Die besten Reiseberichte aller Zeiten! Mehr Reisebericht geht nicht! Wilfried R. Virmond
(„Azoren?
Wo iss’n das??!“) 5.
bis 12. Februar 2014 Warnung:
Ich benutze die alte (bewährte) Rechtschreibung; wer
Wert auf die neue legt, sollte spätestens hier mit dem Lesen aufhören.
Tag 1, Mittwoch, 05.02.2014 Vor kurzem gab es depressiv machende familiäre Probleme, und
deshalb habe ich mich ganz kurzfristig entschlossen, erneut auf die
„Wanderschaft“ zu gehen. Reisen lenkt ab und säubert den Kopf von
allem Quatsch und allen Sorgen. Vordringlichste Parameter also: Ablenkung,
Wandern, Vergnügen! Und, um es gleich vorneweg aufzulösen: Die Azoren bestehen aus
neun Inseln vulkanischen Ursprungs und liegen im Atlantik, ca. 1.400
Kilometer westlich von Portugal. Und sie schicken uns gern und voller
Freude die berühmten „Azorenhochs“ und, noch lieber, ihre
„Azorentiefs“ herüber. azoren
- Google-Suche (Fotos) Nach vier Stunden Flugzeit landen wir gegen elf Uhr in Ponta
Delgada auf der Hauptinsel São Miguel;
ich muß meine Uhr zwei Stunden vorstellen. Wetter regnerisch, geschätzte
18 Grad. Das berüchtigte Azorentief empfängt mich freudig und „großzügig“.
Zum Glück wurde unser Flieger wegen des anfänglich noch schlechten
Wetters nicht auf die Kanarischen Inseln oder nach Madeira umgeleitet. Das
kommt bei dieser Destination schonmal vor, und unser Flugkapitän hatte es
uns anfangs schon vorsorglich „angedroht“. Mein Hotel ist riesig, ich konnte es schon
vom Flieger aus deutlich erkennen. Ursprünglich (ca. 2001) als Holiday
Inn geboren, ist das Gebäude viel zu groß und viel zu modern, eine wahre
Bausünde, also total unpassend für die Lage am Rande eines kleinen, in
seiner Ursprünglichkeit erhaltenen Ortes. Es paßte sicher gut nach
Lissabon, Frankfurt oder Wien, aber nicht hierher. Dafür erhalte ich ein schönes Zimmer in einer oberen Etage mit
Blick aufs Meer und vor allem nach Osten, so wie ich es ja besonders gerne
habe. Später sehe ich mir den Ort an. Hier ist alles noch etwas
verwunschen; kleine, enge, oft kopfsteingepflasterte Gassen, meistens
kleine, sehr kleine und winzige Wohnhäuser. Gehsteige, so schmal, daß
man noch nicht einmal drauf laufen kann. (Bürgersteig oder gar Trottoir kann man bestimmt nicht dazu sagen.)
Winzige Geschäfte. Zwanzigtausend Einwohner sollen hier leben, da kennt
wahrscheinlich jeder jeden. Die Uferpromenade ist dann allerdings großzügig.
Der Hafen ist vergleichsweise groß. Jetzt, in dieser Jahreszeit, wir haben schließlich noch Winter,
gibt es hier kaum Touristen zu sehen. Abends, nach einem ausgiebigen Abendessen, mit reichlich viel
Rotwein, leisten mir noch ein Wodka/Martini und eine Bloody Mary etwas
willkommene Gesellschaft.
Tag 2, Donnerstag, 06.02.2014 Aufstehen um sieben. Die Sonne taucht
langsam aus dem Meer auf. Das Wetter soll heute noch schlecht bleiben. Vormittags miete ich mir einen silbernen
Ford Fiesta, erst ein paar Monate alt. Mit ihm fahre ich einen steilen
Berg zum Lagoa do Fogo hinauf und bestaune den einsamen grünen See
inmitten eines Vulkankraters. lagoa
do fogo - Google-Suche (Fotos) Später besuche ich eine warme Quelle, die
Caldeira Velha. Wer will, kann hier sogar baden. Zum ersten Mal sehe ich leibhaftige Farne
als hohe Bäume; habe ich bisher nicht geglaubt oder mir überhaupt
vorstellen können. Fünf Geothermiekraftwerke zur
Stromerzeugung mit insgesamt 16 MW soll es hier auf der Insel geben. An
ein, zwei komme ich vorbei. Ein Reiter begegnet mir; sie reiten nach
alter Tradition, für uns etwas ungewohnt, im „Damensitz“, also beide
Beine nach rechts oder links. Nachmittags ist es wieder sonnig und warm
geworden. Da ich heute kaum gelaufen bin, mache ich mich bald nochmal auf
die Socken und wandere einfach ein Stück am Meer entlang. Heute statte ich der Bar nach dem
Abendessen keinen Besuch mehr ab, es war gestern doch etwas viel, und ich
wäre offenbar wieder der einzige Gast.
3. Tag, Freitag, 08.02.2014 Das Wetter ist morgens sehr windig,
wolkenverhangen, aber dank des Golfstroms ist es nicht so kalt wie bei
uns. Schnee gibt es hier nur selten. Das Wetter bleibt heute den ganzen Tag
windig, deshalb mache ich mir heute einen ruhigen Tag. Nachmittags laufe
ich mal wieder durch den Ort, es gibt noch ein paar unbekannte Straßen zu
erforschen.
4. Tag, Samstag, 09.02.2014 Heute sehe ich mir die Osthälfte der Insel
an. In der Nähe von Furnas mache ich eine Wanderung um den See „Lagoa
das Furnas“ herum. Ich parke dazu das Auto an den „Caldeiras“, heißen
Wasserlöchern. Zedern und Eukalyptusbäume fallen mir unterwegs besonders
auf. Furnas-See
(Azoren) – Wikipedia furnas
see - Google-Suche (Fotos) Die Einwohner dieses Ortes sehen ihre Lage
recht fatalistisch. Sie wissen, daß der Vulkan irgendwann erneut
ausbrechen und glühende Lava alles verschlingen wird, man weiß nur noch
nicht, wann es sein wird. Sie bezeichnen ihren Ort Furnas als „Mund des
Vulkans“. (Eigentlich sollte man hier im Thermalbad baden. Ich nehme es
mir fürs nächste Mal fest vor.) Es raucht, sprudelt und gluckert an
vielen Stellen; an manchen Quellen probiere ich eine Handvoll. Später fahre ich weiter nach Nordeste und
an der Nordküste und durch weitläufige Teeplantagen entlang zurück.
(Ja, Tee. Hier gibt es die einzigen Teeplantagen Europas.) Auf dem letzten
Stück Heimweg regnet es. Eine neue großzügige Autobahn verläuft
über die Insel; die EU mußte dafür bestimmt reichlich bluten. Und das für
so wenig Verkehr.
5. Tag, Sonntag, 10.02.2014 Wettermäßig gibt es heute wieder von
allem etwas. Supermärkte haben hier sieben Tage geöffnet. Nach einem
kleinen Einkauf fahre ich vormittags nach Westen über die Berge bis nach
Sete Cidades und sehe mir den dortigen Kratersee aus allen Perspektiven
an. Später mache ich dann eine Wanderung oben auf der Serra Devasa um den
Lagoa Rasa herum und zum „Miradouro do Pico“ hinauf. Um es abzukürzen,
es ist meine schlimmste, ähm, unangenehmste, nein, unbequemste Wanderung
dieser Reise. Wetter abwechselnd trocken und Regen, der Weg oft kaum oder
gar nicht erkennbar. Hier läuft wirklich selten jemand, heute schon gar
nicht. Deshalb sollte man sich auf diesem „Weg“ besser nichts brechen.
Aber ich bin ja unverwundbar, deshalb kann mir gar nichts passieren. Die friedlich und unschuldig aussehende
„Heide“ ist in Wirklichkeit oft ein Sumpf. Nach dem fünften Mal
Eiswasser bis über die Oberkante in den Schuhen höre ich auf zu zählen;
nach dem fünften Umfaller bzw. Ausrutscher im Schlamm und in den engen,
tiefen Furchen höre ich auf zu zählen. Der heftige Wind mag mich auch
nicht und verwandelt sich immer mehr in einen Sturm, von dem ich heftig
durchgeblasen werde. Naja, es ist ja auch Winter. Schade, daß Hanni nicht
hier ist, ihr würde es unglaublich viel Spaß machen, ihr ist es ja nie
zu steil und nie zu naß – und sie würde sich jedesmal kaputt lachen,
wenn ich mal wieder wie ein Käfer am Boden liege. Aber ich schaffe es schließlich und komme
heil zum Auto zurück. Danach fahre ich den Berg runter und weiter an der
Küste entlang und habe damit bald die Insel komplett umrundet. Inzwischen
ist längst alles Unangenehme vergessen und ich denke schon wieder mit
Vergnügen an das heute erfolgreiche beendete Abenteuer zurück. Gegen
vier bin ich im Hotel und nehme erstmal eine heiße Dusche. Im TV gibt es Berichte über schlimme Überschwemmungen
in Portugal. Im „Estadio da Luz“ in Lissabon ist das Dach zerfetzt
worden.
6. Tag, Montag 11.02.2014 Meine Schuhe sind zum Glück wieder ganz
trocken. Das Wetter bleibt trotzdem weiterhin mies. Mehr als 15 Grad sind
während des Tages nicht zu erwarten. Ich mache heute eine weitere Wanderung.
Leider sind unterwegs auf einem schmalen Gittersteig oberhalb eines
Wasserfalls (Cascata Salto do Cabrito) viele Bäume umgestürzt und
versperren jeden Weiterweg nach Caldeiras. Es wäre viel zu gefährlich,
diese Warnung zu ignorieren und sich hier weiter durchquetschen zu wollen,
deshalb gehe ich brav zurück und laufe einen anderen unmarkierten Weg
einen unbekannten Berg hinauf und später zurück. Es nieselt
ununterbrochen. Hanni fehlt mir so sehr. Aber meine musikalischen Freunde
begleiten mich wenigstens, allen voran Andrea Berg. Kenny Rogers und Dolly
Parton singen mein Lieblingslied. Damit käme ich auf jeden Berg. Ginster
blüht rechts und links des Weges. Nach erfolgreicher Rückkehr fahre ich mit
dem Auto „untenrum“ doch noch nach Caldeiras hinauf. Ein paar
verlassene Häuser und eine warme ebenso verlassene Schwefelquelle liegen
hier im Dornröschenschlaf. Anschließend fahre ich weiter den Berg
rauf. Eine einspurige kopfsteingepflasterte atemberaubende „Straße“ führt
nach oben in den Nebel. Hier fährt wirklich niemand. Außer mir. Ich
mache mir etwas Sorgen um das Auto. Wer hier eine Panne hat, kann lange
auf Hilfe warten. Ich nehme dann auch noch den
abenteuerlichen Seitenweg nach Lombadas. Hier findet man eine aufgegebene
und verfallene Mineralwasserfabrik, die dazugehörige Quelle, eine
unbedeutende winzige Brücke und sonst nichts. Schade, alles liegt
weiterhin in den Wolken, Sichtweite höchstens ein paar hundert Meter.
Dabei gäbe es von hier wahrscheinlich die wundervollsten Ausblicke bis
runter an die Küste und übers Meer. Ich fahre zurück, weiter den Berg hinauf
und dann auf normaler Straße zurück nach Ponta Delgada. Um halbvier bin
ich wieder am Hotel. Der Fiesta hat mir gefallen und war das richtige Auto
für die kleine Insel; er soll im Laufe des späteren Nachmittags abgeholt
werden. Ich habe mit viel Fahrfreude 426 Kilometer zurückgelegt. Meistens war ich allein auf einsamen Straßen
unterwegs, mußte nie überholen und wurde, außer auf der Autobahn,
selbst auch nie überholt. Wer unter Höhenangst leidet, sollte hier
besser nicht in den Bergen herumfahren. Wer weite tiefe Ausblicke und
steile Abgründe liebt, sollte hier unbedingt in den Bergen herumgondeln. Benzinpreise sind hier übrigens wie bei
uns, z.B. Super 95 kostet 1,44 Euro, Diesel etwas weniger. Die Preise sind
im Übrigen an allen Tankstellen exakt gleich.
7. Tag, Dienstag, 12.02.2014 Schade, heute ist Heimreise. Wetter wie
immer, keine Sonne, windig. Nach dem Frühstück packe ich alles zusammen
und bin rechtzeitig um zehn zum Auschecken und Abgeholtwerden unten. Frage: Warum zieht sich das folgende
Problem durch mein ganzes Leben? Ich bin einen Tag zu früh! Mal wieder.
Entweder bin ich zu früh oder zu spät. Na, OK, diesmal nicht schlimm,
bring ich meine Tasche halt wieder hoch und packe das Wichtigste wieder
aus. Umgekehrt wäre es nicht so witzig. Danach mache ich Stadtbummel Nummer drei,
trinke unterwegs ein Bier und kaufe mir ein paar preiswerte Klamotten.
Schuhe und Jeans fallen mir auf, sie sind extrem billig, oft unter 20
Euro, manchmal sogar unter zehn. Wenigstens ist es heute trocken. Südengland erlebt derweil die schlimmsten
Überschwemmungen seit zweihundertfünfzig Jahren.
8. Tag, Mittwoch, 13.02.2014 Heute ist endgültig Abreise. Wetter
weiterhin windig, feucht und diesig. Sichtweite höchstens einen
Kilometer. Also hatte ich noch ganz ordentliches Wetter. Mein Flieger kommt wegen Gegenwindes eine
dreiviertel Stunde zu spät, die er aber auf dem Rückweg mithilfe des Rückenwindes
komplett wieder reinholt. Deshalb lande ich planmäßig gegen halbsieben
abends heil in Düsseldorf. Alles wieder gut gelaufen, keine besonderen
Vorkommnisse. Nach all der Unruhe im Januar war dies eine
willkommene Woche der Ruhe und Kontemplation. Meine Erkenntnis: Azoren? Richtiger Ort.
Aber falsche Zeit. Auf die Azoren sollte man nur im Frühling, Sommer,
Herbst reisen. Trotzdem, die anfangs gestellten Aufgaben wurden mit Erfolg
abgearbeitet. Und hier noch ein paar aufgeschnappte
portugiesische Wörter: bom dia = Guten Tag adeus = Auf Wiedersehen bem = Gut ola = Hallo hoje = Heute amanha = Morgen ontem = Gestern por favor = Bitte obrigado = Danke, wenn ein Mann es sagt obrigada (hinten mit „a“) = Danke, wenn
es eine Frau sagt esta bem = Okay sim = Ja nao = Nein merda = brauche ich wohl nicht zu übersetzen.
(Sinngemäß: Das ist aber nicht schön!) Und hier noch eine wichtige und unglaublich
aufschlußreiche Internet-Seite über die Azoren, geradezu ein Füllhorn
mit unzähligen Informationen: azoren-online.com
- das Portal der Azoren
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