in hohem Maße unerfreulich!)

Aber auch einfach nur Wasser zu trinken, soll oft schon große Infektionsgefahren mit sich bringen. Deshalb wird überall ständig und gebetsmühlartig empfohlen, nur versiegelte Flaschen zu kaufen, keine Salate und kein ungeschältes Obst oder Gemüse zu essen, also einfach genauso wie in allen tropischen Ländern handeln. Nach dem berühmten Motto: „Schäl es, brat es, koch es – oder vergiß es!“. Also auch kein offenes Eis essen. Die gleiche Gefahr können Eiswürfel beinhalten. Oder das Wasser aus dem Hahn fürs Zähneputzen.

Dann die schlechten Straßen! Oder böse Menschen! Oder, oder, oder! Ich bin mal gespannt, ob die Tour wirklich eine mexikanische Party wird, wie der vorher von mir ausgewählte Titel dieses Reiseberichts es eigentlich verspricht…

Im Internet habe ich von Bandenkriminalität und Polizistenmorden gelesen, vom Anstieg der Kriminalitätsrate ( 2009 dreimal so hoch wie in den Vorjahren), Korruption, Prostitution, bettelnde Kinder, mit allen Negativa da drum herum; Mexiko ist allgemein sehr unsicher geworden. US-Marines, die in San Diego stationiert sind, dürfen wegen vieler Morde an US-Soldaten und daraus resultierender Sicherheitsgründe nur noch unter strengsten Auflagen und nur noch in Gruppen nach Tijuana rein; nach Bagdad sollen sie leichter reinkommen. Außerdem wird vor Nepperei und Schlepperei gewarnt. Einige Reiseveranstalter haben deshalb sogar schon geplante Mexiko-Reisen storniert. Bei EagleRider konnte ich schon gar kein Motorrad für die Baja California mieten.

Den übersandten Reiseunterlagen entnahm ich hingegen folgende eher beruhigenden Hinweise:

Obst und Gemüse wird organisch angebaut, weil Chemie viel zu teuer ist. Hühner laufen meistens frei herum. Alles schmeckt daher etwas ungewohnt.

Trinkwasser ist im Gegensatz zum „Festland“ auf der kompletten Baja-Halbinsel „sauber“.

Bier schmeckt vorzüglich und kommt dem deutschen Gerstensaft überhaupt sehr nahe. (Naja, „Corona“ trinke ich ja sowieso ganz gerne.)

Das Essen ist weder scharf noch überhaupt ungenießbar. Ganz im Gegenteil, alles ist sehr schmackhaft und hygienisch einwandfrei. Auch an den Straßenständen, die dem Vernehmen nach öfters kontrolliert werden.

Zum Straßenverkehr: Verkehrsregeln gibt es, werden aber oft sehr „individuell“ ausgelegt. (Dazu später noch mehr von mir…)

Stoppschilder und Tempolimits werden meistens nicht beachtet. (Sollen wir aber lieber nicht nachmachen.)

Überhaupt gibt es in Mexiko keine der bei uns üblichen Verkehrsregeln, es wird nach Gefühl gefahren, was im allgemeinen ganz gut funktioniert. Auf unseren Motorrädern sollen wir allerdings eher großzügig nachgeben und lieber mal abbremsen oder gleich auf den rechten Straßenrand fahren.

Die Straßen können besonders an Steigungen oder nach Regenfällen rutschig werden.

Die Straßen sind Lebensraum für Tiere und Menschen; sie sind meistens daran gewöhnt, bei Hupzeichen die Straße gemächlich zu verlassen.

Um die ärztliche Versorgung muß man sich nicht sorgen, alles ist auf dem neuesten Stand der Schulmedizin.

Warum tu ich mir das eigentlich an? frage ich mich schon wieder. Was will ich eigentlich auf so fremdem Territorium? Doch ich möchte mich mal mit Orten und Landschaften beschäftigen, die nicht jeder mehr oder weniger zwangsläufig kennt – einen Streifzug in die „Terra incognita“ machen, obwohl mir alle Freunde vor dem Eindringen in die mir feindlich gesonnene Umgebung dringend abgeraten haben. Und nicht nur die, alle weiteren virtuellen Informanten haben dies mehr oder weniger direkt bestätigt.

Für Mexiko spricht: Die pure Lust auf Abenteuer! Und: Ein paar Wochen vor Fahrtantritt habe ich mich endlich überwunden und auf meine alten Tage doch tatsächlich noch einen neuen Führerschein beantragt. Und ein Wunder ist geschehen, gerade noch rechtzeitig, zwei Tage vor Reiseantritt, habe ich die neuen Unterlagen ausgehändigt bekommen! Die Zeit des grauen Lappens, inzwischen 46 Jahre alt, mit einem wunderschönen Jugendfoto von mir, auf dem ich höchstens 16 Jahre alt und damals bestimmt noch unschuldig war, ist nun endgültig vorbei; er ist herzlos getötet (sprich entwertet) worden!

 ¡ Fiesta Mexicana!

Gleichzeitig habe ich auch noch den Internationalen Führerschein mitbestellt, weil dieser in Mexiko zwingend vorgeschrieben sein soll. Bisher gab es auf meinen USA-Reisen immer das Risiko, daß mein uralter grauer Führerschein Übersetzungsprobleme hätte verursachen können. Jetzt habe ich erst einmal drei Jahre Ruhe, bis der Internationale Führerschein schon wieder abgelaufen ist. Von daher sollte es also keine Schwierigkeiten geben.

Deshalb: Soll das alles umsonst gewesen sein? Nein! Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Und daher geht es jetzt auch endlich los!

Mittags, pünktlich um 12:30 Uhr Ortszeit, landen wir nach fast zwölf Stunden Flugzeit in Los Angeles. Von Kanada bis Las Vegas hatten wir meist eine mehr oder weniger geschlossene Schneedecke unter uns. Mein Freund Craig aus den USA schreibt mir immer wieder von einem ebenso strengen wie langen Winter, also wie bei uns. Sonst gibt es nicht besonderes vom Flug zu vermelden.

Da ich wieder mal ganz vorne im Flugzeug sitze, kann ich sehr schnell aussteigen und bin auch wieder einer der allerersten Leute an der Immigration. Leider hat das vor Reiseantritt obligatorische neue ESTA-Verfahren übers Internet real nichts Neues bewirkt. Die bekannten weißen und grünen Karten müssen nach wie vor ausgefüllt werden. Neu ist, daß jetzt alle zehn Finger auf den Scanner gelegt werden müssen, einzeln und nacheinander. Die Prozedur ist, wie in letzter Zeit immer, schnell durchlaufen, darüber meckere ich schon lange nicht mehr. Mein Gepäck kommt auch bald und ist auf Anhieb vollständig.

Zuhause sitzt der Winter noch auf seinen fetten vier Buchstaben herum und will nicht weichen, und der Frühling tänzelt immer nur unentschlossen herum; hier werde ich dagegen ausgesprochen freundlich von frühsommerlichen Temperaturen empfangen, während ich auf den Shuttle-Bus zum Hotel warte. Der Bus kommt bald und nach ein paar Minuten sind wir dort und ich checke ein. Ich frage danach und erhalte auch ein sehr schönes Einzelzimmer in einer höheren Etage im Süd-Tower mit schöner Aussicht. Beim Einchecken gibt man mir einen kleinen Merkzettel in die Hand: Heute nacht wird die Uhr eine Stunde vorgestellt. Ich finde das witzig, weil ich ja auf meiner letzten Tour („Ein Quantum Lust“) am letzten Reisetag (1./2.11.2008) hier in L.A. bereits die Nacht mit der Umstellung auf Winterzeit erlebt hatte.

Es überrascht mich eigentlich nicht, daß die volle unbenutzte Rei-in-der-Tube-Tube im Koffer mit den Kleinsachen restlos ausgelaufen ist und alles schlimm verschmiert hat. Ich bleibe einfach cool und locker und wasche alles in Ruhe ab. „Wenn sonst nichts schlimmes mehr kommt…“ beruhige ich mich. Dann lege ich mich erstmal aufs Bett, auf meiner inneren Uhr ist es immerhin bereits Mitternacht.

Ein Anruf weckt mich. „Hier ist Thomas, ich bin Dein Zimmergenosse“ meldet sich ein Typ mit holländischem Akzent. Merkwürdig, denke ich, immerhin habe ich ein teures Einzelzimmer für die gesamte Reise bezahlt. Ich gehe runter zur Lobby und da steht auch meine zukünftige Reisegruppe und erwartet mich: Fünf Holländer und zwei Deutsche. Es stellt sich heraus, daß Thomas ein zweiter Tour-Guide ist und sich die Tour fürs nächste Mal ansehen möchte. Er spricht mich mit „Sie“ an und wird das die Tour über meistens beibehalten, ich zum Spaß auch.

Ich will hier kein Theater machen und gebe wegen des Zimmers nach. D.h., daß ich jetzt alle Nächte mit einem fremden Zimmergenossen verbringen muß. Schade, hätte es nicht ein weiblicher Guide sein können? Den schon bezahlten Einzelzimmer-Zuschlag soll ich später zurückbekommen. Thomas hilft mir, mein Gepäck zu holen und wir beziehen ein nicht mehr so schönes Zimmer mit zwei getrennten Betten unten im Altbau.

Am frühen Abend kommt ein großer Van des Motorrad-Vermieters und holt uns ab. Da stehen ja unsere Pferde schon, alle als Motorräder verkleidet, leider sind sie aber noch nicht ganz fertig. Es dauert lange, bestimmt über eine Stunde, bis wir endlich losfahren können. Im Gegensatz zu sonst ist die Übernahme letztendlich sehr einfach, geradezu lässig-locker. Es werden keine Schäden an den Motorrädern umständlich festgehalten und es werden auch keine Führerscheine oder Pässe kontrolliert. Ein Formular mit den nötigsten Angaben wird ausgefüllt, das ist alles. Fertig. Internationalen Führerschein also erstmal umsonst besorgt und bezahlt.

Der Van fährt die Reise über mit und wird unsere Koffer transportieren. Außerdem wird ihm ein Anhänger mit einer Ersatz-Harley angehängt. Dann sausen wir auf unseren neuen Mopeds zum Hotel zurück; inzwischen ist es längst dunkel.  Gegenüber im Sizzler’s essen wir noch zu Abend und gehen bald darauf schlafen; alle sind müde. Unser Hotel soll unglaubliche 640 Zimmer haben!

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