Ein Quantum Lust

Mit einer GoldWing durch den Süd-Westen der USA (California und Arizona)

Von Wilf Virmond

 

Dienstag, 21. Oktober 2008
Von Los Angeles nach Hesperia, 208 Meilen


Schön! Einfach superschön! Endlich sitze ich mal wieder ganz entspannt auf meiner GoldWing und sause mit großem Vergnügen eine schmale, leicht kurvige Straße den Berg hinauf, aber nicht in Deutschland, nicht in Europa, nein, ich bin mal wieder „drüben“ - in den USA, genauer gesagt in California. Die Straße unter meinen beiden Rädern heißt „Angeles Crest Highway“ (SR2) und liegt, wie der Name schon sagt, ganz in der Nähe von Los Angeles, genauer gesagt nordöstlich von L.A. in den San Gabriel Mountains. Heute morgen habe ich mir die GoldWing bei EagleRider gemietet und schwinge nun durch wunderschöne einsame Kurven Richtung Wrightwood. (Mehr zu meinem Hinflug und vor allem zu meinen negativen Erlebnissen mit der Filiale Santa Monica der Firma EagleRider am Ende meines Berichts.)

Angenehm warm ist es hier, bestimmt noch um die 28°, obwohl es schon Ende Oktober ist und obwohl schon reichlich Höhenmeter unter mir liegen. Unten, in der Stadt war es noch heiß und dunstig, aber hier oben ist die Luft klar und gut, denn die Bäume hier oben saugen allen Schmutz auf und spenden frischen Sauerstoff.

Peter Fonda empfahl schon den Wild Hogs: „Und nehmt Eure Armbanduhren ab!“ Deshalb habe ich erst gar keine mitgenommen. Ist das Leben nicht schön?

Kaum ein Auto begegnet mir, es gibt auch bald keins mehr zu überholen, nachdem ich aus den letzten Wohngebieten heraus bin, ich bin fast ganz allein auf der Piste. So soll es sein, so wünsche ich es mir immer. Was will man mehr? Obwohl es ständig aufwärts geht, kann ich doch stets im 5. Gang bleiben - aber dafür ist die GoldWing mit ihrem hohen Drehmoment ja prädestiniert. Mein TomTom zeigt mir den Weg („96 km geradeaus!“) und der MP3-Player spielt die richtige Country-music dazu.

 

USA Reise Okt/Nov 2008

 

Die Sonnenstrahlen werden hier oben immer brennender, sodaß ich mir jetzt doch lieber meinen Pullover anziehe, schließlich soll ich meine Haut vor starker Sonne schützen.

Kein Verkehr hier oben, vor allem keine Touristen, schon gar nicht die aus Europa oder Fern-Ost, die im Sommer so lästig sind. Nur ein paar Motorräder begegnen mir noch ab und zu, die offensichtlich auch nur zur Befriedigung Ihrer Lust hier oben unterwegs sind. Die Route 66 mag die Mutter aller Straßen sein, aber hier habe ich eine ihrer viel schöneren Töchter unter meinem Hintern! Eine spektakuläre Straße in einer ebensolchen Berglandschaft mit ständig wechselnden Panoramablicken. Bestimmt wurde diese Straße nur für uns kurvensüchtige Motorradfahrer gebaut.

Doch was ist denn das? Ein Schild: „Road Closed 24 Miles Ahead“ – Straße nach 24 Meilen gesperrt!

 

USA Reise Okt/Nov 2008

 

Was soll denn das schon wieder?! Aber so sind die Amis, so ein Schild wird mitten in der Wildnis aufgestellt. Da ich nur geradeaus weiter kann (oder zurück nach L.A.), fahre ich erstmal weiter, bin hier ja schließlich schon ein paarmal auf einer an sich gesperrten Straße weitergefahren. In einem Café unterwegs erkundige ich mich, ob es stimmt, ja, doch, nach einem Bergrutsch wurde die Straße tatsächlich gesperrt, es gibt kein Durchkommen. Na gut, an der endgültigen Sperre gebe ich auf und wende, ich will ja nur fahren.

 

USA Reise Okt/Nov 2008

 

Später zuhause lese ich dann, daß die Straße schon seit 2004 gesperrt ist und kein Geld für eine Instandsetzung vorhanden ist, wodurch weitere Schäden dazugekommen sind. Es ist wirklich schade, eine so schöne und mühselig gebaute Straße auf diese Weise verkommen zu lassen. (Auf Sardinien hatten wir auch so eine Straße, aber das war eben auch Sardinien! Ich dachte bisher immer, daß es so etwas Unglaubliches in den USA nicht geben könnte…)

Angeles Crest Highway - Wikipedia

Und als Schmankerl bei YouTube:

YouTube - Two FZ6s on Angeles Crest Highway 3/22/08

Ich habe insoweit Glück, daß tatsächlich eine einzige kleine und vor allem geteerte Straße (N3) bald rechts abgeht und daß ich also nicht den gleichen Weg zurück muß. Und diese schmale Straße ist auch nicht von schlechten Eltern, äh, von schlechten Straßenbauern, weiterhin kurvig, ständig leicht bergab, durch jetzt karge Hügel und später durch den National Forest runter nach Littlerock und weiter nach Hesperia.

Ich übernachte im wunderschönen neuen Country Hearth Inn & Suites für 76 $. Mein Abendessen bekomme ich im „Benny’s Bar and Grill“ im selben Haus. Schade, ich bin eine Woche zu früh, denn dann ist hier Oktoberfest mit „Nuernberger Rostbratwurst“ und „ofenfrischem Apfelstrudel“, alles sogar völlig fehlerfrei geschrieben! Ist aber nicht schlimm, Michelle bringt mir nach einer überraschend guten Zwiebelsuppe ein noch besseres Steak mit einer Ofenkartoffel und anschließendem Nachtisch. Dazu fließen ein paar durchaus trinkbare „Hefeweizen“ – allerdings mit Orangenscheibe. Für solch ein gutes Abendessen habe ich gerne den ganzen Tag gehungert.

 USA Reise Okt/Nov 2008

  Die beiden Motel-Besitzer essen auch hier zu Abend und haben wohl schon von mir gehört. Sie begrüßen mich sehr freundlich, beide sind steinalt und außerordentlich liebenswürdig zu mir und freuen sich offensichtlich, auch mal einen Deutschen im Haus zu haben.

So ein gutes Mahl verlangt und erhält eine gute Zigarre zum Abschluß, draußen am Pool. Meine Tour fängt ja schon mal sehr angenehm an.

 

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