Tag
9 Mittwoch,
20. April 2011 Ausgrabungsgelände
von Palmyra, beduinisches Abendessen Des
Nachts habe ich wieder gut geschlafen. Und am Morgen löst sich endlich
auch das Rätsel mit den im Wind rauschenden Bäumen auf: Es sind Palmen,
deren Palmwedel so gerauscht haben. Ach ja, natürlich, wir sind ja in
einer uralten Oase, und hier stehen viele tausend Palmen ums Hotel herum,
ein unendlicher Palmenwald. Auch
im Hof unter mir stehen ein paar Palmen; sie nicken mit ihren staubigen
Palmwedeln den beiden Katzen in der Sonne fröhlich einen Guten Morgen zu. Hier
draußen auf dem winzigkleinen Balkon ist es kühl, nein, kalt, ich habe
unter meiner immer mitgenommen Schlafdecke etwas gefroren. Die liebe Frau
Sonne ist aber schon längst fleißig an der Arbeit. Die roten Flecken an
den Knöcheln sehen geringfügig besser aus, die Wunde am Schienbein
nicht. Nach
dem Frühstück fahren wir gegen 9:00 Uhr los, aber nur den Kilometer bis
zum Ausgrabungsgelände. Gepäck bleibt auf den Zimmern. Ein weißer Bus
aus Deutschland begegnet uns, den ich schon gestern Abend hier habe
herumfahren sehen. Mit einem solchen Hotelbus wird dieselbe Reise bestimmt
etwas günstiger werden: Hotelbus-Reisen
Alfons Meilhamer GmbH In
unserem Programmablauf heißt es: „Besichtigen Sie Tempel, Thermen und
Patrizierhäuser der einstmals bedeutenden Oasenstadt“. Wir können
wieder durch jede Menge Säulen und Mauern laufen und staunen, was die
alten Römer alles gebaut haben. Warum mußte ich so alt werden, bis ich
endlich etwas so Schönes sehen und erleben kann? Palmyra ist für mich
ein weiteres Weltwunder. Ich habe Sorge, daß den Leuten die
Speicherkarten platzen… Unsere
Guides halten fleißig Vorträge. Bald ist es wieder sonnig und heiß.
Egal wo man steht, ständig kommen fliegende Händler aus allen
Himmelsrichtungen auf ihren Mopeds angeschwirrt, oft zwei, drei Leute und
alle Verkaufsware auf dem Moped, dazu viele Kinder, die
alle Postkarten, Reiseführer, Teppiche, Schmuck, Getränke
anbieten. Ich rauche eine Zigarre und werde ständig gefragt, ob ich ein
reicher Mann wäre. Relativ
wenig Touristen sind zu sehen. Ob sich die politischen Unruhen bereits so
stark auswirken? Mittags
können wir einen Drink im benachbarten Zenobia Cham Palace Hotel nehmen
und fahren dann zum Mittagessen in unser Hotel zurück. (Königin Zenobia
soll die schönste Königin gewesen sein, die Arabien je hatte.) Nach dem
Essen besuche ich die freundliche Ärztin, die mir etwas Salbe und ein
professionelles Pflaster auf die Wunde macht. Vorerst soll ich nur
vorsichtig duschen, damit kein Wasser an die Wunde kommt. Ich
höre von andern Reisenden, daß es im ZDF einen Bericht über zwanzig
Tote in Homs gegeben hat. In arabischen TV-Sendern spricht man dagegen von
„nur“ drei Toten. Wir haben Glück gehabt, da nicht rein geraten zu
sein. Unsere Reiseleitung steht ständig in Verbindung mit der deutschen
Botschaft und anderen Informanten, um uns die größtmögliche Sicherheit
zu gewähren. Dazu gehört, daß dann leider auch der eine oder andere
Reisepunkt storniert werden muß. Bis
drei Uhr werden die Zimmer geräumt und das Gepäck im Bus verladen. Doch
wir verweilen noch. Erst einmal fahren wir zu den berühmten hohen Grabtürmen
im Tal der Gräber, die bis zu fünf Etagen mit Gräbern haben. Sie
stammen aus der Zeit von 10 vor Christus
bis 100 nach Christus, geben mir aber nicht viel. Ganz im
Gegenteil: Ich fühle mich hier sehr unwohl und bin gleich wieder draußen.
Möchte auch keine Fotos dieses Ortes machen. Wer weiß, was für Geister
hier immer noch herumwuseln. Bei manchen Dingen bin ich sehr sensibel… Dann
erkunden wir zu Fuß einen Teil der „neuen“ Stadt Palmyras, sie heißt
Tadmur. Es sind aber auch nur alles schmutzig-staubige runtergekommene
Behausungen. Wir fallen auf, weil wir die einzigen Touristen sind. Danach
geht es zum Reiten. Die Reiseleitung hat alle, die möchten, zu einem Ritt
auf dem Kamel eingeladen. Diese warten schon auf uns und werden mit viel
Hallo bestiegen. Ich habe Glück, es ist ja nicht ganz ungefährlich, wenn
ein Kamel aufsteigt oder sich wieder hinsetzt, man wird dabei nämlich kräftig
nach vorne und hinten geworfen, doch alles geht gut, nichts passiert mir.
Auch der halbstündige Ritt ist schön, ich darf sogar Zügel und Stock übernehmen,
den ich aber natürlich nicht einsetze. Aber ich habe es schnell heraus,
wie ein Kamel gesteuert werden will. Ein paar süße Babykamele laufen bei
ihren Müttern mit. Kamele
laufen im Passgang. Sie bewegen dabei stets beide Beine einer Seite
gleichzeitig vorwärts. Der Passgang der Tiere ruft bei seinen Reitern das
Gefühl eines schwankenden, sich im leichten Wellengang fortbewegenden
Schiffes hervor. Vor allem diese Gangart trug dem Kamel die Bezeichnung
„Wüstenschiff“ ein. Aber auch Elefanten und Giraffen laufen so. Nicht
so viel Glück hat der Mann aus dem inzwischen mit mir angefreundeten
norddeutschen Paar, Udo und Barbara H.
(manche Namen habe ich geändert oder gekürzt, sagen wir mal
„aus juristischen Gründen…“). Ihm wird reichlich wehgetan, das
Kamel kann eigentlich nichts dafür, sein Führer hätte besser aufpassen
müssen, es bückt sich wohl nur, um zu Fressen, und dabei wird Udo heftig
nach vorne und nach hinten an die beiden Eisenstangen gedrückt. Das
verursacht ihm dann so starke Schmerzen, vor allem auch an seinen edlen
Teilen, aber auch im Rücken, sodaß er den nächsten Tag krank ist und
untenrum alles ständig mit Eiswürfeln kühlen muß. Aber
von diesem schlimmen und ein paar anderen kleineren Kollateralschäden
abgesehen, geht beim Kamelreiten alles in Ordnung. Dann
folgt wieder eine „Gesundheitspause“ im Hotel, bevor es auf den Hügel
mit der berühmten Zitadelle zum Sonnenuntergang geht. Die Burg thront
geradezu über dem langgezogenen Ruinenfeld. Viele Menschen haben sich
hier oben versammelt und alles läuft sehr romantisch ab. Bedauerlich:
Arak wird auch wieder von der Reiseleitung angeboten, aber ich bin erneut
zu blöd und kriege schon wieder nichts davon mit… Danach
geht es wieder runter, denn es gibt noch einen weiteren Höhepunkt: Ein
Abendessen bei den Beduinen. Alles ist gut organisiert, nur gegen den stürmischen
Wind kann man nichts machen. Das Lagerfeuer brennt deshalb auch mit
respektvollem Abstand zu uns. (Eine schwere eiserne Feuerstelle fällt später
im heftigen Wind sogar um, richtet aber keinen Schaden an.) Ich
habe Glück und bin früh genug da, sodaß ich einen Platz in der
hintersten Ecke des an der Längsseite offenen Zelts finde. Hier bin ich
noch am besten vor dem heftigen Wind geschützt. Es gibt wieder ein
komplettes Menu mit unzähligen Vorspeisen. Das Fleisch (natürlich vom
Hammel) muß ich dann nicht haben, ich beschäftige mich lieber wieder mit
einer Zigarre draußen, windgeschützt, hinter einer Wand aus Decken. Zum
Nachtisch mit Obst gibt es arabische Live-Musik und später sogar noch
einen Märchenerzähler. Er sieht Hassan etwas ähnlich. Ach so, er muß
es selbst sein, er hat sich nur so prächtig verkleidet. Dann gibt es noch einmal eine kurze Pause im Hotel und die endgültige Abfahrt mit den Bussen um 22:00 Uhr. Unseren Zug besteigen wir eine halbe Stunde später. Er bleibt aber wieder über Nacht hier stehen. Die im Programm aufgeführte Nachtfahrt an die Küste entfällt. Vielleicht fahren Züge nachts nicht in Syrien – oder dürfen nicht fahren, überlege ich. Zumal hier offensichtlich keinerlei Geld in die Bahn gesteckt wird. Ganz im Gegenteil, man läßt alles immer mehr verrotten. Aber es wird ganz einfach so sein, daß wir sonst viel zu früh am nächsten Ziel wären und auch nichts von der Zugfahrt bzw. von der Landschaft hätten. |