Tag
7 Montag,
18. April 2011 Damaskus,
Basar, Omajjaden-Moschee mit dem Grabmal des Sultan Saladin, Azem-Palast,
unsere erste Nacht im Zug Ich
bin viel zu früh, um 7:00 Uhr wach. Denn unser Weckruf erfolgt
ausnahmsweise erst um 8:30 Uhr, weil wir so spät angekommen sind. Gegenüber
"wäscht" ein Arbeiter elf Audis A4, einen Volvo und einen
Hjundai Van von Europcar mit einem einzigen Eimer Wasser. Direkt daneben
ist eine Kaserne und ich sehe auf den Hinterhof. Die Soldaten leben in
einem total verkommenen Haus; auf dem Gelände liegen Müll- und
Schutthaufen herum. Genauso schlecht ist es um das rollende Material
bestellt. Auch sonst (und auch unsere Hotelfassade): Alles ist schrecklich
staubig, schmutzig und verkommen. So primitiv habe ich mir dieses Land und
vor allem seine Hauptstadt Damaskus („Perle des Morgenlandes“) nicht
vorgestellt. Der Hotelpool ist traurig, man hat ihm alles Wasser
herausgelassen. Unsere
Reisegruppe hat sich über Nacht stark vergrößert. Waren wir bisher
vierzig Leute in zwei Gruppen, sind wir jetzt hundertneun Personen in fünf
Gruppen, eine davon englischsprachig mit Leuten aus Norwegen, Kanada und
Australien. Schweizer, Österreicher und Luxemburger sind bei uns dabei.
(Die Firma verkauft diese Reise in vielen Ländern.) Auch die jetzt
angekommenen Leute blieben nicht von Unbill verschont. Sie kamen aus dem
Libanon und mußten an der Grenze alle Koffer herausholen und umständlich
öffnen. Und die Gruppe im Zug auf der Herreise von Istanbul nach Damaskus
hatte nach Unwettern stark unterspülte Gleise, die erst mühselig aufgefüllt
werden mußten, und somit auch reichlich Aufenthalt. Unsere
Abfahrt erfolgt pünktlich um zehn Uhr in entsprechend fünf Bussen.
Meiner ist ausgesprochen luxuriös und hat in jeder Reihe nur drei Sitze,
zwei links, einer rechts. Dazu kommt noch reichlich Beinfreiheit. Bis auf
einen weiteren sind die andern Busse nicht so komfortabel. Und das Gute:
Die Busse begleiten uns vorerst auf unserer Reise, fahren neben dem Zug
her und erwarten uns jeweils an den nächsten Zielen. Ab
heute hängt morgens fast immer ein Tagesplan aus, im Hotel an den Aufzügen
oder später in der Mitte der Waggons des Zuges. Unsere
erste Fahrt mit vollständiger Reisegruppe führt uns in die Innenstadt
zum Souk Al Hamidiye. Er ist wie erwartet voller Menschen. Auch hier hängen
wie überall große Plakate des Präsidenten Assad herum. Bestimmt werden
die Menschen dazu gezwungen, sie aufzuhängen. Freiwillig wird das niemand
machen wollen. Ich
bin froh, als wir durch sind und die direkt anschließende
Omajjaden-Moschee besuchen. Hier kann man wieder atmen. Die Frauen müssen
alle lange graue Mäntel mit hochgeschlagener Kapuze überziehen. Die Männer
dürfen bleiben, wie sie sind. Nur die Schuhe müssen von allen ausgezogen
werden; man kann sie abgeben und erhält sie später wieder. (Mein Tipp:
Socken einstecken! Falls man hier nicht barfuß auf dem Marmor herumlaufen
will.) Hier soll das Haupt Johannes‘ des Täufers aufbewahrt werden.
(Die Moschee war früher eine christliche Kirche.) Aber es gibt mehrere
Orte, die dies von sich behaupten. Omaijaden
Moschee - Google-Suche mit vielen Fotos Johannes
der Täufer – Wikipedia Direkt
dahinter liegt der Azem-Palast, der auch von uns besucht wird. Er ist ein
(inzwischen etwas verstaubtes) Museum für syrische Volkskunde geworden. Azem
Palast - Google-Suche mit vielen Fotos Azem
Palace - Wikipedia, the free encyclopedia Das
vorgesehene Nationalmuseum fällt wegen der Zeitplanänderung aus,
stattdessen dürfen/sollen wir uns noch einmal im Souk tummeln. Mir fallen
ein paar Verkaufsstände mit reichlich gewagten Dessous auf, die man hier
bei uns in Deutschland jedenfalls nicht so offen angeboten bekommt. Die
Reiseleitung möchte uns alle mit einer Überraschung überraschen und fährt
mit allen Bussen auf einen Berg (der
„heilige“ Berg Kasyun) hinauf. Hier können wir die Aussicht
auf die Stadt und den Sonnenuntergang genießen, wenn auch schon alles im
abendlichen Dunst liegt. Achthundert Moscheen soll man an ihrer grünlichen
Beleuchtung von hier oben bei klarer Luft erkennen können. Wer will, darf
einen Arak im Plastikbecher trinken. Da ich etwas Halsschmerzen habe, (von
den kalten Steinplatten heute Nachmittag), nehme ich auch einen zu mir.
Hilft! Der
Palast des Präsidenten liegt unter uns. Das Attribut
„verschwenderisch“ dürfte für die Anlage noch untertrieben sein. Man
hat es halt und zeigt es auch. Weiter
geht es zurück in die Stadt, wir besuchen das Drehrestaurant des Cham
Palace-Hotels zum Abendessen. Leider kann ich mein Bier nicht mit
Kreditkarte bezahlen, aber zum Glück hatte ich nachmittags noch gerade
rechtzeitig und auch gerade genug Geld beim jordanischen Reiseleiter
umgetauscht und habe somit genug Bares einstecken. Eine Drehung benötigt
ca. zwei Stunden, es wird einem also eher nicht schwindlig. Barbara
leiht mir ihren Seidenschal, weil die Klimaanlage alle paar Minuten kräftig
auf mich runterbläst. Jetzt
geht es endlich zum Zug, der am Bahnhof schon geduldig auf uns wartet. Das
vielgerühmte und ebenso berühmte Eisenbahnmuseum im Bahnhof Kadam wurde
uns Eisenbahnliebhabern leider vorenthalten. Schade. Dafür fuhr unser Bus
mindestens siebenmal am Bahnhof vorbei. Draußen steht eine einsame alte
kleine Dampflok. Um
22:30 Uhr sind wir genau nach Zeitplan am Zug, die Koffer sind
bereits auf allen Abteilen verteilt. Alle sind aufgeregt, suchen ihre
Abteile und richten sich häuslich ein. Die Abfahrt erfolgt fast ebenso pünktlich
um kurz nach elf Uhr abends. Leider lassen sich die Fenster im
gesamten Waggon nicht zum Fotografieren öffnen. Die Luxusabteile hinten
sollen besser sein. Die
beiden Sitze in meinem Abteil werden vom Wagenchef zum unteren schmalen
Bett verwandelt. Das obere Bett lasse ich die gesamte Reise über
aufgeklappt und benutze es als Ablage. Falls man zu zweit fährt: Wer schläft
oben, wer unten? Gibt es eventuell sogar Streit?? Außerdem
verfüge ich über einen kleinen Kühlschrank mit Getränken, ein Schränkchen
und ein kleines Waschbecken mit Warmwasser. Für zwei Leute dürfte es eng
werden, für mich alleine ist es ausreichend. Unser
Zug wird von einer schmutzigen, vergammelten rostigen Diesel-Lok der
syrischen Bahn CFS gezogen. (Hier nur ein Detail: Eine der drei vorderen
Stirn-Lampen ist schon lange kaputt.) Direkt dahinter der
„Generatorwagen“. Dann folgen ein Waggon mit Vierbettabteilen und drei
Waggons mit Zweibettabteilen. Danach ein Speisewagen für die Fahrgäste
in den vorderen Waggons und ein weiterer Speisewagen für die Leute aus
den hinteren Waggons. Dahinter zwei weitere Waggons, alle mit
Zweibettabteilen. Alle neun Waggons sind äußerlich im Vergleich zu den
normalen syrischen ungewöhnlich sauber und von der türkischen
Bahngesellschaft TCDD. Alle Wagen haben am Ende eine normale oder eine
„arabische“ Toilette zum Hocken (mit dem berühmten Loch im Boden)
sowie eine Dusche. Ganz hinten sind noch zwei Schlafwagen der ungarischen
Bahngesellschaft MAV angehängt, mit je einem ungarischen Schaffner und
mit größeren Luxus‑Abteilen, in denen die Betten nebeneinander
L‑förmig angeordnet sind, also nicht übereinander; jedes Abteil
verfügt über ein eigenes Bad. Immerhin:
Ich habe Glück, mein Abteil liegt günstig im ersten Waggon hinter dem
zweiten Speisewagen. Dort
trinke ich erstmal ein Glas Rotwein, der aber schrecklich ist, ich bekomme
erst Bläschen auf der Zunge und dann wird sie auch noch pelzig. Die
Klimaanlage in meinem Abteil läßt sich zwar ausschalten, aber die Lüftung
springt trotzdem alle paar Minuten an. Da muß man sich dran gewöhnen. Erfreulicherweise
kann ich ein kleines schmales Oberlicht am Fenster aufkippen. So muß ich
wenigstens nicht ersticken. Um
meine Foto-Akkus aufzuladen, ziehe ich den Stecker des Kühlschranks raus
und bin so für den nächsten Tag wieder gut ausgerüstet. (Die
Rasierer-Steckdose soll zu schwach abgesichert sein.) Nach
einer halben Stunde stoppt unser Zug an einem kleinen Bahnhof. Wir bleiben
hier über Nacht stehen und können in Ruhe schlafen. Die Wunde am Bein
schmerzt inzwischen. Außerdem haben sich an beiden Unterschenkeln jede
Menge roter Flecken hinzugesellt; zum Glück jucken sie nicht und machen
sich auch sonst nicht bemerkbar. Hoffentlich gibt das keine Probleme.
Inschallah! (So Gott will!)
|