Auf
Heinrich Schliemanns Spuren Meine Bildungsreise an der Ägäisküste: Troja, Didyma, Milet, Priene, Smyrna, Pergamon, Ephesos, Sirince, Selcuk Erzählt
von Wilfried R. Virmond
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Inhaltsverzeichnis: 1.
Tag - Donnerstag, 15. März 2012, Frankfurt - Izmir 2.
Tag - Freitag, 16. März 2012, Milet, Didyma, Priene 3.
Tag - Samstag, 17. März 2012, Izmir 4.
Tag - Sonntag, 18. März 2012, Troja 5.
Tag - Montag, 19. März 2012, Pergamon 6.
Tag - Dienstag, 20. März 2012, Ephesos 7.
Tag - Mittwoch, 21. März 2012, Sirince, Selcuk 8.
Tag - Donnerstag, 22. März 2012, Izmir - Frankfurt Aus
dem Reiseprospekt: „Auf dieser Rundreise erleben Sie die landschaftliche
Schönheit und zahlreiche bedeutende Sehenswürdigkeiten des traumhaften Südwestens.
Die Küste und das Hinterland erzählen eine viele Jahrhunderte umfassende
Geschichte. Sie stehen auf dem Boden Trojas und spüren den
geheimnisvollen Hauch legendärer altgriechischer Städte wie Ephesos und
Milet. Bestaunen Sie die Symbiose zwischen Kultur und Natur entlang der türkischen
Ägäis.“ 1.
Tag - Donnerstag, 15. März 2012 Flug
Frankfurt – Izmir, Weiterfahrt im Reisebus, Übernachtung in Kusadasi Mein
Flieger startet heute sehr früh um 6:45 Uhr, deshalb bin ich schon
gestern, Mittwoch, mit dem Zug direkt zum Rhein-Main-Flughafen in
Frankfurt gefahren. Hier habe ich dann gediegen übernachtet und brauchte
mich nicht abzuhetzen und/oder Familienangehörige oder Freunde zu
unchristlicher Zeit aus ihrem warmen Bett zu werfen. Es reicht, wenn ich
allein hier schon so früh rummachen muß. Gestern
Abend war ich die drei, vier Stationen mit der S-Bahn in die Stadt
gefahren, um in einem kleinen Speiselokal, das ich noch von ganz, ganz früher
kannte, Fisch mit Frankfurter Grüner Soße zu essen. Die Grüne Soße ist
in Wirklichkeit weiß mit grünen Pünktchen darin und hat leider absolut
nichts mit derjenigen, die Goethe dereinst so lustvoll als sein (und mein)
Leibgericht beschrieben hat, zu tun. Schade. Ich will gar nicht wissen,
woraus sie letztendlich besteht. (Die „sieben Kräuter“ hat der
Zubereiter in der Küche wohl zu wörtlich genommen…) Das
Hotel Hilton Garden Inn ist neu und liegt im gleichfalls neuen Büro- und
Hotelgebäude „The Squaire“ (Square und Air zusammengefasst) direkt am
Terminal 1 und hat sogar eine eigene Postleizahl. Und mein Bahnhof lag
direkt unten im Gebäude, eigentlich sind es zwei, der Regionale und der
Fernbahnhof für die ICEs. Bequemer kann man es als Zugreisender
jedenfalls nicht haben. Die
meisten von uns sind ja schon oft auf der A3 am futuristischen gläsernen
Gebäude vorbeigefahren, aber ich hatte die letzte Nacht die Freude, hier
standesgemäß zu übernachten. Von meiner obersten Etage ging mein Blick
weit übers Dach des Terminals 1 hinweg und über den gesamten Flughafen.
Der abnehmende Halbmond schaute dazu freundlich und wohlwollend zu mir ins
Zimmer. (Das Fenster läßt sich hier grundsätzlich nicht öffnen, leider
auch nicht aufschrauben, aber die Klimaanlage war perfekt und leise.) Mein
Bett war etwas höher und noch breiter als lang und hatte keine
„Besucherritze“ in der Mitte. Also so, wie heutzutage ein Bett
beschaffen sein sollte, hoch, einteilig und seeehr breit. Zudem ließ sich
die Matratze mit Hebeln auf beiden Seiten individuell verstellen, ich war
aber viel zu müde und schlief ein, bevor ich es noch ausprobieren konnte. Mein
Zimmer kostete zwar genau gleichviel wie der Grundpreis der Reise, aber so
viel Bequemlichkeit war es mir (notgedrungen) auch wert. Wie ich immer
sage: Jetzt wird nur noch an der Sparsamkeit gespart! Um
die Sache weiter zu vereinfachen, hatte ich bereits gestern am Vorabend
Check-in eingecheckt. Der Koffer ist also weg und die Bordkarte habe ich
in der Tasche, sodaß ich für heute Morgen noch ein paar Minuten zusätzlichen
Schlaf herausgeschlagen habe. Wahnsinn,
mindestens dreihundert Leute quetschen sich nach den ganzen
Security-Checks und der Bordkartenkontrolle mit mir in einen der Busse und
dann später in den Flieger. Im Osten steigt die Sonne im Morgendunst rot
über dem riesigen Vorfeld auf. Unser
Flugzeug, ein Airbus A320 der türkischen Sky Airlines, (warum tue ich es
mir immer mal wieder an und fliege mit solchen Billig-Airlines??), startet
dreißig Minuten verspätet, um 07:20 Uhr. Nennt man es sparsame, geschäftstüchtige
oder ökonomische Einteilung der Sitzabstände? Egal, der Abstand zum
Vordersitz ist sehr kurz. Es gibt hier keine Business-Plätze;
erfreulicherweise sitze ich wieder ziemlich weit vorne, gleich in Reihe
vier. Ein
wunderschöner Tag kündigt sich an, ist ja klar, wo ich wegfahre. Immer,
fast immer, wenn ich zu einer neuen Reise starte, beginnt zu Hause gutes
Wetter. Wieder
nehmen wir die früher berühmtberüchtigte Startbahn West. Der Odenwald
ist weiß gefroren. Die Täler sind noch mit dickem Nebel gefüllt, Windräder
ragen vorwitzig ob ihrer Höhe gelassen aus der Watte heraus. Unsere
Flugzeit soll nur 2:35 Stunden betragen, viel länger hält man es in der
sardinenmäßigen Enge auch nicht aus. Kopfhörer
möchten Sie? Aber gern! Ein Kopfkissen? Ja natürlich! Sofort! Eine Rückenmassage?
Ja, sind Sie denn total bekloppt? Hier gibt es nichts, gar nichts! Nein,
stimmt gar nicht. Ich muß mein vorschnell gefasstes Vorurteil revidieren,
ich bekomme immerhin ein trockenes weiches Sandwich angeboten, Käse oder
Schinken nach Wahl, Kaffee oder Tee, alle Softdrinks, Wasser mit und ohne
Gas. Bier würde Geld kosten. Jeder Platz ist besetzt. Der Knaller: Wer
will, kann zum Schluß sogar noch ein weiteres Sandwich für lau bekommen!
Alles muß weg! (Aber niemand möchte eins…) München
ist noch mit üppigen Wolken zugedeckt, aber das Voralpenland und die
Alpen liegen sauber und klar in der Sonne. Wir
bekommen eine langatmige, aber wenigstens verständliche Erklärung des
Kapitäns. Er hatte auf dem Hinweg kurz vor Frankfurt direkt vor der
Landung zwanzig Minuten Verspätung bekommen, die sich hier leider
fortsetzen. Von
hinten bohren sich mir ständig männliche Knie in den Rücken, der
Vordersitz kommt mir dauernd bösartig entgegen. Eine
dicke Wolkendecke versperrt uns später die Sicht nach unten bis zum Ziel.
Die Landung erfolgt um 11:00 Uhr Ortszeit. Izmir Adnan Menderes ist ein
relativ neuer moderner Flughafen, wenn es hier auch offensichtlich
vergleichsweise wenig Flugbewegungen gibt. Meine Tasche kommt als fünfzehntes
Gepäckstück aus dem Untergrund. Das Wetter ist bewölkt und reichlich kühl.
Kurze Zeit später sitze ich als Erster im Bus und es dauert lange, bis
die andern nach und nach endlich angewackelt kommen und sich auf die
vielen bereitstehenden Busse verteilen. Ich
bin im ersten zweier ordentlicher silbergrauer Mercedes-Busse. Wie schon
erwartet und befürchtet, sitze ich unter lauter „alten“ Leuten, der jüngste
dürfte fünfzig Jahre alt sein. Ich hatte genügend Zeit, Ruhe und Muße,
meine Uhr eine Stunde vorzustellen und mich von den Strapazen des Fluges
zu erholen. Unser
Busfahrer ist Mehmet, unsere Reiseleiterin ist nett, um die dreißig, hat
krause brünette lange Locken und heißt Gökce, was so viel wie „so schön
wie der Himmel“ bedeutet. OK, das Synonym dürfte geringfügig übertrieben
sein, aber hässlich oder gar unsympathisch ist sie nicht. (Eigentlich hat
das „c“ von Gökce untenrum ein Häkchen, aber diese Häkchen unter
„c“ und „s“ lasse ich hier lieber weg, weil es sonst zu Problemen
bei der Anzeige auf anderen PCs kommen könnte. Das „c“ mit Häkchen
wird übrigens „ch“ ausgesprochen, in diesem Fall also „Gökche“,
ein „s“ mit Häkchen „sch“. Und da ich schon mal dabei bin und der
Klugscheißer-Modus noch eingeschaltet ist: Ein „i“ mit Punkt wird wie
bei uns ausgesprochen, das „i“ ohne Punkt wird „ü“ gesprochen.) Schlecht,
Gökce hat alle vier vordersten Sitze für sich allein reserviert und das
bleibt auch während der gesamten Reise so. Niemand außer ihr darf hier
vorne sitzen. Warum? Ich habe es nicht herausgefunden. Um
kurz vor zwölf sitzen endlich alle Leute im Bus und wir fahren auf einer
modernen neuen Autobahn gen Süden. Schnell
stellt sich heraus: Über die Hälfte der fünfunddreißig Leute im Bus
waren noch nie in der Türkei. Gökce
gibt uns ein paar Verhaltensmaßregeln, Erklärungen und Ratschläge. Der
aktuelle Umrechnungskurs lautet zurzeit: Für 1 Euro bekommt man ca. 2,30
Lira, 2 Lira entsprechen 90 Eurocent. (Meistens wird aber 2:1 umgetauscht,
wenn man mit Euros bezahlt. Türken sind eben immer auf ihre kleinen
Vorteile bedacht. Manchmal wird aber auch sehr penibel umgerechnet.) Außerdem
sollen wir den Leuten lieber keine Münzen in Scheine tauschen, egal, ob
mit Tesa zusammengeklebt oder nicht. Erste
Erkenntnis: Hier muß leider auch manchmal Autobahn-Maut bezahlt werden. Gökce
kassiert von jedem zusätzliche 228 Euro für Ausflüge, Eintrittskarten
und Mittagessen, der ursprünglich äußerst günstige Preis relativiert
sich plötzlich. Unser
erstes gemeinsames Mittagessen bekommen wir in Camlik im Aziziye
Restaurant für weitere zehn Euro plus Getränke. Mindestens fünfzehn große
Reisebusse haben hier ihre Fahrgäste abgeladen. Der Restaurantbesitzer
ist „Modelleisenbahnfreund“ und sammelt hauptsächlich
Dampflokomotiven. Aber nicht in klein, nein, in Originalgröße! Wahnsinn,
was hier an Dampfloks aus deutscher, englischer, russischer und türkischer
Produktion herumsteht! Sogar eine riesige Drehscheibe gibt es. Beeindruckend:
Vor dem Lokal (und auch sonst überall) gibt es einen Geldautomaten, an
dem man je nach Wunsch Lira, Euro oder Dollar ziehen kann. Inzwischen
scheint die Sonne und es ist warm geworden. Die
wie Orangen oder Mandarinen aussehenden Früchte an den Bäumen in allen
Straßen der Orte täuschen diese in betrügerischer Absicht nur vor und
sind in Wirklichkeit leider nur unheimlich saure und eigentlich ungenießbare
Pomeranzen. Die Pomeranzenbäume dienen der Dekoration, man kann aber auch
Likör, Marmelade und angeblich sogar Seife davon herstellen. Wenn die
fleißige türkische Hausfrau mal keine Zitrone zur Hand hat, kann sie
raus gehen und sich eine Pomeranze vom Baum holen. Olivenbaumwälder
gibt es, die Ernte ist gerade vorbei und jetzt werden die Bäume
beschnitten. Der korrekte Schnitt ist eigentlich so, daß Vögel
durchfliegen können müssen. Viele Obstbäume blühen bereits, Mandelbäume,
Pfirsichbäume, Kirschbäume… Gökce
bereitet uns unterdessen schonmal darauf vor, daß eins unserer späteren
Hotels wohl etwas „einfach“ sein wird. Naja, bei dem Reisepreis… Wir
erreichen gegen vierzehn Uhr unser heutiges Ziel, Kusadasi. Hier legen
demnächst wieder jede Menge Kreuzfahrtschiffe an, die Saison beginnt nächste
Woche und dauert von März bis September. Die Leute wollen vor allem ins
nahe gelegene Ephesos. Viele
Wohnungen in der Stadt sind Sommerwohnungen, für den eigenen Gebrauch
oder zur Vermietung. Wir
werden alle am Ephesia-Hotel ausgesetzt, ein riesiger Kasten mit fünf
Sternen, sieben Etagen und 250 Zimmern. ephesia
hotel kusadasi - Google-Suche (Hotel-Fotos) Mein
Zimmer im fünften Stock gefällt mir auf Anhieb, denn es liegt auf der
richtigen Seite, Balkon mit weitem Blick über die Stadt und aufs Meer,
breites Bett, das große Fenster läßt sich aufschieben, kleiner
Flachbild-Fernseher mit vier, fünf deutschen Programmen, nur leider ist
das Wetter (heute) hier an der Küste nicht allzu gut. Beim
Abendessen ist es etwas chaotisch, kein Wunder, bei so vielen Gästen.
Schade, nix Rauchen im gesamten Hotel. Die
Nacht ist glasklar, die Sterne funkelen - und wir Düsseldorfer
schunkelen… Nein, niemand schunkelt mit mir, aber es ist unglaublich,
wie die Lichter am Ende der Bucht glitzern und flimmern. Warum eigentlich?
Wie entsteht dieser Effekt? Ich kann mich gar nicht davon abwenden. Gottseidank
bin ich nicht allein, der Mond schaut mir auch heute Nacht wieder beim
Schlafen zu. 2.
Tag - Freitag, 16. März 2012 Antike
Hafenstadt Milet mit Theater und Faustina-Thermen, Apollo-Tempel mit dem
Orakel von Didyma, antike Stadt Priene, zweite Übernachtung in Kusadasi. Die
Sonne steht mit mir zusammen auf. Gottlob blauer Himmel. Nanu, drüben auf
der anderen Seite der Bucht sind gewaltige Berge zu sehen. Die waren doch
gestern noch nicht da! Samos? (Ja, die Insel Samos mit über tausend Meter
hohen Bergen.) Das
Frühstück wird erneut sehr schlimm, plötzlich sind keine Tassen mehr
da, es wird auch grundsätzlich nicht neu eingedeckt, die Schüsseln und
Platten sind oft ratzekahl leergefressen. Fremde Leute ignorieren mein
noch volles Glas Orangensaft und setzen sich auf meinen Platz, während
ich mir nochmal etwas hole. Mit einem Wort: Chaos. Heutige
Abfahrt ist um 8:15 Uhr, ohne Gebäck, äh, ohne Gepäck. Anderthalb
Stunden vorher gab es pünktlich einen computerisierten Weckruf. (Den ich
aber nie brauche, ich wache immer von selbst rechtzeitig auf.) Mindestens
vierzehn Busse unserer Reisegruppe zähle ich hier. Wir warten. Alle Busse
sind inzwischen weg. Wir warten noch immer: Eine Frau sucht noch immer
ihren Mann und umgekehrt, aber wir haben Glück, die beiden finden sich
dann doch noch und auch wir fahren endlich los. Unsere Straße ist anfangs
meistenteils vierspurig und gerade frisch renoviert. Die
Türkei ist das viertgrößte Land bei der Olivenproduktion. Nur, daß man
in der EU kaum türkisches Olivenöl kaufen kann. Die Lösung: Es wird
hauptsächlich nach Italien exportiert und dort in das italienische
untergerührt… Erwartete
Höchsttemperatur für heute acht Grad. Und ich habe nur ein dünnes Hemd
an und keine Jacke mitgenommen. Von meiner dreiviertel Hose mal ganz
abgesehen. Das hätte Gökce uns (oder wenigstens mir) auch eher sagen können. Die
Türkei verfügt über ca. zweiundvierzig Prozent des weltweit vorhandenen
Marmors, hundertzwanzig verschiedene Sorten in achtzig Farben bietet man
an. Gökce hat ein Einsehen mit mir und läßt mich nun doch vorne sitzen,
wenn es auch nur der Notklappsitz des Reiseleiters ganz vorne ist. Aber
hier lassen sich die besten Bilder während der Fahrt machen. Bald
überqueren wir einen Fluß, es ist der Menderes, von dem unser „Mäander“
abgeleitet sein soll. Ganz früher, vor zweitausend Jahren, war hier noch
Meer, die Ägäis, aber durch die Verlandung ist die Küste immer weiter
zurückgetreten. Viele Felder stehen jetzt noch unter Wasser, aber nur vom
kürzlich noch heftigen Regen. Störche, Flamingos, Reiher und Schwäne
kann man hier beobachten. Unser
erstes heutiges Ziel ist die antike Stadt Milet mit dem berühmten
Amphitheater. milet
- Google-Suche (Fotos) Hier
war früher ein großer bedeutender Hafen, unmittelbar in der Nähe des
Theaters und der Thermen. Kaum vorstellbar, von Meer ist tatsächlich über
zig Kilometer nichts mehr zu sehen! Auch hier weit und breit alles
versandet! Vor neuntausend Jahren sollen hier schon Menschen gelebt haben. Angeblich
sollen hier im Amphitheater fünfzehntausend (kleine) Menschen haben
sitzen können. Das Theater ist griechisch, deshalb ist das Halbrund etwas
mehr zusammengebogen, römische Amphitheater sind (meistens) nur wie ein
Hufeisen, also wie ein „U“ geformt. (Oder rund wie in Rom. Aber dann
heißen sie ja auch Kolosseum.) Hier
war früher das Ende eines seitlichen Ausläufers der Seidenstraße. Die
Karawanen haben in der Stadt drei Tage kostenlos rasten können, ab dem
vierten Tag mußte man bezahlen. Übrigens,
fast immer, wenn ich „Milet“ höre oder lese, fällt mir der berühmte
„Satz des Thales“ mit den rechten Winkeln im Dreieck ein. Wem das
genauso geht, der findet hier mehr Information: Hier
sollen ja überhaupt viele Philosophen gelebt haben. Die alten Thermen
sind noch zu erkennen, die „hellen“ Stunden (vormittags bis
nachmittags) waren Frauen reserviert, ab nachmittags, in den „dunklen“
Stunden, durften nur Männer kommen, leider gab es eine züchtige
Geschlechtertrennung. Ich
bin froh, als wir endlich wieder im Bus einsteigen, gut, daß ich meine
Spezial-Notfalltropfen, (Wodka im Flachmann), stets dabei habe. Endlich
kann ich mich wieder aufwärmen. Hier
stehen bestimmt zehn Busse auf dem Parkplatz herum, alle von unserer
Firma. Insgesamt sollen sich die Busse etwas trennen und die Ziele in
unterschiedlicher Reihenfolge ansteuern, dazu zeitlich etwas versetzt, um
das Ganze etwas zu entspannen. Alle
Hunde sehen hier gleich aus, alle sind gleich groß, alle hellbeige mit
dunkler schwarzer Schnauze – und von ihrem Wesen her friedlich. Süße
junge tollpatschige Hunde gibt es auch. Auch
hier hat sich die Windradseuche ausgebreitet, sie passen halt nirgends in
eine schützenswerte Naturlandschaft. Zwei neue AKW sind in Planung, eins
davon im Süden in Mersin. (Wir hätten jetzt zufällig ein paar günstig
und wenig gebraucht abzugeben.) Getreide
und Baumwolle wächst hier. Beides wird nach dem Ernten abgebrannt und
untergegraben. Die
Tiere haben es hier offenbar besser, nicht so schlimm wie kürzlich in Ägypten.
So richtig abgemagerte Hunde und Katzen habe ich nicht gesehen. Die
meisten Hunde haben grüne Marken im Ohr, d.h. sie sind gegen Tollwut
geimpft. Schafe und Ziegen finden eigentlich immer etwas Grünes. Ab
und zu mache ich gerne davon Gebrauch, ganz vorne zu sitzen, falls sich
eine Strecke abzeichnet, auf der es sich lohnen könnte, den Fotoapparat
zu aktivieren. Gökce
ist ständig mit ihrem iPhone (immerhin ein aktuelles iPhone 4 oder sogar
4S) am Telefonieren (und am Kichern und Lachen mit ihrem (ihren) Gesprächspartnern
und/oder am SMS-Schreiben und Erhalten. Junge Liebe muß schön sein. Es
nervt etwas, weil fast alle Erklärungen über die Buslautsprecher dadurch
gestört werden oder deshalb schon gleich kurz ausfallen. Aber junge Leute
sind halt so, ich gönne es ihr. Unser
Mittagessen bekommen wir direkt am Apollo Tempel, die drei gewaltigen Säulen
sind schon von weitem zu erkennen. Gut gestärkt besuchen wir danach den
Tempel mit dem berühmten Orakel. Alles geht gut, es will nicht zu mir
sprechen. Vielleicht werde ich deshalb auch nicht zu Stein versteinert. Glück
gehabt! Trotz der Sonne ist es immer noch saukalt. Eine Schildkröte läuft
mir geschäftig vor den Füßen vorbei. Wieder
haben wir viele Schlaumeier im Bus, die mit allerlei „intelligenten“
Fragen und nichtssagenden Binsenweisheiten nerven. Wir
steuern auf eine Halbinsel zu, vor uns erheben sich mächtige Berge, links
das Meer. Viele unserer Jeans kommen hier her, zumindest aus der Türkei,
jedenfalls die Baumwolle als Ausgangsprodukt. Mehmet
fährt mit sehr Gefühl und nie schneller als knapp über achtzig km/h.
Der Zeiger der Verbrauchsanzeige ist immer im ganz unteren grünen
Bereich. Angst muß man bei seiner Fahrweise nicht haben. Gelbgrüne
Wolfsmilch blüht. („Pri-eene“
gesprochen.) Hier ganz oben auf dem Berg steht eine „Akropolis“,
„akro“ für oben, „polis“ für Stadt. Wir
haben mit dem Wetter wirklich Glück, die letzten Wochen hat es heftig und
ausgiebig geregnet, auch hier stehen unzählige Felder noch unter Wasser. Das
kleine hiesige Theater gehört zu den „am besten erhaltenen des
Hellenismus“. Die
meisten Steine hat man wenigstens vom Berg im Hintergrund geschlagen, den
Marmor von der nahegelegenen Insel Samos. Gegen
17:00 Uhr sind wir zurück im Hotel und ich statte Sauna und Massageräumen
einen weiteren ausgiebigen Besuch ab. Die Rückfahrt hat nur noch eine
halbe Stunde gedauert. 3.
Tag - Samstag, 17. März 2012
Morgens
nach dem Frühstück finden sich alle Leute mit ihren Koffern am richtigen
Bus ein, wir verlassen das Ephesia um acht Uhr. Meine Güte ist das schon
wieder kalt hier draußen, kleine Atemwölkchen entströmen den Mündern
der Leute. Wieder blauer Himmel, immerhin soll es heute nicht ganz so kalt
werden. Mein normaler Sitzplatz ist direkt an der hinteren Tür und ich
bin ganz zufrieden damit. Auch
hier vor dem Hotel gibt es viele Land-Pomeranzen. Benzin
kostet um die 4,50 Lira (2,10 EUR), Diesel
(heißt hier „Motorin“) 4,00 Lira (1,80 EUR), günstigeres
LPG (für 2,50 TL) ist stark im Kommen. AdBlue
für 1 Lira pro Liter gibt es auch. Wohltuend:
Hier gibt’s nicht so viel Müll in der Landschaft wie in Ägypten. Über
siebzig Prozent der weltweiten Ernte an Haselnüssen sollen übrigens vom
türkischen Schwarzmeergebiet kommen und werden in Hamburg gehandelt.
Ferrero soll sich immer wieder beim Einkauf mit besonders schlechten
Preisen unrühmlich hervortun und jedes Jahr aufs Neue seine
marktbeherrschende Position zum Nachteil der bemitleidenswerten Bauern
(Familien, Kinder, Umfeld) ausnutzen. Ein weiterer Grund, dieses unsägliche
Unternehmen mit seinen vielen besonders schädlichen Produkten und
verlogenen Werbesprüchen zu boykottieren… Rote
Ampeln werden auch hier ungern akzeptiert. Die überall dekorativ
herumstehenden Palmen sind reichlich teuer und kosten gerne zwischen 500
und 1000 Dollar pro Stück, weil sie meistens importiert werden müssen. Ich
trinke, in der warmen Sonne sitzend, köstlichen Tee in einem modernen und
wunderschönen Straßencafé mit interessanter Comic-Gestaltung und sehe
den weißen Möwen, nein, keine Tauben, dabei zu, wie sie elegant unter
dem strahlend blauen Himmel zwischen den gläsernen Hochhäusern
umhersegeln. Sonst
sind die Verkäufer vor türkischen Geschäften und Verkaufsständen
Touristen gegenüber ja gerne etwas, hm, ja, „geschäftstüchtig“, um
nicht zu sagen aufdringlich, doch diese haben sich hier in dieser Gegend
in überaus lästige quälgeistige Schuhputzer verwandelt. Eine
schöne langgezogene und vor allem saubere Bucht mit teilweise recht
eleganten Häusern haben die Izmirer hier. Sagt man so? Izmirer? (Die
Rechtschreibkontrolle im PC sagt Nein. Aber die ist ja doof! Wie heißen
sie denn dann?) Allerdings verschandeln zahlreiche neue Betonpfeiler einer
zukünftigen Autobahn die Situation in der Nähe des Hafens; sie wird wohl
nie mehr gebaut werden, weil sich die Hausbesitzer der Meerespromenade
erfolgreich dagegen gewehrt haben. Inzwischen
ist es warm geworden und viele türkische Paare flanieren hier am Ufer
entlang, Familien machen ihr Picknick auf der Ufermauer, Kinder tollen wie
junge Hunde herum, Angler angeln geduldig, mit einem Wort: Es ist ganz
angenehm hier am Meer. Der
Bus pickt uns an der verabredeten Ecke wieder auf. Gökce kommt mit
prallen Plastikeinkaufstaschen zurück. Schneereste liegen noch auf den
umliegenden Bergspitzen. Der
original deutsche TÜV hat hier mit einem Ableger „Tüvturk“ ein paar
neue Pfründe erschlossen. Tupperware, Praktiker, Saturn und Metro gibt es
auch. Und ein Ikea. Warum auch nicht. Hier
in Izmir sehe ich meinen ersten RR Evoque auf der Straße in freier
Wildbahn. Im November 2012 werde ich meinen Lexus gegen dieses Fahrzeug
tauschen. Mit
tausend Euro Einkommen kommt man hier als Familie (noch) ganz gut zurecht.
Lebensmittel, Klamotten, fast alles, ist erstaunlich billig. Natürlich
hat man dann noch kein Auto. Geschweige denn Benzin dafür… Unzählige
Hochhäuser stehen herum und immer noch mehr werden überall aus dem Boden
gestampft, besonders gerne auch auf den Hügeln und Bergen. Hier
in der Türkei besteht natürlich Schulpflicht, fünf plus drei Jahre,
dann drei Jahre Berufsschule, Studium oder Kolleg. Dieses Schulsystem ist
erprobt und ganz vernünftig, alle Schüler tragen die gleiche Uniform,
Lehrer aber auch, Jungs und Männer lange Hose, Sakko und Krawatte, Frauen
Röcke und Bluse mit Pullover. Als neue Regelung will Erdogan demnächst
„4+4+4“ einführen. Es gibt offenbar kontroverse Diskussionen. Er ist
halt kein Atatürk. Manche
Mitfahrer erinnern mich an Speichellecker mit ihren teilweise blöden
Fragen und banalen Äußerungen, vor allem, wenn Gökce in der Nähe ist.
Aber sie ist erfahren und sehr geduldig mit solchen Leuten. Weiter
geht die Fahrt am Meer entlang. Wir kommen an einem Denkmal „Up to the
Sky“ vorbei, ein winziges Stück Straße, das zwischen zwei Betonsäulen
steil nach oben ins Leere führt. (Das ist halt einer der Nachteile, wenn
man im Bus sitzt, der hält nie dort an, wo man es möchte…) Gökce
erzählt uns über die Buslautsprecher stundenlang von Hannover, der
Weltausstellung EXPO 2000 „Mensch, Natur und Technik“ und dem türkischen
Pavillon und ihrem Austauschjahr in Neustadt/Weinstraße und der Pfalz. Auf
unserer ganz neuen Schnellstraße wird sogar eine moderne
LKW-Kontrollstelle mit Waage und allem Drum und Dran gebaut. (Sollte es
bei uns auch geben! Mit einem Schlag gäbe es keine überladenen LKWs
mehr.) Hier
an der Ägäis gibt es so gut wie keine dieser schwarz und total
vermummten Frauen; Frauen mit bunten Kopftüchern und weichen bunten
Pumphosen passen ja gut hierher aufs Land, da hat man nichts dagegen. Mittagessen
gibt es gegen 14:15 Uhr in Bergama, dem antiken Pergamon. Unsere Busse
verteilen sich immer auf mehrere Restaurants. Übrigens: Unsere Reisebusse
sind zurzeit tatsächlich fast die einzigen, die hier mit Touristen
herumfahren. Sonst ist hier noch nicht viel los. Gefüllte
Auberginen mit Hackfleisch darin nennt man wörtlich übersetzt „Der
Imam ist in Ohnmacht gefallen“. Die türkische Sprache ist offenbar
manchmal etwas wortspielerisch. Für „Kippfenster“ soll es auch eine
sehr humorvolle Bezeichnung geben. Leider habe ich sie schon wieder
vergessen. Wohltuend:
Zurück im Bus sorgt erstmal ein Raki für korrekte Verhältnisse in
einigen Mägen. (Nicht vergessen: „Rake“ aussprechen! Und: Raki und
das arabische Arak bezeichnen das Gleiche.) Der
berühmte Pergamon-Tempel ist kurz oben auf dem Berg zu sehen, wir werden
ihn aber erst später auf dem Rückweg in ein paar Tagen besichtigen. Hier
besuchen wir den Wochenmarkt und ich kaufe mir ein paar Feigen und
Rosinen, was sich im Laufe der nächsten Tage als gute Idee herausstellt,
weil ich dann immer etwas Süßes dabei habe. (Merke: „Hast Du Feigen
und Rosinen in der Tasche, hast Du immer was zum Nasche…“
Ja, habe ich leicht abgewandelt.) Beim
Anblick der dunkelroten aromatischen Tomaten frage ich mich, warum die im
Hotel alle so unreif sind und nicht besonders schmecken. Hier werde ich
gar nicht angequatscht wie sonst. Am
Ende nehme ich einen anderen, schnelleren Rückweg und brauche viel länger,
dafür habe ich aber auch als einziger aus dem Bus alles gesehen, leider
bin ich der Letzte, aber die andern meckern nicht allzu sehr mit mir. Der
Marktbesuch war eigentlich etwas unnötig, finde ich. Einen
Touristen wie mich mit Zigarre haben die Leute hier offensichtlich noch
nicht oft gesehen, viele Menschen haben mich doch eher etwas erstaunt
angesehen. Oder sehe ich so bekloppt aus? Gökce
bereitet uns schonmal auf unser heutiges Hotel vor, außerhalb der Stadt,
direkt am Strand. Den Zustand und die Einrichtung umschreibt sie mit
„etwas ländlich“… Zum
ersten Mal sehe ich mobile Polizei mit Laser und es wird auch gleich
abkassiert. Diese Seuche grassiert hier also auch. Wir
fahren jetzt direkt am blauen Meer entlang, durch eine brettflache Ebene,
die Straße ist gerade neu und vierspurig ausgebaut worden. Unser
Hotel Büyük Berk in Ayvalik (Ei-va-lük gesprochen) ist groß und heftig
abgewohnt; es hat bestimmt enge 250 Zimmer. Ich tausche nach der ersten
Inaugenscheinnahme rasch mein Zimmer, versuche es, aber es ist angeblich
keins mehr frei. Zufällig kommt eine Dame aus meinem Bus im gleichen
Moment an die Rezeption, um ebenfalls zu tauschen. Mal gewinnt man, mal
verliert man, wenigstens habe ich jetzt den berühmten und berüchtigten
„seitlichen Meerblick“ mit Aussicht auf eine Art Hinterhof unter mir.
Ein alter kleiner TV mit zwei deutschen Programmen wartet auf mich. Alles
im Zimmer und in den Fluren ist alt, schäbig und runtergekommen. Dreißig,
vierzig Jahre ist hier nichts mehr renoviert worden. Hier
muß man seine Erwartungen deutlich nach unten schrauben. Zum Ausgleich
lasse ich mir draußen auf der Terrasse ein kaltes Bier im kühlen Wind
kredenzen, und weil der nackte Plastikstuhl so gemein kalt ist, und weil
es keine Kissen gibt, wird mir auf meine Bitte von drinnen ein
Polsterstuhl gebracht. Hier sitze ich dann wie ein leibhaftiger Pascha und
genieße Bier und Zigarre im Sonnenuntergang mit Blick auf den Sandstrand
und auf die nahegelegene Insel Lesbos. Dazu gibt’s angewärmte Nüsse.
Zum Eeessen! Mehmet
macht inzwischen unseren Bus sauber, innen und außen, er ist autark und
hat alles dabei, sogar zwei riesige blaue Wasserfässer. Seine Kollegen
auch. Die
Hotelbar entschädigt mich dann mit allen Mängeln des Hauses, mangels
Martini Bianco verzichte ich zwar zugleich auf den Wodka darin, (einer
meiner Lieblings-Drinks), und nehme stattdessen einen Baccardi Cola (natürlich
ohne Eiswürfel) zu meiner Zigarre. Die Nüsschen und das viele Essen
konterkarieren meine zuletzt doch erfolgreichen Maßnahmen zur
Gewichtsreduktion. 4.
Tag - Sonntag, 18. März 2012 Troja Heute
geht es bereits um halbacht ohne Koffer los. Die Sonne lacht schonmal vom
tiefblauen Himmel, wie immer ist es kühl. Immerhin sollen es heute schon
siebzehn Grad werden. Die Luft ist klar und wir haben eine außerordentlich
gute Sicht. Die Leute klagen unterdessen über zahlreiche Unzulänglichkeiten
im Hotel, laute Generatoren, hellhörige Wände, bellende Hunde, leckende
(undichte!) Heizkörper, zu heiße Heizkörper, überschwemmte Badezimmer,
zu enge Badezimmer und was weiß ich alles. Dagegen bin ich eigentlich
noch ganz zufrieden. Flamingos sind in der Saline links und rechts zu
sehen. Aber sie sind hier eher grau, nicht so schön rosa wie sonst. Unsere
Fahrt geht durch endlose Olivenhaine, hm, Olivenwälder. Auf der rechten
Seite liegt das Ida-Gebirge, nein, nicht das von Kreta, hier gibt’s auch
eins mit diesem Namen. 1.774 Meter soll die höchste Erhebung sein. Draußen
riecht es gelegentlich nach Olivenmaische, die Ernte ist gerade vorbei,
auch hier werden die Bäume für die nächste Ernte noch beschnitten.
Olivenbäume können unglaubliche fünftausend Jahre alt werden, dabei
werden sie immer breiter, fast wie beim Menschen, und sie geben
abwechselnd mal viel und mal wenig Oliven. Unreif geerntete Oliven sind grün,
die reifen sind braun und schwarz; dazwischen werden sie rötlich
geerntet. Oliven heißen hier Zeytin. Hier aus dieser Gegend um Ayvalik
herum kommt hervorragendes Olivenöl. Aus
Oliven stellt man gerne auch Seife und Shampoo für die Haare her;
Oliven-Tee soll es auch geben, er schmeckt nach (fast) nichts. Die
Olivenwälder sind hier so weit ausgebreitet, wie ich sie sonst noch nie
gesehen habe. Endlos. Hauptsächlich ernten herumziehende Zigeuner. Gökce
hält uns einen langen Vortrag über die segensreiche Arbeit des Herrn
Mustafa Kemal Atatürk mit dem Ergebnis, daß ich jetzt alles über ihn
weiß. Er
führte Nachnamen und das lateinische Alphabet ein, trennte Staat und
Religion (Laizismus) und schaffte neben vielen anderen großen Änderungen
den Fez- und Kopftuch-Zwang ab. „Osmanisch“ ist eine Mischung zwischen
Arabisch und Persisch bei Sprache und Kultur. Schade, daß er viel zu früh
gestorben ist; er soll viel (zu viel?) geraucht und getrunken haben. Die
Muezzins schreien ihre schrecklichen Gesänge fünfmal heraus, vor
Sonnenaufgang, mittags, nachmittags, zum Sonnenuntergang und 75 Minuten
danach, dabei richten sie sich nach dem Mondkalender, und deshalb
verschieben sich die Zeiten jeden Tag um ein paar Minuten. Und auch der
Beginn des Ramadan. Ministerpräsident
Erdogan läßt wohl lieber neue Moscheen statt neue Schulen errichten. Erst
geht es nach Norden und dann weiter westlich am Ida-Gebirge entlang, immer
auf der vierspurigen Schnellstraße. Weiter oben in den Bergen wachsen
unendlich viele Pinien, aus deren Zapfen mit viel Aufwand leckere
Pinienkerne geerntet werden. (Aber nur die türkischen werden von Gökce
empfohlen, die persischen sollen nicht so gut sein.) Endlich
sind wir wieder am Meer, die Straße ist hier ununterbrochen beleuchtet,
eine Stadt folgt der anderen. Neid erfasst mich, als uns eine Gruppe großer
türkischer BMW-Motorräder überholt, zumal die Straße nun endlich in
die Berge hinauf geht und kurviger wird. Für ein paar Fotos setze ich
mich deshalb mal wieder nach vorne. Hier
gibt es öfters antike Stätten, aber wir sind ja auch in der Nähe der Ägäisküste.
Wir durchqueren die uralte Käsestadt Peyniri. Unglaublich
ist es, wie viele Tankstellen es hier in der Türkei gibt, oft zwei, drei
gegenüber und immer noch weitere sind im Bau. Aus
der Gegenrichtung frißt sich uns der vierspurige Straßenausbau aus
Cannakkale entgegen. Gökce
zeigt uns Paternoster-Bäume, Zedrach,
(Melia azedarach), aus deren runden (giftigen) Samen Rosenkränze
hergestellt werden. Schlimm
sind die Österreicher in unserer riesigen Reisegruppe, jetzt ahne ich,
was sie fühlen müssen, wenn wir Deutschen in großer Menge bei ihnen
einströmen bzw. einfallen. Ösis und Ossis sind in großer Zahl wegen
ihrer fremden Sprache oft nur schwer zu ertragen, oder nur zu ertragen,
wenn man mit viel Sanftmut gesegnet ist. Aber das ist bei uns Wessis ja
auch oft nicht anders… Die
possierlichen Eichhörnchen werden wahrscheinlich genausooft fotografiert
wie die antiken Mauerreste. Unsere
Weiterfahrt geht noch ein kurzes Stück nach Norden, bis an die
Dardanellen. Nein, die kann man nicht essen, die Dardanellen sind eine
Meerenge. Hier gab es in der Geschichte immer heftige Seeschlachten. Ich
genieße die Aussicht. Erneut
sehe ich Wolfsmilch gelb und frisch am Wegesrand. Und kündigt damit den
nahenden Frühling an. Eine seltene Einlage wird uns hier
beschert: Eine Gruppe F16 kommt angeflogen, unter ihnen knapp über dem
Wasser noch eine Gruppe von fünf, sechs Kampfhubschraubern, dazu sind
ganz hinten an der Kimm mindestens drei große Kriegsschiffe gerade noch
zu erkennen. Gökce meint, daß sie sich alle zur Erinnerung an
irgendeinen wichtigen Gedenktag irgendeiner Seeschlacht hier versammeln,
die Düsenjäger kreisen und ziehen bunte Rauchfahnen hinter sich her.
Welch eine Geldverschwendung. Ein
verunfalltes Auto liegt jetzt am Straßenrand, die Räder zeigen hilflos
nach oben, Krankenwagen und Polizei sind schon da, der einzige Unfall auf
dieser Reise. Das
berühmte-berüchtigte Kopftuch sollen die Sumerer vor dreitausend Jahren
eingeführt haben, um Prostituierte (mit Kopftuch) und Tempelpriesterinnen
(ohne) leichter unterscheiden zu können. Im
Koran steht übrigens nichts über Kopftücher, nur, daß Männer
bescheiden blicken sollen und ihr Organ verhüllen sollen. Frauen sollen
gleichfalls ihre „wertigen“ Orte bedecken; Männer sollen nicht erregt
werden, deshalb also lange Röcke und keine tiefen Ausschnitte. Zur
Vielweiberei soll Mohammed gesagt haben, ‚wenn ein Mann vier Frauen ernähren
und befriedigen kann, so soll er ein paar Witwen heiraten, um sie von der
Prostitution abzuhalten‘. Und nur deshalb! Nicht zum Vergnügen seiner
selbst! Interessant:
Kopftücher sind in Schulen, Unis und öffentlichen Gebäuden streng
verboten. Und bei uns? Bunte Baumwolltücher und Pluderhosen für ländliche
Frauen sind natürlich OK. Sie sind ja auch ganz praktisch, können doch
keine Insekten angelockt werden oder gar unten hineinfliegen. Männer
tragen gerne weiße Hemden mit schwarzen Sakkos. OK, das paßt ja auch
alles hierher. Und
noch etwas Haarsträubendes erfahre ich: Frauen werden mit Geld (im Jahre
1990 z.B. mit um die 120 US-Dollar) dafür bezahlt, daß sie sich total
vermummen und diese ekelhaften schwarzen Tücher und Umhänge tragen! Übrigens,
Schwein ist nur deshalb verboten, weil Schweinefleisch zu schnell
verdirbt. Auf
unserer Rückfahrt bleibe ich hinten auf meinem rechtmäßigen Platz. Der
modebewusste Mann in unserer Gruppe trägt gerne Gürtel und Hosenträger
gleichzeitig und zeigt es auch. Außerdem hat er gerne eine rumänische
Frau als Partnerin. Überhaupt gibt es reichlich viele Leute mit
Migrationshintergrund im Bus. Aber auch ein amerikanisches Pärchen aus
Plymouth, MA, wo wir im November noch waren, befindet sich unter uns, ein
Inder und was weiß ich noch alles, wir sind eine internationale
Rentergang. Jeder
siebte, achte Einwohner in der Türkei lebt von Teppichen, so wie bei uns
die Autoindustrie die wichtigste ist. Mehmet
fährt außerordentlich gelassen und treibstoffsparend, geradezu geizig,
und wird deshalb gerne von seinen Kollegen aus unserer Gruppe überholt.
Alle Busse fahren immer etwas unterschiedlich ab, dadurch ist die
Herumfahrerei deutlich entspannt. Fünfzehn Busse in einem Pulk gingen ja
auch gar nicht. Wir
sind kurz nach 18:00 Uhr als letzter Bus zum Sunset zurück am Hotel in
Sarimsakli in der Nähe Ayvaliks. „Sarimsak“ heißt im Übrigen
„Knoblauch“. Nach
dem Abendessen besuche ich wieder die Bar. Die lauten sechs ungehobelten
Ösis sind auch wieder in der ansonsten leer bleibenden Hotelbar, same
procedure as yesterday, aber heute nehme ich den sich als schrecklich
herausstellenden Tagescocktail O-Saft mit Wodka. Bei
meinem abendlichen Bummel durch die Straßen sehe ich wirklich überall
friedliche gutmütige Hunde herumstreunen und neugierige Katzen in den
offenen Schlünden der Müllcontainer nach Essen suchen. 5.
Tag - Montag, 19. März 2012 Pergamon
mit Amphitheater, Zeus-Altar und Trajan-Tempel, Besuch bei den
Teppichmenschen, Kusadasi Heutiger
Weckruf um 6:15 Uhr, Abfahrt mit Koffern um 7:45 Uhr. Hoffentlich habe ich
nichts im Zimmer vergessen. Inschallah! Heute
geht es denselben Weg zurück. Himmel blau, sonnig aber kalt. „Teppichmenschen“
warten nachher auf uns. Keine Teppichhändler oder gar Teppichverkäufer. Teppiche
wurden nicht erfunden, um Touristen abzukassieren oder dringend benötigte
Devisen einzunehmen. Nein, nein, Teppiche hat uns Gott geschenkt, um uns
unser Leben zu erleichtern, schon seit vielen tausend Jahren. Deshalb soll
man sie stets gut zu behandeln. Z.B. mit Naphthalin-Pulver gegen Motten
bestäuben und dann am Balkon zum Ausstinken hinhängen, mindestens
zweimal im Jahr, man lebt schließlich mit ihnen wie mit einem
Familienmitglied. Teppiche müssen einfach in jeder Wohnung herumliegen.
BTW: In einer türkischen Wohnung zieht man unaufgefordert die Schuhe aus! Ein
Kuriosum: Ein paar Leute setzen sich am nächsten Tag gerne auf andere Plätze
im Bus, was schonmal Hassgefühle erzeugen kann, ich habe Glück und
behalte meinen an der Tür, niemand macht ihn mir streitig, ich höre aber
gelegentlich große Diskussionen im Hintergrund. Gökce
tröstet uns ob des kühlen Wetters, wir haben trotzdem noch Glück, Troja
lag um diese Zeit auch schon noch im Schnee, andere Ziele im Regen und in
richtiger Kälte. Für heute werden immerhin noch 15/16 Grad erwartet,
gestern waren es noch siebzehn. Bestimmt ist es doch besser, vier Wochen
später hierher zu fahren, dann ist auch längst alles grün. Unser
nächstes Ziel ist Bergama, das antike Pergamon. Die Fahrerei hier auf dem
Land ist eine Mischung aus orientalischem und europäischem Fahrstil,
meistens gelassen großzügig und partnerschaftlich – und nicht so
chaotisch wie kürzlich noch in Ägypten. Ein Tipp: Man sollte oft hupen
und seine „Gegner“ stets im Auge behalten… Die
antike Stätte Pergamon liegt auf einem Berg, zu der uns die hypermoderne
neue Seilbahn der südtiroler Firma Leitner Ropeways bringt, immer acht
Personen pro gläserner Kabine. Vorher noch ein kurzer Aufzug. pergamon
- Google-Suche
(Fotos) Viele
Steine des Tempels wurden in den Jahrhunderten für private Häuser
zweckentfremdet, aber es sind noch genügend vorhanden. Pergament,
meistens aus der Haut ungeborener oder neugeborener Lämmer und Ziegen,
(die armen Tiere!), wurde hier erfunden, weil Papyrus irgendwann nicht
mehr hierher geliefert werden sollte – oder um einfach ein besseres
Schreibmaterial zu haben. Die
eintönigen Gesänge der Muezzins tönen nach oben zu uns in unsere Ohren. Unser
Mittagessen bekommen wir ganz in der Nähe. Längst
gibt es wieder die üblichen Ausscheidungsprobleme unter den Mitfahrern
und Mitfahrerinnen. Jetzt dauert es noch fünfzehn Minuten bis zu den
Teppichmenschen. Erstmal
bekommen wir die übliche Vorführung von drei Frauen beim Knüpfen, dann
die Seidenraupen im nächsten Raum, dann die Treppe rauf, wobei wir streng
darauf achten müssen, uns nicht zufällig mit einer anderen Gruppe zu
vermischen. Ab hier sind auch keine Fotos mehr erlaubt. Jetzt müssen wir
unseren Beitrag begleichen, nämlich die übliche Vorführung über uns
ergehen lassen. Alle Türen werden hermetisch verschlossen. Fünf junge kräftige
Männer warten schon auf uns und rollen die bereitliegenden Teppiche aus.
Nein, erstmal gibt’s Getränke, Kaffee, Raki, Kaffee mit Raki, Tee,
Wasser usw. Sieben
bis acht Millionen Schafe sorgen für Wolle. Nur wenige Angoraziegen gibt
es, „Ankara“ kommt von „Angora“, so soll die Stadt früher geheißen
haben. Nach
den Erklärungen über Wolle, Baumwolle, Wolle auf Baumwolle und Seide
lassen es die jungen Männer endlich krachen, d.h. die Teppiche werden mit
Schwung ausgeworfen und die Rollen knallen dabei laut auf den Boden. Jetzt
sind es acht Leute, plus zwei dazugekommene anzugtragende Verkäufer. Eine
sehr gut eingeübte Choreografie beginnt. Bald
wimmeln schon neunzehn Leute durch den Raum, um hauptsächlich ihre
Seidenteppiche zu bewerben. Das ist jetzt die Kür. Ganz
unauffällig werden es immer mehr Verkäufer, die nach und nach intensive
Gespräche einleiten. Am Ende der Show gibt es pro Besucher(paar) einen
Verkäufer! Ich mache mich möglichst schnell aus dem Staub. Nach
zweieinhalb Stunden werden wir endlich entlassen; als Gökce zu guter
Letzt einsteigt, läßt Mehmet den Motor an und es geht schließlich
weiter. Wir
haben noch drei Stunden Heimfahrt vor uns. Zwei Polizeiautos lauern schon
wieder auf Schnellfahrer. Heute
ist Montag und entsprechend zähflüssig ist der nachmittägliche Verkehr
mit vielen Lkw, samstags kamen wir hier noch hervorragend durch. Am wie in
Deutschland aussehenden Metro-Supermarkt biegen wir links ab und fahren
auf der neuen Autobahn am Flughafen vorbei weiter nach Süden, das
schlimmste haben wir überstanden, aber so schlimm war es ja gar nicht. Rechts
liegen die Bucht und der Hafen von vorgestern und die dichtgedrängte
weitläufige Stadt mit ihrem endlosen Häusermeer, Hochhäuser und
Minarette erheben sich aus dem Dunst. Neue Hochhäuser fressen alt
gewordene Gebäude aus den achtziger, neunziger Jahren auf. Zwei
hervorragende moderne Tunnel werden durchfahren. Dann geht es in die grünen
Berge hinauf. Hier oben gibt es auch wieder eine Mautstation. Sehr
praktisch und durchaus nachahmenswert: Vor einer Brücke wird die
Lufttemperatur angezeigt, hier sind es jetzt achtzehn Grad, und jede Menge
Warnlampen warten darauf, bei möglichem Frost ihre Arbeit aufzunehmen und
zu blinken, obwohl, mir kommt es deutlich wärmer vor. Hier
sind die Felder und Äcker schon längst alle grün. Um
17:15 Uhr noch eine kurze Blümchenpause, um 17:30 Uhr fahren wir weiter.
Noch eine Stunde. Gökce
gibt uns eine Aufklärung wegen des erwarteten Trinkgelds, es wird nicht
anonym mit Hilfe eines Körbchens eingesammelt, sondern jeder gibt es ihr
und Mehmet persönlich in die Hand. Insgesamt waren wir ca. 1.500 km
unterwegs. Rosa blühende Pfirsichbäume verschönern die fruchtbare
Landschaft. Ein
drittes Mal muß Maut bezahlt werden, diesmal automatisch, ohne Personal,
ich weiß nicht, ob man hier irgendwo auch Bargeld reinwerfen könnte. Natürlich,
jemand benötigt mal wieder eine Apotheke. Wir müssen etwas suchen, bis
wir noch eine geöffnete finden, es ist immerhin schon nach 18:30 Uhr.
Acht, neun Leute strömen hinein. Ein
außergewöhnlich schöner Sonnenuntergang, die glutrote Sonne versinkt
wirklich im Meer. Das kommt nur selten vor, sonst liegt immer Dunst über
der Kimm. Schade, unser Bus hält nicht für mich an. Trotzdem,
ich bekomme exakt dasselbe schöne Zimmer wie letztes Mal, nur eine Etage
tiefer, in der vierten. Damit bin ich erneut sehr zufrieden. 6.
Tag - Dienstag, 20. März 2012 Ephesos,
größtes Ausgrabungsgelände des Landes, mit Hadrian-Tempel,
Celsus-Bibiothek, Agora und Marienkirche, ein Besuch im Schmuckladen,
Lederladen, Kusadasi Heute
Morgen verlassen wir unser Hotel mit Gepäck, Abfahrt ist um 8:00 Uhr. Es
geht dem Ende der Reise zu, deshalb gibt es heute nur noch einen halben
Tag Kultur und in der zweiten Tageshälfte noch einmal Verkaufsshows. Die
Sonne scheint wie immer, heute soll es wieder warm werden. Ich
glaube, wir sind doch noch mehr Busse als die sonst gezählten fünfzehn,
denn im Hotel nebenan sehe ich auch noch jede Menge weiße Busse mit
Schildern unserer Reisefirma. Scheint ein einträgliches Geschäft zu
sein, diese Reise zu organisieren. Gökce fährt in ihrem kleinen Auto
erstmal voraus und stellt es an einer Tankstelle in der Nähe unseres
heutigen Hotels ab. Für
den Fall, daß ich mir hier mal ein Auto mieten möchte, werde ich wohl
eher einen Diesel nehmen, Diesel ist 25 Eurocent billiger an den
Tankstellen. Nach
einer dreiviertel Stunde sind wir in Ephesos. Oder heißt es doch Ephesus?
(Ja, ich weiß, römische und griechische Schreibweise. Beides ist
richtig.) Zum dritten Mal auf dieser Reise müssen wir durch kompliziert
zu bedienende Drehkreuze. Dieser Ort ist immerhin siebentausend Jahre alt. Ephesos
zählt zu den weltweit berühmtesten und wohl auch beeindruckendsten
antiken Stätten. Auch in der Bibel (N.T.) wird von Ephesos berichtet. Die
Stadt ist eine Missionsortschaft von Apostel Paulus. Wer will, kann sich
deshalb auch die Konzilkirche ansehen, auch Marienkirche genannt. Hier
fand 431 n. Chr. das dritte ökumenische (schwer zu verstehende,
komplizierte) Konzil von Ephesos statt. Mal
wieder schwer vorzustellen: In der antiken Zeit war dies hier eine große
Hafenstadt, doch auch hier ist das Meer wegen der Versandung immer weiter
zurückgetreten. Gökce
erzählt uns, daß hier bis jetzt höchstens dreißig Prozent ausgegraben
worden sind. Viele verborgene Schätze harren noch ihrer Ausgrabung
entgegen. Was werden die Zeitläufte hier noch alles zu Tage fördern? Hier
ist unheimlich viel los. Obwohl noch Vorsaison, schieben sich nicht enden
wollende Reisegruppen durch die Ruinen. Es wimmelt geradezu vor Besuchern,
der Ort kann früher nicht stärker belebt gewesen sein. Wir Deutsche sind
in der Minderzahl, hier gibt es offenbar mehr Franzosen und Russen. Das
überdachte Terrassenhaus kostet 15 Lira extra Eintritt. Ich spare mir die
Ausgabe und weiß jetzt hinterher nicht, ob das vielleicht ein Fehler
war… Die
wunderschöne Front der Celsus Bibliothek erinnert mich mit ihrer prächtigen
wiederaufgebauten Fassade etwas an Petra. Die kostbaren Bücher sind 262
n.Chr. während eines Goteneinfalls verbrannt; die übrig gebliebenen
Bauten und die neue Bibliothek sind dann endgültig im Mittelalter durch
Erdbeben zerstört worden. Bemerkenswert:
Der berühmte Artemis-Tempel gehört zu den sieben Weltwundern! (Hatte ich
schon wieder vergessen…) Nur eine einzige Säule des kühnen Bauwerks
ist noch erhalten. Alle
sieben: Weltwunder
– Wikipedia Einzeln:
Tempel
der Artemis in Ephesos – Wikipedia Etwas
störend: Die Beschaulichkeit des riesigen Amphitheaters („größtes
Theater Kleinasiens“) und der gesamten historischen Stätte wird durch
die vielen Flugbewegungen des lebhaften nahen kleinen Flugplatzes gestört,
aber es sind ja auch viel zu viele Menschen da. Was muß hier erst im
Sommer los sein, wenn sich die Massen der riesigen Kreuzfahrtschiffe mit
den Leuten aus den unzähligen Reisebussen vermischen. Temperatur
angenehm, zwanzig Grad, wie zurzeit zuhause auch. Also wegen besseren oder
wärmeren Wetters hätte ich nicht wegfahren brauchen. Vielleicht
sind die Katzen schon immer hier, ununterbrochen, viele Generationen, und
halten Wacht, und haben ihren Spaß. Seit damals. Wer weiß… Doch
jetzt ist es genug schlüpfriger Gedanken, in vierzehn Tagen wird auch
hier alles blühen. Nach
der Mittagspause fahren wir fünf Minuten zum Schmuckladen Galata, Funda
erklärt uns alles, dann müssen wir alle zusammen in die Verkaufsräume.
Es ist schwierig, ohne etwas gekauft zu haben, gleich wieder rauszukommen,
ich bekomme vom Personal widersprüchliche Angaben. Ich muß mich schließlich
durch alle Räume, dann die Treppe rauf, oben noch einmal durch alle
Verkaufsräume mit Silberschmuck und noch durch ein, zwei normale Läden
mit üblichen Touristenwaren, Keramik, Tüchern quälen. Durch die
Eingangstür wäre es zu einfach gewesen. Endlich bin ich wieder in
Freiheit. Teppiche gibt es auch noch hier oben. Das Beste wäre gewesen,
draußen im angenehmen Schatten zu bleiben und gar nicht erst mit
reinzugehen. Zum
Schluß müssen wir noch auf Gökce warten, die jetzt bestimmt ihre
Provision kassiert, die ich ihr natürlich von ganzem Herzen gönne.
Erfahrene Türkeireisende wissen ja, anders geht es gar nicht. Tja,
manchmal muß man als Tourist viel „bezahlen“, nicht nur Geld, auch
Zeit und Geduld, der Lederladen ist fast direkt nebenan, gleiches Spiel
nochmal. Das Leben kann hart zuschlagen… Die
Leute werden hinter verbarrikadierten Türen festgehalten und ohne Obolus
(Kauf) nicht eher rausgelassen. Ich
bin erleichtert, als wir endlich diese beiden ungastlichen und
geldsaugenden Orte verlassen dürfen. Ich kann doch nichts dafür, daß
ich schon einen Teppich, einen goldenen Armreif und eine Lederjacke
besitze. Es
ist einfach schön: Unter den meisten Olivenbäumen wächst grünes
saftiges Gras und darauf blühen in unglaublicher Vielzahl endlose kleine
Margeriten. Wunderschöne Orte für unvergeßliche Picknicke. Jetzt
fahren wir noch eine halbe Stunde zurück nach Kusadasi, aber in ein ganz
anderes, noch unbekanntes Hotel. Die Leute sind jetzt laut und erregt.
Liegt es an ihren Kauferlebnissen? Unser Hotel liegt erfreulicherweise
noch vor der Stadt, deshalb sind wir auch schnell da. Es heißt Tusan
Beach und hat vier Sterne, mehrere fünf-, sechsstöckige Gebäude, vorne
die Meeresbucht, hinten raus sieht man einen See. Ich habe wieder Glück,
Gökce mag mich, sie verteilt die Schlüssel immer in alphabetischer
Reihenfolge, jetzt aber schon zum zweiten Mal umgekehrt von hinten nach
vorne, ich liebe sie dafür. Tusan
Beach Resort - Kusadasi - Aydin | Tusan otel Rezervasyon Tatil Kusadasi
Aydin Ucuz Tatil Mein
Zimmer ist im fünften Stock mit wunderschöner Aussicht aufs Meer. Herz,
was willst Du mehr? Nur der Fernseher ist ein uralter kleiner Kasten,
geradezu anachronistisch im Vergleich zum übrigen Zimmer. Aber man kann
nicht immer alles haben wollen. 7.
Tag - Mittwoch, 21. März 2012 Selcuk
mit Isabey-Moschee, Weindorf Sirince, Kusadasi Unser
Frühstück ist wieder chaotisch, aber das ist ja normal bei so vielen Gästen
und unfähigem (unwilligem) Personal. Heute fahren wir erst um 8:30 Uhr
ab, wir haben Zeit. Das Gepäck bleibt im Hotel. Mir geht es wieder etwas
besser, fühle mich aber immer noch etwas unwohl. Rührend, ich werde ein
paarmal von Mitreisenden gefragt, wie es mir geht. Wir
gondeln heute nur ins nahegelegene Selcuk mit 28.000 Einwohnern und
besuchen dort die Isabey Moschee (Jesus Moschee) aus dem Jahre 1375. Hier
müssen wir keine Schuhe ausziehen. Wie immer blauer Himmel. Jetzt
kommt der letzte Punkt unserer Reise: Das romantische Weindorf. Griechen
haben sich hier angesiedelt und produzieren vor allem Wein, aber auch viel
Gemüse und Obst, meistens (angeblich) biologisch. Da
ich mich schon etwas eher zurückziehe und lieber wieder am Bus warte,
bekomme ich einen kostenlosen Vortrag eines Bausachverständigen für
Kraftwerke und weiß jetzt alles über mögliche Unglücksursachen dort.
Warum müssen mich die Leute eigentlich ständig mit ihren eher
uninteressanten Erzählungen volllabern? Ja, OK, Entschuldigung, mir ihre
Geschichten erzählen. Um
12:15 Uhr geht es endlich wieder weiter zum Mittagessen. Schade, hier ist
das Essen auch nicht besser als gestern. Das ist besonders schlimm, da ich
ja aus bester eigener Erfahrung weiß, wie hervorragend einem türkisches
(vegetarisches) Essen schmecken kann, aber halt nie in den
Massenabfertigungen mit zehn, fünfzehn Bussen davor. Viele
Leute sind inzwischen krank, oben mit einer Erkältung oder „Untenrum“
(also mit Durchfall) – oder beides. Auf
der Runterfahrt vom Berg des Weindorfs rezitiert ein Mitreisender übers
Mikrofon im Bus, mein besonderer „Freund“, ein ebenso langes wie
langweiliges, unwitziges und natürlich selbstverfaßtes Gedicht. Wer möchte,
bekommt es von ihm per E-Mail zugeschickt. Ich werde von diesem Angebot
keinen Gebrauch machen und verzichte gerne darauf… Unser
Bus hält kurz an, damit ein paar Leute Euros ziehen können,
Geldautomaten heißen hier „Bankamatik“. Um 14 Uhr ist das offizielle
Programm beendet. Eine kleine Gruppe besucht auf eigene Faust die Johannes
Basilika und das Museum hier in Sirince. Ich hätte mich ihnen gerne
angeschlossen, fühle mich dafür aber immer noch nicht gut genug. Wir
fahren eine lange Allee jetzt noch kahler Maulbeerbäume entlang.
Traktoren haben hier gerne Stoffüberzieher auf den Motorhauben. Kaum
vorstellbar: War das alles hier früher Meer? Gegen
halbdrei sind wir zurück am Hotel und alle verabschieden sich von Gökce
und Mehmet. Mein Zimmer ist immer noch nicht gemacht. Ich lege mich
trotzdem hin, fühle mich wieder krank - und die nächste Nacht wird ja
sowieso „geringfügig“ kürzer als sonst... 8.
Tag - Donnerstag, 22. März 2012 Izmir
– Frankfurt Tja,
das ist jetzt hier kein Tippfehler: „Weckruf“ um 23:00 Uhr, Abfahrt um
0:30 Uhr am Hotel!! Eine absolute Unverschämtheit der Reiseleitung. Vom
Hotel wurde wenigstens ein kleines „Express Buffet“ aufgebaut, aber
kaum jemand erscheint dort, ich auch nicht, alle sind viel zu müde oder
noch satt oder beides. Zum Glück geht es mir dank meiner Notfallmedizin
wieder gut. Fünf
Busse stehen dicht gedrängt im Dunkel vor dem Hotel herum, es gibt
entsprechendes Rumgewusel, alle sind aufgeregt, dabei ist unser Abflug
doch erst um 3:30 Uhr. Gökce ist auch nochmal extra erschienen, nur um
uns zu verabschieden. Der
ganze Bus ist still und döst während unserer Fahrt vor sich hin, nur
mein schwäbischer „Freund“, der Dichter und Warner, ist wach und
salbadert ununterbrochen vor sich hin. Er spricht unglaublich langsam,
laut und immer in derselben Tonhöhe - und geht bestimmt noch nicht mal in
den Keller zum Lachen, denn Humor dürfte etwas sein, der ihm sehr fern
liegt. Wenn er mal tot ist, quasselt er bestimmt den Bestatter weiterhin
voll, sodaß der ihm den Mund dann noch extra zunähen muß. Leider habe
ich kein Tempotuch zur Hand, um mir meine Ohren zu verschließen. Seine
arme Frau tut mir leid. Die Gnade des frühen Schlafes rettet mich
endlich. Der
Typ hätte auch sehr gut den neuen Bundespräsidenten geben können, der
schwafelt genauso unnötiges Geschwätz. BTW: Brauchen wir überhaupt noch
einen BP? Der ist doch zu nichts nutze. Und wenn doch, könnte der sich
nicht viel vernünftiger durch Werbung selbst finanzieren?! Z.B.
für Persil: Keiner ist reiner… (kicher, lach, lol) -
für Mercedes: Das einzige Auto für Präsidenten… -
für Montblanc: Sie schreiben schneller als die Tinte trocknet… -
Palmolive (gibt’s das überhaupt noch?): Ich wasche meine Hände in… Zehn,
fünfzehn Werbepartner müßten sich doch finden lassen, die sich opfern,
dann hat er seine 250 – 300.000 Euros auch zusammen. Die Zeit zum
Umdenken ist doch längst gekommen. Besonders nach diesem unsäglichen
C.W. mit seinem abartigen Anlagebetrüger-Spezi C.M. Die
Fahrt zum Flughafen erscheint mir kurz. Leider muß ich wie alle wieder sämtliche
Eincheckprozeduren geduldig über mich ergehen lassen, inzwischen rege ich
mich schon lange nicht mehr darüber auf, auch nicht, als ich meine, hm,
„etwas ungeduldig“ gepackte Tasche vor aller Augen öffnen muß, wie
peinlich, nur weil meine metallenen Zigarrenhülsen beim Durchleuchten
(zum ersten Mal auf meinen Reisen!) für den bekloppten Blödmann am
Scanner wie eine Batterie Bomben aussehen. (Dabei sind doch weder eine
Batterie noch irgendwelche Kabel dran…) Im
Flugzeug hustet, niest und schneuzt es einfach überall, ich bin von
Bakterienschleudern geradezu umzingelt. Unser Flieger ist durchaus mit
einem Krankenrücktransport gleichzusetzen, Rentner sind wir ja sowieso
schon alle. Wie
schon auf dem Hinflug gibt es keine Fluginfos auf den Monitoren, nur exakt
die gleichen Filme wie auf dem Hinflug. Aber wenigstens startet unser
Airbus A320 der türkischen Sky Airlines diesmal pünktlich. Kein Wunder,
wir sind für Stunden die einzige Flugbewegung. Die allgemeinen Ansagen
vom Tonband sind OK, doch die aktuellen Durchsagen kommen in unverständlichem
Deutsch - ist das überhaupt Deutsch? Diese Stewardeß war vielleicht auch
in einer deutschen Schule, aber wenn ja, für wie lange – bzw. für wie
kurz? Mein Türkisch dürfte sich jedenfalls ähnlich blöd anhören… Die
Alte direkt neben mir erinnert mich an einen Habicht, hageres Gesicht, große
Adlernase, scharfer Blick, vor allem, wenn sie mich immer wieder mal
verstohlen von der Seite ansieht. Stinke ich vielleicht? Wann habe ich
zuletzt geduscht? Habe ich vorhin nochmal mein Deo benutzt? Ich mach mich
schmal und gucke möglichst unschuldig aus der Wäsche. Wie
immer für mich eines der letzten großen und ungelösten Rätsel der
Menschheit: Warum müssen manche Leute immer sofort nach dem Start aufs
Klo? Möglichst noch während des Steigflugs? Oder an ihr oben verstautes
Gepäck? Das Rätsel mit dem Tomatensaft ist ja schließlich auch geklärt
worden. Die
Durchsage des türkischen Kapitäns entfällt, niemand ist deshalb böse,
alle wollen nur schlafen oder wenigstens dösen. Deshalb vergeht der Flug
auch relativ schnell. Leider müssen wir vor der Landung in Frankfurt noch
ein paar Schleifen fliegen. Eos,
die Göttin der Morgenröte, empfängt uns mit wunderschönem rotem
Himmel. Spätestens jetzt kriegen alle die am Anfang der Reise geklaute
Stunde zurückgegeben und können ihre Uhren zurückstellen. Wir landen um
6:20 Uhr Ortszeit, diesmal auf der noch brandneuen Landebahn Nordwest. Ich
komme aus der Sonne und bin in der Sonne. Meine Heimat empfängt mich mit
sonnigem Wetter, auch hier soll es mittags wieder 20 Grad warm werden. Die
Klöster und Schlößchen im Rheingau lassen sich von der Frühlingssonne
warmherzig bescheinen. Forsythien blühen inzwischen. Die schwellenden weiß-rosa-farbenen
Knospen meiner geliebten Magnolien platzen gerade auf. Heute Mittag beginnt Gökce gleich wieder dieselbe Reise von vorne, jede Woche, noch bis Ende April. Und ihre Kollegen auch. Und dann wieder im Herbst. Mein
Fazit: Eine
schöne Reise, die ich nicht missen möchte. Vielleicht ein bißchen früh
von der Jahreszeit her. Zwei, drei Wochen später wäre es besser gewesen,
ging aber nicht, da bin ich längst wieder in den USA. Die
Tour war gut organisiert und der Reisende bekommt viel gezeigt. Strom
220 Volt, Eurostecker sind OK. (Es dürfte inzwischen längst angeraten
sein, stets einen dieser kleinen Doppel- bzw. Dreifachstecker
mitzunehmen.) ec-Automaten
spenden problemlos Geld, bezahlen mit Euro ist (bis auf kleine Läden)
meistens OK. Die
Uhrzeit ist uns eine Stunde voraus. Wenigstens
konnte ich mein niedrigeres Gewicht halten. P.S. In
meinen Fieberträumen am Ende der Reise war ich froh, kein Indianer zu
sein. Die lassen ihre Alten und Kranken gerne an einen Baum gelehnt und
nach Osten zum nächsten Sonnenaufgang gerichtet, zurück. Entweder sie
rappeln sich nochmal auf und sie ziehen ihrem Stamm hinterher - oder sie
schaffen es nicht. Gut, bei mir war es noch nicht so weit und ich bin längst
wieder gut drauf. Indianer verabschieden sich oft mit dem Spruch: „Und
pass‘ gut auf die Bäume auf!“ Schlimm wurde es früher nur in wüstenähnlichen
Gegenden, wenn es eine Epidemie gab und nicht genug Bäume zur Verfügung
standen. Da mußten sie dann in langer Reihe, einer vor dem anderen, an
den einzigen vorhandenen Baum (oder notfalls einen Felsen) gelehnt
werden… Bei
den Eskimos war es ähnlich, das ist ja auch bekannt. Hier wurden die
Alten und Schwerkranken auf eine Eisscholle gesetzt und der Scholle ein Fußtritt
versetzt. Die Leute trieben dann zum Sterben aufs offene Meer hinaus.
Manchmal gab es allerdings eine ungünstige (günstige?) Strömung und die
Eisschollen wurden in eine kleine Bucht getrieben. Da gab es dann
hunderte, tausende dieser Eisschollen. Und weil die Temperatur hier nie über
null anstieg, schmolzen die Eisschollen auch nicht und die
zusammengesunkenen Körper der toten Eskimos blieben für lange Zeit
konserviert. Ein sicherlich fesselnder Anblick… Ja,
ich gestehe, alles (über die Indianer) habe ich erfunden und ist nur
meinen blöden Träumen entsprungen. Ich bitte um Nachsicht. Und wer will,
darf jetzt auch darüber schmunzeln… ©
2012 Wilfried R. Virmond - Nachdruck, auch auszugsweise, grundsätzlich
nur mit Genehmigung des Autors! Dies gilt ganz besonders auch für sämtliche
Fotos.
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