Auf Heinrich Schliemanns Spuren

Meine Bildungsreise an der Ägäisküste: Troja, Didyma, Milet, Priene, Smyrna, Pergamon, Ephesos, Sirince, Selcuk

Erzählt von Wilfried R. Virmond

 

Türkei Reise März 2012

 

Inhaltsverzeichnis:

1. Tag - Donnerstag, 15. März 2012, Frankfurt - Izmir

2. Tag - Freitag, 16. März 2012, Milet, Didyma, Priene

3. Tag - Samstag, 17. März 2012, Izmir

4. Tag - Sonntag, 18. März 2012, Troja

5. Tag - Montag, 19. März 2012, Pergamon

6. Tag - Dienstag, 20. März 2012, Ephesos

7. Tag - Mittwoch, 21. März 2012, Sirince, Selcuk

8. Tag - Donnerstag, 22. März 2012, Izmir - Frankfurt

Aus dem Reiseprospekt: „Auf dieser Rundreise erleben Sie die landschaftliche Schönheit und zahlreiche bedeutende Sehenswürdigkeiten des traumhaften Südwestens. Die Küste und das Hinterland erzählen eine viele Jahrhunderte umfassende Geschichte. Sie stehen auf dem Boden Trojas und spüren den geheimnisvollen Hauch legendärer altgriechischer Städte wie Ephesos und Milet. Bestaunen Sie die Symbiose zwischen Kultur und Natur entlang der türkischen Ägäis.“

 

1. Tag - Donnerstag, 15. März 2012

Flug Frankfurt – Izmir, Weiterfahrt im Reisebus, Übernachtung in Kusadasi

Mein Flieger startet heute sehr früh um 6:45 Uhr, deshalb bin ich schon gestern, Mittwoch, mit dem Zug direkt zum Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt gefahren. Hier habe ich dann gediegen übernachtet und brauchte mich nicht abzuhetzen und/oder Familienangehörige oder Freunde zu unchristlicher Zeit aus ihrem warmen Bett zu werfen. Es reicht, wenn ich allein hier schon so früh rummachen muß.

Gestern Abend war ich die drei, vier Stationen mit der S-Bahn in die Stadt gefahren, um in einem kleinen Speiselokal, das ich noch von ganz, ganz früher kannte, Fisch mit Frankfurter Grüner Soße zu essen. Die Grüne Soße ist in Wirklichkeit weiß mit grünen Pünktchen darin und hat leider absolut nichts mit derjenigen, die Goethe dereinst so lustvoll als sein (und mein) Leibgericht beschrieben hat, zu tun. Schade. Ich will gar nicht wissen, woraus sie letztendlich besteht. (Die „sieben Kräuter“ hat der Zubereiter in der Küche wohl zu wörtlich genommen…)

Das Hotel Hilton Garden Inn ist neu und liegt im gleichfalls neuen Büro- und Hotelgebäude „The Squaire“ (Square und Air zusammengefasst) direkt am Terminal 1 und hat sogar eine eigene Postleizahl. Und mein Bahnhof lag direkt unten im Gebäude, eigentlich sind es zwei, der Regionale und der Fernbahnhof für die ICEs. Bequemer kann man es als Zugreisender jedenfalls nicht haben.

The Squaire – Wikipedia

Die meisten von uns sind ja schon oft auf der A3 am futuristischen gläsernen Gebäude vorbeigefahren, aber ich hatte die letzte Nacht die Freude, hier standesgemäß zu übernachten. Von meiner obersten Etage ging mein Blick weit übers Dach des Terminals 1 hinweg und über den gesamten Flughafen. Der abnehmende Halbmond schaute dazu freundlich und wohlwollend zu mir ins Zimmer. (Das Fenster läßt sich hier grundsätzlich nicht öffnen, leider auch nicht aufschrauben, aber die Klimaanlage war perfekt und leise.)

 Türkei Reise März 2012

 

Mein Bett war etwas höher und noch breiter als lang und hatte keine „Besucherritze“ in der Mitte. Also so, wie heutzutage ein Bett beschaffen sein sollte, hoch, einteilig und seeehr breit. Zudem ließ sich die Matratze mit Hebeln auf beiden Seiten individuell verstellen, ich war aber viel zu müde und schlief ein, bevor ich es noch ausprobieren konnte.

Mein Zimmer kostete zwar genau gleichviel wie der Grundpreis der Reise, aber so viel Bequemlichkeit war es mir (notgedrungen) auch wert. Wie ich immer sage: Jetzt wird nur noch an der Sparsamkeit gespart!

Um die Sache weiter zu vereinfachen, hatte ich bereits gestern am Vorabend Check-in eingecheckt. Der Koffer ist also weg und die Bordkarte habe ich in der Tasche, sodaß ich für heute Morgen noch ein paar Minuten zusätzlichen Schlaf herausgeschlagen habe.

Wahnsinn, mindestens dreihundert Leute quetschen sich nach den ganzen Security-Checks und der Bordkartenkontrolle mit mir in einen der Busse und dann später in den Flieger. Im Osten steigt die Sonne im Morgendunst rot über dem riesigen Vorfeld auf.

Unser Flugzeug, ein Airbus A320 der türkischen Sky Airlines, (warum tue ich es mir immer mal wieder an und fliege mit solchen Billig-Airlines??), startet dreißig Minuten verspätet, um 07:20 Uhr. Nennt man es sparsame, geschäftstüchtige oder ökonomische Einteilung der Sitzabstände? Egal, der Abstand zum Vordersitz ist sehr kurz. Es gibt hier keine Business-Plätze; erfreulicherweise sitze ich wieder ziemlich weit vorne, gleich in Reihe vier.

Ein wunderschöner Tag kündigt sich an, ist ja klar, wo ich wegfahre. Immer, fast immer, wenn ich zu einer neuen Reise starte, beginnt zu Hause gutes Wetter.

Wieder nehmen wir die früher berühmtberüchtigte Startbahn West. Der Odenwald ist weiß gefroren. Die Täler sind noch mit dickem Nebel gefüllt, Windräder ragen vorwitzig ob ihrer Höhe gelassen aus der Watte heraus.

Unsere Flugzeit soll nur 2:35 Stunden betragen, viel länger hält man es in der sardinenmäßigen Enge auch nicht aus.

Kopfhörer möchten Sie? Aber gern! Ein Kopfkissen? Ja natürlich! Sofort! Eine Rückenmassage? Ja, sind Sie denn total bekloppt? Hier gibt es nichts, gar nichts! Nein, stimmt gar nicht. Ich muß mein vorschnell gefasstes Vorurteil revidieren, ich bekomme immerhin ein trockenes weiches Sandwich angeboten, Käse oder Schinken nach Wahl, Kaffee oder Tee, alle Softdrinks, Wasser mit und ohne Gas. Bier würde Geld kosten. Jeder Platz ist besetzt. Der Knaller: Wer will, kann zum Schluß sogar noch ein weiteres Sandwich für lau bekommen! Alles muß weg! (Aber niemand möchte eins…)

München ist noch mit üppigen Wolken zugedeckt, aber das Voralpenland und die Alpen liegen sauber und klar in der Sonne.

Türkei Reise März 2012

Wir bekommen eine langatmige, aber wenigstens verständliche Erklärung des Kapitäns. Er hatte auf dem Hinweg kurz vor Frankfurt direkt vor der Landung zwanzig Minuten Verspätung bekommen, die sich hier leider fortsetzen.

Von hinten bohren sich mir ständig männliche Knie in den Rücken, der Vordersitz kommt mir dauernd bösartig entgegen.

Eine dicke Wolkendecke versperrt uns später die Sicht nach unten bis zum Ziel. Die Landung erfolgt um 11:00 Uhr Ortszeit. Izmir Adnan Menderes ist ein relativ neuer moderner Flughafen, wenn es hier auch offensichtlich vergleichsweise wenig Flugbewegungen gibt. Meine Tasche kommt als fünfzehntes Gepäckstück aus dem Untergrund. Das Wetter ist bewölkt und reichlich kühl. Kurze Zeit später sitze ich als Erster im Bus und es dauert lange, bis die andern nach und nach endlich angewackelt kommen und sich auf die vielen bereitstehenden Busse verteilen.

Ich bin im ersten zweier ordentlicher silbergrauer Mercedes-Busse. Wie schon erwartet und befürchtet, sitze ich unter lauter „alten“ Leuten, der jüngste dürfte fünfzig Jahre alt sein. Ich hatte genügend Zeit, Ruhe und Muße, meine Uhr eine Stunde vorzustellen und mich von den Strapazen des Fluges zu erholen.

Unser Busfahrer ist Mehmet, unsere Reiseleiterin ist nett, um die dreißig, hat krause brünette lange Locken und heißt Gökce, was so viel wie „so schön wie der Himmel“ bedeutet. OK, das Synonym dürfte geringfügig übertrieben sein, aber hässlich oder gar unsympathisch ist sie nicht. (Eigentlich hat das „c“ von Gökce untenrum ein Häkchen, aber diese Häkchen unter „c“ und „s“ lasse ich hier lieber weg, weil es sonst zu Problemen bei der Anzeige auf anderen PCs kommen könnte. Das „c“ mit Häkchen wird übrigens „ch“ ausgesprochen, in diesem Fall also „Gökche“, ein „s“ mit Häkchen „sch“. Und da ich schon mal dabei bin und der Klugscheißer-Modus noch eingeschaltet ist: Ein „i“ mit Punkt wird wie bei uns ausgesprochen, das „i“ ohne Punkt wird „ü“ gesprochen.)

Schlecht, Gökce hat alle vier vordersten Sitze für sich allein reserviert und das bleibt auch während der gesamten Reise so. Niemand außer ihr darf hier vorne sitzen. Warum? Ich habe es nicht herausgefunden.

Um kurz vor zwölf sitzen endlich alle Leute im Bus und wir fahren auf einer modernen neuen Autobahn gen Süden.

 

Türkei Reise März 2012

 

Schnell stellt sich heraus: Über die Hälfte der fünfunddreißig Leute im Bus waren noch nie in der Türkei.

Gökce gibt uns ein paar Verhaltensmaßregeln, Erklärungen und Ratschläge. Der aktuelle Umrechnungskurs lautet zurzeit: Für 1 Euro bekommt man ca. 2,30 Lira, 2 Lira entsprechen 90 Eurocent. (Meistens wird aber 2:1 umgetauscht, wenn man mit Euros bezahlt. Türken sind eben immer auf ihre kleinen Vorteile bedacht. Manchmal wird aber auch sehr penibel umgerechnet.) Außerdem sollen wir den Leuten lieber keine Münzen in Scheine tauschen, egal, ob mit Tesa zusammengeklebt oder nicht.

Erste Erkenntnis: Hier muß leider auch manchmal Autobahn-Maut bezahlt werden.

Gökce kassiert von jedem zusätzliche 228 Euro für Ausflüge, Eintrittskarten und Mittagessen, der ursprünglich äußerst günstige Preis relativiert sich plötzlich.

Unser erstes gemeinsames Mittagessen bekommen wir in Camlik im Aziziye Restaurant für weitere zehn Euro plus Getränke. Mindestens fünfzehn große Reisebusse haben hier ihre Fahrgäste abgeladen. Der Restaurantbesitzer ist „Modelleisenbahnfreund“ und sammelt hauptsächlich Dampflokomotiven. Aber nicht in klein, nein, in Originalgröße! Wahnsinn, was hier an Dampfloks aus deutscher, englischer, russischer und türkischer Produktion herumsteht! Sogar eine riesige Drehscheibe gibt es.

Türkei Reise März 2012

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Eine wahre Freude für jeden Mann, der noch ein paar Kindheitsträume in sich hat und noch nicht ganz tot ist! Schade nur, daß alle Loks im Freien stehen und nach und nach vergammeln. Es ist nicht zu übersehen, ununterbrochen nagt der Zahn der Zeit an ihnen und jedes Jahr werden sie weniger Substanz haben. Ein unheimlich traurig machender und unwiederbringlicher Verlust an Eisenbahn- und Technik-Kultur! Auf jeden Fall ist das hier ein Paradies für große Kinder. Ich wünschte, ich könnte wenigstens eine der Loks anfeuern und ein bißchen damit herumfahren.

gallery - Aziziye Restaurant

Beeindruckend: Vor dem Lokal (und auch sonst überall) gibt es einen Geldautomaten, an dem man je nach Wunsch Lira, Euro oder Dollar ziehen kann. Inzwischen scheint die Sonne und es ist warm geworden.

Die wie Orangen oder Mandarinen aussehenden Früchte an den Bäumen in allen Straßen der Orte täuschen diese in betrügerischer Absicht nur vor und sind in Wirklichkeit leider nur unheimlich saure und eigentlich ungenießbare Pomeranzen. Die Pomeranzenbäume dienen der Dekoration, man kann aber auch Likör, Marmelade und angeblich sogar Seife davon herstellen. Wenn die fleißige türkische Hausfrau mal keine Zitrone zur Hand hat, kann sie raus gehen und sich eine Pomeranze vom Baum holen.

Olivenbaumwälder gibt es, die Ernte ist gerade vorbei und jetzt werden die Bäume beschnitten. Der korrekte Schnitt ist eigentlich so, daß Vögel durchfliegen können müssen. Viele Obstbäume blühen bereits, Mandelbäume, Pfirsichbäume, Kirschbäume…

Gökce bereitet uns unterdessen schonmal darauf vor, daß eins unserer späteren Hotels wohl etwas „einfach“ sein wird. Naja, bei dem Reisepreis…

Wir erreichen gegen vierzehn Uhr unser heutiges Ziel, Kusadasi. Hier legen demnächst wieder jede Menge Kreuzfahrtschiffe an, die Saison beginnt nächste Woche und dauert von März bis September. Die Leute wollen vor allem ins nahe gelegene Ephesos.

Viele Wohnungen in der Stadt sind Sommerwohnungen, für den eigenen Gebrauch oder zur Vermietung.

Wir werden alle am Ephesia-Hotel ausgesetzt, ein riesiger Kasten mit fünf Sternen, sieben Etagen und 250 Zimmern.

Kuşadasi – Wikipedia

ephesia hotel kusadasi - Google-Suche (Hotel-Fotos)

Mein Zimmer im fünften Stock gefällt mir auf Anhieb, denn es liegt auf der richtigen Seite, Balkon mit weitem Blick über die Stadt und aufs Meer, breites Bett, das große Fenster läßt sich aufschieben, kleiner Flachbild-Fernseher mit vier, fünf deutschen Programmen, nur leider ist das Wetter (heute) hier an der Küste nicht allzu gut.

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 Ich mache trotzdem einen Strand-Spaziergang und lasse mich bei sechzehn Grad und viel Wind gehörlich durchpusten. Da genügend Zeit ist, buche ich mir eine ausführliche Massage mit Hamam.

Beim Abendessen ist es etwas chaotisch, kein Wunder, bei so vielen Gästen. Schade, nix Rauchen im gesamten Hotel.

Die Nacht ist glasklar, die Sterne funkelen - und wir Düsseldorfer schunkelen… Nein, niemand schunkelt mit mir, aber es ist unglaublich, wie die Lichter am Ende der Bucht glitzern und flimmern. Warum eigentlich? Wie entsteht dieser Effekt? Ich kann mich gar nicht davon abwenden.

Gottseidank bin ich nicht allein, der Mond schaut mir auch heute Nacht wieder beim Schlafen zu.

 

2. Tag - Freitag, 16. März 2012

Antike Hafenstadt Milet mit Theater und Faustina-Thermen, Apollo-Tempel mit dem Orakel von Didyma, antike Stadt Priene, zweite Übernachtung in Kusadasi.

Die Sonne steht mit mir zusammen auf. Gottlob blauer Himmel. Nanu, drüben auf der anderen Seite der Bucht sind gewaltige Berge zu sehen. Die waren doch gestern noch nicht da! Samos? (Ja, die Insel Samos mit über tausend Meter hohen Bergen.)

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Übrigens, bis auf zwei türkische sind sämtliche Inseln in der Ägäis griechisch, und wenn sie noch so dicht am türkischen Festland liegen. Finde ich ungerecht.

Das Frühstück wird erneut sehr schlimm, plötzlich sind keine Tassen mehr da, es wird auch grundsätzlich nicht neu eingedeckt, die Schüsseln und Platten sind oft ratzekahl leergefressen. Fremde Leute ignorieren mein noch volles Glas Orangensaft und setzen sich auf meinen Platz, während ich mir nochmal etwas hole. Mit einem Wort: Chaos.

Heutige Abfahrt ist um 8:15 Uhr, ohne Gebäck, äh, ohne Gepäck. Anderthalb Stunden vorher gab es pünktlich einen computerisierten Weckruf. (Den ich aber nie brauche, ich wache immer von selbst rechtzeitig auf.)

Mindestens vierzehn Busse unserer Reisegruppe zähle ich hier. Wir warten. Alle Busse sind inzwischen weg. Wir warten noch immer: Eine Frau sucht noch immer ihren Mann und umgekehrt, aber wir haben Glück, die beiden finden sich dann doch noch und auch wir fahren endlich los. Unsere Straße ist anfangs meistenteils vierspurig und gerade frisch renoviert.

 Türkei Reise März 2012

Türkei Reise März 2012

 „Gneiden“ ist türkisch und heißt „Guten Morgen!“

Die Türkei ist das viertgrößte Land bei der Olivenproduktion. Nur, daß man in der EU kaum türkisches Olivenöl kaufen kann. Die Lösung: Es wird hauptsächlich nach Italien exportiert und dort in das italienische untergerührt…

Erwartete Höchsttemperatur für heute acht Grad. Und ich habe nur ein dünnes Hemd an und keine Jacke mitgenommen. Von meiner dreiviertel Hose mal ganz abgesehen. Das hätte Gökce uns (oder wenigstens mir) auch eher sagen können.

Die Türkei verfügt über ca. zweiundvierzig Prozent des weltweit vorhandenen Marmors, hundertzwanzig verschiedene Sorten in achtzig Farben bietet man an. Gökce hat ein Einsehen mit mir und läßt mich nun doch vorne sitzen, wenn es auch nur der Notklappsitz des Reiseleiters ganz vorne ist. Aber hier lassen sich die besten Bilder während der Fahrt machen.

Bald überqueren wir einen Fluß, es ist der Menderes, von dem unser „Mäander“ abgeleitet sein soll. Ganz früher, vor zweitausend Jahren, war hier noch Meer, die Ägäis, aber durch die Verlandung ist die Küste immer weiter zurückgetreten. Viele Felder stehen jetzt noch unter Wasser, aber nur vom kürzlich noch heftigen Regen. Störche, Flamingos, Reiher und Schwäne kann man hier beobachten.

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 Den Begriff „Toilette“ umschreibt Gökce gerne mit „Blümchen“. Also z.B. „Braucht jemand Blümchen?“ oder „Die Blümchen sind hinten rechts im Restaurant“ usw.

Unser erstes heutiges Ziel ist die antike Stadt Milet mit dem berühmten Amphitheater.

Milet – Wikipedia

milet - Google-Suche (Fotos)

Hier war früher ein großer bedeutender Hafen, unmittelbar in der Nähe des Theaters und der Thermen. Kaum vorstellbar, von Meer ist tatsächlich über zig Kilometer nichts mehr zu sehen! Auch hier weit und breit alles versandet! Vor neuntausend Jahren sollen hier schon Menschen gelebt haben.

Angeblich sollen hier im Amphitheater fünfzehntausend (kleine) Menschen haben sitzen können. Das Theater ist griechisch, deshalb ist das Halbrund etwas mehr zusammengebogen, römische Amphitheater sind (meistens) nur wie ein Hufeisen, also wie ein „U“ geformt. (Oder rund wie in Rom. Aber dann heißen sie ja auch Kolosseum.)

Kolosseum – Wikipedia

Hier war früher das Ende eines seitlichen Ausläufers der Seidenstraße. Die Karawanen haben in der Stadt drei Tage kostenlos rasten können, ab dem vierten Tag mußte man bezahlen.

Übrigens, fast immer, wenn ich „Milet“ höre oder lese, fällt mir der berühmte „Satz des Thales“ mit den rechten Winkeln im Dreieck ein. Wem das genauso geht, der findet hier mehr Information:

Satz des Thales – Wikipedia

Hier sollen ja überhaupt viele Philosophen gelebt haben. Die alten Thermen sind noch zu erkennen, die „hellen“ Stunden (vormittags bis nachmittags) waren Frauen reserviert, ab nachmittags, in den „dunklen“ Stunden, durften nur Männer kommen, leider gab es eine züchtige Geschlechtertrennung.

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 Unheimlich kalt ist es im Schatten, dazu Wind, der alles noch verstärkt, aber wenigstens scheint die Sonne. Gökce hat sich mit langem schwarzem Daunenmantel, Schal, Mütze und was weiß ich noch alles gewappnet.

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 Die wertvollen Mosaiken sind mit Dachpappe und Sand vor uns Touristen geschützt worden und bleiben deshalb leider unsichtbar.

Ich bin froh, als wir endlich wieder im Bus einsteigen, gut, daß ich meine Spezial-Notfalltropfen, (Wodka im Flachmann), stets dabei habe. Endlich kann ich mich wieder aufwärmen.

Hier stehen bestimmt zehn Busse auf dem Parkplatz herum, alle von unserer Firma. Insgesamt sollen sich die Busse etwas trennen und die Ziele in unterschiedlicher Reihenfolge ansteuern, dazu zeitlich etwas versetzt, um das Ganze etwas zu entspannen.

Alle Hunde sehen hier gleich aus, alle sind gleich groß, alle hellbeige mit dunkler schwarzer Schnauze – und von ihrem Wesen her friedlich. Süße junge tollpatschige Hunde gibt es auch.

Auch hier hat sich die Windradseuche ausgebreitet, sie passen halt nirgends in eine schützenswerte Naturlandschaft. Zwei neue AKW sind in Planung, eins davon im Süden in Mersin. (Wir hätten jetzt zufällig ein paar günstig und wenig gebraucht abzugeben.)

Getreide und Baumwolle wächst hier. Beides wird nach dem Ernten abgebrannt und untergegraben.

Die Tiere haben es hier offenbar besser, nicht so schlimm wie kürzlich in Ägypten. So richtig abgemagerte Hunde und Katzen habe ich nicht gesehen. Die meisten Hunde haben grüne Marken im Ohr, d.h. sie sind gegen Tollwut geimpft. Schafe und Ziegen finden eigentlich immer etwas Grünes.

Ab und zu mache ich gerne davon Gebrauch, ganz vorne zu sitzen, falls sich eine Strecke abzeichnet, auf der es sich lohnen könnte, den Fotoapparat zu aktivieren.

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 Wir erreichen Didim (bzw. Didima) mit 43.500 Einwohnern. Auch hier gibt es sehr viele Sommerwohnungen, die während der Ferien für nur drei Monate bewohnt werden.

Gökce ist ständig mit ihrem iPhone (immerhin ein aktuelles iPhone 4 oder sogar 4S) am Telefonieren (und am Kichern und Lachen mit ihrem (ihren) Gesprächspartnern und/oder am SMS-Schreiben und Erhalten. Junge Liebe muß schön sein. Es nervt etwas, weil fast alle Erklärungen über die Buslautsprecher dadurch gestört werden oder deshalb schon gleich kurz ausfallen. Aber junge Leute sind halt so, ich gönne es ihr.

Unser Mittagessen bekommen wir direkt am Apollo Tempel, die drei gewaltigen Säulen sind schon von weitem zu erkennen. Gut gestärkt besuchen wir danach den Tempel mit dem berühmten Orakel. Alles geht gut, es will nicht zu mir sprechen. Vielleicht werde ich deshalb auch nicht zu Stein versteinert. Glück gehabt! Trotz der Sonne ist es immer noch saukalt. Eine Schildkröte läuft mir geschäftig vor den Füßen vorbei.

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 Die vorhin in Milet gemachten Foto-Abzüge der „Paparazzi“ kann man jetzt kaufen. (Neun Bilder für runtergehandelte zwölf Euro ist in meinen Augen OK.)

 Didim – Wikipedia

 Serefe! (= Prost! „Schere-fee“ gesprochen.) Gökce wird uns jetzt ständig fragen, ob jemand vielleicht zufällig Bauchweh hat. Als Medizin gibt es nämlich Raki, (Rake gesprochen, weil das „i“ in Wirklichkeit keinen Punkt hat und deshalb „e“ gesprochen wird), für 2,50 EUR. Überhaupt, an normalen Getränken bedient sich jeder selbst und legt das Geld in die bereitstehende Kasse des Busfahrers, so hat er einen kleinen zusätzlichen Verdienst. Gökce: Raki ist der Vater des Ouzo. Trotzdem, das Kind ist mir etwas lieber.

Große Agaven wachsen wild am Wegesrand, dazu viele kleine Blumen, vor allem wohl kleine Margeriten. (Vorsicht, Agaven nicht mit meinen geliebten Aloen verwechseln. Agavensaft brennt auf der Haut, Aloe‑Saft tut ihr gut…)

Wieder haben wir viele Schlaumeier im Bus, die mit allerlei „intelligenten“ Fragen und nichtssagenden Binsenweisheiten nerven.

Wir steuern auf eine Halbinsel zu, vor uns erheben sich mächtige Berge, links das Meer. Viele unserer Jeans kommen hier her, zumindest aus der Türkei, jedenfalls die Baumwolle als Ausgangsprodukt.

Mehmet fährt mit sehr Gefühl und nie schneller als knapp über achtzig km/h. Der Zeiger der Verbrauchsanzeige ist immer im ganz unteren grünen Bereich. Angst muß man bei seiner Fahrweise nicht haben. Gelbgrüne Wolfsmilch blüht.

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 „Hadi!“ sagt man hier statt des arabischen „Jallah!“ für „Auf geht’s!“. „Tamam“ heißt OK.

Wir kommen nach Gullubahce und seiner antiken Stätte Priene.

(„Pri-eene“ gesprochen.) Hier ganz oben auf dem Berg steht eine „Akropolis“, „akro“ für oben, „polis“ für Stadt.

 Priene – Wikipedia

priene - Google-Suche

Die Teile der Säulen liegen wie überdimensionale Bauklötzer herum, sie sind es ja auch, der Sprößling einer Riesenfamilie hat vor Langeweile gerade alles Gebaute wieder mit ein paar Fußtritten mutwillig zerstört. Ganz hinten ist das Taurus-Gebirge zu erkennen.

Wir haben mit dem Wetter wirklich Glück, die letzten Wochen hat es heftig und ausgiebig geregnet, auch hier stehen unzählige Felder noch unter Wasser.

Das kleine hiesige Theater gehört zu den „am besten erhaltenen des Hellenismus“.

Die meisten Steine hat man wenigstens vom Berg im Hintergrund geschlagen, den Marmor von der nahegelegenen Insel Samos.

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Türkei Reise März 2012

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Gökce spricht ein fast akzentfreies perfektes Deutsch, obwohl sie es „nur“ in der deutschen Schule in Istanbul am Taksim Platz gelernt hat. Es ist recht angenehm, ihr zuzuhören. Wenn sie mal nicht telefoniert.

Gegen 17:00 Uhr sind wir zurück im Hotel und ich statte Sauna und Massageräumen einen weiteren ausgiebigen Besuch ab. Die Rückfahrt hat nur noch eine halbe Stunde gedauert.

 

3. Tag - Samstag, 17. März 2012


Stadtbummel in Izmir, Fahrt an der Ägäis entlang, Übernachtung in Ayvalik

Morgens nach dem Frühstück finden sich alle Leute mit ihren Koffern am richtigen Bus ein, wir verlassen das Ephesia um acht Uhr. Meine Güte ist das schon wieder kalt hier draußen, kleine Atemwölkchen entströmen den Mündern der Leute. Wieder blauer Himmel, immerhin soll es heute nicht ganz so kalt werden. Mein normaler Sitzplatz ist direkt an der hinteren Tür und ich bin ganz zufrieden damit.

Auch hier vor dem Hotel gibt es viele Land-Pomeranzen.

Türkei Reise März 2012

 An der Ägäisküste ist das Bauen während der Sommermonate meistenteils verboten. Fünfundneunzig Prozent der Warentransporte laufen in der Türkei über die Straße.

Benzin und Diesel sind in der Türkei so teuer wie nirgendwo anders weit und breit, wahrscheinlich in der ganzen Welt, der Staat will am Verkehr kräftig verdienen:

Benzin kostet um die 4,50 Lira (2,10 EUR),

Diesel (heißt hier „Motorin“) 4,00 Lira (1,80 EUR),

günstigeres LPG (für 2,50 TL) ist stark im Kommen.

AdBlue für 1 Lira pro Liter gibt es auch.

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 Der Personentransport erfolgt per Bus meist schneller als im Zug, von Istanbul hierher kostet eine Fahrt so um die 15 Euro für einen Weg. Jede Stadt, wirklich jeder kleine Ort hat einen Busbahnhof.

Nächste Woche beginnt die Tourismus-Saison. Das türkische „Sibidak“ („Schiebedack“ gesprochen) für „Schiebedach“ entstammt dem Deutschen.

In fast allen Pinien haben Raupen ihre dicken Gespinste gewoben. Mit „Anatolien“ bezeichnet man fast die gesamte Türkei, nicht nur den östlichen Bereich, wie viele Menschen oft glauben. Istanbul hat einen europäischen und auf der gegenüberliegenden Bosporus-Seite eben den anatolischen Teil. Übrigens, in Istanbul leben siebzehn Mio. der über siebzig Mio. Einwohner der Türkei, in Ankara nur vier.

Hier im Menderes-Sumpfgebiet wachsen unendlich viele Tamariskenbüsche; der hohe Salzgehalt des Bodens macht ihnen nichts aus. Dazu natürlich jede Menge Schilf. Unsere Straße durch die Berge erinnert mich ein wenig an Highway One in den USA.

Erstaunlich, hier im Westteil der Türkei sind die Menschen auch schonmal hellhäutig, haben oft blaue Augen und gerne auch mal blonde Haare. Das kommt von den vielen „Ausländern“, die hier im Laufe der Jahrtausende eingewandert sind.

Adana ist die Stadt des Kebab, „Adana“ ist deshalb zugleich ein Synonym für „scharfer Fleischspieß“.

Wohltuend: Hier gibt’s nicht so viel Müll in der Landschaft wie in Ägypten.

Über siebzig Prozent der weltweiten Ernte an Haselnüssen sollen übrigens vom türkischen Schwarzmeergebiet kommen und werden in Hamburg gehandelt. Ferrero soll sich immer wieder beim Einkauf mit besonders schlechten Preisen unrühmlich hervortun und jedes Jahr aufs Neue seine marktbeherrschende Position zum Nachteil der bemitleidenswerten Bauern (Familien, Kinder, Umfeld) ausnutzen. Ein weiterer Grund, dieses unsägliche Unternehmen mit seinen vielen besonders schädlichen Produkten und verlogenen Werbesprüchen zu boykottieren…

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Eine Stunde dauert unsere Fahrt nach Izmir. Das „r“ in seinem Namen wird sehr weich gesprochen, fast wie unser „ch“, also fast „Ißmich“. 3,6 Mio. Einwohner gibt es hier, drittgrößte Stadt der Türkei. Früher hatte Izmir den lateinischen bzw. griechischen Namen Smyrna. Izmir hängt sich jetzt gerne den Zusatz „Perle der Ägäis“ an.

 

Nach einem kurzen Fotostopp am Wahrzeichen der Stadt, dem Uhrturm Saat Kulesi, setzen uns die Busse an der Strandpromenade ab und wir haben zwei Stunden Zeit zum Bummeln und Einkaufen. Ich überwinde meine Einkaufsphobie und versuche, ein paar Klamotten zu bekommen, finde aber nichts, was mir wirklich gefällt – oder paßt.

Rote Ampeln werden auch hier ungern akzeptiert. Die überall dekorativ herumstehenden Palmen sind reichlich teuer und kosten gerne zwischen 500 und 1000 Dollar pro Stück, weil sie meistens importiert werden müssen.

Ich trinke, in der warmen Sonne sitzend, köstlichen Tee in einem modernen und wunderschönen Straßencafé mit interessanter Comic-Gestaltung und sehe den weißen Möwen, nein, keine Tauben, dabei zu, wie sie elegant unter dem strahlend blauen Himmel zwischen den gläsernen Hochhäusern umhersegeln.

Sonst sind die Verkäufer vor türkischen Geschäften und Verkaufsständen Touristen gegenüber ja gerne etwas, hm, ja, „geschäftstüchtig“, um nicht zu sagen aufdringlich, doch diese haben sich hier in dieser Gegend in überaus lästige quälgeistige Schuhputzer verwandelt.

Eine schöne langgezogene und vor allem saubere Bucht mit teilweise recht eleganten Häusern haben die Izmirer hier. Sagt man so? Izmirer? (Die Rechtschreibkontrolle im PC sagt Nein. Aber die ist ja doof! Wie heißen sie denn dann?) Allerdings verschandeln zahlreiche neue Betonpfeiler einer zukünftigen Autobahn die Situation in der Nähe des Hafens; sie wird wohl nie mehr gebaut werden, weil sich die Hausbesitzer der Meerespromenade erfolgreich dagegen gewehrt haben.

Inzwischen ist es warm geworden und viele türkische Paare flanieren hier am Ufer entlang, Familien machen ihr Picknick auf der Ufermauer, Kinder tollen wie junge Hunde herum, Angler angeln geduldig, mit einem Wort: Es ist ganz angenehm hier am Meer.

 Türkei Reise März 2012

Nach meiner Ägypten-Reise erscheint mir hier alles pikobello sauber, aber wir sind ja auch in keinem arabischen Land. Merke: Die Türkei ist „osmanisch“ und hat mit arabischen Ländern ausgesprochen wenig zu tun. Vielleicht nur noch den Koran?

Der Bus pickt uns an der verabredeten Ecke wieder auf. Gökce kommt mit prallen Plastikeinkaufstaschen zurück. Schneereste liegen noch auf den umliegenden Bergspitzen.

Der original deutsche TÜV hat hier mit einem Ableger „Tüvturk“ ein paar neue Pfründe erschlossen. Tupperware, Praktiker, Saturn und Metro gibt es auch. Und ein Ikea. Warum auch nicht.

Hier in Izmir sehe ich meinen ersten RR Evoque auf der Straße in freier Wildbahn. Im November 2012 werde ich meinen Lexus gegen dieses Fahrzeug tauschen.

Mit tausend Euro Einkommen kommt man hier als Familie (noch) ganz gut zurecht. Lebensmittel, Klamotten, fast alles, ist erstaunlich billig. Natürlich hat man dann noch kein Auto. Geschweige denn Benzin dafür…

Unzählige Hochhäuser stehen herum und immer noch mehr werden überall aus dem Boden gestampft, besonders gerne auch auf den Hügeln und Bergen.

 Türkei Reise März 2012

Ein Passagier im Bus, mein neuer „Freund“, ein sich gerne mit langweiligen Phrasen, unwichtigen Alltäglichkeiten und gehaltlosen Worthülsen hervortuender Mitfahrer macht sich bei mir besonders beliebt und erteilt mir während einer Blümchenpause lang und breit eine persönliche und belehrende Warnung: Ich säße ja manchmal ganz vorne auf meinem Notsitz und der könne mir im Falle eines Unfalls doch sehr gefährlich werden und ich solle doch lieber hinten auf meinem Sitz bleiben. Als würde ich das nicht selbst wissen.

Hier in der Türkei besteht natürlich Schulpflicht, fünf plus drei Jahre, dann drei Jahre Berufsschule, Studium oder Kolleg. Dieses Schulsystem ist erprobt und ganz vernünftig, alle Schüler tragen die gleiche Uniform, Lehrer aber auch, Jungs und Männer lange Hose, Sakko und Krawatte, Frauen Röcke und Bluse mit Pullover. Als neue Regelung will Erdogan demnächst „4+4+4“ einführen. Es gibt offenbar kontroverse Diskussionen. Er ist halt kein Atatürk.

Manche Mitfahrer erinnern mich an Speichellecker mit ihren teilweise blöden Fragen und banalen Äußerungen, vor allem, wenn Gökce in der Nähe ist. Aber sie ist erfahren und sehr geduldig mit solchen Leuten.

Weiter geht die Fahrt am Meer entlang. Wir kommen an einem Denkmal „Up to the Sky“ vorbei, ein winziges Stück Straße, das zwischen zwei Betonsäulen steil nach oben ins Leere führt. (Das ist halt einer der Nachteile, wenn man im Bus sitzt, der hält nie dort an, wo man es möchte…)

 Türkei Reise März 2012

Später fährt eine neue moderne elektrische S-Bahn-Linie neben unserer Straße entlang bis nach Aliaga. Hier gibt es bedeutende Ölraffinerien und einen großen Hafen, in dem alte ausgediente Schiffe abgewrackt werden.

Gökce erzählt uns über die Buslautsprecher stundenlang von Hannover, der Weltausstellung EXPO 2000 „Mensch, Natur und Technik“ und dem türkischen Pavillon und ihrem Austauschjahr in Neustadt/Weinstraße und der Pfalz.

Auf unserer ganz neuen Schnellstraße wird sogar eine moderne LKW-Kontrollstelle mit Waage und allem Drum und Dran gebaut. (Sollte es bei uns auch geben! Mit einem Schlag gäbe es keine überladenen LKWs mehr.)

Hier an der Ägäis gibt es so gut wie keine dieser schwarz und total vermummten Frauen; Frauen mit bunten Kopftüchern und weichen bunten Pumphosen passen ja gut hierher aufs Land, da hat man nichts dagegen.

Mittagessen gibt es gegen 14:15 Uhr in Bergama, dem antiken Pergamon. Unsere Busse verteilen sich immer auf mehrere Restaurants. Übrigens: Unsere Reisebusse sind zurzeit tatsächlich fast die einzigen, die hier mit Touristen herumfahren. Sonst ist hier noch nicht viel los.

Gefüllte Auberginen mit Hackfleisch darin nennt man wörtlich übersetzt „Der Imam ist in Ohnmacht gefallen“. Die türkische Sprache ist offenbar manchmal etwas wortspielerisch. Für „Kippfenster“ soll es auch eine sehr humorvolle Bezeichnung geben. Leider habe ich sie schon wieder vergessen.

Wohltuend: Zurück im Bus sorgt erstmal ein Raki für korrekte Verhältnisse in einigen Mägen. (Nicht vergessen: „Rake“ aussprechen! Und: Raki und das arabische Arak bezeichnen das Gleiche.)

Der berühmte Pergamon-Tempel ist kurz oben auf dem Berg zu sehen, wir werden ihn aber erst später auf dem Rückweg in ein paar Tagen besichtigen.

Hier besuchen wir den Wochenmarkt und ich kaufe mir ein paar Feigen und Rosinen, was sich im Laufe der nächsten Tage als gute Idee herausstellt, weil ich dann immer etwas Süßes dabei habe. (Merke: „Hast Du Feigen und Rosinen in der Tasche, hast Du immer was zum Nasche…“ Ja, habe ich leicht abgewandelt.)

 Türkei Reise März 2012

Beim Anblick der dunkelroten aromatischen Tomaten frage ich mich, warum die im Hotel alle so unreif sind und nicht besonders schmecken. Hier werde ich gar nicht angequatscht wie sonst.

Am Ende nehme ich einen anderen, schnelleren Rückweg und brauche viel länger, dafür habe ich aber auch als einziger aus dem Bus alles gesehen, leider bin ich der Letzte, aber die andern meckern nicht allzu sehr mit mir. Der Marktbesuch war eigentlich etwas unnötig, finde ich.

Einen Touristen wie mich mit Zigarre haben die Leute hier offensichtlich noch nicht oft gesehen, viele Menschen haben mich doch eher etwas erstaunt angesehen. Oder sehe ich so bekloppt aus?

Gökce bereitet uns schonmal auf unser heutiges Hotel vor, außerhalb der Stadt, direkt am Strand. Den Zustand und die Einrichtung umschreibt sie mit „etwas ländlich“…

Zum ersten Mal sehe ich mobile Polizei mit Laser und es wird auch gleich abkassiert. Diese Seuche grassiert hier also auch.

Wir fahren jetzt direkt am blauen Meer entlang, durch eine brettflache Ebene, die Straße ist gerade neu und vierspurig ausgebaut worden.

Unser Hotel Büyük Berk in Ayvalik (Ei-va-lük gesprochen) ist groß und heftig abgewohnt; es hat bestimmt enge 250 Zimmer. Ich tausche nach der ersten Inaugenscheinnahme rasch mein Zimmer, versuche es, aber es ist angeblich keins mehr frei. Zufällig kommt eine Dame aus meinem Bus im gleichen Moment an die Rezeption, um ebenfalls zu tauschen. Mal gewinnt man, mal verliert man, wenigstens habe ich jetzt den berühmten und berüchtigten „seitlichen Meerblick“ mit Aussicht auf eine Art Hinterhof unter mir. Ein alter kleiner TV mit zwei deutschen Programmen wartet auf mich. Alles im Zimmer und in den Fluren ist alt, schäbig und runtergekommen. Dreißig, vierzig Jahre ist hier nichts mehr renoviert worden.

 Türkei Reise März 2012

Hier muß man seine Erwartungen deutlich nach unten schrauben. Zum Ausgleich lasse ich mir draußen auf der Terrasse ein kaltes Bier im kühlen Wind kredenzen, und weil der nackte Plastikstuhl so gemein kalt ist, und weil es keine Kissen gibt, wird mir auf meine Bitte von drinnen ein Polsterstuhl gebracht. Hier sitze ich dann wie ein leibhaftiger Pascha und genieße Bier und Zigarre im Sonnenuntergang mit Blick auf den Sandstrand und auf die nahegelegene Insel Lesbos. Dazu gibt’s angewärmte Nüsse. Zum Eeessen!

Mehmet macht inzwischen unseren Bus sauber, innen und außen, er ist autark und hat alles dabei, sogar zwei riesige blaue Wasserfässer. Seine Kollegen auch.

 Türkei Reise März 2012

Das Abendessen wird wieder laut und unangenehm. Der Speisesaal ist viel zu klein.

Die Hotelbar entschädigt mich dann mit allen Mängeln des Hauses, mangels Martini Bianco verzichte ich zwar zugleich auf den Wodka darin, (einer meiner Lieblings-Drinks), und nehme stattdessen einen Baccardi Cola (natürlich ohne Eiswürfel) zu meiner Zigarre. Die Nüsschen und das viele Essen konterkarieren meine zuletzt doch erfolgreichen Maßnahmen zur Gewichtsreduktion.

 

4. Tag - Sonntag, 18. März 2012

Troja

Heute geht es bereits um halbacht ohne Koffer los. Die Sonne lacht schonmal vom tiefblauen Himmel, wie immer ist es kühl. Immerhin sollen es heute schon siebzehn Grad werden. Die Luft ist klar und wir haben eine außerordentlich gute Sicht. Die Leute klagen unterdessen über zahlreiche Unzulänglichkeiten im Hotel, laute Generatoren, hellhörige Wände, bellende Hunde, leckende (undichte!) Heizkörper, zu heiße Heizkörper, überschwemmte Badezimmer, zu enge Badezimmer und was weiß ich alles. Dagegen bin ich eigentlich noch ganz zufrieden. Flamingos sind in der Saline links und rechts zu sehen. Aber sie sind hier eher grau, nicht so schön rosa wie sonst.

Unsere Fahrt geht durch endlose Olivenhaine, hm, Olivenwälder. Auf der rechten Seite liegt das Ida-Gebirge, nein, nicht das von Kreta, hier gibt’s auch eins mit diesem Namen. 1.774 Meter soll die höchste Erhebung sein.

Draußen riecht es gelegentlich nach Olivenmaische, die Ernte ist gerade vorbei, auch hier werden die Bäume für die nächste Ernte noch beschnitten. Olivenbäume können unglaubliche fünftausend Jahre alt werden, dabei werden sie immer breiter, fast wie beim Menschen, und sie geben abwechselnd mal viel und mal wenig Oliven. Unreif geerntete Oliven sind grün, die reifen sind braun und schwarz; dazwischen werden sie rötlich geerntet. Oliven heißen hier Zeytin. Hier aus dieser Gegend um Ayvalik herum kommt hervorragendes Olivenöl.

Aus Oliven stellt man gerne auch Seife und Shampoo für die Haare her; Oliven-Tee soll es auch geben, er schmeckt nach (fast) nichts.

Die Olivenwälder sind hier so weit ausgebreitet, wie ich sie sonst noch nie gesehen habe. Endlos. Hauptsächlich ernten herumziehende Zigeuner.

Gökce hält uns einen langen Vortrag über die segensreiche Arbeit des Herrn Mustafa Kemal Atatürk mit dem Ergebnis, daß ich jetzt alles über ihn weiß.

Er führte Nachnamen und das lateinische Alphabet ein, trennte Staat und Religion (Laizismus) und schaffte neben vielen anderen großen Änderungen den Fez- und Kopftuch-Zwang ab. „Osmanisch“ ist eine Mischung zwischen Arabisch und Persisch bei Sprache und Kultur. Schade, daß er viel zu früh gestorben ist; er soll viel (zu viel?) geraucht und getrunken haben.

Die Muezzins schreien ihre schrecklichen Gesänge fünfmal heraus, vor Sonnenaufgang, mittags, nachmittags, zum Sonnenuntergang und 75 Minuten danach, dabei richten sie sich nach dem Mondkalender, und deshalb verschieben sich die Zeiten jeden Tag um ein paar Minuten. Und auch der Beginn des Ramadan.

Ministerpräsident Erdogan läßt wohl lieber neue Moscheen statt neue Schulen errichten.

Erst geht es nach Norden und dann weiter westlich am Ida-Gebirge entlang, immer auf der vierspurigen Schnellstraße. Weiter oben in den Bergen wachsen unendlich viele Pinien, aus deren Zapfen mit viel Aufwand leckere Pinienkerne geerntet werden. (Aber nur die türkischen werden von Gökce empfohlen, die persischen sollen nicht so gut sein.)

Endlich sind wir wieder am Meer, die Straße ist hier ununterbrochen beleuchtet, eine Stadt folgt der anderen. Neid erfasst mich, als uns eine Gruppe großer türkischer BMW-Motorräder überholt, zumal die Straße nun endlich in die Berge hinauf geht und kurviger wird. Für ein paar Fotos setze ich mich deshalb mal wieder nach vorne.

 Türkei Reise März 2012

Gökce spielt uns eine stinklangweilige CD der griechischen Mythologie und über den Trojanischen Krieg vor, die Michael Köhlmeier vorliest. Dabei wird mir erst bewußt, warum manche Frauen bei meinem Anblick „Oh Peleus!“ ausrufen. (Er soll ein großes „Organ“ gehabt haben.) Zumal ich auch dessen einfaches und treuherziges Gemüt besitze.

Hier gibt es öfters antike Stätten, aber wir sind ja auch in der Nähe der Ägäisküste. Wir durchqueren die uralte Käsestadt Peyniri.

Unglaublich ist es, wie viele Tankstellen es hier in der Türkei gibt, oft zwei, drei gegenüber und immer noch weitere sind im Bau.

Aus der Gegenrichtung frißt sich uns der vierspurige Straßenausbau aus Cannakkale entgegen.

 Türkei Reise März 2012

Gegen elf Uhr erreichen wir Troja, wo erstmal die Blümchen eines Andenkenladens aufgesucht werden.

 Türkei Reise März 2012

Für mich persönlich ist der Besuch Trojas reichlich unspektakulär, leider ist noch alles etwas winterlich, kaum Grün, noch nicht, also auch keine schönen Fotos. In vier Wochen wird es hier schon ganz anders aussehen. Wie immer trenne ich mich von meiner Gruppe und laufe ihr voraus. Es gibt nur Mauerreste und Fragmente, Säulentrümmer, Steine auf einem eigentlich unscheinbaren, vielleicht zwanzig Meter hohen Hügel. Man muß schon besondere archäologische Interessen haben, um hier seine Erfüllung zu finden. Ich bin froh, es gesehen zu haben, wollte schon mein ganzes Leben seit der Schulzeit hierher, war immer voller Faszination für Schliemann, Troja und die Ilias, hake es jetzt aber einfach ab, denn meine Begeisterung hält sich hier letztlich in Grenzen. (Was habe ich eigentlich erwartet?) Der riesige Parkplatz ist leer, ein paar ganz wenige Türken laufen herum - und unsere Gruppen.

 Türkei Reise März 2012

Türkei Reise März 2012

Türkei Reise März 2012

Türkei Reise März 2012

Türkei Reise März 2012

Eichen, „trojanische Eichen“, Pinien und Pistazien wachsen hier, ein großes hölzernes Pferd erwartet die Besucher am Eingang, nein, keine Krieger sind darin verborgen, noch nicht einmal Händler, nur ein paar kichernde Asiatinnen, ob der steilen Treppe etwas ängstlich tuend – warum müssen sie dann erst hochklettern? Erfreulicherweise sind sie rasch wieder weg. Die trockenen braunen Eichenblätter werden erst jetzt von den Bäumen nach und nach abgeworfen.

 

Gökce zeigt uns Paternoster-Bäume, Zedrach, (Melia azedarach), aus deren runden (giftigen) Samen Rosenkränze hergestellt werden.

Ich will Heinrich Schliemanns Bemühungen und Erfolge bestimmt nicht klein reden, kann ich gar nicht, aber mir drängt sich der Gedanke auf, daß die Entdeckung vielleicht nicht ganz so schwer war, denn der Hügel, unter dem sich Troja so lange verborgen hat, ist weit und breit der einzige und deshalb auch auffällige Hügel. Außerdem hat er ja nicht ganz uneigennützig gehandelt, denn er wollte hauptsächlich Schätze für sich persönlich ausgraben und hat mit seiner Gier nach wertvollen Kostbarkeiten der wissenschaftlichen Archäologie zugleich auch einen Bärendienst erwiesen. (Vieles wurde beim Ausgraben unwissentlich zerstört.)

Troja – Wikipedia

troja türkei - Google-Suche

Schlimm sind die Österreicher in unserer riesigen Reisegruppe, jetzt ahne ich, was sie fühlen müssen, wenn wir Deutschen in großer Menge bei ihnen einströmen bzw. einfallen. Ösis und Ossis sind in großer Zahl wegen ihrer fremden Sprache oft nur schwer zu ertragen, oder nur zu ertragen, wenn man mit viel Sanftmut gesegnet ist. Aber das ist bei uns Wessis ja auch oft nicht anders…

Die possierlichen Eichhörnchen werden wahrscheinlich genausooft fotografiert wie die antiken Mauerreste.

 Türkei Reise März 2012 

Unsere Weiterfahrt geht noch ein kurzes Stück nach Norden, bis an die Dardanellen. Nein, die kann man nicht essen, die Dardanellen sind eine Meerenge. Hier gab es in der Geschichte immer heftige Seeschlachten. Ich genieße die Aussicht.

Unser Hotel-Restaurant „Iris“ in Güzelyali liegt direkt am weichen gelben Sandstrand in der Sonne. Hier gibt es zum einzigen Mal dieser Reise mal kein Buffet, sondern Salat, Seezunge mit Reis und ein Dessert, das ich wegen des merkwürdigen Geschmacks allerdings verweigere und nicht essen möchte. Gökce ist wie immer am Telefonieren, ihre aufdringlichen SMS-Signale sind laut und schwirren ständig durch die Luft, ich kann sie deshalb nicht wegen des Nachtischs fragen. Auch hier gibt es natürlich den berühmten Bus mit den unvermeidlichen Asiaten.

Erneut sehe ich Wolfsmilch gelb und frisch am Wegesrand. Und kündigt damit den nahenden Frühling an.

Eine seltene Einlage wird uns hier beschert: Eine Gruppe F16 kommt angeflogen, unter ihnen knapp über dem Wasser noch eine Gruppe von fünf, sechs Kampfhubschraubern, dazu sind ganz hinten an der Kimm mindestens drei große Kriegsschiffe gerade noch zu erkennen. Gökce meint, daß sie sich alle zur Erinnerung an irgendeinen wichtigen Gedenktag irgendeiner Seeschlacht hier versammeln, die Düsenjäger kreisen und ziehen bunte Rauchfahnen hinter sich her. Welch eine Geldverschwendung.

 Türkei Reise März 2012

Türkei Reise März 2012

Da einige Leute Bauchweh haben, verteilt Gökce Medizin. Raki. Serefe! Nach Izmir zurück sind es immerhin 322 Kilometer. Schade, wir nehmen exakt den gleichen Weg retour.

Ein verunfalltes Auto liegt jetzt am Straßenrand, die Räder zeigen hilflos nach oben, Krankenwagen und Polizei sind schon da, der einzige Unfall auf dieser Reise.

 

Viele Windräder gibt es hier. Die Äcker sind alle umgepflügt und warten auf die Saat.

Das berühmte-berüchtigte Kopftuch sollen die Sumerer vor dreitausend Jahren eingeführt haben, um Prostituierte (mit Kopftuch) und Tempelpriesterinnen (ohne) leichter unterscheiden zu können.

Im Koran steht übrigens nichts über Kopftücher, nur, daß Männer bescheiden blicken sollen und ihr Organ verhüllen sollen. Frauen sollen gleichfalls ihre „wertigen“ Orte bedecken; Männer sollen nicht erregt werden, deshalb also lange Röcke und keine tiefen Ausschnitte.

Zur Vielweiberei soll Mohammed gesagt haben, ‚wenn ein Mann vier Frauen ernähren und befriedigen kann, so soll er ein paar Witwen heiraten, um sie von der Prostitution abzuhalten‘. Und nur deshalb! Nicht zum Vergnügen seiner selbst!

Interessant: Kopftücher sind in Schulen, Unis und öffentlichen Gebäuden streng verboten. Und bei uns? Bunte Baumwolltücher und Pluderhosen für ländliche Frauen sind natürlich OK. Sie sind ja auch ganz praktisch, können doch keine Insekten angelockt werden oder gar unten hineinfliegen. Männer tragen gerne weiße Hemden mit schwarzen Sakkos. OK, das paßt ja auch alles hierher.

Und noch etwas Haarsträubendes erfahre ich: Frauen werden mit Geld (im Jahre 1990 z.B. mit um die 120 US-Dollar) dafür bezahlt, daß sie sich total vermummen und diese ekelhaften schwarzen Tücher und Umhänge tragen!

Übrigens, Schwein ist nur deshalb verboten, weil Schweinefleisch zu schnell verdirbt.

Auf unserer Rückfahrt bleibe ich hinten auf meinem rechtmäßigen Platz.

Der modebewusste Mann in unserer Gruppe trägt gerne Gürtel und Hosenträger gleichzeitig und zeigt es auch. Außerdem hat er gerne eine rumänische Frau als Partnerin. Überhaupt gibt es reichlich viele Leute mit Migrationshintergrund im Bus. Aber auch ein amerikanisches Pärchen aus Plymouth, MA, wo wir im November noch waren, befindet sich unter uns, ein Inder und was weiß ich noch alles, wir sind eine internationale Rentergang.

Jeder siebte, achte Einwohner in der Türkei lebt von Teppichen, so wie bei uns die Autoindustrie die wichtigste ist.

Mehmet fährt außerordentlich gelassen und treibstoffsparend, geradezu geizig, und wird deshalb gerne von seinen Kollegen aus unserer Gruppe überholt. Alle Busse fahren immer etwas unterschiedlich ab, dadurch ist die Herumfahrerei deutlich entspannt. Fünfzehn Busse in einem Pulk gingen ja auch gar nicht.

Wir sind kurz nach 18:00 Uhr als letzter Bus zum Sunset zurück am Hotel in Sarimsakli in der Nähe Ayvaliks. „Sarimsak“ heißt im Übrigen „Knoblauch“.

Nach dem Abendessen besuche ich wieder die Bar. Die lauten sechs ungehobelten Ösis sind auch wieder in der ansonsten leer bleibenden Hotelbar, same procedure as yesterday, aber heute nehme ich den sich als schrecklich herausstellenden Tagescocktail O-Saft mit Wodka.

Bei meinem abendlichen Bummel durch die Straßen sehe ich wirklich überall friedliche gutmütige Hunde herumstreunen und neugierige Katzen in den offenen Schlünden der Müllcontainer nach Essen suchen.

 

5. Tag - Montag, 19. März 2012

Pergamon mit Amphitheater, Zeus-Altar und Trajan-Tempel, Besuch bei den Teppichmenschen, Kusadasi

Heutiger Weckruf um 6:15 Uhr, Abfahrt mit Koffern um 7:45 Uhr. Hoffentlich habe ich nichts im Zimmer vergessen. Inschallah!

Heute geht es denselben Weg zurück. Himmel blau, sonnig aber kalt.

„Teppichmenschen“ warten nachher auf uns. Keine Teppichhändler oder gar Teppichverkäufer.

Teppiche wurden nicht erfunden, um Touristen abzukassieren oder dringend benötigte Devisen einzunehmen. Nein, nein, Teppiche hat uns Gott geschenkt, um uns unser Leben zu erleichtern, schon seit vielen tausend Jahren. Deshalb soll man sie stets gut zu behandeln. Z.B. mit Naphthalin-Pulver gegen Motten bestäuben und dann am Balkon zum Ausstinken hinhängen, mindestens zweimal im Jahr, man lebt schließlich mit ihnen wie mit einem Familienmitglied. Teppiche müssen einfach in jeder Wohnung herumliegen. BTW: In einer türkischen Wohnung zieht man unaufgefordert die Schuhe aus!

Ein Kuriosum: Ein paar Leute setzen sich am nächsten Tag gerne auf andere Plätze im Bus, was schonmal Hassgefühle erzeugen kann, ich habe Glück und behalte meinen an der Tür, niemand macht ihn mir streitig, ich höre aber gelegentlich große Diskussionen im Hintergrund.

Gökce tröstet uns ob des kühlen Wetters, wir haben trotzdem noch Glück, Troja lag um diese Zeit auch schon noch im Schnee, andere Ziele im Regen und in richtiger Kälte. Für heute werden immerhin noch 15/16 Grad erwartet, gestern waren es noch siebzehn. Bestimmt ist es doch besser, vier Wochen später hierher zu fahren, dann ist auch längst alles grün.

Unser nächstes Ziel ist Bergama, das antike Pergamon. Die Fahrerei hier auf dem Land ist eine Mischung aus orientalischem und europäischem Fahrstil, meistens gelassen großzügig und partnerschaftlich – und nicht so chaotisch wie kürzlich noch in Ägypten. Ein Tipp: Man sollte oft hupen und seine „Gegner“ stets im Auge behalten…

Die antike Stätte Pergamon liegt auf einem Berg, zu der uns die hypermoderne neue Seilbahn der südtiroler Firma Leitner Ropeways bringt, immer acht Personen pro gläserner Kabine. Vorher noch ein kurzer Aufzug.

Pergamon – Wikipedia

pergamon - Google-Suche (Fotos)

Viele Steine des Tempels wurden in den Jahrhunderten für private Häuser zweckentfremdet, aber es sind noch genügend vorhanden.

Pergament, meistens aus der Haut ungeborener oder neugeborener Lämmer und Ziegen, (die armen Tiere!), wurde hier erfunden, weil Papyrus irgendwann nicht mehr hierher geliefert werden sollte – oder um einfach ein besseres Schreibmaterial zu haben.

Die eintönigen Gesänge der Muezzins tönen nach oben zu uns in unsere Ohren.

 Türkei Reise März 2012

Türkei Reise März 2012

Türkei Reise März 2012

Hier steht das steilste Theater der (antiken) Welt. Und das übriggebliebene Podest des berühmten Pergamon-Altars. Mein Rat in Bezug auf alle antiken Kunstschätze: Originalgetreue Kopien anfertigen und die Originale sukzessive an die ursprünglichen Länder zurückgeben! Denen gehören sie nun mal. Aber auf mich hört ja niemand…

 Türkei Reise März 2012

Türkei Reise März 2012

Türkei Reise März 2012

Türkei Reise März 2012

Türkei Reise März 2012

Türkei Reise März 2012

Türkei Reise März 2012

Türkei Reise März 2012

Das Wetter ist längst heiß und sonnig. Gelbe kleine Blumen blühen, kleine weiße Margeriten und kleine rote Anemonen, der Frühling nähert sich mit großen Schritten.

Unser Mittagessen bekommen wir ganz in der Nähe.

Längst gibt es wieder die üblichen Ausscheidungsprobleme unter den Mitfahrern und Mitfahrerinnen. Jetzt dauert es noch fünfzehn Minuten bis zu den Teppichmenschen.

Erstmal bekommen wir die übliche Vorführung von drei Frauen beim Knüpfen, dann die Seidenraupen im nächsten Raum, dann die Treppe rauf, wobei wir streng darauf achten müssen, uns nicht zufällig mit einer anderen Gruppe zu vermischen. Ab hier sind auch keine Fotos mehr erlaubt. Jetzt müssen wir unseren Beitrag begleichen, nämlich die übliche Vorführung über uns ergehen lassen. Alle Türen werden hermetisch verschlossen. Fünf junge kräftige Männer warten schon auf uns und rollen die bereitliegenden Teppiche aus. Nein, erstmal gibt’s Getränke, Kaffee, Raki, Kaffee mit Raki, Tee, Wasser usw.

 Türkei Reise März 2012

Türkei Reise März 2012

Ergun hält uns derweil einen launischen Vortrag über die Unterschiede des Verkaufens in Deutschland und in der Türkei und zeigt uns recht humorvoll (und wirklichkeitsgetreu) die Unterschiede in der Mentalität der Verkäufer der verschiedenen Länder auf. Dann noch schnell folgenden Witz: Zwei Bayern sitzen im Biergarten. Ein Japaner kommt und fragt sie in siebzehn Sprachen, wo‘s zum Pieseln geht. Sie geben keine Antwort. Nach seinem Weggang sagt der eine: „Scho schlau, die Japaner!“ Darauf der andere: „G‘nutzt hot‘s ihm aber wenig…“

Sieben bis acht Millionen Schafe sorgen für Wolle. Nur wenige Angoraziegen gibt es, „Ankara“ kommt von „Angora“, so soll die Stadt früher geheißen haben.

Nach den Erklärungen über Wolle, Baumwolle, Wolle auf Baumwolle und Seide lassen es die jungen Männer endlich krachen, d.h. die Teppiche werden mit Schwung ausgeworfen und die Rollen knallen dabei laut auf den Boden.

Jetzt sind es acht Leute, plus zwei dazugekommene anzugtragende Verkäufer. Eine sehr gut eingeübte Choreografie beginnt.

Bald wimmeln schon neunzehn Leute durch den Raum, um hauptsächlich ihre Seidenteppiche zu bewerben. Das ist jetzt die Kür.

Ganz unauffällig werden es immer mehr Verkäufer, die nach und nach intensive Gespräche einleiten. Am Ende der Show gibt es pro Besucher(paar) einen Verkäufer! Ich mache mich möglichst schnell aus dem Staub.

Nach zweieinhalb Stunden werden wir endlich entlassen; als Gökce zu guter Letzt einsteigt, läßt Mehmet den Motor an und es geht schließlich weiter.

Wir haben noch drei Stunden Heimfahrt vor uns. Zwei Polizeiautos lauern schon wieder auf Schnellfahrer.

Heute ist Montag und entsprechend zähflüssig ist der nachmittägliche Verkehr mit vielen Lkw, samstags kamen wir hier noch hervorragend durch. Am wie in Deutschland aussehenden Metro-Supermarkt biegen wir links ab und fahren auf der neuen Autobahn am Flughafen vorbei weiter nach Süden, das schlimmste haben wir überstanden, aber so schlimm war es ja gar nicht.

Rechts liegen die Bucht und der Hafen von vorgestern und die dichtgedrängte weitläufige Stadt mit ihrem endlosen Häusermeer, Hochhäuser und Minarette erheben sich aus dem Dunst. Neue Hochhäuser fressen alt gewordene Gebäude aus den achtziger, neunziger Jahren auf.

Zwei hervorragende moderne Tunnel werden durchfahren. Dann geht es in die grünen Berge hinauf. Hier oben gibt es auch wieder eine Mautstation.

Sehr praktisch und durchaus nachahmenswert: Vor einer Brücke wird die Lufttemperatur angezeigt, hier sind es jetzt achtzehn Grad, und jede Menge Warnlampen warten darauf, bei möglichem Frost ihre Arbeit aufzunehmen und zu blinken, obwohl, mir kommt es deutlich wärmer vor.

Hier sind die Felder und Äcker schon längst alle grün.

Um 17:15 Uhr noch eine kurze Blümchenpause, um 17:30 Uhr fahren wir weiter. Noch eine Stunde.

Gökce gibt uns eine Aufklärung wegen des erwarteten Trinkgelds, es wird nicht anonym mit Hilfe eines Körbchens eingesammelt, sondern jeder gibt es ihr und Mehmet persönlich in die Hand. Insgesamt waren wir ca. 1.500 km unterwegs. Rosa blühende Pfirsichbäume verschönern die fruchtbare Landschaft.

Ein drittes Mal muß Maut bezahlt werden, diesmal automatisch, ohne Personal, ich weiß nicht, ob man hier irgendwo auch Bargeld reinwerfen könnte.

Natürlich, jemand benötigt mal wieder eine Apotheke. Wir müssen etwas suchen, bis wir noch eine geöffnete finden, es ist immerhin schon nach 18:30 Uhr. Acht, neun Leute strömen hinein.

Ein außergewöhnlich schöner Sonnenuntergang, die glutrote Sonne versinkt wirklich im Meer. Das kommt nur selten vor, sonst liegt immer Dunst über der Kimm. Schade, unser Bus hält nicht für mich an.

 Türkei Reise März 2012

Unser heutiges Hotel ist wieder das „Ephesia“, in dem wir ja schon am Anfang unserer Reise abgestiegen waren; wir erreichen es gegen 18:50 Uhr, wir sind natürlich der letzte der fünfzehn Busse, weil Mehmet wieder so langsam gefahren ist.

Trotzdem, ich bekomme exakt dasselbe schöne Zimmer wie letztes Mal, nur eine Etage tiefer, in der vierten. Damit bin ich erneut sehr zufrieden.

6. Tag - Dienstag, 20. März 2012

Ephesos, größtes Ausgrabungsgelände des Landes, mit Hadrian-Tempel, Celsus-Bibiothek, Agora und Marienkirche, ein Besuch im Schmuckladen, Lederladen, Kusadasi

Heute Morgen verlassen wir unser Hotel mit Gepäck, Abfahrt ist um 8:00 Uhr. Es geht dem Ende der Reise zu, deshalb gibt es heute nur noch einen halben Tag Kultur und in der zweiten Tageshälfte noch einmal Verkaufsshows.

Die Sonne scheint wie immer, heute soll es wieder warm werden.

Ich glaube, wir sind doch noch mehr Busse als die sonst gezählten fünfzehn, denn im Hotel nebenan sehe ich auch noch jede Menge weiße Busse mit Schildern unserer Reisefirma. Scheint ein einträgliches Geschäft zu sein, diese Reise zu organisieren. Gökce fährt in ihrem kleinen Auto erstmal voraus und stellt es an einer Tankstelle in der Nähe unseres heutigen Hotels ab.

Für den Fall, daß ich mir hier mal ein Auto mieten möchte, werde ich wohl eher einen Diesel nehmen, Diesel ist 25 Eurocent billiger an den Tankstellen.

Nach einer dreiviertel Stunde sind wir in Ephesos. Oder heißt es doch Ephesus? (Ja, ich weiß, römische und griechische Schreibweise. Beides ist richtig.) Zum dritten Mal auf dieser Reise müssen wir durch kompliziert zu bedienende Drehkreuze. Dieser Ort ist immerhin siebentausend Jahre alt.

Ephesos – Wikipedia

Ephesos - Google-Suche

Ephesos zählt zu den weltweit berühmtesten und wohl auch beeindruckendsten antiken Stätten. Auch in der Bibel (N.T.) wird von Ephesos berichtet. Die Stadt ist eine Missionsortschaft von Apostel Paulus. Wer will, kann sich deshalb auch die Konzilkirche ansehen, auch Marienkirche genannt. Hier fand 431 n. Chr. das dritte ökumenische (schwer zu verstehende, komplizierte) Konzil von Ephesos statt.

 Türkei Reise März 2012

Mal wieder schwer vorzustellen: In der antiken Zeit war dies hier eine große Hafenstadt, doch auch hier ist das Meer wegen der Versandung immer weiter zurückgetreten.

Gökce erzählt uns, daß hier bis jetzt höchstens dreißig Prozent ausgegraben worden sind. Viele verborgene Schätze harren noch ihrer Ausgrabung entgegen. Was werden die Zeitläufte hier noch alles zu Tage fördern?

Hier ist unheimlich viel los. Obwohl noch Vorsaison, schieben sich nicht enden wollende Reisegruppen durch die Ruinen. Es wimmelt geradezu vor Besuchern, der Ort kann früher nicht stärker belebt gewesen sein. Wir Deutsche sind in der Minderzahl, hier gibt es offenbar mehr Franzosen und Russen.

 Türkei Reise März 2012

Türkei Reise März 2012

Türkei Reise März 2012

Türkei Reise März 2012

Gökce hat heute eine kurze Hose an und ihre schlanken Beine in eine modische, aufregend schwarze Strumpfhose mit wunderschönem Tattoo-Muster gesteckt. (Oder sind das gar Strümpfe? Nein, schade, leider nicht.) Man wird ständig, ganz ohne es zu wollen, von den blöden Steinen abgelenkt, auf die sie sich jetzt oft stellt, um ihre interessanten Erklärungen abzugeben. Ich sehe ihr jedenfalls gerne dabei zu.

 Türkei Reise März 2012

Gute Idee damals: Unübersehbare und für die Ewigkeit eingemeißelte Fußabdrücke im Marmor-Fußboden führten als unvergängliche Wegweiser zum ehemaligen Freudenhaus. Doch hier warten schon lange keine hingebungsvollen Gespielinnen mehr auf sich einsam fühlende liebesuchende Männer. Die Liebesdienerinnen sind leider längst verschwunden. Die einzigen, die sich Fremden hier noch hingeben, sind gelangweilt tuende laszive Katzen.

Das überdachte Terrassenhaus kostet 15 Lira extra Eintritt. Ich spare mir die Ausgabe und weiß jetzt hinterher nicht, ob das vielleicht ein Fehler war…

Die wunderschöne Front der Celsus Bibliothek erinnert mich mit ihrer prächtigen wiederaufgebauten Fassade etwas an Petra. Die kostbaren Bücher sind 262 n.Chr. während eines Goteneinfalls verbrannt; die übrig gebliebenen Bauten und die neue Bibliothek sind dann endgültig im Mittelalter durch Erdbeben zerstört worden.

Bemerkenswert: Der berühmte Artemis-Tempel gehört zu den sieben Weltwundern! (Hatte ich schon wieder vergessen…) Nur eine einzige Säule des kühnen Bauwerks ist noch erhalten.

Alle sieben:      Weltwunder – Wikipedia

Einzeln:       Tempel der Artemis in Ephesos – Wikipedia

Etwas störend: Die Beschaulichkeit des riesigen Amphitheaters („größtes Theater Kleinasiens“) und der gesamten historischen Stätte wird durch die vielen Flugbewegungen des lebhaften nahen kleinen Flugplatzes gestört, aber es sind ja auch viel zu viele Menschen da. Was muß hier erst im Sommer los sein, wenn sich die Massen der riesigen Kreuzfahrtschiffe mit den Leuten aus den unzähligen Reisebussen vermischen.

Temperatur angenehm, zwanzig Grad, wie zurzeit zuhause auch. Also wegen besseren oder wärmeren Wetters hätte ich nicht wegfahren brauchen.

Zur etwas weiter entfernten Marienkirche läuft kaum jemand, im Moment bin ich der einzige, der sich hierher verirrt hat. Sie wird gerade von zwei, drei Bauarbeitern gemächlich restauriert und es gibt außer vielen Mauern noch nicht viel zu sehen. Als dann mein „Freund“ auftaucht, und dann nach und nach ein paar andere aus unserem Bus nachkommen, trete ich lieber den Rückzug an, konnte ja in Ruhe alles ansehen.

 Türkei Reise März 2012

Türkei Reise März 2012

Die Ruinen sind noch immer bewohnt, von vielen hundert Katzen. Doch nur wer ein besonders feines Gespür dafür hat, erkennt, kann erkennen, daß hier Katzen in Wirklichkeit das Regiment übernommen haben. Katzen, die bestimmt des Nachts hemmungslose Feste und rituelle Lustbarkeiten feiern. Jetzt, tagsüber sehen sie total harmlos aus, sind zutraulich, lassen sich streicheln, werden bewundert und fotografiert, räkeln sich in der Sonne, sehen schön aus, sitzen dekorativ auf marmornen Säulen und auf Mauerecken herum, putzen sich ununterbrochen und tun überhaupt sehr unschuldig und gelangweilt. Doch ich glaube: In Wirklichkeit sind sie schlau, sehr schlau, beobachten die menschlichen Besucher hinter halb geschlossenen Lidern, zählen sie und passen auf, daß sich bei Dunkelheit niemand mehr versteckt hält, der sie nachts bei ihren unkeuschen lustvollen Festen und Happenings beobachten könnte. Wer weiß, vielleicht verwandeln sie sich in manchen heißen Vollmond-Nächten oder zumindest in den beiden Nächten der Sonnenwende sogar in Menschen vergangener Epochen, die sich dann exzessiven Ausschweifungen und bacchantischen Orgien hingeben…

Vielleicht sind die Katzen schon immer hier, ununterbrochen, viele Generationen, und halten Wacht, und haben ihren Spaß. Seit damals. Wer weiß…

Doch jetzt ist es genug schlüpfriger Gedanken, in vierzehn Tagen wird auch hier alles blühen.

 Türkei Reise März 2012

Türkei Reise März 2012

Mittagessen pünktlich um zwölf Uhr und wir haben nur zehn Minuten dort hin. Gökce ißt draußen auf der Terrasse, wir andern leider drin. Der Wirt preist ununterbrochen seinen „frisch gepreßten“ Granatapfelsaft an. Ich sitze am Fenster und kann beobachten, wie er ihn draußen heimlich aus der Flasche ausgießt. Dazu paßt, daß das Essen mir hier überhaupt nicht schmeckt. Auch nicht der weißschaumige Ayran. Eine Mitfahrerin hatte mich gestern an dem ihren probieren lassen und ich habe mir jetzt auch ein Glas dieses kühlen Joghurtdrinks bestellt.

 Türkei Reise März 2012

 Ayran – Wikipedia

Das berühmte Sterbehaus von Maria irgendwo auf dem Berg und die Festung werden leider nicht besichtigt.

Nach der Mittagspause fahren wir fünf Minuten zum Schmuckladen Galata, Funda erklärt uns alles, dann müssen wir alle zusammen in die Verkaufsräume. Es ist schwierig, ohne etwas gekauft zu haben, gleich wieder rauszukommen, ich bekomme vom Personal widersprüchliche Angaben. Ich muß mich schließlich durch alle Räume, dann die Treppe rauf, oben noch einmal durch alle Verkaufsräume mit Silberschmuck und noch durch ein, zwei normale Läden mit üblichen Touristenwaren, Keramik, Tüchern quälen. Durch die Eingangstür wäre es zu einfach gewesen. Endlich bin ich wieder in Freiheit. Teppiche gibt es auch noch hier oben. Das Beste wäre gewesen, draußen im angenehmen Schatten zu bleiben und gar nicht erst mit reinzugehen.

Zum Schluß müssen wir noch auf Gökce warten, die jetzt bestimmt ihre Provision kassiert, die ich ihr natürlich von ganzem Herzen gönne. Erfahrene Türkeireisende wissen ja, anders geht es gar nicht.

Tja, manchmal muß man als Tourist viel „bezahlen“, nicht nur Geld, auch Zeit und Geduld, der Lederladen ist fast direkt nebenan, gleiches Spiel nochmal. Das Leben kann hart zuschlagen…

Die Leute werden hinter verbarrikadierten Türen festgehalten und ohne Obolus (Kauf) nicht eher rausgelassen.

Ich bin erleichtert, als wir endlich diese beiden ungastlichen und geldsaugenden Orte verlassen dürfen. Ich kann doch nichts dafür, daß ich schon einen Teppich, einen goldenen Armreif und eine Lederjacke besitze.

Es ist einfach schön: Unter den meisten Olivenbäumen wächst grünes saftiges Gras und darauf blühen in unglaublicher Vielzahl endlose kleine Margeriten. Wunderschöne Orte für unvergeßliche Picknicke.

Jetzt fahren wir noch eine halbe Stunde zurück nach Kusadasi, aber in ein ganz anderes, noch unbekanntes Hotel. Die Leute sind jetzt laut und erregt. Liegt es an ihren Kauferlebnissen? Unser Hotel liegt erfreulicherweise noch vor der Stadt, deshalb sind wir auch schnell da. Es heißt Tusan Beach und hat vier Sterne, mehrere fünf-, sechsstöckige Gebäude, vorne die Meeresbucht, hinten raus sieht man einen See. Ich habe wieder Glück, Gökce mag mich, sie verteilt die Schlüssel immer in alphabetischer Reihenfolge, jetzt aber schon zum zweiten Mal umgekehrt von hinten nach vorne, ich liebe sie dafür.

Tusan Beach Resort - Kusadasi - Aydin | Tusan otel Rezervasyon Tatil Kusadasi Aydin Ucuz Tatil

Mein Zimmer ist im fünften Stock mit wunderschöner Aussicht aufs Meer. Herz, was willst Du mehr? Nur der Fernseher ist ein uralter kleiner Kasten, geradezu anachronistisch im Vergleich zum übrigen Zimmer. Aber man kann nicht immer alles haben wollen.

 Türkei Reise März 2012

Mir geht’s auf einmal nicht gut, ich weiß nicht, ob es am billigen (vielleicht sogar verdorbenen?) Essen liegt, am Ayran, oder ob ich jetzt auch eine Erkältung bekomme. Ich habe Schüttelfrost mit glühendheißem Kopf. Hatte ich noch nie. Ich gehe deshalb lieber früh schlafen. Ist das jetzt „Worst Case“? (Zuhause frage ich mich, warum ich keinen Arzt habe kommen lassen.)

 

7. Tag - Mittwoch, 21. März 2012

Selcuk mit Isabey-Moschee, Weindorf Sirince, Kusadasi

Unser Frühstück ist wieder chaotisch, aber das ist ja normal bei so vielen Gästen und unfähigem (unwilligem) Personal. Heute fahren wir erst um 8:30 Uhr ab, wir haben Zeit. Das Gepäck bleibt im Hotel. Mir geht es wieder etwas besser, fühle mich aber immer noch etwas unwohl. Rührend, ich werde ein paarmal von Mitreisenden gefragt, wie es mir geht.

Wir gondeln heute nur ins nahegelegene Selcuk mit 28.000 Einwohnern und besuchen dort die Isabey Moschee (Jesus Moschee) aus dem Jahre 1375. Hier müssen wir keine Schuhe ausziehen. Wie immer blauer Himmel.

 

Türkei Reise März 2012

 Gökce erzählt uns, daß die Muezzins ihre Gesänge auf Arabisch herausschreien, nicht auf Türkisch, und daß die meisten Leute sie deshalb gar nicht verstehen. Trotzdem, ich finde Moscheen eher langweilig und fühle mich dort immer etwas unwohl. Deshalb bin ich bald wieder draußen und warte lieber in der Sonne auf die andern.

Jetzt kommt der letzte Punkt unserer Reise: Das romantische Weindorf. Griechen haben sich hier angesiedelt und produzieren vor allem Wein, aber auch viel Gemüse und Obst, meistens (angeblich) biologisch.

 Türkei Reise März 2012

Wir müssen durch ein langes Tal eine schmale Straße den Berg hinauffahren. Hier wird aus allem Möglichem Wein hergestellt, z.B. aus Sauerkirschen, Blaubeeren, Quitten, Honigmelonen, Maulbeeren, Brombeeren, Pfirsichen, Erdbeeren, Kiwi – und, ja, sogar aus Trauben. Ich probiere zwar ein paar dieser Obstweine, aber für mich ist das alles nichts.

Da ich mich schon etwas eher zurückziehe und lieber wieder am Bus warte, bekomme ich einen kostenlosen Vortrag eines Bausachverständigen für Kraftwerke und weiß jetzt alles über mögliche Unglücksursachen dort. Warum müssen mich die Leute eigentlich ständig mit ihren eher uninteressanten Erzählungen volllabern? Ja, OK, Entschuldigung, mir ihre Geschichten erzählen.

Um 12:15 Uhr geht es endlich wieder weiter zum Mittagessen. Schade, hier ist das Essen auch nicht besser als gestern. Das ist besonders schlimm, da ich ja aus bester eigener Erfahrung weiß, wie hervorragend einem türkisches (vegetarisches) Essen schmecken kann, aber halt nie in den Massenabfertigungen mit zehn, fünfzehn Bussen davor.

Viele Leute sind inzwischen krank, oben mit einer Erkältung oder „Untenrum“ (also mit Durchfall) – oder beides.

Auf der Runterfahrt vom Berg des Weindorfs rezitiert ein Mitreisender übers Mikrofon im Bus, mein besonderer „Freund“, ein ebenso langes wie langweiliges, unwitziges und natürlich selbstverfaßtes Gedicht. Wer möchte, bekommt es von ihm per E-Mail zugeschickt. Ich werde von diesem Angebot keinen Gebrauch machen und verzichte gerne darauf…

Unser Bus hält kurz an, damit ein paar Leute Euros ziehen können, Geldautomaten heißen hier „Bankamatik“. Um 14 Uhr ist das offizielle Programm beendet. Eine kleine Gruppe besucht auf eigene Faust die Johannes Basilika und das Museum hier in Sirince. Ich hätte mich ihnen gerne angeschlossen, fühle mich dafür aber immer noch nicht gut genug.

Wir fahren eine lange Allee jetzt noch kahler Maulbeerbäume entlang. Traktoren haben hier gerne Stoffüberzieher auf den Motorhauben.

Kaum vorstellbar: War das alles hier früher Meer?

Gegen halbdrei sind wir zurück am Hotel und alle verabschieden sich von Gökce und Mehmet. Mein Zimmer ist immer noch nicht gemacht. Ich lege mich trotzdem hin, fühle mich wieder krank - und die nächste Nacht wird ja sowieso „geringfügig“ kürzer als sonst...

 

8. Tag - Donnerstag, 22. März 2012

Izmir – Frankfurt

Tja, das ist jetzt hier kein Tippfehler: „Weckruf“ um 23:00 Uhr, Abfahrt um 0:30 Uhr am Hotel!! Eine absolute Unverschämtheit der Reiseleitung.

Vom Hotel wurde wenigstens ein kleines „Express Buffet“ aufgebaut, aber kaum jemand erscheint dort, ich auch nicht, alle sind viel zu müde oder noch satt oder beides. Zum Glück geht es mir dank meiner Notfallmedizin wieder gut.

Fünf Busse stehen dicht gedrängt im Dunkel vor dem Hotel herum, es gibt entsprechendes Rumgewusel, alle sind aufgeregt, dabei ist unser Abflug doch erst um 3:30 Uhr. Gökce ist auch nochmal extra erschienen, nur um uns zu verabschieden.

Der ganze Bus ist still und döst während unserer Fahrt vor sich hin, nur mein schwäbischer „Freund“, der Dichter und Warner, ist wach und salbadert ununterbrochen vor sich hin. Er spricht unglaublich langsam, laut und immer in derselben Tonhöhe - und geht bestimmt noch nicht mal in den Keller zum Lachen, denn Humor dürfte etwas sein, der ihm sehr fern liegt. Wenn er mal tot ist, quasselt er bestimmt den Bestatter weiterhin voll, sodaß der ihm den Mund dann noch extra zunähen muß. Leider habe ich kein Tempotuch zur Hand, um mir meine Ohren zu verschließen. Seine arme Frau tut mir leid. Die Gnade des frühen Schlafes rettet mich endlich.

Der Typ hätte auch sehr gut den neuen Bundespräsidenten geben können, der schwafelt genauso unnötiges Geschwätz. BTW: Brauchen wir überhaupt noch einen BP? Der ist doch zu nichts nutze. Und wenn doch, könnte der sich nicht viel vernünftiger durch Werbung selbst finanzieren?!

Z.B. für Persil: Keiner ist reiner… (kicher, lach, lol)

- für Mercedes: Das einzige Auto für Präsidenten…

- für Montblanc: Sie schreiben schneller als die Tinte trocknet…

- Palmolive (gibt’s das überhaupt noch?): Ich wasche meine Hände in…

Zehn, fünfzehn Werbepartner müßten sich doch finden lassen, die sich opfern, dann hat er seine 250 – 300.000 Euros auch zusammen. Die Zeit zum Umdenken ist doch längst gekommen. Besonders nach diesem unsäglichen C.W. mit seinem abartigen Anlagebetrüger-Spezi C.M.

Die Fahrt zum Flughafen erscheint mir kurz. Leider muß ich wie alle wieder sämtliche Eincheckprozeduren geduldig über mich ergehen lassen, inzwischen rege ich mich schon lange nicht mehr darüber auf, auch nicht, als ich meine, hm, „etwas ungeduldig“ gepackte Tasche vor aller Augen öffnen muß, wie peinlich, nur weil meine metallenen Zigarrenhülsen beim Durchleuchten (zum ersten Mal auf meinen Reisen!) für den bekloppten Blödmann am Scanner wie eine Batterie Bomben aussehen. (Dabei sind doch weder eine Batterie noch irgendwelche Kabel dran…)

Im Flugzeug hustet, niest und schneuzt es einfach überall, ich bin von Bakterienschleudern geradezu umzingelt. Unser Flieger ist durchaus mit einem Krankenrücktransport gleichzusetzen, Rentner sind wir ja sowieso schon alle.

Wie schon auf dem Hinflug gibt es keine Fluginfos auf den Monitoren, nur exakt die gleichen Filme wie auf dem Hinflug. Aber wenigstens startet unser Airbus A320 der türkischen Sky Airlines diesmal pünktlich. Kein Wunder, wir sind für Stunden die einzige Flugbewegung. Die allgemeinen Ansagen vom Tonband sind OK, doch die aktuellen Durchsagen kommen in unverständlichem Deutsch - ist das überhaupt Deutsch? Diese Stewardeß war vielleicht auch in einer deutschen Schule, aber wenn ja, für wie lange – bzw. für wie kurz? Mein Türkisch dürfte sich jedenfalls ähnlich blöd anhören…

Die Alte direkt neben mir erinnert mich an einen Habicht, hageres Gesicht, große Adlernase, scharfer Blick, vor allem, wenn sie mich immer wieder mal verstohlen von der Seite ansieht. Stinke ich vielleicht? Wann habe ich zuletzt geduscht? Habe ich vorhin nochmal mein Deo benutzt? Ich mach mich schmal und gucke möglichst unschuldig aus der Wäsche.

Wie immer für mich eines der letzten großen und ungelösten Rätsel der Menschheit: Warum müssen manche Leute immer sofort nach dem Start aufs Klo? Möglichst noch während des Steigflugs? Oder an ihr oben verstautes Gepäck? Das Rätsel mit dem Tomatensaft ist ja schließlich auch geklärt worden.

Die Durchsage des türkischen Kapitäns entfällt, niemand ist deshalb böse, alle wollen nur schlafen oder wenigstens dösen. Deshalb vergeht der Flug auch relativ schnell. Leider müssen wir vor der Landung in Frankfurt noch ein paar Schleifen fliegen.

Eos, die Göttin der Morgenröte, empfängt uns mit wunderschönem rotem Himmel. Spätestens jetzt kriegen alle die am Anfang der Reise geklaute Stunde zurückgegeben und können ihre Uhren zurückstellen. Wir landen um 6:20 Uhr Ortszeit, diesmal auf der noch brandneuen Landebahn Nordwest.

Ich komme aus der Sonne und bin in der Sonne. Meine Heimat empfängt mich mit sonnigem Wetter, auch hier soll es mittags wieder 20 Grad warm werden.

Die Klöster und Schlößchen im Rheingau lassen sich von der Frühlingssonne warmherzig bescheinen. Forsythien blühen inzwischen. Die schwellenden weiß-rosa-farbenen Knospen meiner geliebten Magnolien platzen gerade auf.

Heute Mittag beginnt Gökce gleich wieder dieselbe Reise von vorne, jede Woche, noch bis Ende April. Und ihre Kollegen auch. Und dann wieder im Herbst.

Mein Fazit:

Eine schöne Reise, die ich nicht missen möchte. Vielleicht ein bißchen früh von der Jahreszeit her. Zwei, drei Wochen später wäre es besser gewesen, ging aber nicht, da bin ich längst wieder in den USA.

Die Tour war gut organisiert und der Reisende bekommt viel gezeigt.

Strom 220 Volt, Eurostecker sind OK. (Es dürfte inzwischen längst angeraten sein, stets einen dieser kleinen Doppel- bzw. Dreifachstecker mitzunehmen.)

ec-Automaten spenden problemlos Geld, bezahlen mit Euro ist (bis auf kleine Läden) meistens OK.

Die Uhrzeit ist uns eine Stunde voraus.

Wenigstens konnte ich mein niedrigeres Gewicht halten.

P.S.

In meinen Fieberträumen am Ende der Reise war ich froh, kein Indianer zu sein. Die lassen ihre Alten und Kranken gerne an einen Baum gelehnt und nach Osten zum nächsten Sonnenaufgang gerichtet, zurück. Entweder sie rappeln sich nochmal auf und sie ziehen ihrem Stamm hinterher - oder sie schaffen es nicht. Gut, bei mir war es noch nicht so weit und ich bin längst wieder gut drauf. Indianer verabschieden sich oft mit dem Spruch: „Und pass‘ gut auf die Bäume auf!“ Schlimm wurde es früher nur in wüstenähnlichen Gegenden, wenn es eine Epidemie gab und nicht genug Bäume zur Verfügung standen. Da mußten sie dann in langer Reihe, einer vor dem anderen, an den einzigen vorhandenen Baum (oder notfalls einen Felsen) gelehnt werden…

Bei den Eskimos war es ähnlich, das ist ja auch bekannt. Hier wurden die Alten und Schwerkranken auf eine Eisscholle gesetzt und der Scholle ein Fußtritt versetzt. Die Leute trieben dann zum Sterben aufs offene Meer hinaus. Manchmal gab es allerdings eine ungünstige (günstige?) Strömung und die Eisschollen wurden in eine kleine Bucht getrieben. Da gab es dann hunderte, tausende dieser Eisschollen. Und weil die Temperatur hier nie über null anstieg, schmolzen die Eisschollen auch nicht und die zusammengesunkenen Körper der toten Eskimos blieben für lange Zeit konserviert. Ein sicherlich fesselnder Anblick…

Ja, ich gestehe, alles (über die Indianer) habe ich erfunden und ist nur meinen blöden Träumen entsprungen. Ich bitte um Nachsicht. Und wer will, darf jetzt auch darüber schmunzeln…

© 2012 Wilfried R. Virmond - Nachdruck, auch auszugsweise, grundsätzlich nur mit Genehmigung des Autors! Dies gilt ganz besonders auch für sämtliche Fotos.

 

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