Wilfs Tagebuch – Keine Panik,
nur meine Reise nach Ägypten

Kairo, Alexandria, Luxor, 
Assuan und Abu Simbel

Erzählt von Wilfried R. Virmond

Ich empfehle, die eingefügten Links mit der rechten Maustaste anzuklicken und sie dann mit „(Link) in neuem Fenster öffnen“ auszuwählen.

Ägypten Reise 2012

 

 

Inhaltsverzeichnis:

26. Januar 2012, Hinflug Frankfurt – Kairo
27. Januar 2012, Kairo
28. Januar 2012, Alexandria
29. Januar 2012, Alexandria
30. Januar 2012, Alexandria
31. Januar 2012, Kairo
1. Februar 2012, Kairo + Fayoum
2. Februar 2012, Luxor
3. Februar 2012, Luxor + Nil
4. Februar 2012, Edfu, Kom Ombo + Assuan
5. Februar 2012, Assuan
6. Februar 2012, Abu Simbel
7. Februar 2012, Nil
8. Februar 2012, Luxor
9. Februar 2012, Heimflug Luxor - Kairo - Frankfurt  

Donnerstag, 26. Januar 2012, 
Frankfurt – Kairo

Wie jetzt meistens, fahre ich mit dem Zug direkt zum Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt. Ich fliege mit Egypt Air direkt nach Kairo. Egypt Air?? Ja, leider! Da werde ich wohl nicht allzu viel Komfort verlangen dürfen. Wahrscheinlich gar keinen. Haben die überhaupt schon gepolsterte Sitze?

Immerhin, Egypt Air gehört zur StarAlliance der Lufthansa.

Aber erst einmal stehe ich hier auf dem eiskalten Bahnsteig und muß noch über eine halbe Stunde auf meinen Zug warten.  Kleine Atemwölkchen entströmen meiner Nase. Ein Hubschrauber knattert lautstark über dem Flußbett entlang. Der Nebel auf dem Rhein hat sich fast aufgelöst. Die Sonne kommt langsam heraus. Warum muß es ausgerechnet heute so kalt sein, wo der Winter bisher doch so mild war? Ist das eine der Folgen des gerade wütenden Sonnensturms?  

Mein Zug kommt pünktlich. Ganz im Gegensatz zu sonst ist er total leer. Wie jedes Mal bei einer Abreise frage ich mich unentwegt, ob ich wieder mal etwas zuhause vergessen habe. Trotzdem bin ich total entspannt, ich muß ja auch nicht umsteigen.

Das berühmte Niederwalddenkmal ist wegen Renovierung noch immer christomäßig eingerüstet und verhüllt.

Niederwalddenkmal – Wikipedia

niederwalddenkmal - Google-Suche  (Fotos)

Wie immer amüsiere ich mich über die Fahrkartenkontrolle: Alle weiblichen (und junge männliche) Kontrolleure verlangen meine Bahncard; älteren männlichen Schaffnern genügt mein treuer Blick. Ich fahre ja gerne mit der Bahn, wenn nur diese oft umfangreichen und lästigen Kontrollen nicht wären.

Inzwischen scheint die Sonne vom wolkenlos blauen Himmel. Nur die Taunus-Berge drüben, auf der anderen Seite des Rheins, liegen noch etwas im Dunst. Schade, daß ich nicht einfach hier bleiben und das schöne klare Wetter genießen kann.

Meine Fahrt geht vorbei an Böhringer, Opel, Rhein und Main. Der Frühling nähert sich mit großen Schritten, vorhin habe ich die ersten Schneeglöckchen gesehen. In den Kleingärten räumen die Leute schon auf und denken wohl schon ans Angrillen. (Aber leider ist bereits eine große Kältewelle im Anzug und wird viel Frost und Kummer mit sich bringen. Aber das weiß man jetzt noch nicht.)

Egypt Air ist direkt vorne am Eingang des Terminals 1 bei den LH-Schaltern untergebracht, also von mir, aus dem Untergrund auftauchend, ausgesprochen günstig zu erreichen. Schon wieder ist das Einchecken sehr rasch erledigt.

Leider darf ich diesmal nicht in die LH-Lounge. Trotzdem sind die zwei Stunden Wartezeit schnell rum, denn ich habe noch einen Gutschein für MacDonalds. Ich würde mal so sagen: Verbrennen kann ich mich nicht an meinem Royal TS. Mein letztes Fleisch für die nächsten vierzehn Tage. Als ich fertig bin, entdecke ich einen Chinesen direkt gegenüber um die Ecke. Zu spät, schade.

Natürlich finde ich mal wieder Geld, ich brauche lediglich die Zeitung neben mir etwas anzuheben, wenn es auch nur anderthalb Dollar in Münzen sind.

Mein Flieger startet pünktlich um 15:10 Uhr. Für mich zum ersten Mal über die Startbahn West direkt nach Süden runter. Mein Flug in der Boeing 737 wird ca. 3.000 Kilometer weit sein. Erfreulich, die Maschine ist nur zu einem Drittel besetzt, alle mittleren Sitze bleiben frei. Wolkenloser Himmel. Die  Ansagen erfolgen in Arabisch und in unverständlichem Englisch. München und Zagreb sind deutlich zu erkennen. Auf den Bergen des Balkans liegt etwas Schnee.

 

Ägypten Reise 2012

 

Athen überfliegen wir nach Einbruch der Dunkelheit; trotz der aktuellen Finanzkrise ist es ein einziges Lichtermeer. Weiter geht es an Kreta und Alexandria vorbei. Alle Uhren müssen eine Stunde vorgestellt werden. Die tatsächliche Flugzeit beträgt vier Stunden. Alexandria und das ganze Nildelta sind so verschwenderisch beleuchtet, daß eigentlich kein Unterschied zur US-Westküste besteht.

Unsere Landung erfolgt pünktlich um kurz nach acht. Viele Deutsche steigen hier nur um und fliegen gleich nach Hurghada weiter.

Mohamed empfängt mich und leitet mich elegant an der Einreisekontrolle vorbei. Meine Tasche kommt als fünftes oder sechstes Gepäckstück angerollt. Wie mit so vielen Dingen habe ich auch wieder mit meinem Gepäck Glück; ich könnte mir eigentlich längst schon den Spitznamen „Lucky“ zulegen.  

Draußen wartet ein kleiner Toyota-Van mit Fahrer auf Mohamed und mich und wir fahren zu dritt los. Der kürzlich erweiterte Flughafen Cairo International ist erst zwei Jahre alt. Nur fünfunddreißig Minuten nach meiner Landung sind wir schon auf einer Schnellstraße und dann auf der Stadtautobahn.

Die Straße ist leer und wir kommen sehr gut durch. Wir müssen genau auf die gegenüberliegende Seite der Stadt. Wahnsinn, Autos dürfen hier im Dunkeln mit und ohne Licht fahren, rechts, links, in der Mitte, man fährt einfach wo und wie man will. Dies war mir schon damals in Damaskus aufgefallen. Es scheint hier keine Verkehrsregeln zu geben. Die kleinen Motorräder fahren auch reichlich riskant, es sieht ganz schön gefährlich aus, trotzdem klappt es, es kommt offensichtlich nur ganz selten zu Feindberührungen.

Kairo – Wikipedia

Die letzten drei Tage war das Ägyptische Museum am Tahrir-Platz wegen der ständigen Unruhen geschlossen, ab Morgen soll es aber wieder geöffnet sein. Aber Morgen geht es erst einmal zu den Pyramiden.

Die obligatorische Personen- und Gepäckkontrolle am Hoteleingang findet nicht statt. Mohamed checkt mich im Mövenpick ein. Es ist noch derselbe Kofferträger wie vor ein paar Jahren, nur sein Gesicht ist noch etwas zerknautschter geworden. Zimmer 713, hoffentlich kein Omen für Unglück. Ich wechsle etwas Geld: Für 50 Euro bekomme ich 798 Ägyptische Pfund (EGP).  

Ägyptisches Pfund – Wikipedia

Mein einsames Abendessen bekomme ich in der Orangerie, dem Hauptrestaurant des Hotels vom Buffet, ich bin der einzige Gast. Danach nehme ich einen Drink an der mir noch gut bekannten Hotelbar in der Lobby, in Begleitung einer meiner freundlichen Zigarren. Nichts hat sich hier in den letzten Jahren verändert. Eine Sängerin singt, auch ein paar Abba‑Lieder sind dabei. Es klingt gar nicht mal so schlecht, mein Urlaub hat begonnen.

Morgen wird mich ein anderer Mohamed um acht Uhr abholen. Das bedeutet, um halb sieben aufstehen. Naja, Urlaub heißt nicht, auf der faulen Haut rumliegen zu können. Meine Urlaube ja schon gar nicht.

Mohamed hat mir empfohlen, nachts nicht allein auf die Straße rauszulaufen, also mache ich Feierabend und gehe durch den Garten zu meinem Zimmer. 23:30 Uhr, ist ja auch reichlich spät geworden. Die Hotelanlage ist alt und sollte dringend renoviert werden, nebenan wird schon ein Neubau erstellt, der Spielplatz mußte dran glauben. Aber das Zimmer ist wenigstens sauber, auch unter dem Bettlaken, Nina H. könnte hier nicht viel zum Meckern finden. Wenn der Neubau fertig ist, werden die kleinen Bungalows bestimmt abgerissen. Es gibt ZDF und RTL2 zu empfangen. Immerhin.

 

Freitag, 27. Januar 2012, Kairo

Ich muß um halb sieben aufstehen. Im Restaurant sehe ich beim Frühstück nur ein paar Asiaten. Als Folge der ständigen Unruhen kommen immer weniger Urlauber nach Ägypten. Touristen sind halt ein besonders scheues Wild. Sicherheitshalber wechsle ich nochmal fünfzig Euro.

Wie versprochen, steht ein weiterer Mohamed um acht Uhr am Eingang und wartet auf mich. Ich bin die nächsten Tage sein einziger Gast auf der Tour. Habe ich mir schon immer gewünscht, einen Reiseführer für mich ganz allein, aber die Reise war ja auch teuer genug.

Mohamed erzählt mir ein bißchen über Ägypten, Kairo und den Islam. Heute ist Freitag, also Feiertag - mit den berühmt-berüchtigten Freitagsgebeten.

Kairo hat sagenhafte zweiundzwanzig Millionen Einwohner. Und obwohl das ja schon genug sein sollte, strömen jeden Tag zusätzlich nochmal mindestens zweieinhalb Millionen Pendler in die Stadt.

Zum besseren Verständnis:

Belgien hat 10 Millionen Einwohner,

Niederlande 16 Mio.,

Österreich 8 Mio.,

Schweiz 7 Mio.

Neben uns verläuft ein schmutziger Kanal, der zurzeit „gedeckelt“, also mit einem Dach zubetoniert wird; fünfundsechzig Kilometer sollen bereits fertig sein. Diese Kanäle dienen der weiteren Bewässerung der Felder entlang des Nils. Hier in der Gegend wird vor allem jede Art von Gemüse und Obst, Baumwolle, Mais, Weizen, Futterklee und Pfeffer angebaut. Weiter nördlich am Nil wächst Papyrus. Die Bauern nennt man Fellachen.

Es werden vor allem Erze, Metalle, z.B. Kupfer, aber auch Steine, Granit, Alabaster, Basalt aus Lava, sowie Kalkstein ausgeführt. Das viele Gold der Pharaonen kam besonders aus Nubien.

Zu den Haupteinnahmen Ägyptens gehören der Sueskanal mit ca. fünf Mrd. Dollar und der Tourismus. Im Norden werden große neue Industriebetriebe aufgebaut und angesiedelt.

Sueskanal – Wikipedia

Leider sind die Ägypter Schweine in Sachen Umwelt und Müllbeseitigung. In der Regel wirft man seinen Müll direkt vor die Haustür, und wenn ein Kanal zufällig vor der Tür liegt, dann wirft man halt einfach da alles rein. Wenn er, wie jetzt hier, zubetoniert ist, wirft man halt seinen ganzen Unrat auf die neue Betondecke. Mohamed schämt sich für seine Landsleute.

Auch hier in Ägypten gibt es ein Bildungsgefälle: Im Norden gibt es mehr Schulen, im Süden weniger, also lernt man da auch weniger. Die Grenze zwischen Ober- und Unterägypten ist in Luxor. In der Wüste gibt es bekanntermaßen Beduinen, die noch weniger lernen wollen; sie sprechen auch einen besonderen Dialekt. (Also genau wie bei uns in Deutschland: Norddeutschland, Süddeutschland, Bayern… Halt, stopp, liebe bayerische Freunde, nicht aufregen, war nur Spaß!)

Ein kleiner Polizeiposten hält uns an und kontrolliert unseren Fahrer Ahmed.

Jede Menge Wasserbüffel, Esel und Pferde gibt es hier. Auf den Feldern gibt es massenhaft staubige Palmen und Palmwäldchen. Die Leute sind erschreckend arm. Und schmutzig. Für den Transport bedient man sich meistens einachsiger wackliger Eselkarren. Wer ein Pferd vorspannen kann, gilt schon als wohlhabend.

Unzählige Bremsschwellen gibt es hier. Jeder muß bis zum Fast-Stillstand abbremsen und drüberholpern, um dann gleich wieder auf die vorherige Geschwindigkeit zu beschleunigen.

Bremsschwelle – Wikipedia

Immer noch gibt es die uralten Fiat 1500 aus den sechziger Jahren. Damals mein erstes „großes“ und „richtiges“ Auto nach mehreren Käfern, auf das ich dann auch richtig stolz war. Immerhin hatte der Fiat Heizung, vier Türen, Kofferraum und ein riiiesiges Armaturenbrett mit vielen Anzeigen. Heute sieht er viel kleiner aus als damals…

Fiat 1500 – Wikipedia

fiat 1500 - Google-Suche  (Fotos)

Die Kinder gehen hier sechs Jahre zur Schule, dann drei Jahre in die Oberschule und nochmal drei Jahre bis zum Abitur. Danach folgt ein Jahr Militär. Natürlich gibt es auch hier sehr viele private (und teure) Schulen.

Unsere staubige Straße führt uns zuerst zu den Pyramiden von Abusir.

Pyramide (Bauwerk) – Wikipedia  ( Pyramiden Allgemein)

Abusir – Wikipedia

Und dann zur Stufenpyramiden von Sakkara. Wir holpern über das Gleis einer Eisenbahn; sie soll die erste in Afrika und des Nahen Ostens gewesen sein.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Weiße Ibis-Vögel stehen in den Feldern und am Ufer des Kanals. Sie sollen sehr alt sein und Weisheit verkörpern. Aber auch Paviane, Affen, Stiere, Krokodile und Falken werden von den Ägyptern gerne verehrt. Reiher stelzen bedächtig herum.

Es folgt die Knickpyramide von Dashour. Die Treppe hinauf zum Eingang wird bestimmt nicht lange halten, jedenfalls nicht so lange wie die Pyramide, sie fällt jetzt schon wieder auseinander. Ich muß tief gebückt einen langen Brettersteg hinunterkriechen, um dann zwei leere Höhlen zu besichtigen.

 

Ägypten Reise 2012

 

Hier im Innern der Pyramiden sind Fotos immer und grundsätzlich verboten; ein Wächter ist stets dabei und paßt auf. Für fünf Pfund (60 Eurocent) darf ich ein paar nicht sehr deutliche Fotos machen.

Dahschur – Wikipedia

Hier im nahen Umkreis soll es über fünfzehn fertige und begonnene Pyramiden geben. Die jetzt hier besuchte „Knickpyramide“ ist eine der ersten Pyramiden, die damals gebaut wurden und es gab während der Bauarbeiten erhebliche Probleme, sodaß der Architekt seinerzeit die Neigung der Seiten während des Baus verändern mußte. Bei den nachfolgenden Pyramiden hatte man dann bereits ausreichend Erfahrungen gesammelt und niemand der späteren Baumeister hat sich dann noch einmal blamiert.

Knickpyramide – Wikipedia

Anschließend fahren wir weiter nach Memphis, der früheren Hauptstadt Ägyptens. Hier sind vor allem eine prächtige große Alabastersphinx und die Kolossalstatue von Ramses II zu besichtigen.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Auffällig wenig Touristen gibt es überall, wenn überhaupt, sind es meistens Asiaten, die mit dem Bus kommen und schnell wieder weg sind. Angenehm empfinde ich es, daß mal nicht so viele Deutsche um mich herum sind wie sonst. Für mich waren die unzähligen Touristen beim letzten Mal eine Plage. Für Ägypten ist es dagegen eine Katastrophe, daß jeden Tag weniger Besucher kommen.

Nach all den vielen Besichtigungen gibt es endlich für Mohamed und mich Happi Happi in einem orientalischen Gartenrestaurant mit arabischer „Livemusik“. Ahmed bleibt am Auto. Jedesmal, wenn sich ein Tourist nähert, fängt die Zweimannkapelle am Eingang an zu spielen. Längst ist es heiß und sonnig geworden.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Warum bedeutet hier Armut auch immer Schmutz und Müll? Mohamed erzählt, daß es unter diesen armen Menschen jetzt besonders viele neue Krankheiten gibt; sie haben nicht mehr genug Abwehrkräfte infolge mangelhafter Ernährung und Sauberkeit. Dazu sind sie sehr oft Analphabeten, was alles leider noch erschwert.

Auch hier liegen Unmengen Müll und Bauschutt am Kanal und in den Straßen herum. Ein totes Pferd möchte ich gleich wieder vergessen.

Der Verkehr in den Straßen ist „orientalisch“, d.h. fürchterlich für uns Europäer. Lkw, moderne Autos, alte Autos, dreirädrige Tuk-Tuks, Esel- und Pferdekarren, Fußgänger, Kinder, Hunde und Katzen. Aber irgendwie läuft es. Die hiesigen ägyptischen Tuk-Tuks scheinen mir übrigens noch erheblich einfacher gebaut zu sein, als die in Thailand, Indonesien, China usw.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Hier möchte ich kein Tier sein, kein Esel, kein Pferd, noch nicht einmal ein Vogel, auch kein Haustier; Tiere werden von den Menschen ausschließlich als Nutztier angesehen. Die Armut ist deprimierend. Dazu die schlimmen oft unasphaltierten Straßen. Niemand kümmert sich um den Zustand oder die Sauberkeit der Straßen, alles verfällt vom ersten Tag an oder wird erst gar nicht fertig. Häuser werden sowieso nie fertiggestellt, weil sonst Steuern dafür bezahlt werden müssen.

Auf dem Rückweg erfolgt einer der obligatorischen Besuche in einem Papyrus-Institut, ich kaufe aber nichts. Den Besuch eines Parfümladens lehne ich gleich von vorneherein ab. Habe damit keine guten Erfahrungen gemacht.

Es gibt neben den üblichen Isuzu-Bussen immer noch zahlreiche uralte VW-Busse als Sammeltaxis, vor allem T2 aus den sechziger Jahren, immer in weiß, fast immer mit hochgestellter Motorklappe.

VW-Bus – Wikipedia

Endlich fahren wir nach Gizeh zu den Pyramiden. Diese drei großen Pyramiden sind das letzte übriggebliebene der sieben Weltwunder. Die Eingänge sind grundsätzlich im Norden, die „Ausgänge“ für die Seele der Pharaonen übrigens immer auf der Südseite.

 

Ägypten Reise 2012

Pyramiden von Gizeh – Wikipedia

pyramiden gizeh - Google-Suche  (Fotos)

Obwohl nicht im Programm vorgesehen, gelingt es mir, Mohamed zu überreden, mich kurz das Haus mit der Barke des Pharao Cheops besichtigen zu lassen. Hier muß jeder Besucher Stoffüberzieher über seine Schuhe streifen.

                                     Die Sonnenbarke des Pharao:

In einer großen von Japan geschenkten Halle neben der Cheops-Pyramide kann man für 50 Pfund Eintritt eine der königlichen Barken des Pharaos Cheops besichtigen. Sie ist mit 43 Metern Länge sehr eindrucksvoll. Das etwa 4.600 Jahre alte Schiff aus schwerem Zedernholz sollte dem Pharao nach seinem Tode als Transportmittel ins Jenseits dienen. Das Schiff war in 1224 Einzelteile zerlegt und mußte in jahrelanger Puzzlearbeit wieder zusammengesetzt werden. Ganz fertig ist es noch immer nicht.

 

Ägypten Reise 2012

Danach fahren wir zum berühmten Aussichtspunkt, von wo man einen schönen Blick auf alle drei großen Pyramiden hat.

 

Ägypten Reise 2012

 

Anschließend besichtige ich die Sphinx. Hier und an den Pyramiden gibt es dann doch wieder reichlich viele Menschen, aber vor allem arabische Leute, Europäer und Asiaten erheblich weniger, Amerikaner sollen kaum noch kommen.

 

                                                            Die Sphinx:

Auffällig an der Sphinx ist, daß der Löwenkörper und Menschenkopf in den Proportionen nicht ganz richtig zueinander passen. Der Körper ist viel zu lang, dafür ist der Kopf zu klein. Man nimmt an, daß Fehler im Felsgestein die Bauarbeiter zwang, den Körper der Sphinx zu verlängern, um Pfoten und Schweif schließlich doch noch herausarbeiten zu können. Eine weitere Vermutung ist, daß die Sphinx die Pyramide des Chephren bewacht. Sie ist 57 Meter lang und 20 Meter hoch und man weiß nicht, wer sie erbaut hat. Man vermutet, daß es Chephren selbst war. Andere Meinungen gehen dahin, daß die Sphinx wesentlich älter als die Pyramiden in der Nachbarschaft ist.

Eine häufige Frage ist auch: Heißt es "die Sphinx" oder "der Sphinx"? Laut Duden sind beide Artikel korrekt.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Um 16:10 Uhr werde ich an meinem Hotel abgesetzt und kann mich ein bißchen erholen.

Beim Abendessen nerven ein paar wenige Asiaten durch ihre lauten Gespräche. Mir fällt mal wieder neidvoll auf, daß sie meistens reichlich schlank sind. Ich trinke ein paar in Ägypten hergestellte Heineken beim Essen und später in der Bar, wo ich auch wieder meine Zigarre rauchen kann. Die Sängerin beginnt pünktlich um neun.

 

Samstag, 28. Januar 2012, Alexandria

Aufstehen um halb acht, Abfahrt um neun Uhr. Ich wechsle am Bankschalter in der Lobby nochmal fünfzig Euro. (Ja, immer noch viel zu wenig; reichlich naiv, ständig diese Kleinbeträge zu wechseln, aber das weiß ich doch jetzt noch nicht…)

Heute geht es in neue unbekannte Gefilde, nach Norden, hinauf nach Alexandria. In Kairo und Umgebung kannte ich ja alles schon, jeder Tourist bekommt immer die gleichen Ziele gezeigt.

Endlich läßt mich Mohamed vorne neben dem Fahrer sitzen, er selbst muß hinten Platz nehmen. Noch in Kairo sehe ich einen seltenen Polizisten an einer Kreuzung den Verkehr regeln. Ich glaube, hier die Straße zu überqueren, ist weniger riskant als bei uns, auch wenn es noch so gefährlich aussieht. Ampelanlagen gibt es hier auch nur ganz vereinzelt. Deshalb staut sich auch der Verkehr an allen größeren Kreuzungen sehr heftig. Jeder fährt fast bis auf die Stoßstange seines Vordermanns, um ja keinen vom Querverkehr durchzulassen und blockiert damit alle anderen. Zum Glück gibt es in Kairo auch eine U‑Bahn mit Linien in die vielen neuen großen Städte der näheren Umgebung.

Mohamed kauft uns ein paar zusammengeklappte vegetarische Fladenbrote für unterwegs. Mitten in der Stadt sehe ich eine Ziegenherde auf einem engen lehmigen Pferch ohne jedes Grün; wie schlimm für die armen Tiere.

Inzwischen liebe ich den Kairoer Verkehr schon fast, habe mich an das ganze Durcheinander gewöhnt. Da kommt einem gerne auch schonmal ein Geisterfahrer entgegen, der seinem Stau elegant aus dem Wege geht. Zwischen den unzähligen Pkw die sattsam bekannten Eselkarren, Busse, Lkw.

Endlich sind wir auf einer primitiven Autobahn und fahren nach 6th of October City, einer der vielen neuen riesigen Städte in der Peripherie Kairos. Hier holt Mohamed einen Schlüssel für eine Wohnung in Alexandria ab, in der er und Ahmed wohnen werden. Auch hier wird unglaublich viel gebaut.

Nebenbei: Benzin kostet etwas mehr als ein Pfund, also etwa zwölf Euro-Cent. Genauso viel wie ein Kilowatt Strom oder ein Kilogramm Gas…

Trotz allen Schmutzes, Staubes, Mülls, es gibt trotzdem ein paar moderne riesige gläserne Einkauf-Malls, wo wir aber leider nicht anhalten.

Wir müssen an einer zusammenfallenden Bretterbude drei Pfund Maut bezahlen. Drüben in Alexandria später noch einmal. Die zweimal vierspurige Autobahn wurde gerade von spanischen Firmen instandgesetzt, trotzdem ist sie sehr wellig, kein Vergleich mit europäischen Autobahnen. Viel mehr als 100 km/h kann man gar nicht fahren. Fünf, sechs große Überführungen und Kreuzungen werden gerade noch gebaut, wenn sie mal fertig sind, wird es wohl nicht mehr so viel Querverkehr geben.

Ich sehe in der Wüste auf unserer rechten Seite ewiglange Mauern, bestimmt zig Kilometer lang, die Militärgelände arrondieren. Hier sind reichlich viele Raketenbasen stationiert, da der Sinai (und damit der Feind) nicht allzu weit entfernt ist.

Weinstöcke gibt es hier sogar. Deren Trauben werden nach Frankreich versandt, dort gekeltert und kommen dann als Wein zurück. Der Koran verbietet es, Wein herzustellen. Nur Beduinen stellen geringe Mengen Dattelwein her.

Wegen der Übergangsregierung gibt es zurzeit oft nicht mehr die früher übliche scharfe Überwachung durch die Militärpolizei. Aber es soll noch vereinzelte Radar- bzw. Laserüberwachung geben. Übrigens: Die Strafen für zu schnelles Fahren sind relativ hoch, wenn man das zweite Mal erwischt wird, ist der Führerschein für drei Monate weg.

Ahmed fährt für ägyptische Verhältnisse recht bedachtsam. Man fährt hier auch sehr gerne auf dem Strich, so kann der Hintermann rechts oder links überholen, ganz wie er will. Immer wieder kommt uns am rechten Straßenrand ein Geisterfahrer entgegen, niemand regt sich darüber auf. Polizeiautos habe ich nur ganz selten mal gesehen.

Am rechten oder linken Straßenrand stehen immer mehr Verkaufsstände. Sie sind zwar wie vieles illegal, aber niemand kümmert sich mehr darum, viele Polizisten haben ihren Dienst gekündigt.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Mubarak und seine Spießgesellen sind ja im Gefängnis. Ihnen wird der Prozess gemacht. Mohamed erzählt ein paar gänsehauterzeugende Geschichten über deren Machenschaften.

Die reiche Oberschicht fährt ausschließlich deutsche Autos, ich habe aber keine gesehen. Die Mittelschicht fährt asiatische Autos. Taxis sind hier meistens Ladas.

Zweihundertdreißig Kilometer sind es bis Alexandria, aber wir machen noch einen Abstecher in eines von mehreren Klöstern hier in der Gegend, das St. Bishoy Monastery, ein koptisch-orthodoxes Kloster des heiligen Bishoi. Ob sich die fünfzig Euro Eintritt und Spende dafür lohnen? Der mit Schlaglöchern übersäte Weg dorthin ist schmal und staubig.

Ein freundlicher Mönch, Bruder Ephraim, nimmt mich in Empfang, führt mich exklusiv überall herum und erklärt mir lang und breit mit seinem leicht verständlichen Englisch alles, was ich wissen will und noch viel mehr. Kirchenräume und Wandmalereien, Refektorium, Zellen, alles wird mir gezeigt und erklärt. Mir bleiben vor allem die Treppe auf die Aussichtsplattform in Erinnerung, immer sechs Stufen und dann ein Podest, so wie Gott die Welt erschaffen hat, sechs Tage Arbeit, am siebten Tag Ausruhen – so kann niemand im Dunkeln stolpern. Ich bewundere von hier oben die herrliche Aussicht. Das Kloster besitzt riesige Ländereien und eine entsprechende Landwirtschaft.

 

Ägypten Reise 2012

 

Jeder Ägypter besitzt ein Handy und telefoniert damit ohne Unterbrechung. So natürlich auch „mein“ Mönch. (Deshalb auch die unzähligen Handyläden in den Städten und Orten. Fast jeder zweite Laden verkauft Handys.)

Eine riesige Kirche, eigentlich ist es von der Größe her schon eine Kathedrale, wurde innerhalb der Klostermauern gerade neu erbaut und trotzdem sind an den teuren Granitstufen schon die Ecken herausgebrochen. Das ist Ägypten…

Ich genieße die ruhige Privat-Führung und die gut verständlichen Erklärungen, endlich mal ohne die Schlaumeier, die ja in fast jeder Gruppe sind und die sich ständig mit bescheuerten Fragen wichtigtuerisch hervortun müssen. Nach anderthalb Stunden werde ich geläutert entlassen, nicht ohne ein Foto von Bruder Ephraim und mir gemacht haben zu dürfen. Als Abschiedsgeschenk erhalte ich ein Netz Orangen.

 

Ägypten Reise 2012

 

Später zu Hause lese ich, daß der heilige Bischoi von 320 bis 417 n.Chr. gelebt hat. Jesus hat sich ihm ein paarmal gezeigt. Sein Körper soll unverwest in einem Schrein des Klosters ruhen. (Mehr zum Kloster gerne auf Anfrage.)

Wir nehmen diesmal einen anderen Weg zurück, durch einen besonders staubigen Ort mit unglaublich viel Verkehr. Auch die Hauptstraße ist unasphaltiert. Anhalten geht nicht, man quetscht sich grundsätzlich immer ohne Stopp aneinander vorbei, egal wie eng es wird, egal wie heftig das Fahrzeug oder das gegnerische in den Straßenunebenheiten und Schlaglöchern auch schwankt. Ich bin froh, als wir heil zurück auf der Autobahn sind.

 

Ägypten Reise 2012

 

Die Wüste links liegt teilweise unterhalb des Meeresspiegels; unsere Autobahn verläuft am Rande dieser riesigen Senke. Ahmed legt hier zum ersten Mal seinen Sicherheitsgurt an.

Jetzt gibt es für jeden eins der gefüllten Fladenbrote. Zum Glück wenigstens vegetarisch. Und ein paar saure Mixed Pickles. Hoffentlich bekomme ich von alledem keinen Durchfall. Normalerweise würde ich das nicht essen. Aber jetzt habe ich Hunger. Und ich darf Mohamed nicht kränken.

Auf der Straße liegen ständig jede Menge Reifenteile und andere Dinge herum. Alle paar Kilometer steht ein Auto mit einer Reifenpanne. Ein paar Raser überholen uns, irgendwie ist es jetzt eine rechtsfreie Zeit. Golf Plus- und A- oder B-Klasse-Fahrer und überhaupt jeder deutsche Polizist, Ordnungsbeamte oder gar „Oberlehrer“ bekäme hier sofort einen schweren Herzinfarkt…

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Überholte Fahrzeuge hupen dankbar, es wird überhaupt sehr gerne und ausgiebig gehupt. Die ehemaligen Polizeikontrollposten sind leer und verwaist. Nur die knüppelharten Fahrbahnschwellen gibt es noch und schütteln jedes Fahrzeug kräftig durch.

Lkws werden gerne von Beduinen gefahren. Und so fahren sie auch, als hätten sie noch immer ihre Kamele unter sich.

14:54 Uhr, der Weg zieht sich, immer noch sechsundvierzig Kilometer. Rechts ist eine riesige Zuckerfabrik, das entsprechende Zuckerrohr wird aus allen Richtungen hingefahren und hingekarrt.

Hier ist die zweite Mautstation, es gibt etwas Rückstau. Jetzt ist die Straße nur noch je zweispurig und der Verkehr drängelt sich. Der Schmutz nimmt rapide zu und legt sofort beredt von der Armut der Leute Zeugnis ab. Danach müssen wir durch zwei zähe lange Staus. Alexandria, die Perle des Mittelmeers, empfängt uns mit noch mehr Müll und Schmutz und Staub – und einem besonders zähen Stau. Wir brauchen lange, bis wir endlich auf die Corniche, die ehemals prächtige Uferstraße, stoßen. Übrigens: Alexandria ist Ägyptens zweitgrößte Stadt.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Einbahnstraßen gibt es nicht in Ägypten, weil sie doch nicht akzeptiert würden.

Leider wird gerade mal wieder vor dem Gericht hier an der Uferstraße protestiert, sodaß die Autos sich nur noch mühsam vorwärts quälen können. Deshalb steigen Mohamed und ich aus und laufen mit vielen anderen Menschen auf der Promenade am Meer entlang. Mohamed erzählt mir alles Wichtige über die Stadt, die von Alexander dem Großen gegründet worden sein soll. Nach einiger Zeit holt uns Ahmed wieder ein und wir fahren zu einem kleinen Fischrestaurant am Ende der Corniche. Ein paar Mopeds fahren hier in heftigen Schlangenlinien auf und ab, meist mit zwei jungen Leuten drauf und aus primitiven Lautsprechern laute arabische Musik abspielend.

 

Ägypten Reise 2012

 

Erst einmal gibt es eine „köstliche“ Bouillabaisse mit viel (Entschuldigung) für mich ekliger Einlage und einer dicken fetten Gamba darin und ein Teller Calamari, dann zehn, elf wirklich leckere verschiedene vegetarische Vorspeisenteller mit Fladenbrot. Dann bekommt jeder zwei große Fische (einer soll aus dem Nil kommen, einer soll ein „Moses-Fisch“ sein, ich bekomme keine richtige Info darüber), dann nochmal einen ganzen Teller Roter Riesengarnelen. Unser Tisch biegt sich geradezu. (Hoffentlich übersteht das alles mein Magen!) Das Ganze ist bestimmt sehr lecker, aber ich habe Gambas, Calamari und Fischsuppe in meinem ganzen Leben noch nicht gegessen und wollte sie eigentlich auch nie essen. Mohamed hat bestellt und ich darf ihn jetzt nicht kränken; ich darf jetzt einfach keinen Rückzieher machen, deshalb muß ich hier durch! Und alles essen! Und muß natürlich auf die vielen Fragen ständig heftig freudig nicken und den Daumen nach oben strecken und alles als sehr gut bezeichnen. Wenn ich das hier heil überstehe, habe ich einen guten Magen. Nur gut, daß ich vorhin im Kloster noch rasch die Gelegenheit genutzt und um mein weiteres Seelenheil gebetet habe.

Als Nachtisch biete ich allen meine Zigarillos zum ägyptischen Tee an. Der Flachbildfernseher ist offensichtlich schon mehrmals heruntergefallen und wird nur noch von viel Klebeband zusammengehalten.

Die Fahrt zu meinem Hotel wird anstrengend. Wegen der Demonstration auf der Corniche sucht Ahmed ein paar Seitenstraßen, die natürlich auch total blockiert sind. Wichtige Erkenntnis: Der Abstand zum Vordermann darf nicht größer als zwanzig Zentimeter sein. Sobald er nur etwas größer wird, bohrt sich seitlich sofort ein anderes Fahrzeug hinein und nutzt die Lücke gnadenlos zu seinem Vorteil aus.

Statt einer normalen Hupe benutzt man auch gerne eine Polizeisirene.

Müll türmt sich zu beiden Seiten der Straße zu Bergen, die Perle des Mittelmeers ist ganz schön schmutzig und verkommen. Warum muß auch ausgerechnet heute gegen die Justizbeamten demonstriert werden? Trotz allen Gedrängels muß Ahmed auch weiterhin ständig telefonieren, Quatschen mit Mohamed sowieso.

Es herrscht ein gnadenloser Kampf auf den Straßen, Paris, Istanbul, Amman, Damaskus sind die reinsten Idyllen gegen den ägyptischen Verkehr. Die Abgase durch Ahmeds offenes Fenster bringen mich um.

Die lebensmüden Mopedfahrer haben natürlich alle keinen Helm. Fußgänger sind mindestens genauso wagemutig. Kinder kennen erst recht keine Furcht. Dazu das ganze schreckliche Gehupe und Geschreie. Streunende Hunde und Katzen wühlen im Müll am Straßenrand. Die geduldigen Esel und Pferde bedauere ich auch sehr. Die unzähligen Kutschen darf ich auch nicht vergessen. Sammeltaxis auch nicht, die ständig hupen und gnadenlos überall anhalten, um Leute aus- oder einsteigen zu lassen. Kreuzungen werden rücksichtslos blockiert: „Wenn ich nicht kann, darfst Du auch nicht!“ Und jetzt kommen uns auch noch jede Menge Straßenbahnen entgegen! Alles unter der Überschrift: Sportliche Koexistenz.

Ich achte auf meine Gedärme, alles noch im grünen Bereich, alles noch OK.

Schade, jetzt kann ich die Corniche nicht im barmherzigen Dunkel des Abends bewundern.

An einer Kreuzung regelt sogar ein Polizist den Verkehr, er wird aber gerne von den Fahrzeuglenkern ignoriert. Ein, zwei seltene Ampeln gibt es, die aber auch nur eine Empfehlung abgeben.

Mit der Hupe sagt man „Guten Tag“ oder „Mir geht’s gut“ oder „Fahrt endlich weiter Ihr da vorne!“, auch wenn sie sich gar nicht weiter vorbewegen können. Blinker blinken so schön, die kann man auch anlassen.

Straßenbahnen und Busse werden nie gesäubert oder gar instand gehalten; solange sie fahren ist alles gut. Viele Scheiben der Autobusse haben schwere Steinschlagschäden. Alle zusammen sind in erbarmungswürdigem Zustand.

 

Ägypten Reise 2012  

Die schlimmen Bodenwellen im Dunkel sind übrigens ein eigenes Kapitel.

Auf der Autobahn ohne Licht, auch ohne Standlicht zu fahren, gibt offenbar einen besonderen Kick. Rote Standlichtlampen vorne statt der üblichen weißen zeigen den andern, daß man moderner Technik gegenüber besonders aufgeschlossen ist. Vorhin habe ich auch schon ein paar Autos mit total überklebten (oder sogar ausgebauten) Rück- und Bremslichtern gesehen.

 

Ägypten Reise 2012

Aus der regulären halben Stunde Fahrzeit zum Hotel wird deutlich mehr, nämlich anderthalb Stunden.

Raffinerien sehe ich, sie spiegeln sich im Wasser mehrerer riesiger Seen.

Der aufgeschlossene Ägypter wendet auch gerne mal auf der Autobahn und fährt dann seinen Kollegen ebenso friedfertig wie treuherzig entgegen.

Langsam fahrenden Lkws genügt auch ein einziges schwaches verstaubtes und kaum wahrzunehmendes Rücklicht. Oder gar keins.

Ich sehe rote, blaue, grüne Lichter oder abwechselnd blinkende Standlichter. Aber niemand schimpft deshalb. Alles ist erlaubt. Warum auch nicht.

Trotzdem, irgendwann sind wir im Radisson Alexandria, reichlich außerhalb der Stadt. Das Hotel besteht aus zwei fünfstöckigen kreisrunden Türmen mit einem Mittelbau dazwischen und ist ganz OK. Auf jeden Fall ist es eine Riesenverbesserung zum vorhergehenden Mövenpick, das damals vor ein paar Jahren schon total abgewohnt war und die angeblichen fünf Sterne schon lange hätte zurückgeben müssen, schade, daß ich da später noch einmal ein, zwei Nächte verbringen muß. Hier wird hoffentlich auch das Restaurant gut sein, obwohl ich von vorhin ja eigentlich noch satt bin. (Mein Magen ist immer noch ganz ruhig.)

Mohamed checkt mich ein und fährt mit Ahmed in die Firmenwohnung in der Nähe. Ich bekomme ein sehr schönes Zimmer im obersten Stockwerk mit großem Bad und separater großer Dusche, einfach wie es sein soll.

Dafür erfüllt das Restaurant dann leider doch nicht meine Erwartungen. Kein Buffet, ich habe nur die Wahl zwischen je drei Vorspeisen (ausschließlich Salat), drei Hauptgängen (Kalbsschnitzel, Barsch und Huhn), irgendwelchen zwei Kuchen und Obst mit Eis. Schade. Das Restaurant ist fast leer, das wenige Personal total unfähig, der Salatteller wird kommentarlos vor mich hingestellt. Ich werde auch nicht gefragt, ob ich etwas trinken möchte. Das habe ich ja noch nie erlebt, in meinem ganzen langen Leben nicht!

Ich muß meine Erwartungen an Radisson doch erheblich runterschrauben! Der Salat ist eine Katastrophe! Eigentlich so schlimm, daß ich darüber schon wieder lachen muß. Aber ich habe in der Lobby wenigstens Aschenbecher gesehen, also wird mich nachher die erste heutige Zigarre wieder mit der Welt versöhnen!

Durchs Fenster sehe ich mich derweil von Raffinerien geradezu umzingelt, überall wird Gas abgefackelt, während ich es zuhause teuer kaufen muss.

Der Fisch auf einem angewärmten Teller entschädigt mich dann etwas. Er darf dann doch noch in einem Heineken schwimmen, weil ich nach langer Zeit doch noch gefragt werde. Das Obst mit Eis ist OK.

Ich lasse mir am ATM in der Lobby 1.000 Pfund (120 EUR) auszahlen. ec-Karte ist OK, aber mit späteren 5 EUR Gebühr nicht ganz billig).

 

Sonntag, 29. Januar 2012, Alexandria

Aufstehen um sieben, Abfahrt um 8:30 Uhr, Wetter etwas trüb, aber das wird sich bestimmt bald wieder bessern. Mein Bett war sehr hart. Ja, ich weiß: „Wenn Dir das Bett zu hart ist, bist Du zu weich“. Die Kopfkissen auch.

Im Hotelzimmer ging die Heizung nicht. Ich reklamiere es und bis heute Abend soll sie repariert sein. Im Frühstücks-Restaurant fallen mir wieder die wenigen Gäste auf, höchstens vier, fünf, außer mir. Dieses Hotel scheint auch heftig unter dem Schwund an Touristen und Geschäftsleuten zu leiden.

Inzwischen habe ich meine Meinung zum ägyptischen Verkehr nochmal revidiert. Es ist wirklich kein Krieg, nur sportlicher Wettkampf, jeder will halt gewinnen, eigentlich ganz harmlos. Arabische Mentalität. Vielleicht gibt es deshalb so gut wie keine Unfälle.

Auf einem langen Damm geht es durch einen Meeresarm, denselben Weg von gestern Abend zurück.

In Alexandria folgt ein „hartes“ Besichtigungsprogramm: Zunächst die Shoqafa-Katakomben. Unter der Stadt soll es überhaupt viele Katakomben geben, die meisten sind aber mit Grundwasser vollgelaufen. Hier ist ein kleiner Ausstellungsplatz mit ein paar steinernen Altertümern zu sehen und dann führt mich Mohamed eine Wendeltreppe tief hinunter zu weiteren Gräbern ehemals reicher Leute. Natürlich, auch hier ist das Fotografieren verboten. (Diese lästigen Fotoverbote gehen mir überhaupt reichlich auf die Nerven. Mir sind sie unverständlich, bringen sie doch viele Leute in innere Konflikte, weil sie es dann natürlich erst recht mit ihren Handys und Kameras versuchen. Und die angeblichen Schäden an den Farben der Wandmalereien glaube ich auch nicht, zumal es die meisten Leute heutzutage wissen und ihren Blitz erst gar nicht einschalten.)

Ägypten Reise 2012

 

Weiter geht es zur Pompeiussäule (Amud El-Sawari), der dritthöchsten nach Rom und Konstantinopel. Hier gibt es auch zwei wunderschön erhaltene und in der Sonne liegende große und fast unbeschädigte lächelnde Sphinxen aus Granit zu bestaunen.

 

Ägypten Reise 2012  

Pompeiussäule – Wikipedia

 

Nach einem Rundgang durch das weitläufige Gelände fahren wir weiter zum Römischen Theater (Kom Al-Dikka) mit seinem sehr gut erhaltenen kleinen Amphitheater und alten Bädern.

 

Ägypten Reise 2012

 

Mohamed kennt keine Gnade mit mir und setzt unser Besichtigungsprogramm gleich fort: Jetzt folgt das Alexandria National Museum, das in einer früheren pompösen weißen Villa eines ehemals reichen Italieners untergebracht worden ist. Auf drei Etagen gibt es viele alte Statuen vor allem aus der pharaonischen Zeit zu bewundern. Wieder keine Fotos erlaubt; mein Herz blutet.

 

Ägypten Reise 2012

 

Jetzt geht es weiter zur Festung Citadel of Qaitbay. Hier stand ganz, ganz früher der berühmte Leuchtturm, der durch mehrere Erdbeben immer wieder zerstört worden ist. Jetzt befindet sich hier eine sehenswerte Festung.

 

 

Citadel of Qaitbay - Wikipedia, the free encyclopedia

alexandria citadel - Google-Suche  (Fotos)

 

Weiter geht es zur großen neuen Bibliothek Alexandrias, der Bibiotheka Alexandrina, einem besonders imposanten und modernen Gebäude. Auch hier muß ich, wie überall in Ägypten, durch eine ebenso lästige wie nachlässige Sicherheitskontrolle. Bei fast jedem, der durchgeht, piepst es, aber niemand achtet darauf. Wieder sind keine Fotos erlaubt. Wir erhalten eine kleine Führung durch ein paar Ausstellungsräume. Die Toilette dieses vornehmen Gebäudes ist schmutzig und sehr vernachlässigt und einfach angesichts des in diesem Gebäude untergebrachten Wissens der menschlichen Kultur unwürdig. Aber so sind die Ägypter.

 

Ägypten Reise 2012

 

Bibliotheca Alexandrina – Wikipedia

alexandria bibliothek - Google-Suche  (mit Fotos)

 

Heute am Sonntag sind viele Geschäfte geschlossen, weil es hier besonders viele Christen gibt. Der Verkehr fließt, und die Corniche zeigt mir ihre schmutzige Schönheit in der strahlenden Sonne. Eine gewisse frühere Pracht und Eleganz läßt sich durchaus noch erahnen.

Hier wie auch schon zuvor in Kairo fallen mir besonders die unzähligen Lada-Taxis auf. Und inzwischen läßt mich der Straßenverkehr auch immer wieder an einen riesigen Autoscooter denken; jeder fährt kreuz und quer und wie er will. Gegenüber sehe ich plötzlich ein WaltDisney-Mosaik an einer langen Mauer und lasse Ahmed anhalten. Ich muß, ich müßte, die Straße unter lebensgefährlichen Bedingungen überqueren, in der Mitte halte ich lieber an, mache ein paar Fotos und hetze zurück in die Sicherheit unseres Toyotas. Wer hier zögert, hat sofort verloren, wie in Paris, aber Paris ist ein Kindergarten dagegen.

 

Ägypten Reise 2012

 

Jetzt sind alle Besichtigungen für heute abgehakt und wir fahren auf der Corniche zu unserem Fischlokal von gestern. Ich konnte es nicht übers Herz bringen, nach einem anderen Lokal zu fragen, und so gibt es erneut unzählige leckere Vorspeisenteller, die bekannte „leckere“ Fischsuppe mit den vielen undefinierbaren Früchten des Meeres von gestern, einen Salzwasserfisch mit merkwürdigem Namen und nochmal Riesengarnelen. Dazu wie gestern ein Pepsi und Tee. Da mein Magen das alles gestern gut überstanden hat, hoffe ich, daß es auch diesmal gut geht.

 

Ägypten Reise 2012

 

Mohamed erzählt, daß die jetzige Revolution wohl nicht genügt, Ägypten wird noch viele weitere Revolutionen brauchen, um wirklich etwas im Land zu verändern. Leider gibt es immer noch zu viele Leute ohne Ausbildung oder sogar Analphabeten. Da haben es die Haßprediger in den Moscheen leicht, die Menschen zu beeinflussen.

Bei so viel Autos erwartet man eigentlich feste Regeln für den Straßenverkehr, die eingehalten werden, aber das Gegenteil ist hier der Fall.

Um 16:30 Uhr sind wir zurück am Hotel. Meine Heizung im Zimmer geht immer noch nicht und ich reklamiere noch einmal. Der zu mir geschickte Monteur richtet auch nichts aus. Ich habe keine Lust, umzuziehen. Obwohl es nachts wegen des offenen Fensters wirklich reichlich kalt wird. Vor allem morgens ist es mir viel zu kalt im Zimmer.

Die Speisekarte ist unverändert und ich esse das gleiche wie gestern. Immer noch wenig Gäste, hier im Restaurant sehe ich heute Abend nur noch zwei andere Hotelgäste.

Ich lege kräftig einen drauf und hole mir am ATM dreitausend Pfund (375 EUR). Ägypten ist halt teuer, trotz HP und späterer VP. Ich weiß gar nicht, wohin das ganze Geld so verschwindet. Eine Zigarre verwöhnt mich zum Abschluß des interessanten Tages in der Lobby.

 

Montag, 30. Januar 2012, Alexandria

Aufstehen um 7.30 Uhr, Abfahrt um neun. Mohamed wartet wie jeden Morgen auf mich. Es gelingt mir nicht, mal vor ihm in der Lobby zu sein. Ich schildere ihm mein Heizungsproblem. Er hat aber auch nur den Rat, das Zimmer zu wechseln. Ich fürchte aber, daß die Heizung in allen Hotelzimmern nicht funktioniert und bleibe lieber. Draußen vor dem Hotel steht ein Handy-Sendemast als Palme verkleidet. Eine gute Idee. Später sehe ich noch mehr davon.

Das Wetter ist wieder trüb und etwas kühl. Heute fahren wir über die Küstenstraße an der „North-Coast“ entlang nach El Alamein, dem früheren Kriegsschauplatz im Zweiten Weltkrieg.

Auf der Schnellstraße gibt‘s wieder jede Menge Reifenpannen. Hoffentlich bleiben wir davon verschont. Die Beduinen sollen hier recht freundlich sein. Drüben im Sinai sind sie durch jahrtausendlange Streitereien deutlich kämpferischer. Vom Meer ist nichts zu sehen, stattdessen endlos lange Neubau-Viertel. „Küstenstraße“ bedeutet halt nicht, am Wasser entlang zu fahren. Es ist unglaublich, wieviel mehrstöckige Häuser hier in den letzten Jahren gebaut worden sind und immer noch gebaut werden. Haus an Haus, meistens vier, fünf Stockwerke, wie Bäume im Dschungel. Da dürfte man es schwer haben, „sein“ Haus zu finden. Dabei soll es sich hier meistens um Zweit-Wohnungen für den Sommer handeln, die die meiste Zeit des Jahres leer stehen.

Unsere Straße ist vierspurig, die Umgebung wird etwas sandiger, wüstiger. Der Sand wechselt seine Farbe zwischen allen Gelb- und Brauntönen.

 

Ägypten Reise 2012

 

In Ägypten gibt es vor allem KFC und Pizza Hut, mehr Pepsi als Coca Cola. MacDonalds habe ich aber auch vereinzelt gesehen. Ahmed fährt 100 km/h. Ein Kontrollposten verlangt Ahmeds Ausweis. Die Leute sind zivil mit Pullovern angezogen.

Kahle Feigenbäume wachsen hier, sie vertragen auch Salzwasser. Feigen sollen gut für den Magen sein.

Rechts, Richtung Mittelmeer, immer noch endlose Siedlungen, links Wüste und die von der Herfahrt noch bekannte tiefe Senke. Vor allem unsere in Deutschland ausgesonderten alten Mercedes-Lkws führen hier in Ägypten ihr zweites (schwereres) Leben. Unzählige Lastwagen mit deutscher Beschriftung fahren hier herum. Kurz vor unserem Ziel sehe ich dann doch noch etwas Meer.

Nach anderthalb Stunden sind wir am Ziel. Zuerst am deutschen Soldatenfriedhof, dann am englischen. Achtzigtausend Soldaten sollen hier liegen.

 

Ägypten Reise 2012

 

Danach besichtigen wir das britische Militärmuseum, das Al Alamein Military Museum, in dem sehr viele alte Kriegsraritäten ausgestellt werden. Ich werde beim Gang durchs Museum von Wächtern argwöhnisch beobachtet, obwohl alles mit Glaskästen und zusätzlichen Ketten gegen „versehentliche“ Mitnahme gesichert ist. Gewaltige Wandmalereien mit Kriegsszenen gibt es natürlich auch.

 

Ägypten Reise 2012

 

Ich erhalte eine Privatvorführung des Kriegsverlaufs auf einer riesigen Panorama-Landkarte der nordafrikanischen Küste. Ein Soldat betätigt jede Menge Schalter und läßt damit ganze Reihen von Lämpchen aufleuchten, während ein anderer mit langem Zeigestab auf entsprechende Details zeigt. Die deutsche Erklärung kommt vom Tonband. Ich komme mir wie ein General vor, dem die aktuelle Lage seiner Soldaten gezeigt wird.

 

Ägypten Reise 2012

 

Ich erinnere mich, daß die Gegend hier in den Kriegswochenschauen Cyrenaica genannt wurde. Vor dem Haus stehen ein paar alte Militärfahrzeuge und Panzer.

 

Ägypten Reise 2012

 

Afrika im zweiten Weltkrieg Schlachtverlauf

 

Mohamed erzählt mir, daß Ägypten ein reiches Land ist, aber die falschen Politiker hat, die auch nur an sich und die eigene Großfamilie denken.

Mubarak ist im Krankenhaus und wird täglich zum Gericht geflogen, jeden Tag kostet das unglaublich viel Geld. Auch diese Verschwendung stört das Volk und die Leute fragen sich immer häufiger, wofür sie eigentlich ihre Revolution gemacht haben.

Inzwischen komme ich erneut zu der Erkenntnis, daß arabische Menschen (und ganz speziell Ägypter) null Umweltbewußtsein besitzen. Aber das ist mir ja auch schon auf meiner Orientreise ganz besonders im armen Syrien aufgefallen. Je ärmer, desto weniger Gefühl für die Umwelt. Und für Tiere. Tierschutz findet offensichtlich nur statt, wenn man Geld hat. Schade.

Dann geht es den gleichen Weg zurück, wieder an den Siedlungen mit fünfzig, hundert, zweihundert gleichen Wohnblocks vorbei, eine Siedlung an der nächsten, unendlich lang. Wie oben schon gesagt, die allermeisten stehen leer. Unglaublich.

Eine Unart der Ägypter ist es, sämtliche Verkehrsschilder mit Aufklebern zu bekleben, sodaß man nichts mehr erkennen kann. Endlich kommt Frau Sonne wieder raus.

Ahmed tankt an einer Tankstelle nach, obwohl nur ein paar Liter in den Tank hineinpassen. Letzte Woche gab es einen Streik, sodaß das Benzin an den Tankstellen rasch ausverkauft war. Deshalb heißt es für jeden, ständig volltanken, egal wie wenig reinpaßt. Ein Liter Benzin kostet umgerechnet 12 Eurocent, aber man verdient ja auch nur 2.000 Pfund, umgerechnet 250 Euro. Ein Arzt oft wenig mehr, 3.000 Pfund. Dolmetscher, Reiseführer (grundsätzlich mit Studium) und andere Akademiker etwas mehr.

Jetzt besuchen wir den Botanischen Garten König Farouks am Meer. Auf dem Weg dorthin müssen wir am Unfall zweier Lkw vorbei, beide liegen auf der Seite. Jeder fährt drumrum wie er gerade will. Dabei wird natürlich fröhlich gehupt.

 

Ägypten Reise 2012

 

Eine 1800er GoldWing sehe ich plötzlich auf der Corniche am Rand parken. Motorradfahren möchte ich hier lieber nicht. Einen Lexus RX SUV sehe ich auch mal. Übrigens, Navis soll es hier geben, ich habe aber auf der gesamten Reise nur einmal eins in einem Mercedes gesehen. Gerade hier in den Großstädten bräuchte man es vielleicht, aber die Leute scheinen alle genau zu wissen, wie sie zu fahren haben, um ihr Ziel zu finden. Ahmed kennt sich auch sehr gut aus.

Der Park soll über 40.000 Hektar groß sein, was ich aber nicht ganz glauben will. Er ist groß, sehr groß, so groß aber wohl doch nicht. Eher vier Hektar. Mohamed übertreibt bei Zahlen gerne und oft. (So war es schon bei den Einnahmen des Suez-Kanals und wahrscheinlich auch bei den Einwohnern Kairos.) Hier bummeln Mohamed und ich durch den Park am alten Haremspalast vorbei, der heute ein sehr vornehmes Luxushotel ist, bis zum Königspalast hinüber. Dort wartet Ahmed auf uns und wir fahren zum Essen.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Endlich liegt die bogenförmige Corniche mit ihren weißen Häusern in der wohltuenden Nachmittagssonne vor mir.

Wohin? Natürlich wie immer zum Fisch-Restaurant! Aber ich habe mir endlich für heute „etwas mit Nudeln“ gewünscht, deshalb gibt es die „elf Köstlichkeiten“, die bereits bekannten und heißgeliebten Vorspeisenteller mit Fladenbrot dabei, dann Gemüsesuppe, Spaghetti mit Hühnerfleisch und Pommes Frites. Wie immer muß ich zum Schluß ein paar meiner inzwischen knappen Zigarillos verteilen, obwohl Mohamed doch eigentlich gar nicht raucht.

 

Ägypten Reise 2012

 

Wir machen noch einen ganz kurzen Stopp an einer Moschee, bevor es im letzten Abendlicht zu Fuß durch eine Hauptgeschäftsstraße und an unendlich vielen schreienden Händlern vorbei zum Hafeneingang geht. Mohamed wird auch hier, wie schon in Kairo, offenbar oft von irgendwelchen Leuten erkannt und dann stets freundlich begrüßt, er muß hier sehr bekannt sein. Die Abgase (und das Gedrängel und Gewusel der vielen Menschen) bringen mich um. Übrigens: Waschstraßen scheint es in Ägypten nicht zu geben. Die meisten Autos bekommen in ihrem Leben wohl nie eine Wäsche, oder wenn überhaupt, dann mit einem Schlauch am Straßenrand oder an einer Tankstelle.

Auf dem Weg zum Hotel kommt’s dann dicke. Jede Menge Stau. Ahmed nimmt wieder einige schmale Sträßchen. Wir erstreiten uns den Weg Zentimeter für Zentimeter. Hupe und Lichthupe helfen uns dabei eher weniger, müssen aber sein. Wer eine Sirene hat, benutzt sie gerne und oft, kriegt aber auch nicht mehr Platz gemacht. Rücksichtslose Händler mit ihren meist von Eseln gezogenen Karren blockieren zusätzlich die schmalen Spuren an den parkenden Autos entlang. Schmutzige räudige Katzen schleichen überall umher und suchen nach Eßbarem; von den armen Hunden will ich erst gar nicht reden.

Der Lautsprecher-Terror der Muezzins von den Moscheen herunter lockert das Ganze etwas auf. Wir erhalten die unglaublich lauten und nervigen „Durchsagen“ gleichzeitig aus verschiedenen Richtungen mit unterschiedlichen Läuterungstexten. Doch den infernalischen Krach interessiert hier niemanden, alle ertragen ihn stoisch. Genauso wie die armen Esel und Pferde, die sowieso alle Plackerei geduldig ertragen. Es soll vereinzelt Überlegungen geben, vielleicht und irgendwann in ferner Zeit einmal darüber nachzudenken, die Lautstärke der Moschee-Lautsprecher möglicherweise etwas zu reduzieren.

Bei all dem Staub und Schmutz fällt mir immer wieder das Schiller’sche Zitat ein: „Ein Jeder kehre vor seiner Tür.“ Oder war es doch Goethe?? Wenn die Ägypter sich daran hielten, würde es schnell etwas besser werden.

Ahmed muß zweimal wenden, weil es gar nicht mehr weitergeht. Wir brauchen eine Stunde für immerhin dreihundert Meter. Schuld an dem ganzen Tohuwabohu sind zwei Kreuzungen. Privatleute regeln hier den Verkehr, werden aber nicht beachtet. Jeder fährt möglichst dicht auf seinen Vordermann, sodaß keiner seitlich reinkommt und vor allem niemand quer über die Kreuzung kommt. Gut, daß ich nicht verstehe, was die Leute sich zurufen, ich habe ja schon von der Fülle wunderschöner blumiger Schimpfwörter gehört, die es in der arabischen Sprache geben soll, und kann sie mir gut vorstellen.

Unser Auto bekommt hier auch schonmal einen kräftigen Klapps aus eiliger Fußgängerhand, die sich hier wirklich recht mühsam durchquetschen müssen. Ahmed wechselt ein, zweimal ein paar „freundliche“ Worte mit ein paar Leuten; ein Austausch an Höflichkeiten dürfte es allerdings nicht sein. Mohamed muß sogar einmal aussteigen und ich fürchte schon, es gibt eine Schlägerei. Und dazu schon wieder die erhabenen Gesänge von den Minaretten herab. Dieses Chaos muß man einfach mitgemacht haben. Danach ist man ein anderer Mensch.

Endlich auf der Autobahn peppen die sattsam bekannten Bodenwellen unsere langweilige Fahrt wieder etwas auf. Dazu die schwach oder unbeleuchteten Fahrzeuge, auch Pannenfahrzeuge am linken oder rechten Straßenrand, irgendwie erinnert mich ägyptischer Straßenverkehr an Anarchie. Xenon-Scheinwerfer gibt es so gut wie gar nicht, braucht man hier auch nicht.

Unterwegs im neuen Stau steigen wir beide aus und laufen wieder ein Stück des Weges. Ich weiß nicht warum, denn Ahmed holt uns später wieder ein und sammelt uns auf. Um schneller voranzukommen, nimmt man auch gerne schon mal die andere Straßenhälfte und ist dann einer von zahlreichen Geisterfahrern auf der Gegenseite. Die Berechtigung dafür lautet: „Wenn einer es macht, darf ich es ja schließlich auch“. Oder man nimmt den unglaublich holprigen Seitenweg auf der rechten Seite im Acker. Hauptsache ist, daß mein Fahrzeug rollt. Im Stau ist alles erlaubt. Nur Loser stehen…

Übrigens, bei einer lästigen Reifenpanne kann man durchaus auch auf der Felge heimfahren. Habe ich mindestens zweimal gesehen.

Diesmal benötigen wir zweieinhalb Stunden statt einer halben Stunde. Mohamed kommt diesmal mit auf mein Zimmer, um sich über die ordnungsgemäß funktionierende Heizung zu informieren, kann aber letztendlich auch nichts gegen die übermächtige Ignoranz der Haustechnik oder der gar der Hotelleitung ausrichten: Meine Heizung geht natürlich immer noch nicht. Meine Reklamation wurde stets sehr aufmerksam und freundlich entgegengenommen, obwohl das Personal natürlich sofort wußte, daß man da gar nichts ausrichten würde. Und das in einem angeblichen 5‑Sterne-Luxus-Hotel einer international renommierten Kette. (Später zu Hause denke ich mir, daß die wenigen Hotelgäste der Hotelleitung nicht wert waren, die Heizung extra für sie hochzufahren.) Aber wenigstens gibt es heute Abend ein einfaches Buffet, deshalb bekommt der Ober auch ein kleines Trinkgeld. (Eine meiner festen Regeln: Es gibt nur Trinkgeld für einen korrekten Service, egal welcher Art!) Im Restaurant sind ein paar mehr Gäste.

Ich hole mir erneut 3.000 Pfund vom Geldautomaten und rauche meine Zigarre in der Lobby. Ägypten ist doch deutlich teurer als gedacht. Ein paar Wäscheteile muß ich im Waschbecken waschen.

 

Dienstag, 31. Januar 2012, Kairo

Heute muß ich um sechs Uhr aufstehen, Abfahrt ist um sieben. Der Typ an der Kasse des Radisson will mir doch tatsächlich kein Wechselgeld zurückgeben, ich bestehe aber gerade deshalb darauf und so bekommt er auch kein Trinkgeld. Ich weiß gar nicht, warum wir so früh Abfahren müssen.

Auf jeden Fall geht es heute nach drei Tagen Alexandria zurück nach Kairo. Mohamed erzählt mir, daß auf dem Nil vor ein paar Tagen die Schleusenwärter an den Schleusen in Esna zwischen Luxor und Assuan gestreikt hätten und daß es deshalb zurzeit immer noch Schwierigkeiten bei vielen Schiffen gebe, dort durchgelassen zu werden. Aber mein Schiff würde auf jeden Fall fahren. Die Beamten des Wasserministeriums wollen mehr Geld. Deshalb der Streik. Im Übrigen: Den gestrigen abendlichen Stau haben Demonstrationen verursacht, weil ein Mann unnötig erschossen worden ist.

Gut, daß Ahmed endlich die Scheiben unseres Autos etwas gesäubert hat. Wie jeden Morgen ist es auch heute wieder bedeckt und trüb, aber es wird am Himmel schon wieder heller. Es ist halt Winter, auch hier.

Die Mautstelle hält uns etwas auf. Da alle Spuren voll sind, drängeln sich wieder überall Geisterfahrer durch das Gewühle und verschlimmern alles. Sehr schlau, warum soll man unnötig warten?!

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Zum ersten und einzigen Mal dieser Reise nieselt es ein paar Minuten. Die Autobahn verbreitert sich wieder von zwei auf drei und vier Spuren je Richtung und jeder fährt, wo er will. Technischer Zustand der Autos: Egal, es muß nur fahren, egal wie! Du hast einen platten Reifen? Fahr einfach weiter und tu so, als sei nichts passiert. Es ist ja auch nichts passiert. Ein Rad ist Dir zufällig abhanden gekommen? Nicht schlimm, zwei Helfer setzen sich hilfsbereit auf die gegenüberliegende Ecke des Kofferraums oder der Motorhaube und alles ist wieder im Lot! Schließlich benötigt ein Auto nur drei Räder.

Trotz alledem, so richtig gefährlich kam es mir nie vor. Die ägyptische Fahrweise liegt mir, könnte ich jetzt auch, hier in Alexandria wie auch in Kairo, zumindest mit einem alten Auto würde ich es mich jetzt trauen…

Ich frage mich, ob die Baustellen der riesigen Autobahnbrücken irgendwann fertig sein werden.

Die beiden unterhalten sich ununterbrochen laut, alle Tage, ohne Unterbrechung, manchmal nervt es ein bißchen, vor allem, weil ich dann nur selten mal eine Frage stellen kann. Und dazu ständig ihre beiden Handys. Schade, meine Ohrhörer sind hinten im Rucksack, unerreichbar.

Gestern gab es einen Sandsturm und etwas Regen in Kairo. Danach wird es immer sonnig, also Glück gehabt, normal für Februar. Sandstürme sollte man sich übrigens eher als Staubstürme vorstellen.

Die meisten Ägypter reiten noch immer ihre Kamele, nur daß diese Kamele jetzt motorisiert sind.

Hier so kurz vor Kairo kommen wir erneut an großen gläsernen Einkauf-Malls vorbei, so groß und von hier durchaus elegant wie in den USA aussehend, sie brauchen sich nicht zu verstecken. Auch Aldi, Obi und Makro gibt es hier in Ägypten.

Dann fahren wir an SmartVillage vorbei, hier haben sich jede Menge Computer- und Internet-Firmen angesiedelt. Sehr moderne Gebäude mit viel Glas und Beton sind zu erkennen. Ägypten will aufholen.

Die Schießstände und Schutzschilder der Militärpolizisten sind alle leer, verwaist und umgeworfen.

Jeder hat ein Handy am Ohr und fährt mit einer Hand. Von weitem sind die drei Pyramiden zu sehen.

Der Verkehr auf der Stadtautobahn läuft ganz gut und wir kommen prima durch. Hier fährt sogar eine Kehrmaschine am Straßenrand, aber das sieht aus wie der Kampf von Sisyphos, vergeblich.

 

Ägypten Reise 2012

 

Auch einen Müllwagen habe ich mal gesehen. Einen! Der Müll am Autobahnrand und auf den Dächern ist deprimierend – und er wird unaufhaltsam immer mehr. Das Wort „Ladungssicherung“ kennt man im Arabischen offenbar nicht.

Der Häuserbau erfolgt hier so: Ein paar dünne billige Betonsäulen werden hochgezogen und die Öffnungen mit Backsteinen ausgefüllt. (Schäden nach dem Ausschalen sind dabei durchaus üblich, sodaß die Eisenarmierung zu sehen ist.) Die Betondecke muß auch nicht zu dick sein, das hält schon alles. Später kommen noch ein paar Fenster und Türen rein, fertig ist ein vielstöckiges Hochhaus, zehn, fünfzehn Etagen, kein Problem. Auch hier bleiben viele Wohnungen leer bis die Kinder erwachsen sind. Die oberste Etage darf nicht fertig werden, denn dadurch werden noch keine Steuern fällig.

 

Ägypten Reise 2012

 

Vor der Universität gibt es wieder zähflüssigen Verkehr. Hier fehlt eindeutig eine Verkehrsregelung. Am Haupteingang der Uni kommen wir vorbei, gegenüber sind der Zoo und der Botanische Garten. Diese Uni hier soll die älteste Afrikas sein. Ahmed beherrscht sich und schimpft nur ganz selten einmal. Er muß sich beherrschen, weil ich im Auto sitze. Als ein Moped an unserem Auto vorbeikratzt, muß er dann aber dochmal aussteigen und ein bißchen laut mit dem Blödmann reden.

Rückfahrfühler kennt man hier übrigens nicht, ich sehe sie nur ganz selten. Trotzdem haben die Autos erstaunlich wenig Schäden an Lack oder gar Blechkleid. Hier in Kairo sieht man auch mal eine Frau am Steuer. Aber auch nur hier in Kairo. Sonst sind die Frauen offenbar noch sehr wenig emanzipiert. Und jeder hat ein Handy am Ohr. Anders kann man gar nicht Autofahren.

Über dreitausend Moscheen soll es allein in Kairo geben, private und solche der Regierung. Dann kommen wir am städtischen Krankenhaus vorbei, sehr groß und modern aussehend, dann ein spezielles Krankenhaus für Diabetes-Patienten. Weil es hier in der Stadt sehr viel Stress gibt, wächst die Zahl der zuckerkranken Patienten ständig. Bei fünf Millionen Autos kein Wunder. Weiter geht es an einer sehr modern aussehenden Kinderkrebsklinik vorbei. Leukämie soll leider weit verbreitet sein und die Kinder werden hier oft kostenlos behandelt. Glücklicherweise spenden sowohl viele reiche und prominente Leute als auch berühmte Sportler der Klinik viel Geld. Neben uns fährt ein Auto auf ein anderes auf und es gibt etwas Streit unter den beiden Fahrern.

Weiter geht die Fahrt an einem langen und gut erhaltenen sehr hohen alten Römer-Aquädukt entlang. Leider benutzen ihn die Leute als Müllkippe.

 

Ägypten Reise 2012

 

Mohamed glaubt, daß Kairo die älteste islamische Hauptstadt ist, nicht Amman. Eine Diskussion darüber spare ich mir lieber. Aber so ist das ja gerne mit den Superlativen, jeder nimmt sie zu gerne für sich in Anspruch.

Weiter am Friedhof vorbei, auf dem (außer den Toten) 300.000 Menschen leben und wohnen sollen. Mohamed spricht gar von zwei Millionen Bewohnern, aber das habe ich vielleicht falsch in Erinnerung – oder er übertreibt schon wieder maßlos. Wer soll sie zählen?

Stadt der Toten (Kairo) – Wikipedia

Auch die Alabaster-Moschee (Muhammad-Ali-Moschee) ist fast leer, nur ein paar ganz wenige arabische Besucher haben sich hier hinauf verirrt. Auch der Innenhof, total leer! Die Moschee ist immer noch sehr gewaltig, müßte aber außen dringend vom grauen Staub befreit werden. Der Blick auf die Stadt hinunter ist grandios.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Muhammad-Ali-Moschee – Wikipedia

alabaster moschee - Google-Suche   (Fotos)

Anschließend fahren wir zurück in die Stadt und durchschreiten eines der ganz wenigen noch erhaltenen alten Tore in der Stadtmauer und betreten die islamische Altstadt Misr el‑Qadima. Die Holztür ist sehr gut erhalten, aus dickem schwerem Holz und mit Eisen beschlagen. Sofort umfängt uns ursprüngliches arabisches Leben, kleine Geschäfte, von außen akzeptabel aussehende Wohnhäuser, lebhafte Restaurants, gut erhaltene alte herrschaftliche Häuser und Paläste, ein paar imposante Moscheen. Die Leute drängeln sich auf den holprigen schmalen Gassen, dazwischen Lastenträger, Männer und Frauen, die meistens Backwaren geschickt auf ihren Köpfen balancieren – und junge Männer auf alten Fahrrädern fahrend, die dabei mit einer Hand das Tablett festhalten.

 

Ägypten Reise 2012

 

Es ist 11:50 Uhr, als wir eine besonders schöne Moschee betreten. Der Wächter schaltet für einen kleinen Obolus sogar die Beleuchtung extra für mich ein. Auch die hinteren Gebäude dürfen wir besichtigen, offenbar war diese Moschee früher auch einmal eine Schule. Auch hier liegt eine wichtige Persönlichkeit begraben. Eigentlich sind alle großen Moscheen auch ein Mausoleum. Meistens zumindest schonmal ihre Erbauer. Ist ja klar. Würde ich wohl auch so machen.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Weiter geht es durch einen engen Basar. Zur Belohnung für die Qualen des dauernden Angequatschtwerdens lädt mich Mohamed zu einer Tasse ägyptischen Tees ein. (Ägyptischer Tee wird immer im Glas mit losen Teeblättern serviert; „Tee“ bedeutet immer einen schrecklichen Teebeutel in einer ebensolchen Porzellantasse.) Aber leider gibt es auch hier keine richtige Erholung, ich muß mich mannigfacher Belästigung erwehren, Silberschmuck, Korane, Sonnenbrillen, Portemonnaies, Uhren, Tücher und was weiß ich werden mir angeboten, dazu kommen zig Schuhputzer an unseren Tisch.

Auch hier wird Mohamed ständig begrüßt. Aber jetzt haben wir beide Hunger und Mohamed führt mich zu Abu Tarek, offensichtlich ein sehr bekanntes Lokal. Hier gibt es ausschließlich ein einziges Gericht, ein Nationalgericht der Ägypter: Koshari. Ein unglaublich leckeres Eintopfgericht, alles wird auf einem einzigen Teller serviert.

Pro Person:

Eine halbe Tasse braune kleine Linsen (gibt’s z.B. im türkischen Geschäft),

eine halbe Tasse Reis,

eine halbe Tasse Nudeln (am besten Hörnchen oder 1cm-Makkaronistückchen),

eine halbe Tasse Graupen,

ein EL Butter,

ein paar Tomaten und eine Dose Tomatenmark,

ein paar Knoblauchzehen,

Salz, Pfeffer, Chili,

ein oder zwei Beutel fertige Röstzwiebeln

Alle Hauptzutaten kochen und in den vier „Ecken“ eines vorgewärmten Tellers verteilen. Tomaten schälen, pürieren und zusammen mit dem Tomatenmark etwas einkochen, mit Salz, Pfeffer und Chili abschmecken. Knoblauch kurz in Butter anbraten, zur Tomatensoße geben und über allem verteilen. Knusprige Röstzwiebeln oben drauf legen. Wobei man durchaus darüber streiten kann, ob die Röstzwiebeln über oder unter der Tomatensoße liegen sollen.

Auf jeden Fall: Mmmh!

(Die ersten vier Hauptzutaten kann man natürlich je nach Geschmack und Lust und Laune abwandeln. Und, Röstzwiebeln kann man auch selber zubereiten: Zwiebeln in Scheiben, Stückchen oder Ringe schneiden, leicht mit Weizenmehl bestreuen und in siedendem Fett frittieren.)

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Abu Tarek Koshary restaurant - 
???? ??? ???? - YouTube

Ich habe selten so etwas Gutes gegessen und genieße es. Mohamed schlingt alles in weniger als fünf Minuten herunter. Ich beeile mich, brauche aber trotzdem noch dreimal so lang.

Dann gehen wir zu Fuß weiter zum Ägyptischen Museum. Unterwegs stößt Mohamed 1, der mich am Flughafen abgeholt hat, zu uns. Wieder muß ich eine lästige Sicherheitskontrolle durchschreiten und meine Kamera gegen ein nummeriertes Holzplättchen eintauschen. Schon wieder keine Fotos erlaubt! Ich hasse die Ägypter dafür! Zur „Strafe“ mache ich unter „Lebensgefahr“ mit meinem Handy ein paar Fotos, aber das Risiko ist groß, daß mich einer der zahlreichen, nicht uniformierten und daher schwer erkennbaren Wächter entdeckt. Entweder muß man dann das Foto sofort löschen, oder man bekommt hier richtige Schwierigkeiten. Ich glaube, vorhin gesehen zu haben, daß ein Wächter auch einen Touristen abgeführt hat. Ich bin ja immer für ein Risiko zu haben und liebe sogar manche riskante Situation, hier gebe ich dann aber vernünftigerweise nach und verzichte auf weitere Fotos. (Ich selbst werde ja immer von meinem Schutzengel beschützt, aber steht auch meine Kamera unter diesem Schutz?)

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Hier müßte man einen ganzen Tag verbringen können, um alles in Ruhe betrachten (und fotografieren!) zu können. Besonders beeindruckt mich natürlich der Goldschatz des Tutanchamun. Allen voran seine schwere goldene Totenmaske, die mich ganz außerordentlich fasziniert. (Nofretete im Neuen Museum hat mir ja auch schon mal zugeblinzelt…)

 

Tutanchamun – Wikipedia

http://www.google.de/search?q=tutanchamun&
hl=de&sa=X&rlz=1I7ADRA_de&prmd=imvns&tbm=
isch&tbo=u&source=univ&ei=AC5PT-PBKsedOs
_IyKkK&ved=0CFIQsAQ&biw=1709&bih=755
(wieder ein langer Link zu den dafür umso schöneren Fotos)

Nofretete – Wikipedia

nofretete - Google-Suche  (Fotos)

 

Nachdem ich heil und wieder im Besitz meiner Kamera das Museum verlassen habe, ist noch Zeit, das angrenzende Büro‑Hochhaus der Nationaldemokratischen Partei NDP Mubaraks am Tahrir‑Platz anzuschauen. Es wurde konsequenterweise in Brand gesetzt, als vor genau einem Jahr die Unruhen und letztendlich die Absetzung Mubaraks und das Ende seines Terror-Regimes begannen.

 

Ägypten Reise 2012

 

Revolution in Ägypten 2011 – Wikipedia

Aufstand: Hohngelächter für das ägyptische Regime | Politik | ZEIT ONLINE

 

Mohamed 2 verläßt mich und fährt mit der U‑Bahn nach Hause. Mohamed 1 bringt mich mit Ahmed in unserem Toyota-Bus an der Nil-Corniche entlang und dann über die Stadtautobahn nach Hause ins Mövenpick. Die Stadtautobahn steht hier in der Innenstadt übrigens meist auf Betonsäulen.

Eine meiner Beobachtungen im Verkehr: Du kannst überall anhalten, also tu es! Am besten auf der Autobahn!

Zweite Feststellung: Die Hupe macht, daß sich der Stau vor Dir auflöst, also benutze sie und die Autos, die vor Dir stehen, lösen sich in Luft auf!

Trotz des oft zähen Verkehrs bin ich dann doch um 16:10 Uhr zu Hause. Ich bekomme mein altes Zimmer 713. Da noch Zeit ist, gehe ich rüber in die Roof-Bar des Hotels. Von hier aus hat man einen schönen Blick hinüber zu den drei großen Pyramiden. Leider stört einer der zahlreichen Handymasten jedes Foto. Noch mehr nervt mich (und den Sonnenuntergang) aber eine kleine Gruppe Asiaten mit ihrem dauernden Gelächter. Es wird danach gleich etwas kühl, zuhause soll es sibirisch kalt sein.

 

Ägypten Reise 2012

 

Beim Abendessen gibt es auch ein paar wenige Deutsche, aber kein Vergleich zu früher. Der Restaurant-Chef scheint mich zu mögen. Er brät mir meinen Fisch persönlich. In seinem Clubjacket mit ebensolcher Krawatte sieht er tatsächlich wie ein US-Schauspieler aus, den ich kenne, aber dessen Namen mir jetzt nicht einfällt. Schmaler Oberlippenbart, straff zurückgekämmtes und mit Brisk eingeschmiertes Haar, fast auch ein bißchen wie Higgins aus Magnum, aber eigentlich meine ich einen anderen Schauspieler. Als Filmregisseur würde ich ihn hier sofort wegengagieren.

Bei meiner abendlichen Zigarre in der Lobby gibt es noch einmal Radau. Eine ägyptische Hochzeit. Neun Trommler und ein Flötenspieler lassen mir fast die Trommelfelle platzen. Die „Musik“ ist wirklich sehr laut - und sehr disharmonisch.

Die zwei englisch sprechenden älteren Paare am Nebentisch meckern über meinen Zigarrenqualm und erdolchen mich mit eisigen Blicken. Aber ich bleibe ganz gelassen, denn ich saß zuerst hier.

Welch ein Luxus! Die Heizung funktioniert in meinem Zimmer. Endlich werde ich Morgen früh mal nicht im Bad vor Kälte zittern.

 

Mittwoch, 1. Februar 2012, Kairo + Fayoum

Aufstehen um sieben, Abfahrt um neun Uhr. Beim Frühstück sitzen wieder ein paar Asiaten an einem der Nebentische, alle mit dicker Winterjacke oder gar Daunenmantel. Ein komisches Volk.

Endlich komme ich mal wieder in den Genuß geschälter, geviertelter süßer Orangen, die ich hier so gerne esse. Normalerweise ist die Schüssel schon leergefre…, äh, leergefuttert, weil ich immer irgendwie zu spät komme. Überhaupt ist es angenehm, heute mal etwas Zeit zu haben, gut, daß ich schon um sieben Uhr aufgestanden bin. Endlich mal keine Hetze.

Um viertel vor neun bin ich schon vorne in der Lobby, aber die beiden, Mohamed und Ahmed, warten schon wieder auf mich. Bin ich eigentlich nie mal zuerst da? Ich mußte überhaupt nie auf einen der Reiseführer warten, sie waren immer sehr früh zur Stelle. Ahmed hat die Frontscheibe etwas sauber gemacht, gut so, ist besser für die Fotos.

Mohamed erzählt, daß direkt neben unserem Hotel das neue Große Ägyptische Museum gebaut wird. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, soll es in einer unteririschen, umgedrehten riesigen Pyramide verschwinden. Die Mövenpick-Leute werden sich wegen des Ansturms an Gästen bestimmt schon jetzt ununterbrochen die Hände reiben und gegenseitig auf die Schultern klopfen. Hotelgäste müssen dann nur noch über die Straße, um direkt ins neue Museum zu gelangen. Einziger Wermutstropfen: Leider soll es nicht vor Mitte 2015 eröffnet werden. Und den offiziellen Termin wird man sowieso nicht ein halten können.

Planet-Wissen schreibt dazu:

23.02.2010, Birgit Amrehn, Neubau der Superlative

Schon lange platzt das altehrwürdige Ägyptische Museum aus allen Nähten. 2013 soll es deshalb so weit sein: Das neue "Grand Egyptian Museum", nur 1,5 Kilometer westlich der Pyramiden von Gizeh gelegen, wird dann voraussichtlich seine Pforten öffnen. Der Grundstein wurde bereits 2002 von Ägyptens Präsident Muhammad Husni Mubarak gelegt. Es wird ein Museum der Superlative: Jedes Jahr sollen 4,8 Millionen Besucher an den insgesamt 150.000 Artefakten aus der Pharaonenzeit, aber auch aus der koptischen und islamischen Epoche Ägyptens vorbeigeschleust werden.

An dem bislang weltweit größten internationalen Architekturwettbewerb nahmen 1557 Architekten aus 82 Ländern teil. Letztendlich gewann das Architekturbüro Heneghan Peng aus Irland. Die Baukosten werden auf 550 Millionen US-Dollar geschätzt. Das alte Ägyptische Museum bleibt trotz des Neubaus erhalten. Doch die Konkurrenz wird groß: Wichtige Exponate, wie die Schätze aus dem Grab Tutanchamuns, werden in Zukunft nur in Gizeh zu sehen sein.

Planet Wissen - Das Ägyptische Museum

grand egyptian museum - Google-Suche (Bilder)

Von den Bauarbeiten ist allerdings nichts zu erkennen, ich sehe nur ein paar riesige Sandberge.

Heute fahren wir nach Südwesten, ca. hundert Kilometer nach Fayoum. Die Autobahn ist ziemlich leer und läßt sich problemlos befahren. Rechts wieder riesige Neubauviertel, ausschließlich Wohnblocks. Wahnsinn, was besonders hier in Kairo und Umgebung gebaut wird. Ganz neue Großstädte werden aus dem Wüstenboden gestampft.

Eine Mautstelle. Die Sonne scheint, alles im Lot. Leider kommen wir an einem heftigen Unfall vorbei. Polizei ist nicht zu erkennen. Der übliche kurze Stau davor. Eine holprige einspurige primitive Eisenbahnlinie wird überquert. Viele deutsche Lkw mit ihrer Originalbeschriftung und manchmal deutschen Nummernschildern fahren herum. Die Oettinger Brauerei liefert ihren Gerstensaft offenbar auch hierher.

Bald ist die Wüste wie sie sein soll, nur noch Sand, nichts Grünes. Kein Haus. Nichts. Noch nicht mal Plastikmüll, wirklich nichts. Nur eine unvermeidbare allgegenwärtige Überland-Stromleitung. Doch dann wird es etwas grüner, Palmen, Bäume. Behausungen sind zu sehen, gerade im Bau oder schon wieder am Verfallen, aufgegeben und verlassen. Wer soll hier auch leben?

Links, Richtung Nil, stehen über fünfzig hohe Schornsteine. Ziegelsteine werden hier gebrannt.

Aber zunächst besuchen wir die schon von weitem gut erkennbare Pyramide von Meidum, die zweitälteste nach Sakkara. Natürlich muß ich auch hier tiefgebückt zusammen mit einem Wächter einen endloslangen Brettersteg nach unten kraxeln und dann weiter waagerecht und wieder etwas nach oben klettern, um dann eine leere nach oben spitzzulaufende Grabhöhle mit eingemeißelten Hieroglyphen zu besichtigen. Der Handlauf ist wacklig; achtlos weggeworfener Plastikmüll bleibt hier unten unbeachtet liegen. Niemand nimmt ihn mit nach oben. Welcher Ignorant wirft hier unten seinen Müll weg?!! Der Fluch des Pharaos möge ihn treffen!

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Anschließend wird mir von Mohamed ein Besuch in einer der zahlreichen Grabhöhlen im Hügel nebenan empfohlen. Hier muß ich rückwärts sehr tief gebückt und fast auf Knien schräg nach unten kriechen. Nach langer Quälerei bin ich vor einer lose angelehnten wackeligen Leiter angekommen, die weiter senkrecht nach unten führt. Umdrehen kann ich mich hier nicht, ich müßte rückwärts einen Riesenschritt über eine Kuhle hinwegmachen, um die Leiter zu erreichen. Aber hier schlägt die Vernunft zu, ich breche gnadenlos ab, (ausnahmsweise, meine Angehörigen werden mich hoffentlich dafür loben), es ist mir einfach zu gefährlich und ich krieche wieder nach oben. Man muß wissen, wann der Punkt zur Aufgabe erreicht ist. Wahrscheinlich haben die oben herumstehenden Wächter untereinander Wetten abgeschlossen, ob ich heil rauskomme oder nicht…

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Weiter fahren wir, jetzt nach Fayoum, einer endlos weiten fruchtbaren Senke, in der sehr viel Gemüse und Obst angebaut wird. Mohamed spricht von einem Viertel Ägyptens. Früher war hier ein großes Meer, das mit dem Mittelmeer verbunden war. „Fayoum“ heißt demzufolge auch „großer See“. Wal-Knochen hat man hier sogar gefunden. Heute gibt es noch einen salzigen See, der über eine meist unterirdische Verbindung mit dem Nil verbunden ist, 130 km lang. Große Städte mit sehr vielen Menschen gibt es hier. Auch hier sind wieder viele neue Wohngebiete im Bau. Lange gerade Straßen führen in die Stadt, alle mit Laternen beleuchtet. An Strom muß man nicht sparen.

Eine neue Schnellstraße nach Luxor wird gebaut, siebenhundert Kilometer lang.

Vier Kinder sind in einer ägyptischen Familie normal. Städter haben auch schon mal ein, zwei Kinder weniger, die haben ja auch mehr andere „Unterhaltungsmöglichkeiten“. Auch hier gibt es eine große Universität. Kleintiere hält man der Einfachheit halber auch gerne auf den Dächern der Häuser, Enten, Gänse, Hühner, eine Ziege oder ein Schaf…

Fayyum-Becken – Wikipedia

In Fayoum machen wir Stopp. Unendlich viel Müll, besonders auch am Bahndamm entlang. Hier an einem Wasserrad empfiehlt mir Mohamed eine Kutschenfahrt. Ich sitze natürlich vorne auf dem Bock und darf auch mal die Zügel übernehmen. Ich habe ja etwas Übung und kann kutschieren. Nur der Peitschenknall will mir nicht gelingen, obwohl der Kutscher mir fünfzig Dollar geben will, für den Fall, daß es bei mir so laut wie bei ihm knallt. Naja, Geld ist auch nicht alles…

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Wir fahren ein bißchen durch die Stadt. Die Leute sehen mich schon mal etwas erstaunt an, normalerweise sitzen die Touristen offenbar hinten, wo jetzt Mohamed alleine sitzt und breit grinst. Manche Leute, vor allem auch Kinder, sind recht freundlich und rufen mir einen Willkommensgruß zu, lächeln mich auch schon mal an. Ob es ernst gemeint ist?

Wir fahren zu einem anderen Wasserrad im „Botanischen Garten“, den es aber gar nicht gibt, nur ein, zwei Palmen, eigentlich keine Sensation, da habe ich in Hama doch ganz andere, unendlich viel größere Wasserräder gesehen.

Obst und Gemüse, und vor allem auch das Fleisch sollen hier eine erheblich bessere Qualität haben, weil die Bauern so gut wie keine Chemie benutzen. Auch hier gibt’s gemächlich grasende Wasserbüffel, geduldige Esel und kleine Pferde, meckernde Ziegen und blökende Schafe. Federvieh sowieso. Es ist etwas grüner als sonst, aber auch immer noch sehr staubig.

„Maschimasch“ (oder einfach nur das kurze „maschi“) heißt hier OK. Die Ägypter gucken mich immer etwas verdutzt an und schmunzeln dann, wenn ich es zu ihnen sage.

Was ich hier am meisten hasse, sind Bodenwellen, eine der sieben biblischen Plagen, hier sind sie sehr schlimm und brutal, in Holland gibt’s jetzt auch immer mehr davon. In Mexiko sind sie auch tödlich, dort gibt es aber nicht so viele.

Witzig, wir fahren bis an den Salzwassersee, halten kurz für ein Foto und fahren sofort zurück. Mitten auf der Straße stehende Fischverkäufer strecken uns ihre Fische entgegen. Überholen bei Gegenverkehr ist kein Problem, der andere weicht schon an den Straßenrand aus. Meistens. Auf dem Rückweg muß erneut Maut bezahlt werden.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Willst Du Autofahren in Ägypten? Ganz einfach, vergiß sämtliche Regeln. Halt, OK, eine gibt es, fahr meistens rechts wenn es Dir gefällt, aber Du darfst fahren wie und wo Du willst, gerne auch auf der Gegenfahrbahn.

Weiße Striche auf der Fahrbahn? Ignoriere sie, sie dienen ausschließlich der Verschönerung und haben keinerlei Bedeutung.

Blinker? Benutze ihn wie Du möchtest. Nur nicht beim Abbiegen.

Fahrspuren? Wer sagt, daß Du sie einhalten mußt?

Du möchtest stehen bleiben? Tu es. Die andern werden Dir freundlich zuhupen. Halte einfach an, wo Du willst, die andern machen es auch.

Ladungssicherung? Vergiß es! Du brauchst sie nicht.

Auf der Autobahn die Ausfahrt verpasst? Nimm die Auffahrt dahinter, sie gehört Dir, die entgegenkommenden Autos freuen sich, Dich zu sehen.

Aber es gibt leider doch schonmal Autounfälle und dann gleich heftig. Hier in Fayoum und kurz vor Kairo auch wieder. Kein Wunder, so wie die hier fahren.

 

Ägypten Reise 2012

 

Auf der linken Seite kommen wir an den neuen Friedhöfen Kairos vorbei, sehr groß und sehr ausgedehnt. Schon von weitem sind die imposanten Pyramiden von Gizeh im Dunst zu sehen.

Unser Mittagessen bekommen wir um drei in Kairo, in einem Restaurant unterhalb der Pyramiden mit wunderschönem Blick auf dieselben. Auf meinen Wunsch vegetarisch, erst wieder viele der von mir so heißgeliebten Vorspeisenteller, dann ich Reis, Pommes, Gemüse, Auberginen, die andern beiden mit Huhn.

 

Ägypten Reise 2012

 

Das Eis ist knochenhart, so hart wie die Pyramiden, wahrscheinlich nebenan herausgemeißelt, ungenießbar, es schmeckt wie es aussieht. Danach gibt’s Tee. Natürlich Ägyptischen. Für uns alle Drei.

Es folgt noch ein Besuch in einem Textilladen. Aber sie haben dort nichts Brauchbares für mich.

Hier in der Stadt möchte ich kein Busfahrer sein. Wäre ich ja vielleicht geworden, wenn in mir kein Kaufmann gesteckt hätte.  

Hast Du Deinen Motor hinten? Dann mach Deine Motorhaube auf!

Mohamed und ich steigen aus und laufen zu Fuß über die Nilbrücke, den Sonnenuntergang im Rücken habend. Viele bekannte Hotelnamen sind zu sehen, auch sie haben jetzt kaum Gäste, obwohl Hauptsaison ist, weil ständig schlechte Nachrichten aus Ägypten kommen. Die meisten Touristen sind halt sehr empfindlich und schnell verschreckt. Wie schon letztes Jahr auf meiner Orientreise. Mohamed leidet auch darunter. Wie alle, die mit Tourismus zu tun haben. Die großen Reisebusse mit den zahlreichen Touristen gibt es so gut wie gar nicht mehr.

An der Deutschen Schule und am Goethe-Institut vorbei kommen wir zum berüchtigten Tahrir-Platz, ganz in der Nähe des Nils und des Ägyptischen Museums. In der Mitte haben sich die Demonstranten mit Plakaten, Transparenten und vielen Zelten niedergelassen. Mohamed weist mich auf ein paar große Plakate hin, auf denen die Köpfe vieler Leute abgebildet sind, Mubaraks Schergen und Kumpane, die jetzt allesamt im Knast sitzen und denen der Prozess gemacht wird. Der Verkehr läuft ungehindert daran vorbei und um die riesige Insel mit den Demonstranten herum. Mohamed hat mir vorher ein paar Verhaltensmaßregeln gegeben, nicht viel fotografieren, nicht zu sehr hinstarren, nicht viel Aufhebens machen. Deswegen lassen mich die Leute auch ungeschoren.

 

Ägypten Reise 2012

 

Wieder fallen mir arme schwer behinderte Menschen an Krücken auf und machen mich traurig. Kinderlähmung. Rollstühle sind offenbar zu teuer.

Jede Straßenüberquerung wird hier in Ägypten zur Herausforderung, für ängstliche Menschen besteht tatsächliche Lebensgefahr. Deshalb nicht zur Seite gucken, einfach durch und rüber. Dann geht es auch meistens gut…

Offensichtlich ist das hier eine der Hauptgeschäftstraßen, aber ohne bekannte Namen, die sind wohl an anderer Stelle.

Autos hupen, Leute wuseln herum, Krach, Schmutz, Müllberge, Straßenverkäufer. Meine Kamera verlangt eigentlich nach vielfältigen tropischen Pflanzen, wohltuenden Farben, orientalischer Kunst und arabischer Architektur, in einem Wort nach Schönheit und Sauberkeit und bekommt das alles leider nicht geboten. Nicht in Ägypten.

Ein Big Mac kostet nur 16 Pfund = 2 EUR.

Die Sonne geht unter, es ist ja auch schon 18 Uhr.

Wir trinken Tee in einem kleinen Laden, erster Stock, enge Wendeltreppe hinauf, alles ist schmutzig-klebrig, schlimm, hier möchte ich nichts freiwillig anfassen, und rauchen jeder eine Wasserpfeife. (Ich kann es Mohammed einfach nicht abschlagen. Er will mich unbedingt einladen. Entweder ich überlebe es – oder sterbe…)

 

Ägypten Reise 2012

 

Ein Muezzin ist durchs offene Fenster zu hören oder ist es ein Handy-Klingelton? Im Fernseher sehen ein paar Leute einem Fußballspiel zu. Am nächsten Tag höre ich von schwersten Ausschreitungen, siebzig Toten und sechshundert Verletzten:

 

Sportbild, 02.02.2012, 23.32 Uhr:

Nach den tödlichen Krawallen am Rande eines Fußballspiels in Ägypten haben sich wütende Demonstranten in Kairo Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert. Die Anhänger des Kairoer Klubs Al-Ahly machten den Chef des Militärrats, Hussein Tantawi, für den Tod von mehr als 70 Fußballfans am Vorabend in Port Said verantwortlich.

„Dies war kein Sportunglück, dies war ein Militärmassaker!”, riefen die tausenden Demonstranten, als sie vom Sitz des Fußballclubs zum zentralen Tahrir-Platz marschierten. Als die Demonstranten weiter zum Innenministerium vordringen wollten, setzte die Polizei Tränengas gegen sie ein; nach Angaben von Ärzten wurden mindestens 20 Menschen verletzt. Die Demonstranten warfen Steine auf die Polizisten.

Bei einem Spiel zwischen den Mannschaften Al‑Masry aus Port Said und Al‑Ahly aus Kairo waren am Mittwochabend unmittelbar nach dem Abpfiff Fans von Al‑Masry auf das Spielfeld gestürmt und hatten Spieler und Anhänger der gegnerischen Mannschaft mit Flaschen und Steinen beworfen. Im Internet waren Fotos von blutüberströmten Spielern zu sehen. Nach Angaben von Innenminister Mohammed Ibrahim wurden die meisten der Opfer erdrückt. Neben den mehr als 70 Toten gab es nach Angaben des Gesundheitsministeriums hunderte Verletzte. Die Polizei nahm 47 Menschen fest.

 

Aber das wissen wir jetzt noch nicht und brechen wohlgemut auf. Mohamed möchte heim, dabei habe ich meine Shisha noch gar nicht aufgeraucht.

Shisha – Wikipedia

Weil es schon hierher soviel Gedränge gab, fahren wir mit der U-Bahn, leider nur eine Station bis zum Tahrir-Platz. Denn auch hier beim Umsteigen warten schon wieder viel zu viele Leute auf die Bahn Richtung Gizeh, das will mir Mohamed nicht antun und deshalb ruft er Ahmed an, damit er uns hier abholt. Sonst wären wir noch ein, zwei Stationen weiter und unter dem Nil durchgefahren.

 

Ägypten Reise 2012

 

Mohamed hat seinen Auftrag gut erfüllt und wir nehmen herzlich Abschied voneinander. Er fährt mit der U‑Bahn heim und Ahmed bringt mich zum Hotel. Die Oper ist wunderschön beleuchtet und wahrscheinlich das sauberste Gebäude der Stadt. Sie wurde Kairo von der japanischen Regierung 1988 geschenkt. Von der Nilbrücke herab kann ich zahlreiche beleuchtete Ausflugsschiffe und die Hotels bewundern.

Einhundertzwanzig Parteien soll es jetzt geben. Kein Wunder, daß sie bei der Konstituierung ihres neuen Parlaments nicht vorankommen.

Später wird es wieder zähflüssig. Willst Du z.B. rechts abbiegen, ordne Dich lange vorher links ein, alle freuen sich und senden Dir einen freundlichen Gruß zu.

Je mehr Abgas Du ausstößt, desto besser bist Du, die andern wollen Dich schließlich auch riechen.

Ahmed kann ganz schön schimpfen, aber er hält sich unter Kontrolle. Jedenfalls solange ich im Auto bin. Er kann auch mal einen unangenehmen Kollegen zurückquälen, der ihn vorher geärgert hat. Aber das ist ja normal. Ich mache so etwas aber niemals.

Hier wieder ein paar Erfahrungen: Fahr auf der linken Spur der Stadtautobahn ganz langsam und ohne Licht im Dunkeln: Sehr gut, Du steigst in der Achtung der andern.

Unbeleuchtetes Auto mit Panne auf der dunklen Autobahn? Du bist der Abräumer. Auf der linken Seite? Dann bist Du der König!

Der Warnblinker ist nur dafür da, Deine Freude über irgendetwas auszudrücken. Eine Panne gehört ganz bestimmt nicht dazu.

Blinker? Wofür hat ihn Gott Dir geschenkt? Benutze ihn als Ausdruck Deiner guten Laune bzw. Deiner Lebensfreude.

Noch besser ist es, wenn Du ihn schonst.

Möchtest Du spazieren gehen? Dann am besten nachts auf einem Stück unbeleuchteter Autobahn. Dunkle Klamotten hast Du ja schon an. Du bist unsichtbar. Super!

Um 19 Uhr sind wir zurück am Hotel, nur vierzig Minuten für die Heimfahrt. Ich gebe Ahmed für Mohamed noch eine meiner Zigarren mit, weil ich sie vorhin vergessen hatte. So staubig wie heute waren meine Sandalen die ganzen Tage nicht.

Oh je, schon wieder wenig Gäste, also wird es wieder kaum Auswahl am Buffet geben. Ja, stimmt.

Mr. Higgins ist auch wieder da und bedient mich wieder persönlich. Offenbar mag er mich, kommt ja nicht so oft vor, und brutzelt mir wie gestern meinen Fisch. Der Koch muß dabei zusehen.

Zwei deutsche Reiseleiter und vier deutsche laute Frauen sind im Restaurant. Die vier Ober stehen sich die Beine in den Bauch und streiten sich um jeden abzuräumenden Teller.

Heute gibt es ausnahmsweise mal ein wohlschmeckendes Mousse au Chocolat; ich verkneife mir, es mir ein zweites Mal zu holen.

Zigarre in der Lobby. Heute singt mal wieder eine Sängerin. Typisch, ihre Musik überschneidet sich mit der Hotelbeschallung, niemand kümmert sich darum. Ein bißchen tut es weh. Lieblos und einfach typisches Desinteresse.

Später im Bett sehe ich im ZDF und auf vielen arabischen Sendern die Berichte über das schlimme Fußballspiel.

Die erste Hälfte einer abwechslungsreichen Reise geht zu Ende, ich habe viele neue Erkenntnisse gesammelt.

 

Donnerstag, 2. Februar 2012, Luxor

 

Heute beginnt die zweite Hälfte meines Urlaubs. Die Abholung wurde erfreulicherweise um eine dreiviertel Stunde auf 8.45 Uhr nach vorne verschoben. Nur ein paar Deutsche und ein paar arabisch aussehende Leute sind beim Frühstück im Hotel.

Natürlich, Mohamed 1 ist schon da und erwartet mich. Ist das hier das Hase und Igel-Spiel? Er wohnt zwei Stunden entfernt in einem kleinen Dorf östlich und kommt extra mit dem Bus in die Stadt rein, nur um mich zum Flughafen zu eskortieren. Ahmed fährt.

Gut, daß ich ihn frage, Mohamed muß sofort anrufen und meine Fahrt nach Abu Simbel für mich buchen.  Es kostet 120 EUR statt 95 EUR, weil ich alleine fahre und ich muß sofort bezahlen.

Kairo verabschiedet mich mit zähem Dunst über der Stadt und einem freundlichen Stau auf der Stadtautobahn.

 

Ägypten Reise 2012

 

Denk dran, Dein Warnblinker ist für alles da, nur nicht zum Warnen!

Verkaufsstände, vor allem für Getränke, stellt man einfach am Rand der Autobahn auf, die Leute im Stau sind Dir dankbar für eine Erfrischung. Und: Du mußt nichts für Deinen Stellplatz bezahlen!

Du willst Deinen Weg etwas abkürzen? Dann nimm doch mit Deinem Eselkarren einfach die Autobahn! Kein Problem. Mach‘s einfach!

Erstaunlicherweise gibt es aber sehr wenig wirkliche Schäden an den Autos, höchstens leichte Kratzer oder „Abschabungen“. Auch erstaunlich, die Autos sind teilweise alt, sehr alt, fünfzig Jahre alt.

Zwei verstaubte Blitzer-Kameras sehe ich am Rand der Autobahn, bestimmt sind sie kaputt, auf jeden Fall schon lange ohne jegliche Wartung.

Wir fahren rings um die Stadt, wie schon am Anfang dieser Reise, diesmal nur andersrum. Südlich.

Stell Dich beim Trampen mitten auf die Autobahn! Umso eher wirst Du mitgenommen. So oder so…

 

Ägypten Reise 2012

 

Nach einer Stunde sind wir da. Hier oben am Flughafen ist deutlich weniger Smog und Dunst. Später fällt mir wieder das abschüssige Rollfeld mit meterhohen Absätzen auf, habe ich so noch nie auf einem Flughafen gesehen.

Mohamed bringt mich zum Boarding-Schalter für meinen Flug nach Luxor und nimmt den Bus gleich wieder nach Hause zurück, Ahmed fährt alleine mit dem Auto weg. Wir verabschieden uns freundlich voneinander.

Alle Ansagen erfolgen in Arabisch und Englisch, und dann in der Sprache des Ziellandes, also z.B. deutsch für einen Flug nach Wien, türkisch für Istanbul, zusammen mit einer typischen Melodie des Ziellandes. Es ist nicht viel los.

Ich muß über eine Stunde warten, was mir aber nichts ausmacht, bin von Haus aus schon nicht so der gesellige Typ und eher ein Einzelgänger. Und nach so einer aufregenden Woche bin ich ganz gerne mal für mich allein, genieße die Entspannung und hänge meinen Gedanken nach.

Leider komme ich hier nicht ins Internet: “Too many active subscribers. Try later again.” Was bestimmt gelogen ist.

Auch hier sind die Sicherheitskontrollen sehr lässig und nicht so unangenehm. Mit sonstigen Flughafenkontrollen in keinster Weise vergleichbar.

Der Passenger-Bus macht mit uns eine Rundfahrt bis an die entlegenste Stelle, wo unser kleiner Flieger auf uns wartet, alle Plätze sind besetzt. Jetzt weiß ich schon, daß auf dem Rückweg bestimmt auch wieder eine weite Busfahrt ansteht.

Nach langer Zeit sehe ich mal wieder meine Tasche in unsren Flugzeugbauch rollen, sonst ist das Gepäck ja nur noch unsichtbar in Containern.

Ein Mönch mit seiner Frau ist unter den Passagieren. Dürfen die das? Auch sonst gibt’s genug schwarz gekleidete Mönche unter den Passagieren. Obwohl ich offiziell in Reihe 24 sitze, sitze ich in Wirklichkeit in der fünften Reihe und komme nachher schnell hier raus. Ein anderer (einziger) Mönch darf Business fliegen. Dort sind sieben von acht Sitzen frei.

Unser Start ist immerhin pünktlich, gut für ägyptische Verhältnisse.

 

Ägypten Reise 2012

 

Unsere Embraer 170, (werden/wurden in Brasilien gebaut), hat bestimmt reichlich Flugstunden auf dem Tacho. Unten ist nur noch graubraune Wüste. Schade, wir machen keine Schleife über die Stadt und biegen stattdessen sofort nach Süden ab. Zwei Startbahnen, aber eine wird wohl noch lange nicht gebraucht werden. Rechts ahne ich anfangs noch den Nil im Dunst.

Ich erkenne ein paar Sandpisten, aber auch gelegentlich schnurgerade geteerte Straßen, auch ein, zwei neue kleine moderne Flugplätze, mitten in der Wüste, mit ein paar Behausungen, sonst nichts.

Wind und Wetter ließ die steinigen Felsen erodieren und die Natur fraß breite, sehr breite geschwungene „Flüsse“ in die Landschaft. Wie sehr breite Autobahnen. Aber mit teilweise engen Windungen. Oder waren das vor Jahrtausenden doch mal richtige Flüsse?

 

Ägypten Reise 2012

 

Das grüne Band des Nils ist nur noch ganz hinten am Horizont erkennbar. Die Leute, die links sitzen, müssten eigentlich den Sueskanal sehen können. Ich bin hier ja schon ein paarmal geflogen.

Kurz vor Luxor erreichen wir wieder das fruchtbar-grüne Tal des Nils. Großzügige Kanäle spenden den etwas entlegenen Gegenden das Wasser. Dem Fluß wird überall so viel Wasser entnommen, daß ich mich immer wieder darüber wundere, daß unten immer noch ein breiter Strom ins Mittelmeer mündet.

Pünktlich um 12:30 Uhr kommen wir auf unserer Außenposition an und der Bus bringt uns zum Empfangsgebäude. Zwanzig Minuten später, um 12:51 Uhr sitze ich schon im Pkw, meine Tasche war nicht die erste, aber höchstens die zehnte, da freue ich mich natürlich, daß es diesmal mit dem Gepäck wieder so gut klappt. Draußen sind es immerhin 18 Grad in der Sonne. Mohamed 3 holt mich mit Fahrer in einem Toyota ab. Jeder zweite heißt in Ägypten Mohamed.

Ist der Luxus des Vornesitzens vorbei? Ich sitze jedenfalls hinten. Eine kleine Schmalspurbahn quert unsere Straße, jede Menge Wagen mit Zuckerrohr dahinter.

 

Ägypten Reise 2012

 

Der Fahrer fährt einen anderen Stil als Ahmed, heißer, ägyptischer. Die beiden brausen an allen schönen Sachen vorbei, ich bedauere es.

Mohamed übergibt mich vor dem Schiff an den dunkelhäutigen Mahmoud.

 

Ägypten Reise 2012 

Ich kann nicht immer ein Glückspilz sein. Manchmal schlägt das Schicksal auch schonmal hart zu: Mahmoud checkt mich auf der MS Nile Ruby ein, es dauert und ist offenbar sehr schwierig. Hier eine Bewertung des Schiffes aus holidaycheck.de:

 

5 Steine im Wasser als Schiffsbewertung zum Schiff Nile Ruby - damit der Urlaub kein Reinfall wird

 

Schiff allgemein

Bewertung 1.0 (von 6.0)

Sonnen

Der Gesamtzustand des Schiffes läßt eher auf baldige Verschrottung als auf weitere Nutzung schließen. Einen derartigen Seelenverkäufer als Premiumklasse zu verkaufen ist nicht mehr unverfroren sondern schon wieder recht witzig. Die Ausstattung ist mäßig bis gar nicht - das Essen hat denselben Standard

 

Kabine

2.0 (von 6.0)

Sonnen

Die Suite verlangt sehr viel Humor, Möbel welche auseinander fallen, Spots sind grundsätzlich in zu großen Löchern verbaut, sodaß sie immer einseitig raushängen. Der Kopfteil des Doppelbettes ist mit riesen Fettflecken geschmückt, die Fenster wurden in den letzten Jahren wohl mit keinem Putzlappen mehr gequält. Dafür war der Kabinensteward sehr bemüht und hat vieles wieder gut gemacht.

 

Gastronomie

3.0 (von 6.0)

Sonnen

Die Qualität der Speisen war sehr stimmungsabhängig, von wem auch immer, mancher Tags war es eher ein Quiz - wer errät, was es ist - und manchmal war´s sogar richtig gut. Das Personal war sehr aufmerksam und bemüht.

 

Service

5.0 (von 6.0)

Sonnen

Die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft des Personals war gut, mit ein bisschen Bakschisch konnte man so ziemlich alles bekommen was man benötigte.

 

Sport Unterhaltung

1.0 (von 6.0)

Sonnen

Der Fitnessbereich war wieder von der humorigen Art. Drei sehr verdächtig unfallträchtige Fitnessgeräte am Sonnendeck, sowie ein Pool etwa von der Größe einer Vogeltränke, kann man nicht wirklich als Sportanlagen bezeichnen. Die Shows am Abend mit dem ambitionierten Küchen- und Servicepersonal waren schrecklich.

 

Mein Zimmer ist noch nicht fertig, also erst mal runter ins Restaurant im Unterdeck, die Fenster liegen hier knapp über der Wasserlinie, zum Mittagessen. Fünfundzwanzig runde Tische mit je sechs Plätzen; an meinem sitzen zwei nette Engländer aus der Nähe Oxfords.

Während des Essens kommt Mahmoud aufgeregt zu mir und führt mich zum Zimmer. Es liegt auf der dritten Etage - und ich habe die vierte und oberste gebucht. Und bezahlt! Das ganze Schiff ist alt, sehr alt. Zwei schmale Betten, ein altes Bad, es sieht nicht sehr appetitlich aus. Der Safe geht nicht, er hat keinen Strom, Batterie ist leer. Er sieht so alt und schmutzig aus, daß ich ihm nichts anvertrauen möchte. Zum Glück habe ich mein neues T‑Shirt mit den eingebauten Holster-Taschen dabei. Da habe ich alle Wertsachen bequem am Mann und spüre sie nicht.

Folgendes Problem besteht zurzeit: Die Schleusenwärter in Esna streiken noch immer und lassen nur eine bestimmte Anzahl Schiffe durch. Deshalb werden alle Passagiere auf wenigen Schiffen zusammengefaßt. Deshalb ist das Oberdeck bereits ausgebucht und deshalb muß ich mit der Kabine im Mitteldeck vorlieb nehmen.

Die meisten Passagiere sind Engländer und Deutsche, halb und halb. Ich fühle mich nicht wohl. Doch alles Jammern nützt nichts. Deshalb geht es in einer halben Stunde mit einer Besichtigung weiter.

Doch erst einmal gehe ich nochmal runter ins Restaurant und genieße mein Dessert und trinke mein restliches Bier. Der schöne Teil der Reise ist offenbar vorbei. Zudem mußte ich meinen Paß an der Rezeption abgeben. Warum eigentlich, ich kann ja doch nicht abhauen.

Um 14:45 Uhr treffe ich mich wieder mit Mahmoud und ein Fahrer fährt uns in einem Toyota-Van zum Karnak-Tempel. Der Parkplatz ist fast leer, nur drei Busse sind da.

 

Ägypten Reise 2012

 

Am Eingang empfangen uns zwei imposante Reihen Sphinxen. Übrigens sind das hier Widder, keine Löwen wie an den Pyramiden oder andere Tiere. Der Widder war das heilige Tier des Gottes Amun, dem Karnak hauptsächlich geweiht ist.

Mahmoud fängt gleich mit seinen umfangreichen Erklärungen an. Dreißig Dynastien haben hier im Laufe der Jahrhunderte gebaut und der Tempel besteht in Wirklichkeit aus vielen einzelnen Tempeln, deshalb sollte man besser von „Karnak-Komplex“ sprechen. Jeder Pharao hat erst einmal umgebaut, abgerissen, neu gebaut. (Warum müssen Herrscher immer große Bauwerke zurücklassen? Washington DC, Paris, Berlin und überall! Alles auf Kosten des Volkes. Könnte man nicht etwas sinnvolleres mit dem Geld machen?!)

Hier ist Ost-Theben, drüben, auf der anderen Seite des Nils liegt West-Theben. Hier hat man gelebt, hier standen die Wohnhäuser, Paläste und Tempel, drüben, auf der gegenüberliegenden Seite des Nils waren die Gräber und Totentempel. Theben war lange Zeit Hauptstadt, bis es dann Memphis (bei Kairo) wurde.

James Bond-Liebhaber werden sich gerne an die aufregenden Verfolgungsszenen Roger Moores im Film „Der Spion, der mich liebte“ aus 1977 erinnern. Die wurden hier gedreht.

Karnak-Tempel – Wikipedia

karnak tempel - Google-Suche  (Fotos)

 

Ich bin jetzt mindestens zum dritten Mal hier und immer noch voller Bewunderung für die Leistung der alten Ägypter. Gerade wurden zwei kleine Häfen ausgegraben und freigelegt, die die Tempel damals mit dem Nil verbunden hatten.

Über uns ist die Sichel des gerade wieder aufgehenden Mondes zu sehen. Mahmoud weist mich darauf hin, daß die Sichel hier waagerecht steht; bei uns ist sie senkrecht.

Ein paar Minuten später weiß ich, wie man einen Obelisken aus den Felsen haut und könnte es jetzt auch. Es fehlten mir nur so etwa dreitausend Männer und fünf Jahre Zeit. Neunundzwanzig soll es von ihnen gegeben haben. Und aufstellen könnte ich ihn jetzt auch. Es geht ähnlich einfach, wie man einen Maibaum bei uns aufstellt…

Obelisk – Wikipedia

Hinter Säulen und Ecken tauchen ständig geheimnisvoll oder verschwörerisch winkende Araber in langen Galabias (ist das der korrekte Plural?) oder auch Wächter in Uniform auf und wollen mir, wirklich nur mir, ganz besondere Einmaligkeiten zeigen. (Ja, ich weiß, gibt es eigentlich nicht, es gibt immer nur eine einzige Einmaligkeit!) Ein Uniformierter bettelt ganz besonders und ist so aufdringlich, daß ich seinem Winken schließlich nachgebe. Sofort sind noch zwei andere Kumpel von ihm da, die auch Geld haben wollen.

Anschließend besuchen wir den nahegelegenen etwas kleineren Luxor-Tempel in der langsam untergehenden Nachmittagssonne.

Luxor-Tempel – Wikipedia

luxor tempel - Google-Suche  (Fotos)

 

Beide Tempelanlagen waren früher mit einer imposanten drei Kilometer langen Sphinxen-Allee (diesmal mit Menschenköpfen) verbunden, die jetzt gerade ausgegraben worden ist. Zahlreiche Häuser mußten dafür verschwinden. Nur eine koptische und eine christliche Kirche wehren sich noch gegen ihre Verlegung.

 

Ägypten Reise 2012

 

Gegen 17:30 Uhr sind wir zurück auf dem Schiff und ich lade Mahmoud zu einem kühlen Bier auf dem Sonnendeck ein. Als braver Moslem will er aber nur einen Tee. Er erzählt mir von dem furchtbaren Fußballspiel in Port Said und von den Schleusenproblemen in Esna. Außerdem, wie schlimm die Tourismuskrise die Leute hier trifft, weil kaum noch jemand kommt. Achtzig, neunzig Prozent weniger Besucher, das ist eine Katastrophe. Alle leben ausschließlich vom Tourismus, Industrie gibt es hier im Süden so gut wie gar keine.

Was haben die Leute hier nur früher gemacht, als es noch keine Handys gab? Jeder hat eins und ist trotz aller Geldnot ständig am Quatschen, noch viel mehr als bei uns. Mahmoud natürlich auch. Und wer nicht gerade am Quasseln ist, hält es wenigstens als Statussymbol in seiner Hand.

Die Nilschiffe liegen meistens als Päckchen zu mehreren „knirsch“ aneinander. Die Passagiere, deren Schiffe in der Mitte liegen, und die, deren Fenster dorthin aufgehen, sehen in knapp ein, zwei Metern auf die jeweilige andere Bordwand – und in das gegenüberliegende stets zugezogene Fenster. Ich habe schon wieder Glück im Unglück, wir sind das dem Land zu am nächsten liegende Schiff und mein Fenster geht auch nach dorthin. Ich habe also Luft, Licht und Aussicht.

Gottseidank habe ich Sagrotan mitgenommen und desinfiziere erst mal die wichtigsten Dinge in meiner Kabine und im Bad. Vor allem Telefon und TV-Fernbedienung. Der kleine alte Grundig-Fernsehapparat funktioniert auch nicht. Morgen werde ich ihn reklamieren.

Steckdosen? Mehrere?! Kann man fast vergessen. Es gibt nur eine für den Fernseher. Gut, daß ich den jetzt nicht brauche. Aber ich habe ja noch einen Dreifachstecker im Gepäck. Sagrotan und Dreifachstecker brauche ich jetzt eigentlich zum ersten Mal auf meinen Reisen, also doch nicht ganz umsonst mitgeschleppt. Übrigens, überall in Ägypten liegen 220 Volt an, auch hier auf dem Schiff, und unsere deutschen Stecker bzw. Eurostecker passen.

Meine Kabine liegt ziemlich weit hinten. Schon vorher zu Hause hatte ich gelesen: Sehr ungünstig! Lärm und Abgase der ununterbrochen laufenden Maschinen dringen zu gerne in die hinteren Zimmer ein. Am besten Fenster zulassen! Und das bei mir, wo ich dringend auf ein offenes Fenster angewiesen bin. Aber wenigstens läßt es sich immer mal kurz aufschieben. Beim Reiseveranstalter hatte ich Oberdeck und „Kabine vorne“ verlangt. Vergebens! Mahmoud kann mir auch nicht helfen. Die andern Leute sind größtenteils schon gestern an Bord gekommen und es war nichts Besseres mehr für mich frei. Warum habe ich keine Ohrstöpsel dabei? Oder wenigstens eine Gasmaske…

 

Ägypten Reise 2012

 

Mahmoud gibt mir auch ein paar Verhaltenstipps, weil die Händler zurzeit noch aufdringlicher als sonst sind. Taschendiebe soll es auch geben. Versteht man ja auch ein bißchen, bei der Not, unter der die Leute jetzt leiden müssen.

Mein Bett ist höchstens 90 Zentimeter breit, hoffentlich falle ich nachts nicht raus. Das andere gleiche Bett ist durch einen Nachttisch von mir getrennt. Das nenne ich lieblos. Beide Kopfteile haben eine dunkelbraune Textilbespannung mit eingetrockneten Flecken, die ich mir lieber nicht genau ansehen möchte. Dieses Schiff ist absolut untragbar. Ob der schmutzige Rauchmelder an der Decke noch funktioniert? Sieht eigentlich nicht so aus. Das Eingangslicht an der Tür geht auch nicht. Wenn dieses Schiff unterginge, wäre es bestimmt nicht schade darum. Immerhin gibt es eine Rettungsweste ganz unten im Schrank.

Heizung? Da kommt nichts anderes außer leicht gekühlter Luft raus. Aber ich bin ja schon abgehärtet. Warum habe ich nicht auf die Warnung meiner Freunde gehört und bin zuhause geblieben? Leider hatte ich keinerlei Einfluß darauf, welches Schiff ich zugeteilt bekomme. Das Schleusenproblem verschärft das Ganze noch, weil das Schiff jetzt voll besetzt ist, sonst gäbe es vielleicht noch ein paar freie Zimmer und ich könnte versuchen, die Kabine zu wechseln.

Mahmoud erzählt, daß statt ein paar hundert Schiffen wegen des Touristenrückgangs überhaupt nur noch ein paar wenige fahren.

Minibar: Ja aber selbstverständlich. Gerne. - Allerdings leer! Ein toter kleiner Kühlschrank sieht mich mit traurigen Augen an.

Ich höre jedes Geräusch der umliegenden Zimmer, Gespräche, Fernseher, vor allem die ständig zuknallenden Zimmertüren. OK, ist halt wie Radio. Die Infomappe über das Schiff? Leer! Hier braucht niemand eine Info. Wenigstens hat mir Mahmoud gesagt, daß es um halbacht Abendessen gibt.

Im Badezimmer ist so gut wie alles schmutzig, vergammelt, kaputt, zerbrochen/angebrochen oder geht nicht. Bis auf Wasserhahn und Toilettenbecken. Die Wände in der Dusche sind bestimmt seit Jahren nicht mehr gesäubert worden. Das grenzt hier schon fast an Survivaltraining. Ich glaube, ich bleibe jetzt abends manchmal lieber mal etwas staubig und verschwitzt. (Zu oft Duschen soll ja der Haut schaden…)

In der Dusche kommt mir dann mein zwergenhafter Wuchs entgegen, wie kürzlich im Wohnmobil. (Was andere an Länge haben, habe ich halt an Weite. Nach vorne.) Über 1,80 m sollte man hierdrin möglichst nicht sein. Und dick darf man auch nicht sein. Ich kenne Menschen mit etwas barocker Üppigkeit, die die runde Schiebetür wahrscheinlich nicht schließen könnten.

 

Ägypten Reise 2012

 

Fühle mich nicht sehr wohl in meiner staubigen Haut. Der hohe Preis meiner Reise garantiert halt nicht automatisch hohen Komfort, sondern nur Gewinn für den Berliner Reiseveranstalter. Schade.

Außer nach einer Hotelübernachtung in Bitburg habe ich schon jahrelang kein Herpes mehr gehabt. Ob ich das hier heil überstehe?

Vor mir auf der Promenade grölen ein paar junge Demonstranten herum. Das hat mir jetzt gerade noch gefehlt und ist das i-Tüpfelchen auf dem ganzen. Nur gut, daß ich alleine gefahren bin, die Kabine ist für zwei Leute etwas klein. Und gut, daß E. und I. aus B. nicht mitgefahren sind. Spätestens jetzt hätte ich zwei gute Freunde weniger…

Nach dem Abendessen statte ich der Bar im Oberdeck einen Besuch ab. Wenigstens kann ich hier in Ruhe meine Zigarre rauchen und einen Gin Tonic (ohne Eiswürfel!) genießen. Ganz oben im Freien auf dem Sonnendeck ist es schon viel zu kalt dafür.

 

Ägypten Reise 2012

 

Um 22:30 Uhr liege ich im Bett und schließe beide Äuglein zu.

 

Freitag, 3. Februar 2012, Luxor + Nil

Heute ist die Nacht kurz. Mein Handy weckt mich um 04:30 Uhr. Der versprochene telefonische Weckruf kommt fünfzehn Minuten später und daher viel zu spät. Nix mit nochmal Rumdrehen. Erst soll ich unten im Restaurant kein Frühstück bekommen, obwohl gestern Abend besprochen und fest zugesagt. Gut, daß ich etwas früher aufgestanden bin und noch etwas Zeit für entsprechende Diskussionen übrig habe. Nach einigem Hin und Her bekomme ich es aber doch noch serviert. Mahmoud wird sich später wieder darüber aufregen. Ägyptische Bürokratie nennt er es. Ich bin natürlich der erste und einzige Gast hier unten. 

Youssef mit den eiskalten Händen holt mich um 05:25 Uhr ab und bringt mich zu seinem Boot in der Nähe. Am Ausgang unseres Schiffes überreicht mir noch schnell ein Wächter trotz der frühen Stunde eine schmutzige laminierte Karte, sonst darf ich später nicht zurück aufs Schiff und sie wissen, wenn alle Leute zurück an Bord sind.

Youssef spricht gebrochenes Deutsch und weiß alles über die deutsche Fußball-Bundesliga. Mehr als ich. Klinsmann, FC Bayern, Loddar M., Beckenbauer. Ich glaube, auch den Namen Schweinsteiger herauszuhören.

Hier liegen noch mehr dieser Boote und alle füllen sich nach und nach, vor allem mit Asiaten, Engländern und ein paar Franzosen. Deutsch höre ich gar nicht. Ein im Dunkeln nicht lesbares Formular muß von jedem unterschrieben werden. Dann folgen ein paar Sicherheitsinstruktionen. Wofür das alles? Na, für die Ballonfahrt natürlich!

6:02 Uhr. Ganz langsam dämmert es. Wir warten noch immer. Warum mußte ich eigentlich sooo früh aufstehen?

Hier stehen ein paar Bäume, in denen unzählige Vögel laut zwitschern, auch nachts. Es gibt Tee, Kaffee und Sandkuchen.

Nach dem Briefing muß noch eine weitere Liste mit dem jeweiligen Namen und Gewicht ausgefüllt werden. Wir werden in unserm Boot genau zwanzig Leute sein und fahren alle im selben Ballon. Endlich kommen die noch gefehlt habenden beiden Franzosen, jetzt sind wir komplett und auch unser Boot legt schließlich ab.

Jede Menge weißer Toyota Busse warten schon drüben auf dem gegenüberliegenden Nilufer auf uns und wir sausen am Hatschepsut-Tempel und an den beiden verlassenen Memnon-Kolossen vorbei. Mit den Bergen und besonders mit den Felswänden vor mir werde ich später noch nähere Bekanntschaft machen. Aber das weiß ich jetzt noch nicht.

Von unterwegs aus sehe ich schon ein paar bereits gestartete Ballons. Unserer wird gerade ausgebreitet und mit einem Riesenventilator aufgeblasen. Wie schon kürzlich in der Türkei werden die zwanzig Passagiere in vier Abteile gequetscht. Der Pilot steht wieder in der Mitte im eigenen Abteil.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Wir sind schließlich ungefähr zwanzig Ballons in der Luft. In unserem Korb nur Asiaten, Engländer und Franzosen. Und ein Deutscher. Ich. Schade, die Sonne kommt schon wieder nicht hinter dem dicken Dunst hervor, schon wieder keine schönen Farben der Heißluftballons.

Hier im Korb eines Heißluftballons bekommt der Begriff „Gasgeben“ plötzlich eine ganz andere Bedeutung. Jedes Mal, nachdem der Pilot die Gasflamme eines der vier Brenner gezündet hat, steigen wir auf. Mit einer Leine kann er eine kleine Klappe öffnen und unser Ballon dreht sich.

Wir fahren gemächlich nach Süden, links ist der Nil gerade noch so zu erkennen. Rechts ist das Tal der Könige und der Tempel der Hatschepsut von oben deutlich zu sehen, dann kommen links die Memnon-Kolosse und rechts das Tal der Königinnen und der Habu-Tempel.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Wir fahren noch ein kleines Stück weiter durch das Luftmeer. Kühl ist es eigentlich nicht, nur eng. Die Kinder eines kleinen Dorfes laufen uns hinterher, ganz schön weit über Stock und Stein, ich bedauere sie ein bißchen. Und dann landen wir. Es ist 7:40 Uhr. Alle müssen sich im Korb mit ihren Knien gegen die Außenwand drücken. Nur ich nicht. Für mich gibt es keinen Platz mehr zum Knien. Die Franzosen neben mir machen sich ganz schön breit. Aber es geht gut, das Aufsetzen ist nicht so hart wie sonst schon manches Mal.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Die Kinder sind jetzt auch da. Und betteln heftig. Da kann ich natürlich nicht widerstehen. Obwohl man ja nicht soll. Unterwegs im Korb habe ich gehört, daß bei einem Paar der Weckruf ihres Hotels auch viel zu spät erfolgt ist. Sie mußten innerhalb zehn Minuten angezogen sein. Gut, daß ich mich in solchen wichtigen Fällen gerne zusätzlich auf den eigenen Handywecker verlasse.

Auf der Rückfahrt hält unser kleiner Bus kurz an den zwanzig Meter hohen Memnon-Statuen, um mich herauszulassen. Mahmoud ist schon da, wieder mit unserem Toyota-Bus von gestern. Unser Fahrer heißt Jassir. Wie Arafat. Die Memnon-Kolosse sollen nach dem berühmten Agamemnon benannt worden sein. Leider sind sie nicht mehr allzugut erhalten; sie schauen nach Osten, Richtung Nil.

Memnonkolosse – Wikipedia

http://www.google.de/search?q=memnon+kolosse&
hl=de&rlz=1I7ADRA_de&prmd=imvns&tbm=isch&tbo=
u&source=univ&sa=X&ei=xd07T9nhJI7MtAbC3NDK
Bg&ved=0CDgQsAQ&biw=1296&bih=573
  (Fotos)

(Ich bitte um Entschuldigung, der Link ist tatsächlich so lang und ich will ihn lieber nicht umbenennen, weil er dann vielleicht nicht mehr funktioniert.)

Hier an den Memnons wird gerade der dazugehörige Tempel von Pharao Amenophis III ausgegraben.

Weiter geht es zum Tal der Könige. Endlich sitze ich wieder vorn im Auto. Mahmoud erzählt, daß es hier insgesamt fünfundsechzig Gräber gibt, zwei davon sind noch gar nicht ausgegraben. Wer weiß, was sich darin und auch sonst noch hier alles verbirgt…

Schon wieder muß die Kamera im Auto bleiben. Die spinnen, die Ägypter! Drei Gräber darf man besuchen und zur Kontrolle wird die Eintrittskarte von den jeweiligen Wächtern am Eingang mit einem Bürolocher gelocht. Die Guides müssen draußen bleiben, weil es sonst viel zu viel Unruhe in den Gräbern geben würde, deshalb müssen sie ihre Erklärungen vor den jeweiligen Gräbern abgeben.

 

Ramses 9, Ramses 3 und Ramses 4 besuche ich. Obwohl es draußen eigentlich mehr Händler und Wächter gibt, drängeln sich hier drin doch die Leute. Ich mache ein paar verwackelte Bilder mit meinem Handy. Leider sind auch hier die Wächter nicht an einer Uniform zu erkennen. Einen übersehe ich im Gedränge der vielen Leute und er erwischt mich. Sonst ist das ja stets einfach mit wenig Geld zu regeln. Dieser hier ist aber scharf aufs Geld und ich muß zweimal zwanzig Pfund (etwas über fünf Euro) und zwei Kugelschreiber ihm und seinem Kumpan bezahlen. Man muß halt wissen, wenn man verloren hat. Ein wichtigtuerischer Wächter kann auch reichlich Ärger verursachen. Dann wird es nur teurer. Es wäre eigentlich alles nicht so schlimm, aber ich muß das Foto auch noch vor seinen Augen löschen…

Die Gräber werden abwechselnd zur Besichtigung freigegeben, damit sie sich zwischendurch „erholen“ können. Das Grab des Tutenchamun würde hundert Pfund extra kosten, lohnt sich aber angeblich nicht und ist auch überhaupt sehr klein.

Der sonst übliche Besuch einer Alabaster“fabrik“ (= Werkstatt) bleibt mir erspart. Das ist der Vorteil, wenn man einziger Reisegast ist.

 

Ägypten Reise 2012

 

Es folgt ein Besuch des Hatschepsut-Totentempels. Seit meinem letzten Besuch vor ein paar Jahren ist ein ganz neues Feld nebenan ausgegraben worden. Natürlich, jetzt ist die Sonne da, die vorhin gefehlt hat. Es ist schon längst wieder heiß. Warum nicht heute Morgen?

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Die Leute werden vom Parkplatz aus mit kleinen Bummelbahnen zum Tempel gefahren. Und wer ist der Fahrer unserer Bimmelbahn? Der Schreiber dieser Zeilen…

Der schlimme Terroranschlag auf den Hatschepsut-Tempel, an den sich ja noch einige Menschen erinnern werden, war übrigens 1997.

 

www.tagesspiegel.de, 17.11.1997 00:00 Uhr

Weltweit schwerstes Attentat auf Touristen vor dem Hatschepsut-Tempel in Luxor.

Zwei Deutsche unter den Opfern (dpa).

Beim weltweit blutigsten Terroranschlag auf Urlauber sind am Montag (17.11.1997) vor dem Hatschepsut-Tempel in der ägyptischen Stadt Luxor 56 Touristen getötet und 24 Menschen verletzt worden, darunter zwölf Schweizer, zwei Deutsche, ein Japaner, ein Franzose und acht Ägypter. Nach offiziellen Angaben starben auch vier Ägypter und sechs der sieben Attentäter im Kugelhagel von Maschinenpistolen und anderen Schußwaffen.

 

Wir fahren fast denselben Weg, wie heute Morgen mit dem Ballon. Jede Menge Zuckerrohr wächst hier. Ich habe es schon aus dem Ballon gesehen. Und Weizen. Aber dessen Pflanzen sind noch ganz klein. Am Kanal wieder jede Menge Müll und Unrat. Und das in all der Armut. Die Häuser haben oft gar kein Dach, nur ein paar Schilfmatten. Und auch hier leben fast überall Tiere innerhalb der Mauern. Esel, Kuh, Vogelvieh. Für Milch, Käse, Eier, Hühnerfleisch. Dazu jede Menge Müll. Gutmütige Hunde und Katzen laufen überall wild herum.

Viele Fahrzeuge sind mit Zuckerrohr beladen. Esel auch. Die Zuckerfabrik ist nur fünfzehn Kilometer entfernt. Obwohl, mit einem Eselkarren ist es ganz schön weit dorthin. Aber es fährt auch hier eine Schmalspurbahn.

 

Ägypten Reise 2012

 

Plastikwasser muß ich kaufen. Vorhin, am Hatschepsut-Tempel kostete eine kleine Flasche mit 0,3 Liter zehn Pfund. Jetzt bekomme ich zwei große mit je 1,5 Litern für denselben Preis. Übrigens Geld: Man braucht ständig kleine Scheine, fünf Pfund (0,60 EUR), zehn Pfund, zwanzig Pfund. Für die Trinkgelder an die vielen Leute. Das wäre ja nicht so schlimm, aber es ist in der Praxis dann doch ein großes Problem, ein sehr großes. Man bekommt diese kleinen Scheine nur sehr schwer. Niemand will einem die großen Scheine aus dem Geldautomaten wechseln. Münzen für die Toilette usw. sind noch schwieriger zu bekommen. Inzwischen amüsiere ich mich über meine Naivität und die anfangs umgetauschten 50 EUR, die braucht man am Tag allein für Tipps, alles kostet. Man darf niemand angucken, ansprechen oder gar fotografieren. Sofort geht die Hand auf und streckt sich einem entgegen…

Dann geht es über die große Nilbrücke und zurück zum Schiff. Nanu, wo ist die Nile Ruby? Am Ufer liegt plötzlich ein ganz anderes Schiff. Sie haben ihre Plätze getauscht, ich muss durch drei durch, um auf unser Schiff zu kommen und dann liegt mindestens noch eins auf der anderen Seite vor uns.

Der Fernseher läuft jetzt wieder, das Antennenkabel war defekt. Das Bild flackert aber, nur zwei drei arabische Programme gibt es.

Mahmoud hat jetzt seinen Koffer dabei. Er fährt mit mir und betreut mich exklusiv auf unserer Reise. Ich erzähle ihm von dem Problem heute Morgen mit dem Frühstück, das mir erst verweigert wurde und er reklamiert an der Rezeption. Als es Ärger geben soll, gebe ich nach, deswegen muß jetzt kein Drama draus gemacht werden.

Die Ruby ist bestimmt das schlimmste aller jetzt fahrenden Schiffe. Warum muß ich ausgerechnet da drauf kommen? Aber jetzt weiß ich, warum man vor der Reise angeblich noch nicht den Namen wußte, denn da hätte ich ja gleich viel Wirbel machen können. Eigentlich eine gute Masche und ganz geschickt vom Berliner Reiseveranstalter eingefädelt.

Der Abflußstopfen des Waschbeckens im Bad sitzt jetzt fest. Der Zimmerboy hat ihn reingedrückt. Er kann nicht verstellt werden! Es gibt gar keinen Hebel dafür! Entweder fest drin oder offen. Ich reklamiere. Antwort: Ich soll jedesmal einen Boy rufen, der unter das Waschbecken kriecht und ihn wieder nach oben rausdrückt. Und ich wollte eigentlich mindestens alle zwei Tage mein T‑Shirt und ein paar andere Sachen waschen. Aber das Waschbecken sieht überhaupt so schlimm aus, daß ich sowieso lieber darauf verzichten und nicht waschen möchte - und die schmutzigen Sachen weiter anziehe.

Ich habe noch nie in meinem Leben so schmutziggraue Stores gesehen wie hier am Fenster in meiner Kabine. Bettwäsche und Handtücher natürlich auch grau, grau, grau. Und dann der an den Rändern schmutzig-schwarze (eigentlich rot-gemusterte) Teppichboden. Lieber nicht so genau hinsehen…

Um 13 Uhr wird es täglich Mittagessen geben. Um 13:20 Uhr legen wir fast pünktlich und nur zehn Minuten zu spät ab.

Auf einmal gibt’s auch Holländer an Bord. Zwei von ihnen sitzen jetzt zusammen mit den beiden Engländern an meinem Tisch, der sechste Stuhl bleibt leer. Wir unterhalten uns auf Englisch. Die Fenster hier unten liegen knapp oberhalb des Wasserspiegels; von der Brust nach unten „steht“ man eigentlich im Nilwasser. Es ist wunderbar blau und mit weißem Schaum gesprenkelt.

Ich höre hier, daß die andern Leute auch keine Heizung in ihren Kabinen haben. Am besten soll es sein, alles auszuschalten, Klimaanlage und Ventilation. Und das bei geschlossenem Fenster!

Egal, jetzt sitze ich oben auf dem Sonnendeck im Schatten, rauche genüßlich meine Zigarre und entspanne mich bei einem Tee. So ungefähr zweihundertzehn Kilometer liegen vor uns. Langsam gleiten die beiden Ufer an uns vorbei. Das Leben ist schön! Allen nicht vorhandenen Komfort vermisse ich jetzt schon nicht mehr. Nach den aufregenden Tagen zuvor kehrt jetzt etwas Ruhe ein. Mahmoud läßt mich auch in Frieden. Gut, daß ich nicht auf die mannigfachen Unkenrufe meiner Freunde vor der Reise gehört habe.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Die meisten Nil -Schiffe sind etwa gleich groß in Länge, Breite und Höhe, vier Etagen plus Sonnendeck. Bis zu fünf Schiffe liegen am Ufer meistens nebeneinander. Wer Pech hat, sieht auf der ganzen Reise während der Liegezeit aus seinem Fenster nur auf ein anderes Schiff direkt vor ihm.

Die vorhin erwähnte Zuckerfabrik fährt gemächlich an uns vorbei. Sie sieht eigentlich wie bei uns aus, nur kleiner. Die Menschen am Ufer winken uns freundlich zu, obwohl sie doch jeden Tag eine ganze Reihe solcher Schiffe vorbeifahren sehen. Wir winken zurück.

Ein havariertes längst verlassenes Touristenschiff, die MS Armada, liegt traurig am Ufer auf Sand und erinnert an die Costa Concordia. Niemand kümmert sich um das aufgegebene Schiff. Welches Schicksal verbirgt sich dahinter? Jetzt weiß ich, daß die Rettungswesten in den Kabinen manchmal doch nicht ganz unnütz sind.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Langsam wird die Nillandschaft an uns vorbeigezogen. Die Nachmittagssonne ist heiß, obwohl gerade erst der Februar angefangen hat. Wie heiß mag es hier im Sommer werden…

 

Ägypten Reise 2012

 

Die Maschine im Bauch des Schiffes sendet entspannende Vibrationen durchs Schiff und lässt alle zweiundzwanzig Spieler des bemitleidenswerten Kickers neben mir wackeln und zittern; hier wird niemand mehr dran spielen, alles ist verrostet und verrottet. Der Feuerlöscher löscht wahrscheinlich kein Feuer mehr; er soll Sicherheit vermitteln, aber das Gegenteil ist der Fall. Die vertrockneten Pflanzen hier oben auf dem Sonnendeck spiegeln den gesamten Zustand der totalen Vernachlässigung dieses Schiffes wider. Sogar die wenigen Rettungsringe am Geländer sind brüchig, aufgerissen und unbrauchbar.

Der Fluß liegt wie geschmolzenes flüssiges Silber vor uns. Er muß hier ca. vier, fünfhundert Meter breit sein. Ich kenne ja nur Rhein, Main, Donau, Rhone und Mississippi, doch der Nil ist ganz anders, breiter als ich ihn mir vorgestellt habe.

Auch hier wieder: Viele Leute lesen Bücher, lösen Kreuzworträtsel, rätseln an ihren Sudokus, dösen vor sich hin – und sehen kaum auf.

Nil:

Der Nil ist der längste Fluß der Erde (ca. 6.850 Kilometer). Er fließt durch Tansania, Kenia, Burundi, Ruanda, Zaire, Äthiopien, Uganda, den Sudan und schließlich durch Ägypten.

(Aus Äthiopien soll das meiste Wasser kommen. W.R.V.)

 

Die schrecklichen, nach und nach einsetzenden Gesänge der Muezzins aus den überall gegenwärtigen Moscheen dringen zu mir bis aufs Schiff.

Das Schiff fährt erstaunlich schnell und bahnt sich seine Fahrt durch die Fluten. Der Fluß wird immer breiter. Der Nil könnte durchaus mein Freund werden. Nur die Gittertürme der Handysendemasten stören ein wenig die sonnige Landschaftsidylle.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Ich bin einziger Reisender meines Veranstalters. Deshalb hängt nie ein Tagesplan für mich aus, wie sonst für die anderen Passagiere. Aber alle haben das gleiche Tagesprogramm, deshalb brauche ich nur darauf zu gucken. Mahmoud schreibt mir dann aber für manche Tage auch noch extra ein Tagesprogramm.

Hier wachsen vor allem Bananen und Zuckerohr. Ägypter lieben sehr süße Sachen, wie alle arabischen Menschen. Pünktlich um vier Uhr ist Teatime mit etwas Sandkuchen, Tee und Kaffee.

Die Schiffe fahren in sanften leichten Bögen, mal rechts, mal links. Mahmoud erklärt mir warum: Der Kapitän weicht den Sandbänken aus, deshalb heißt es auch Nil“kreuz“fahrt. Die Kapitäne sind von Natur aus sehr geschickt, wenn sie auch manchmal noch nicht mal lesen und schreiben können. Mahmoud will dafür sorgen, daß ich Morgen mal auf die Brücke darf.

 

Ägypten Reise 2012

 

17:50 Uhr. Die Schleuse Esna kommt langsam in Sicht. Die Sonne ist leider schon untergegangen. Fliegende Händler mit kleinen Booten machen an der Bordwand fest, eigentlich müsste es „schwimmende Händler“ oder so heißen.

Weitere Händler erwarten uns an beiden Mauern der Schleuse und bieten ihre Waren an. Dabei werden sie mit ihren Preisen immer billiger. Hauptsache, es kommt überhaupt etwas Geld herein. Ihre Klamotten können sie ja nicht essen. Doch im Halbdunkel ist es sehr ungünstig für sie, kaum jemand kauft etwas. Das Schiff wird hier angehoben, deshalb wäre der Handel von außen aufs Schiff durch die unterschiedliche Höhe ganz praktisch. Die Händler können (könnten) alles gewünschte einfach den Meter zum Schiff auf die einzelnen Etagen rüberreichen.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Im Bad ist der Boden jetzt ständig naß, irgendwo ist etwas undicht. Das neue Antennenkabel ist auch nicht viel besser, das Bild zittert und flackert. Die instandgesetzte Lampe im Eingang ist schon wieder kaputt, sodaß ich den Safe im Dunkeln schon wieder nicht öffnen oder schließen kann. Der Abflußstopfen im Waschbecken ist ein eigenes Drama. Das schmutzige Waschbecken selbst auch.

Das Fenster hinaus zum Fluß ist schmuddelig, überhaupt ist einfach alles schmutzig, rostig und vergammelt – und mehr oder weniger kaputt. Warum ist nicht dieses Schiff gestrandet?

Im Restaurant sind beim Abendessen sämtliche Plätze besetzt. Heiß hier drin. Das Essen selbst ist OK, nicht viel Auswahl, Reis, Fleisch, Hühnchen, Gemüse. Etwas Salat und ein paar süße Nachspeisen. Und eine Suppe. Mir genügt jetzt zu allen Mittag- und Abendessen Reis mit Gemüse, esse ja gerne vegetarisch.

Bei Mahmoud habe ich noch einmal alles reklamiert und während des Abendessens hat man versucht, meine Forderungen so weit wie möglich zu erfüllen. Jetzt sind Mahmoud und der Bord-Manager dabei. Der TV ist ausgetauscht und die Lampe geht wieder. Während der Fahrt darf ich mein Fenster ausnahmsweise aufschieben, nur wenn wir festliegen, soll ich es geschlossen halten. Der Rauchmelder könnte sonst wegen der Abgase Alarm auslösen. Am Stöpsel des Waschbeckens kann man nichts ändern. (Den fasse ich schon zuhause nicht an, hier bestimmt nicht. Und jedesmal jemanden dafür anfordern – also das will ich auch nicht.) An der Undichtigkeit kann man auch nichts ändern…

Aber immerhin geht mein Fenster auf den offenen Nil hinaus. Die andere Bordseite hat mal wieder Pech und kann ein anderes Schiff bewundern.

Wie jetzt immer, rauche ich nach dem Abendessen meine Zigarre in der Bar und trinke einen schwachen Gin Tonic dazu. So heiß wie es tagsüber wird, so kalt ist es abends im Freien.

Ich liege schon im Bett, als wir Edfu um 22:45 Uhr erreichen und dort anlegen.

 

Samstag, 4. Februar 2012, Edfu, Kom Ombo + Assuan

In der Nacht habe ich mehrmals mein Fenster aufgeschoben. Aber die Abgase der Maschine sind tatsächlich recht lästig. Wir liegen immer noch in Edfu.

Ich sehe in die richtige Richtung nach Osten und kann der Sonne um halbsieben beim Aufstehen zuschauen. So genieße ich endlich wieder mal einen frühen Morgen. Draußen ist es noch angenehm kühl.

 

Ägypten Reise 2012

 

Später sehe ich, daß zwei Schiffe auf der anderen Seite neben uns liegen. Was habe ich ein Glück. Allerdings sehen die beiden Schiffe erheblich besser aus, manche bieten ihren Passagieren sogar schmale Balkons vor den Fenstern.

 

Ägypten Reise 2012

 

Drüben am gegenüberliegenden Ufer sehe ich einen Zug nach Süden fahren, den ersten in Ägypten. Mahmoud erklärt mir später dazu, daß fünf, sechs Züge täglich zwischen Assuan im Süden und Kairo fahren, zwei auch noch weiter bis Alexandria, nachmittags und abends mit Schlafwagen der 1. + 2. Klasse, also klimatisiert, mittags auch mit 3. Klasse-Wagen, alle ziemlich lang, zehn, fünfzehn, zwanzig Waggons, alle natürlich von Diesel-Loks gezogen.

 

Ägypten Reise 2012

 

Nach dem Frühstück verlassen wir alle das Schiff. Vor uns auf der Uferstraße haben sich zig Kutschen versammelt, die alle nach und nach mit ein, zwei Passagieren zum berühmten Horus-Tempel streben. Ist ja klar, ich sitze beim Schwager vorn, Mahmoud hinten. Manche Kutschen sind besonders üppig mit Silber beschlagen. Hier gibt es so viele, daß sie sogar Nummernschilder haben. Übrigens Ziffern: Sie sind ganz einfach auswendig zu lernen. Ich kenne sie aus beruflichen Gründen schon lange und „übersetze“ auf dieser Reise ständig gerne zum Zeitvertreib und zur Übung viele Nummernschilder der Autos in unser Ziffernsystem. Arabische? Haben wir nicht auch arabische Ziffern? Aber unsere sind ja in Wirklichkeit indisch-arabische Ziffern.

 

Ägypten Reise 2012

 

Mahmoud erklärt mir im Tempel wieder alles und läßt mich dann wie immer allein, damit ich in Ruhe meine Fotos machen kann. Der Boden vieler Tempel soll übrigens verschwenderisch mit Silber (= Wasser) ausgelegt gewesen sein. Und Gold gab’s natürlich auch in Hülle und Fülle.

Jetzt so früh am Morgen habe ich gerade noch Glück, es sind nur wenige Touristen da, die meisten Besuchergruppen der anderen Schiffe kommen erst, als ich den Tempel schon wieder verlasse. Dieser Tempel war auch halb unter Sand begraben. Viele Wohnhäuser standen darauf, als 1860 mit der Freilegung begonnen wurde. Die Wände sind überall bis in schwindelerregende Höhen kunstvoll bemeißelt und behauen. (Und bemalt gewesen). Übrigens: Je später ein Tempel entstanden ist, desto weniger tief hat man dann schonmal die Wände graviert. Arbeiter waren wohl auch damals schon teuer, oder gute Arbeiter selten.

Alles ist hier so riesig, so gewaltig, daß mein sonst so großer Weitwinkel kaum noch ausreicht. Auch dieser Tempel beeindruckt mich sehr stark. Ist ja klar, im Innern strengstes Fotografierverbot.

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012


Inzwischen erkenne ich (fast) sämtliche Kapitelle an den Säulen, ägyptische, römische, griechische, Lotos-Kapitelle, Papyrus-Kapitelle, alles.

Tempel von Edfu – Wikipedia

tempel edfu - Google-Suche  (Fotos)

Zwei eingebildete deutsche Tussis, die ich schon auf dem Hinflug nach Kairo und dann noch mehrmals während der Reise gesehen habe, müssen hier auch wieder herumlaufen. Ich werde sie noch ein, zwei Mal sehen, sogar noch auf dem Rückflug.

Gute Nachricht, Mahmoud will Morgen für ein besseres Zimmer sorgen. Ein Teil der Passagiere geht dann von Bord und so bietet sich eine gute Gelegenheit dafür.

Auf dem Rückweg darf ich wieder die Zügel übernehmen und Pferd und Kutsche lenken. Ich kann es ja, die Pferde reagieren auf den leichtesten Zug an der Leine.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Welch ein Land, in dem sogar die Friedhöfe schwer bewacht werden müssen.

Ein Schiff nach dem anderen hinter uns und vor uns legt ab, wir machen Platz, damit das mittlere ablegen kann. Ein ganzes Schiff mit Holländern fährt los. Gut, daß wir noch liegen bleiben, vielleicht haben wir ja wieder Glück und können heute Abend als letztes Schiff wieder außen festmachen.

Mit Mahmoud vereinbare ich die Ausflüge für morgen und übermorgen. Um 10:45 Uhr legen wir in Edfu ab.

Nach dem Horus-Tempel von Edfu kommt gleich noch ein weiterer Höhepunkt: Ich darf zum Käpt’n auf die Brücke. Hier sind alle recht freundlich zu mir und ich bekomme gleich ein Glas Tee (ganz ungewohnt, kostet ausnahmsweise mal nichts) und einen Aschenbecher vor mich hingestellt. Der 1. (Primo) und der 2. Kapitän (Secundo), beide in Galabias und mit weißem Turban, zwei Matrosen und ein Sicherheitsmann sind da.

Der jeweilige Steuermann sitzt auf einer etwas höheren Holzbank und sieht durch das offene Fenster nach vorne raus. Es gibt zwar ein hölzernes Steuerrad, aber er steuert unser Schiff ganz lässig mit zwei Tasten in einer Kabelfernbedienung, entweder rechts oder links. Die Anzeigen der beiden Maschinen stehen fest bei ca. 1.600 UpM.

Kompaß, Radar, Echolot, Funksprechgeräte, Karten, sonstiger moderner Kram oder gar Elektronik? Unnötig! Teufelszeug! Der Steuermann hat alle Sandbänke im Kopf. Das genügt. (Und so fahren sie auch in der Dunkelheit!) Bojen braucht man auch nicht. Habe überhaupt nur eine schmutziggraue gesehen. Seit fünfzig Jahren dürfte sich hier nichts geändert haben. Unser Schiff hat nur 1,80 m Tiefgang. Bei den anderen Schiffen ist es genauso, sagt man mir.

Übrigens stammen alle Kapitäne aus nur zwei kleinen Ortschaften hier am Nil. Ein Mann aus einem anderen Ort hätte gar keine Chance. Uniform und Schulterklappen und das ganze Gedöns brauchen sie nicht. Das modernste hier auf der Brücke ist ein mit viel Klebeband umwickeltes billiges Walkie‑Talkie. Und ein alter kleiner schmutziger Fernseher. Etwas sauberes Intaktes dürfte es auf dem ganzen Schiff nicht geben. Gut, daß die hier keine Führung machen, ich möchte nicht wissen, wie es im Maschinenraum oder gar in der Küche aussieht. (Später erfahre ich, daß das nicht stimmt, es gibt eine Führung, aber ich nehme lieber nicht daran teil.)

Unterdessen begegnen uns ein paar Schiffe. Der im Moment freie Kapitän steht draußen vor dem Steuerstand im Freien und begrüßt alle entgegenkommenden Schiffe durch heftiges Winken. Drüben ist es genauso. Außerdem hupt man sich kollegial zu und gibt Lichtsignale mit dem großen Scheinwerfer vorne am Bug. Jeder wird hier jeden kennen.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

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Hier oben auf dem Sonnendeck herrscht eine Zweiklassengesellschaft. Die einen liegen vorne in der Sonne am Pool und bekommen langsam Sonnenbrand, die andern sitzen in der hinteren Hälfte unter dem schattenspendenden Sonnensegel.

Sogenannte „Long Cruise Ships“ für Reisen von Kairo über Luxor nach Assuan sind bereits geplant. Der Nil muß aber dafür noch weiter ausgebaggert werden. Außerdem bestehen leider immer noch Sicherheitsprobleme. Es gibt direkt am Fluß teilweise sehr großflächige Zuckerrohrfelder und darin könnten sich Terroristen verstecken, anschleichen und die Schiffe angreifen. Deshalb gibt es zurzeit nur die relativ kurze Strecke zwischen Luxor und Assuan.

Feluken begegnen uns, kleine Ausflugsschiffe, sie fahren oft ohne Motor, nur mit zwei Segeln, manchmal werden sie auch geschleppt, vor allem, wenn es keinen Wind gibt. Später erfahre ich, daß es Dahabeyas sind, relativ klein, aber viel persönlicher und komfortabler - und natürlich nur auf ein paar wenige Gäste eingestellt. Wer diese Tour machen möchte, dem empfehle ich, diese Art einer Nilreise in Betracht zu ziehen. Wahrscheinlich ein bißchen teurer, aber weitab vom Massentourismus, den doch heute wirklich niemand mehr haben möchte. Sie sollen für unsere Zweitage-Reise (ca. 220 km) vier, fünf, sieben Tage benötigen. Wäre wirklich mal wert, um darüber nachzudenken. Die beste Reisezeit soll übrigens zwischen Oktober und April sein. Im Sommer ist es hier viel zu heiß.

 

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13:00 Uhr. Ein Glöckchen erklingt, nein, nicht das Christkind, nur der Boy geht durchs Schiff und meldet, daß es Mittagessen gibt. Ich warte lieber mal ab, mal sehen, ob in einer halben Stunde noch etwas für mich übrig gelassen worden ist. Vielleicht kann ich ja mal alleine essen, ohne die etwas anstrengenden ununterbrochen quasselnden Leute an meinem Tisch. Personal räumt unterdessen hier oben auf. Sogar ein alter betagter Staubsauger kommt zum Einsatz. Der hilft hier aber auch nicht viel. Alle grünen Teppiche sind umgebogen und haben sich in gemeine Stolperfallen verwandelt. Schlagartig bin ich hier oben der einzig übriggebliebene Passagier.

An beiden Ufern stehen überall Esel und Pferde herum und warten geduldig. Sich selbst überlassene arme Hunde sind von Natur aus brav. Hier sieht man es ganz deutlich. Sie sind einfach überall und schauen mich immer traurig und hungrig an. (Böse Hunde wurden von Menschen böse gemacht!)

Fischreiher staken am Ufer entlang und suchen sich ihr Essen. Auf dem Fluß tummeln sich Fischerboote. Ich kann beobachten, wie die Fischer mit ihren Rudern aufs Wasser schlagen, um die Fische in ihre Netze zu treiben.

Die vorher vereinzelten Palmen verwandeln sich langsam in Gruppen und dann in ganze Palmenwälder. Jetzt werden unsere Kurven im Strom auch schonmal etwas heftiger, es muss hier also mehr Sandbänke geben.

Eine Autofähre überquert den Fluß. Wahrscheinlich die einzige auf unserer Flußfahrt.

Die drei "Fitnessgeräte" fristen hier oben ein trauriges Dasein, niemand kann sie mehr benutzen, man könnte aufräumen und sie am besten gleich jetzt und hier in den Nil werfen. Wie so vieles hier.

Erneut verwandelt sich das vorher grüne Wasser in flüssiges Silber. Das Wasser sieht überhaupt recht sauber aus, erstaunlich. Aber es gibt darin für uns Europäer bösartige Bakterienstämme, sodaß man es besser vermeiden sollte, direkt mit dem Nilwasser in Berührung zu kommen, ohne direkt anschließend die Hände ordentlich waschen zu können. (Mit bösartigen Bakterien kenne ich mich ja leider schon aus.) Ein einziges kleines vergammeltes Frachtschiff sehe ich. Güterverkehr auf dem Nil gibt es hier so gut wie überhaupt nicht.

Magere Kühe und Büffel versuchen mühsam zu grasen. Alle sind immer einzeln angebunden, sie haben noch nie eine Herde gesehen und können das ihnen angeborene Herdengefühl gar nicht ausleben.

Die Wüste rückt hier von Westen näher an den Fluß heran und versucht sich zu behaupten. Auf der gegenüberliegenden Seite erstrecken sich endlose Palmenwälder.

Nach dem Mittagessen sinniere ich, daß man hier durchaus auf die Idee kommen könnte, es Agatha Christie gleichtun zu wollen und einen Kriminalroman schreiben könnte. Wer ist der Mörder? Ist es einer des Personals? Wer ist die Leiche? Natürlich einer der viel zu vielen Passagiere. Oder soll ich am besten gleich mehrere sterben lassen? Eine Epidemie? Dann hätte ich gleich jetzt schon ein besseres Zimmer. Und mehr Platz beim Essen im Restaurant. Und mehr Ruhe…

 

Ägypten Reise 2012

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15:30 Uhr. Wieder das bekannte Glöckchen. It’s Teatime.

Einzelne Kühe baden im warmen Wasser des Nils. Hier oben auf dem Sonnendeck ist es inzwischen etwas ruhiger geworden. Kaum jemand fotografiert noch die immer gleiche Landschaft. Bücherseiten werden weiter umgeblättert, Rätsel gelöst, viele sehen kaum noch auf, um die Landschaft zu bewundern. Ganz selten gibt es mal einen altertümlichen Traktor. Die meiste Arbeit auf den Feldern erledigen Esel und Kühe.

 

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Laute Wasserpumpen ohne Auspuff fördern unentwegt kostbares Nass in die Felder.

Ich könnte so die nächsten Wochen verbringen. Eigentlich ist es eine angenehme Art des Reisens, immer seinen gesamten Hausstand dabei zu haben, Bett, Küche, Wohnzimmer und das nötige Personal. Fast wie im Wohnmobil kürzlich.

Ich wünschte mir nur ein etwas komfortableres Schiff.  Dann wäre dies in der Tat eine vergnügliche Reise. Keine Staus, kein Gehupe, keine nervenden Trempel (Bodenwellen). In Luxor gab es auf der Uferstraße zwei, dreimal acht, neun, zehn scharfe Wellen kurz hintereinander, auf ein paar Metern. Wem nutzt so etwas? Jeder muß so stark wie möglich kurz davor abbremsen, schmerzvoll drüberholpern, um dann erneut wieder kräftig Gas zu geben. Da möchte ich nicht schwer verletzt in einem Krankenwagen liegen.

16:00 Uhr. Wir nähern uns der nächsten Stadt. Kom Ombo. Unser nächster Stopp. Kleine Gemüsegärten liegen unter schattenspendenden Palmen. Primitive Steinhütten. Die Galabias sind hier auch schonmal weiß, bisher waren sie gerne grau und braun.

Sofort stürmen mehrere hundert Leute unseres Schiffes die Tempelanlagen von Kom Ombo im weicher werdenden Licht der langsam untergehenden Nachmittagssonne.

 

Ägypten Reise 2012

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Hinter den Säulen des Tempels treten wieder plötzlich geheimnisvolle Leute hervor und machen mir erneut die bereits bekannten verschwörerischen Handbewegungen und Zeichen. Wollen sie mir eine ihrer Frauen oder gar Töchter anbieten? Nein, schade, leider nicht, nur etwas an den Mauern zeigen, um dann ihr Bakschisch verlangen zu können.

Doppeltempel von Kom Ombo – Wikipedia

kom ombo - Google-Suche  (Fotos)

Inzwischen wird es am Liegeplatz voll, noch mehr Schiffe kommen an. Wieder habe ich Glück, unser Schiff hat direkt am Ufer festgemacht und mein Fenster öffnet sich auch noch dorthin. Wahnsinn, wie viele Schiffe jetzt noch anlegen, reger Verkehr.

Nach der Besichtigung des Tempels lädt mich Mahmoud zu einem gemütlichen Tee und einer Shisha ein. (Leider sind diese Wasserpfeifen genauso schädlich wie Zigaretten und Zigarren. Man vergißt das zu gerne, weil der Rauch so angenehm kühl ist.) Eine kleine Kapelle spielt.

 

Ägypten Reise 2012

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18:15 Uhr. Wir legen ab, es geht weiter nach Assuan.

Schade, wir werden im Dunkeln fahren und nichts mehr von der Landschaft sehen.

Heute Abend ist es nicht mehr so kalt wie an den vergangenen Abenden. Nach dem Abendessen kann ich sogar noch ein bißchen auf dem Sonnendeck sitzen und die Fahrt noch ein ganz klein wenig genießen. Der Fluß ist jetzt noch breiter geworden. Nur ein paar ganz wenige Brücken seit Luxor überspannen den Fluß. Zwei, drei Lkw fahren drüber, obwohl es erst neun Uhr abends ist. Auch nur ganz selten mal ein Pkw auf der Uferstraße. Heute Abend ist es eigentlich noch ganz aushaltbar, noch nicht mal kühl. Ich bin fast ganz allein hier oben in Begleitung meiner Zigarre.

Assuan nähert sich, offenbar eine Großstadt, das wir gegen 22:45 Uhr erreichen.

In jedem Ort Ägyptens stehen übrigens neue orangene VW-Krankenwagen herum, die Leute sind also in der Beziehung offenbar gut versorgt.

Die Luft ist ganz schön trocken, warum habe ich mein Nasenspray nicht mitgenommen?

Erneut habe ich Glück nach unserem Anlegemanöver und sehe aufs Land, auf unserer anderen Seite dockt kurze Zeit später mindestens ein weiteres großes Schiff an. Also, über eine fehlende Aussicht kann ich mich nicht beschweren. Andere Passagiere höre ich ständig deswegen meckern.

 

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Sonntag, 5. Februar 2012, Assuan

Heute heißt es mal wieder früh aufstehen. 6:30 Uhr. Um 7:30 Uhr fahren wir am Schiff ab. Unser Fahrer ist Rami und wir haben eine Kia-Limousine. Erfreulicherweise fährt Rami sehr brav.

Inzwischen weiß ich, daß Assuan flächenmäßig Ägyptens drittgrößte Stadt und der bedeutendste Handelsplatz zwischen Nord- und Südhälfte ist. Zwei Dämme gibt es zu besichtigen, den alten aus dem Jahre 1902 und den neuen, der 1971 eröffnet worden ist.

Assuan-Staudamm – Wikipedia

Mahmoud nennt mir stolz ein paar Daten zu den beiden Staudämmen.

Alter Damm:

25 Meter an der Sohle breit,

ab 1898 haben Ägypter und Engländer unter Leitung von William Willcocks vier Jahre daran gebaut,

1912 und 1932 erhöht, zum Schluss 54 Meter hoch,

180 Durchlässe und eine Schleuse.

 

Neuer Damm:

Breite unten 980 Meter,

Krone 40 Meter breit,

111 Meter hoch,

3.800 Meter lang,

1960-1970 von den Russen erbaut,

(Amis und Weltbank hatten ihre Zusage zurückgezogen),

1971 durch Präsident Sadat eingeweiht,

12 Turbinen von ABB,

weit über vierhundert Tote bei den Bauarbeiten,

umgerechnet 2 Mrd. Euro Baukosten.

Der neue gewaltige Staudamm brachte auch viele Probleme mit sich, u.a. fehlt der segenbringende Nilschlamm weiter unten im Fluß. Und hier im Stausee wird er immer mehr, rein rechnerisch wird es deshalb in fünfhundert Jahren kein Wasser mehr im See geben. Aber da wird man wohl vorher noch etwas daran ändern.

Natürlich verschandeln hier unheimlich viele Stromleitungen das Bild, eigentlich überall in Ägypten, hier aber naturgemäß ganz besonders, aber sie müssen ja sein, immerhin werden hier 65 Prozent des ägyptischen Stroms erzeugt. Wenn es keine Strommasten oder Überlandleitungen sind, sind es Handysendemasten, die sich einem in jedes Foto drängeln. Ein paar Panzer und schwerbewaffnete Soldaten bewachen alles.

Manche Tankstellen sind auch hier abgesperrt, ihre Tanks sind leer, Benzin und Diesel sind weiterhin sehr knapp. Vor einer noch geöffneten Tankstelle gibt es einen endlos langen Rückstau.

Ausnahmsweise muß Mahmoud hier die Eintrittskarte für den neuen Damm kaufen. Alle anderen hatten meine beiden Reiseführer immer schon bei sich. Dies geht aber nur für Altertümer.

Die beiden Staudämme geben fotomäßig nicht viel her, über den alten fahren wir drüber, den neuen Großen darf man nur ganz kurz an der einen Seite besichtigen. Witzig: Teleobjektive darf man nicht verwenden. Streng verboten. Wer überwacht so widersinnige Verbote?

 

Ägypten Reise 2012

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Dann geht es über den engen, schmalen alten Damm zurück zum Philae-Tempel. Er wäre vom steigenden Wasser des neuen Stausees überschwemmt worden und wurde deshalb versetzt. Unglaublich, welch eine Leistung erforderlich war, um solche gewaltigen Massen an Steinen, Mauern, Säulen, Figuren originalgetreu an den neuen Standort, die Insel Agilika, zu versetzen. Viele Felsen sind hier deutlich rundlicher als sonst. Geschätzte dreihundert Boote liegen hier herum, aber wegen des Touristenmangels fahren nur höchstens dreißig.

 

Ägypten Reise 2012

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Ja, es ist wie immer, wer im Innern fotografiert, erhält die Todesstrafe. Wächter wuseln hin und her und passen überall scharf auf. Schließlich leben sie von den Strafen, die sie an die Touristen verhängen.

 

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Endlich sehe ich auch Möwen, die habe ich seit Alexandria nicht mehr gesehen.

Tempel von Philae – Wikipedia

philae tempel - Google-Suche  (Fotos)

Anschließend besuchen wir einen Laden, der die berühmten Aroma-Essenzen herstellt und verkauft. Ich bin auch hier während einer Stunde der einzige Kunde.

 

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Dann besuchen wir den unvollendeten Obelisken. Ein größeres Areal des uralten Steinbruchs ist hier zu besichtigen. Der größte aller Obelisken sollte an dieser Stelle aus dem Fels gehauen werden, aber leider zwangen Risse im Gestein die Arbeiter zur Aufgabe dieser Baustelle; alle Mühe und Arbeit war mit einem Schlag vergebens.

 

Ägypten Reise 2012

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Überall liegen noch die Felsen herum, aus denen etwas herausgemeißelt werden sollte. Wie an allen Besichtigungsorten in Ägypten, muß ich mich auch hier zum Schluß durch eine enge Ladenstraße mit zahlreichen Händlern zwängen.

Unvollendeter Obelisk von Assuan – Wikipedia

unvollendeter obelisk - Google-Suche  (Fotos)

Sogar dieser Steinbruch wird schwer bewacht. Haben die Angst, daß man den Obelisken klaut?

Wir versuchen in einer Bank, ein paar meiner großen 200 Pfund-Scheine in kleinere umzutauschen, bis Mahmoud einfällt, daß ja heute Sonntag ist. Geschäfte sind sonntags offen, Banken im Allgemeinen nicht. Um 12:30 Uhr sind wir rechtzeitig zum Mittagessen zurück.

 

Ägypten Reise 2012

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Ich sitze kurz in meiner Kabine nach dem Essen am offenen Fenster und genieße die Aussicht, als Anubis hereinkommt. Er putzt meine Fensterscheiben und hinterläßt ein paar schöne, wie heißen sie?, Putzstreifen, und zeigt mir seine Babytochter in seinem Handy.

 

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Mahmoud rät mir, lieber nicht alleine in die Stadt gehen. Leider muß/soll man hier überallhin seinen Guide dabei haben. Alleine geht, wird aber nicht empfohlen.

Unser Schiff ist hier am Liegeplatz an einer dicken Wasserleitung angeschlossen. Wo kriegen die eigentlich sonst auf unserer Fahrt das Wasser für uns alle her? Und wo geht eigentlich das Abwasser der vielen Passagiere hin? Ich will es lieber nicht wissen. Hauptsache, ich habe keine Magen-Darm-Probleme. Auf jeden Fall ist es nachts während des Liegens an der Kaimauer nicht mehr ganz so laut, und die Vibrationen fehlen auch zum größten Teil.

Feluken mit Touristen fahren auf den Nil hinaus und sofort kommen ein paar Kinder mit winzigen Paddelbooten an, halten sich an den Schiffen fest und singen den Leuten etwas vor.

 

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Mir ist schon die ganze Zeit ein Rohbau gegenüber auf einer Insel im Nil aufgefallen. Dahinter liegt das Mövenpick-Hotel mit einem Turmrestaurant. Der Turm wird nachts mit abwechselnden Farben beleuchtet. Hierzu erzählt Mahmoud, daß es ursprünglich der Neubau eines japanischen Hotels werden sollte, 1992 begonnen. Der Bau mußte dann ruhen, weil die Japaner keine ordnungsgemäße Baugenehmigung vorweisen konnten. Vor ein paar Jahren hat es Mubaraks Sohn gekauft und dann gewinnbringend an Mövenpick weiterverkauft. Ende des Jahres soll das neue Mövenpick fertig sein. Die ganze Insel steht unter Naturschutz.

Übrigens: Sämtliche Nilschiffe machen immer die gleiche Tour mit den gleichen Ausflügen. Jeder Reisende bekommt also im Endeffekt das gleiche Paket.

Mir fällt auf, daß viele Leute auf den Feluken ihre leuchtrote Schwimmwesten aus dem Schiff mitgebracht haben und sie auch tragen. Hat das mit der kürzlichen Costa Concordia-Havarie zu tun und sind die Leute jetzt besonders vorsichtig oder sind sie überhaupt ängstlich? Ich weiß es nicht. Die Mittagssonne knallt ganz schön.

Um 14:00 Uhr beginnt der zweite Teil des Tages, unser Ausflug mit dem Boot. Wieder nur der Steuermann, Mahmoud und ich.

 

Ägypten Reise 2012

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Wir fahren am Mövenpick und am berühmten Old Cataract Hotel vorbei. Hier schrieb Agatha Christie ihren Roman „Tod auf dem Nil“.

Weiter geht es Richtung alter Staudamm. Rechts liegt das Grabmal von Aga Khan III, unübersehbar und wunderschön auf einem Hügel am Nil. (Das jeweilige Oberhaupt der Ismailiten bekommt stets den Titel „Aga Khan“.) Seine Frau, die Beghoum, bürgerlich Yvette Labrousse, brachte ihm jeden Tag eine frische Rose ans Grab, weil sie sich beide so sehr liebten. Nach ihrem Tod wurde auch sie hier beerdigt.

aga khan grabmal - Google-Suche

aga khan grabmal - Google-Suche  (Fotos)

Ein paar Felsen gibt es hier, die nach Elefanten aussehen. Wieder etwas für meine kleine Sammlung.

 

Ägypten Reise 2012

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Dann folgt eine „gefährliche“ Aktion. Wir müssen durch ein paar vorher von Mahmoud vollmundig als „Stromschnellen“ angekündigte winzigkleine Strudel. Ein „Katarakt“. Unser Boot nickt nur ein paarmal gutmütig dazu. Ich füttere meine Speicherkarte unterdessen, wonach sie verlangt. Mit Fotos.

 

Ägypten Reise 2012

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Wir schippern dann noch gemächlich bis in Sichtweite der alten kleinen Staumauer, wenden, und besuchen das „Nubische Dorf“. Wir sind früh und deshalb noch ganz allein. Die Besuchermassen werden erst in ein, zwei Stunden herströmen. Nubier sind ein eigenes Volk, natürlich Afrikaner, aber halt keine Araber, die nur im Süden Ägyptens und im Sudan leben. Viele wurden wegen des neuen Stausees in den sechziger Jahren umgesiedelt. Sie sind immer sehr schwarz und heiraten nur untereinander. Sie kennen in ihrer Sprache keine Schrift und müssen arabisch schreiben.

Omar erwartet uns beide schon, auf einem kleinen Mäuerchen sitzend. Er ist Lehrer und begleitet uns zu seiner kleinen Schule. Ich muß das arabische Alphabet lernen, die Zahlen kann ich ja schon und kann es Omar mit stolzgeschwellter Brust gleich an der Tafel beweisen. Er hat bisher nur ein paar andere Europäer erlebt, die ihm arabische Zahlen so perfekt aufmalen konnten. Beim Text wird es dann doch „etwas“ schwieriger.

 

 

Anschließend führt mich Mahmoud um die Ecke in ein größeres Haus. Hier wohnt eine nubische Familie, die er offensichtlich kennt. Sand ist auf dem Boden verstreut; er wird jeden Abend vor dem Schlafengehen fein säuberlich gerecht, damit die Bewohner an den unverwechselbaren Spuren immer gleich erkennen können, falls sich nachts einmal eine der zahlreichen freilaufenden Schlangen hier hineingeschlichen haben sollte.

Aber die sind eigentlich gar nicht so gefährlich. Gefährlich ist das, was mir David auf meine Arme legt. Angeblich ist es zahm und ich könnte es küssen, aber das möchte ich dann lieber doch nicht ausprobieren. Ein Krokodil! Es genügt mir, Schnappi zehn Minuten auf den Armen zu halten. Es ist mindestens anderthalb Meter lang und wiegt dreißig, vierzig ganz schön schwer werdende Kilos. Am Bauch fühlt es sich weich an. Obenrum, so wie man es erwartet. Eigentlich so, wie eine Krokohandtasche. Oder Krokostiefel. Ich glaube, dem Krokodil macht es nicht wirklich Spaß, daß ich es auf den Arm genommen habe. Es guckt verkniffen und ein bißchen unglücklich aus seinem zukünftigen Handtaschenleder. (Irgendwie eigne ich mich offenbar nicht besonders gut dafür, kleine Krokodile, Hundewelpen oder gar Babys auf meinen Armen zu halten. Die jeweiligen Mütter gucken mir dann immer sehr zweifelnd zu…)

 

Ägypten Reise 2012

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Zwei andere, etwas größere aber angeblich ebenso zahme Krokodile liegen nebenan und schlafen mit offenen Augen. Die Nubier halten sich zum Spaß gerne ein paar der sonst längst am Nil ausgestorbenen Krokodile. Als Hobby. Ich könnte mir da doch eher andere Hobbies vorstellen…

Anschließend fahren wir mit unserem Boot zurück und legen am Botanischen Garten auf Kitchener Island an. Herbert Kitchener war ein hoher britischer Militär um 1900 herum mit einer interessanten Geschichte und ließ diese Insel damals bepflanzen.

 

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Leider ist es schon ein bißchen zu spät, die Sonne versinkt gerade hinter den Bergen. Hier gibt es nur Bäume und zurzeit so gut wie keine Blumen. Und Bäume im Schatten sind mir zu langweilig, deshalb schieße ich hier nur ein paar wenige Fotos.

Herbert Kitchener, 1. Earl Kitchener of Khartoum – Wikipedia

kitchener island - Google-Suche  (Fotos)

Unser kleines Segelschiff muß auf dem Rückweg kreuzen, denn der Wind kommt von vorne. Deshalb kommen wir auch kaum effektiv voran, aber für mich ist das natürlich sehr interessant. Wie alle arabischen Seeleute sind auch diese beiden ein eingespieltes Team. Geschickt betätigen sie Seile, Segel, Schwert und Ruder. Da bedarf es keiner Befehle, alles klappt vorbildlich. Auch die beiden klagen heftig über ihren heftigen Verdienstrückgang, deshalb bekommen sie beide ein doppeltes Trinkgeld von mir.

 

Ägypten Reise 2012

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Hier in der Abendsonne rieche ich zum ersten Mal wieder das Wasser, nein, nicht etwa unangenehm, angenehm. Ich rieche gerne Meer und Flüsse.

Um 17:30 Uhr sind wir wohlbehalten zurück an Bord. Ich habe immer noch meinen Ausblick aus dem Fenster.

Abendessen wie immer um 19:30 Uhr. Anschließend gibt es Bauchtanz um 21:15 Uhr. Der Hügel uns gegenüber ist prunkvoll beleuchtet. Alte (leere) Grabhöhlen sind zu erkennen. Um halbelf liege ich im Bett, Morgen geht es früh raus!

 

Ägypten Reise 2012

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Montag, 6. Februar 2012, Abu Simbel

Der hundsgemeine Wecker klingelt um 3:30 Uhr und reißt mich herzlos aus den schönsten Träumen! Der offizielle Weckruf kommt natürlich wieder zwanzig Minuten zu spät. Sonst, zu normalen Weckzeiten, ist der Weckruf immer pünktlich, vor sieben Uhr nicht. Nur gut, daß ich mein Gepäck schon gestern Abend vor dem Schlafengehen zusammengepackt habe, denn ich soll heute Nachmittag endlich eine neue Kabine auf dem obersten Deck bekommen. Ich lege die Betonung erst mal auf „soll“.

Abfahrt mit Rami und seinem Kia Cerato um 4:00 Uhr. Jallah! Auf geht’s! Frisch auf! Wir haben heute noch viel vor! Mahmoud hat für uns drei (billige) Lunchpakete in der Küche organisiert.

Wir müssen zu einem Treffpunkt direkt vor dem unvollendeten Obelisken. Nur elf große Reisebusse, neun kleine Busse, ein Pkw mit zwei Amerikanerinnen und unser Kia haben sich für den Konvoi nach Abu Simbel aufgestellt. Die Konvois zwischen Hurghada und Luxor sind übrigens schon seit zwei Jahren abgeschafft. Ein, zwei Polizisten sehe ich im vorderen Bus einsteigen, wir sind direkt dahinter.

Pünktlich um 4:36 Uhr geht’s los, nach Süden. Zweihundertachtzig Kilometer. Vor der jetzt noch geschlossenen Tankstelle warten schon die ersten Lkw. Die anfangs meiner Reise noch schmale waagerechte Sichel des Mondes hat sich zum Vollmond verwandelt.

Vor jeder noch so kleinen Kurve wird der entsprechende Blinker betätigt. Man fährt teilweise ganz dicht hintereinander, an Sicherheitsabstand ist nicht zu denken, auch dieses Wort kennt man hier nicht. Warnblinker werden vor jeder Bodenwelle eingeschaltet, oder zum Danke sagen an die andern. Aus dem mp3‑Player erschallen eintönige monotone Korangesänge. (Man stelle sich vor, wir würden das mit unseren Bibeltexten so machen.)

Oft haben wir nur eine Autolänge Abstand zum Vorder- und/oder Hintermann.

Rami fährt fast nur mit Standlicht, gut, daß wir gerade Vollmond haben. Mahmoud hat sein Kissen mitgebracht und schläft hinten. Ich brauche keins, muß ja alles sehen. Der Bus vor uns und wir fahren meist mit 140 km/h; 80 oder 90 km/h sind erlaubt. Die andern haben wir längst abgehängt. Bei Sonnenaufgang hält Rami kurz für mich an, obwohl es eigentlich nicht erlaubt ist.

Hunderte kleine Pyramiden tauchen links und rechts in der Wüste auf. Alles frühere kleine Vulkane. Unsere Straße ist schnurgerade, die Landschaft topfeben. Eine Strom-Überlandleitung begleitet uns rechts. Natürlich, Ramis Frontscheibe hat zahlreiche Sprünge und Absplitterungen. Kein Wunder, so wie er fährt. Es knistert ständig, weil die Steinchen unseres Vordermannes auf uns treffen.

Ein ausgebrannter Reisebus steht am Straßenrand. Welche Geschichte mag sich dahinter verbergen? Eine kleine Oase „fährt“ an uns vorbei, staubig, schmutzig, schäbig.

Offiziell erlaubte Geschwindigkeiten:

Pkw 90 km/h

Busse 80 km/h

Lkw 70+60 km/h, je nach Anhänger und Last.

Doch niemand hält sich daran.

Die seltenen Leitplanken bestehen nur noch aus Fragmenten, nur die senkrechten Pfosten sind noch vorhanden, die Bleche wurden wahrscheinlich abgeschraubt und irgendwo zweckentfremdet. Genauso wie das Holz der Sitzbänke an den wenigen Rastplätzen.

Der vordere Bus ist nach dem kurzen Stopp nicht mehr zu sehen, obwohl Rami jetzt noch eine Schippe drauflegt und der Zeiger schon auf 160 km/h und später mal kurz auf 200 km/h steht. Die zweispurige schmale Straße ist neu asphaltiert, aber wie immer wellig, gerade bei unserer Eile spürt man es. Zwei Polizeikontrollposten gibt es auf der Strecke, jedes Fahrzeug wird offenbar penibel auf einer Liste abgehakt.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Ein neuer Kanal und ein riesiges Ausgleichsbecken werden gebaut. Beide sollen später vom Nil gespeist werden. Auch hier sehe ich mehrmals grüne und orangene Krankenwagen für eventuelle Notfälle bereitstehen.

Um 7:20 Uhr erreichen wir unser Ziel Abu Simbel, der südlichste Ort meiner Reise. Ich beeile mich etwas und bin der erste, naja, der zweite Tourist, zwei Franzosen sind leider schon da und stören meine Fotos. Aber die vielen Leute aus den Bussen sind wenigstens noch nicht da. Der Tempel von Ramses II ist erneut sehr beeindruckend, wenn auch eigentlich alles nur Fassade, Kulisse und einfach nur Schau ist. (Nebenbei: Ramses II soll mehr als 160 Kinder gezeugt haben, na, OK, er ist ja auch 92 Jahre alt geworden. Da hat er offenbar genug Zeit für seine Sexspiele gehabt.) Der zweite Tempel daneben war für seine Gemahlin Nefertari bestimmt.

Wer will, darf gegen einen entsprechenden Obolus den viele tausend Jahre alten großen schweren Original-Messingschlüssel (oder ist er in Wirklichkeit aus Gold?) in die Hand nehmen.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

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Mahmoud weiß inzwischen längst, daß ich keinen großen Wert auf längere oder gar langatmige Abhandlungen der ägyptischen Uraltgeschichte, Götter, Pharaonen, Tempel und Priester lege, so interessant sie auch für manchen sein mögen. Ich kann sie mir doch nicht merken, schon gar nicht die vielen Namen. Mir sind meine Fotos viel wichtiger, vor allem, solange sich noch keine Touristen in sie rein quetschen. Deshalb nutze ich gerne jede Gelegenheit und lasse den Armen dann einfach stehen, der mir dann immer etwas verblüfft nachsieht.

Neben dem Tempel Pharaos Ramses II bewundere ich noch den etwas kleineren Hathor-Tempel zur Erinnerung an seine Gemahlin Nefertari.

 

Ägypten Reise 2012

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Der echt aussehende Berg ist in Wirklichkeit eine Mogelpackung, denn er ist neu aufgeschüttet worden und innen hohl.

 

Ägypten Reise 2012  

Auch Abu Simbel wurde gerettet und von der UNESCO und unter Beteiligung vieler Länder zwischen 1964 und 1968 umgesetzt, bevor die Fluten des neuen Nasser-Stausees die Anlagen überschwemmt hätten. Hier wurde in den sechziger Jahren zuerst einmal eine Bergfassade erstellt und dann die Tempelanlagen hineingebaut. Viele hunderttausend Menschen mußten in dieser Zeit wegen des späteren Stausees ihre Dörfer verlassen. Insgesamt wurden die beiden Tempel 63 Meter höher und 68 Meter nach hinten verlegt.

Abu Simbel – Wikipedia

abu simbel - Google-Suche  (Fotos)

Ist ja klar, „no pictures!“, keine Fotos in den beiden Tempeln. Aber da die Wächter hier nicht so scharf sind, gelingen mir ein paar undeutliche wacklige Handyfotos. Ich bin wie immer sehr beeindruckt von der Kunstfertigkeit der alten Ägypter. Allerdings stören zahlreiche tiefe Eingravierungen früherer Touristen das Bild. Die Idioten haben hier den alten Ägyptern teilweise heftig nachgeeifert und viele Säulen mit Hammer und Meißel verschandelt. Warum müssen manche Menschen nur alles beschmieren oder wie hier sogar für immer beschädigen? Hoffentlich hat der Fluch der Pharaonen die Blödmänner später getroffen und schwer bestraft!

 

Ägypten Reise 2012

 

Nach einer Stunde habe ich alles gesehen, jetzt sind auch schon deutlich mehr Leute da, auch viele Deutsche. Ich treffe mich daher lieber mit Mahmoud und ein paar anderen Reiseleitern zu einem Tee im Garten des Restaurants am Eingang, ich kenne ja jetzt schon ein paar von ihnen, sie sprechen alle gut Deutsch. Mahmoud ist wie schon vorher Mohamed überall bekannt und wird oft erkannt und angesprochen.

 

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Ich höre, daß auch der eigentliche Ort Abu Simbel neu gebaut worden ist. Hier gibt es so gut wie keine Landwirtschaft, alle Menschen leben fast ausschließlich vom Tourismus. Mit den schlimmen aktuellen Folgen. Einer deutschen Frau (von meinem Schiff) bricht der Sessel aus Altersschwäche unter dem, ähm, Hintern zusammen. Ganze dreizehn Busse zähle ich auf dem Parkplatz. Früher sollen es dreihundert gewesen sein…

Zwei Konvois gibt es hierher, einer frühmorgens und einer mittags.

Pünktlich um kurz nach halbzehn machen wir uns auf den Rückweg. Die Wüste leuchtet jetzt von gelb bis dunkelbraun, in allen Schattierungen. So gut wie kein Verkehr begegnet uns. Eigentlich ist das hier eine filmreife Wüstenlandschaft, schön zum Durchfahren.

Eine Straße zweigt links in den Sudan ab, das Land ist offenbar nicht mehr so weit entfernt, die Lkw-Kolonne mit Raupen und Baggern von heute Morgen ist dorthin verschwunden.

Wenn uns ein Auto entgegenkommt, wird von beiden links geblinkt und Lichthupe betätigt. Rechts wird geblinkt, wenn der Hintermann wegen irgendetwas langsamer fahren soll.

Wir sind wieder das zweite Fahrzeug hinter dem führenden Bus, der nicht überholt werden darf, der Polizist sitzt drin.

Rechts sehe ich weit hinten mehrmals eine Fata Morgana. Ein großer kühler See mit zwei Inseln und Häusern. Heiß ist es draußen. Später geht es rechts zu einer Reihe (tatsächlicher) Tempel ab.

Eigentlich ist es eine Todesfahrt. Ein Abstand zum Vordermann, oder auch zum Hintermann, ist oft nicht mehr vorhanden. Es wird eng. Sehr eng! Oft weniger als ein Meter! Oft seitlich versetzt. Und das bei 160 km/h.  So würde ich zuhause auch gerne mal fahren. Rami schimpft schonmal, dabei fährt er ganz besonders unverschämt. Frech kann man dazu schon nicht mehr sagen. Aber alles geht gut. Um 13:25 Uhr sind wir zurück am Schiff, wieder exakt drei Stunden Fahrtzeit.

 

Ägypten Reise 2012

 

Gute Nachricht: Ich habe tatsächlich ein neues Zimmer im obersten Deck mit breitem Doppelbett und Zweier-Couch bekommen.  Im Übrigen ist das neue Zimmer identisch mit dem alten. Mein Gepäck ist auch schon da. Schlechte Nachricht: Mindestens zwei Schiffe versperren mir den Ausblick auf den Nil, hoffentlich bleibt das jetzt nicht so.

 

Ägypten Reise 2012

 

Hier habe ich auf wundersame Weise viel mehr TV‑Programme, aber die beiden guten mit amerikanischen Spielfilmen von vorher leider nicht mehr. Erst mal wieder alles mit Sagrotan desinfizieren. Mal sehen, wie es mir nach diesem Umzug ergeht. Leider läßt sich das Fenster nicht mehr aufschieben. Es ist verriegelt. Sogar der Verschlußstopfen im Waschbecken kann mit Hilfe eines Hebels verstellt werden. Selbstverständliche Dinge können hier durchaus einmal Luxus bedeuten…

 

Ägypten Reise 2012

 

Nach dem Mittagessen sitze ich wieder auf dem Sonnendeck und genieße etwas Ruhe bei meinem ägyptischen Tee im Glas.

Heute Nachmittag sollen sechzig Inder und Koreaner an Bord kommen. Für die ist das Schiff ja noch gut zu gebrauchen. Die nehmen alles. Und die vielen Holländer auch.

Drüben auf der Promenade hupen ununterbrochen Autos. Dazu die Sammeltaxis, die laut nach Mitfahrern rufen und hupen. Im trüben Wasser sehe ich zwei alte defekte Neonröhren schwimmen, jemand muß sie aus einem der großen Schiffe ins Wasser geworfen haben. Ein paar Ratten suchen am Ufer nach Eßbarem.

Unter einer Galabia trägt man übrigens immer eine (lange!) Hose, schließlich sind Araber ja keine Schotten. Eine ordentliche Galabia muß nach Maß geschneidert werden. Fertige sind nur für Touristen.

Heute ist es noch dunstiger als gestern. Gut, daß wir die große Bootstour zum Nubischen Dorf am Vortag gemacht haben. Aber heute Nachmittag gibt es ja noch die Panoramafahrt.

Hier sind die Autos nicht ganz so schmutzig wie in Kairo. Viele alte und uralte Autos fahren herum, vor allem Peugeot und jetzt schon seltener alte Fiats. Deutsche Autos gibt es hier unten fast gar nicht; ich habe nur zwei alte kleine Mercedesse gesehen. Jetzt sind Japaner und Koreaner aktuell, Toyota, Nissan, Kia, selten Mitsubishis und ein paar Infinitis.

Um 16:20 Uhr fahren wir mit Rami in dessen Kia zur koptischen Kirche.

 

Ägypten Reise 2012

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Mahmoud erzählt mir einiges über Kopten, Maria, Juden, Kopftücher, was man hier auch nachlesen kann:

Kopten – Wikipedia

Wir kommen auch am Haupteingang des ehrwürdigen Old Cataract Hotel vorbei. Gestern konnte ich es schon vom Wasser aus beäugen.

Reichlich viele neue Hotels sind im Bau. Wer soll in ihnen absteigen? Die Tourismusindustrie liegt am Boden.

Weiter geht es zu einem kleinen Café mit wunderschönem Panorama. Ich sehe die ganze Strecke, die wir gestern mit dem Boot gefahren sind. Hier warten wir zusammen mit vielen anderen Leuten auf den Sonnenuntergang. Mahmoud schwatzt derweil mit seinen Kollegen. Viele Ossis sind da. Aber die sind ja überall. Es gibt Tee im Glas, Kuchen und Salzstangen. Mahmoud lädt mich ein.

 

Ägypten Reise 2012

 

Kinder singen auch hier den Leuten ihre Lieder vor, um etwas Geld zu erbetteln.

Im Dunkeln fahren wir zu einer großen Moschee, wo mir Mahmoud vieles über den Koran und den Islam erzählt, vor allem, welch eine friedliche Religion der Islam ist. Auch über die fünf Säulen des Islam, über den Dschihad, über Goethes West-östlichen Diwan und über die von den Persern mitgebrachte Burka. Wer möchte, kann vieles dazu im Internet erfahren. Mahmoud nutzt die Gelegenheit zu einem kurzen Gebet.

 

Ägypten Reise 2012

 

Fünfunddreißig Prozent Analphabeten gibt es in Ägypten. Da kann man verstehen, daß Haßprediger in den Moscheen den Menschen reichlich viele falsche Sachen aus dem Koran erzählen können.

Hier erlebt man ununterbrochen Situationen im Verkehr, die bei uns undenkbar wären. Aber das hält uns nicht davon ab, den Souk und den Gewürzmarkt zu besuchen. Übrigens hier noch ein Tipp: Willst Du etwas schneller vorankommen, dann bau Dir eine Polizeisirene in Dein Auto ein.

 

Ägypten Reise 2012

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Dann noch kurz einen Schlenker am Bahnhof vorbei, bevor Rami uns beide am Schiff absetzt. Er wird herzlich verabschiedet.

Unser Schiff hat sich mal wieder umgesetzt, eins ist weg und wir liegen jetzt außen, ich kann jetzt wieder auf den Fluß raus sehen. Mein Fenster geht rüber zum beleuchteten Hügel mit den Gräbern. Hoffentlich bleibt das so.

Im arabischen Fernsehen sieht man echt die unfähigsten Nachrichten, total unprofessionell, geradezu dilettantisch, auch wenn ich sie nicht verstehen kann.

Beim Abendessen sitzen noch zwei Holländer mehr am Tisch, jetzt sind es also schon vier gegen einen Deutschen. Die Engländer haben uns verlassen und wir können jetzt Deutsch reden.

Mahmoud ruft mich später im Zimmer an, die Direktion will das Fenster erst morgen aufschließen lassen. Das akzeptiere ich nicht. Er will sich weiter darum kümmern.

Ich höre, daß wir heute Nacht um 0:00 Uhr ablegen werden. Also wird schon wieder dasselbe Stück Nil für mich unsichtbar bleiben. Warum machen die das? Ich habe doch eine Nilfahrt gebucht und möchte den Nil sehen. Schade. Aber nichts ist vollkommen. Du kannst nicht immer alles bekommen. You can‘t get always what you want.

 

Das leidige Fensterproblem ist immer noch nicht gelöst. Die Fenster müssen auf dem Schiff aus schwer nachvollziehbaren Gründen meistens verriegelt sein. (Warum war mein Fenster bisher unverriegelt?) Ich brauche aber unbedingt ein zu öffnendes Fenster.

22:05 Uhr. Eins unserer Schwesterschiffe, die MS Royal Ruby legt auf meiner Seite an, obwohl wir in zwei Stunden ablegen. Später noch eins. Dahinter verbirgt sich ein System, das sich mir noch nicht erschlossen hat oder für mich schwer nachzuvollziehen ist, denn alle riesigen Nilschiffe werden ständig umgesetzt.

Bezeichnend: Ein fünfköpfiges ägyptisches Fernsehteam interviewt spätabends eine kleine englischsprachige Reisegruppe. Der Kameramann telefoniert während der Aufnahme mit seinem Handy.

Um 0:15 Uhr legen wir ab. Irgendetwas vibriert und nervt im Zwischenraum  über meiner Zimmerdecke. Mein Fenster wird erst nach zwei weiteren Anrufen aufgeschlossen. Der Ober-Steward kommt mit einem großen Schlüsselring, an dem bestimmt weit über fünfzig Schlüssel hängen und sucht langwierig den passenden aus. Für zehn Pfund bleibt es jetzt inoffiziell aufgeschlossen. Endlich sind meine wichtigsten Wünsche erfüllt.

 

Dienstag, 7. Februar 2012, Nil

Als ich morgens aufwache, haben wir erneut am Ufer in Kom Ombo festgemacht. Angenehm ist es heute früh. Wunderbar kühle Morgenluft strömt zu mir herein. Im Hintergrund sehe ich ein kleines Motorboot fahren; es ist eine Fähre. Dazu die herrliche Aussicht auf den Fluß. Einfach wunderschön. Da wird man gerne um sieben wach. Zum ersten Mal steht nichts auf dem Programm, zum ersten Mal kann ich aufstehen, wann ich will.

 

Ägypten Reise 2012

 

Ich bleibe noch etwas liegen und genieße den Morgen. Bis sich uns ein weiteres Nilschiff, die MS Minerva nähert. Es wird doch wohl nicht neben uns anlegen und mir den Ausblick versperren wollen? Doch ich habe Glück, es macht dann weiter vorne am Ufer fest.

 

Ägypten Reise 2012

 

Das erste wirklich geruhsame Frühstück. Immer noch sehr viel Dunst. Auf dem Sonnendeck haben die Schiffsleute das große Sonnensegel (mindestens 300 qm) aufs Deck runtergelassen, wegen des Windes, wie man mir sagt. Aber nur auf unserem Schiff. Starker heftiger Wind aus dem Norden bläst uns entgegen, als wir gegen 10:00 Uhr ablegen, von hinten wäre er viel günstiger. Die Sonnenschirme und alles was umgeweht werden kann, alles ist umgelegt, oben kann man nicht mehr sitzen, längst ist es hier viel zu ungemütlich geworden, deshalb sitze ich in der Lounge/Bar.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Die Leute sitzen hier in der Bar und spielen Spiele, Gesellschaftsspiele und Ratespiele, lösen ihre Sudokus (oder heißt es Sudoka?) und quatschen über ihre früheren Reisen in der ganzen Welt. Ein paar ganz Harte wollen sich nicht damit abfinden und harren oben aus, geben aber nach und nach wieder auf. Wie avisiert, gibt es jetzt viele Asiaten und ein paar Inder oder Pakistani, aber auch ein paar neue Holländer mehr an Bord. Viele sind wohl auch in ihren Kabinen.

Der Kontrast ist scharf, auf dem einen Ufer nur gelbgraue Felsen, Wüste, drüben staubige Palmen, grasende magere Rinder, Landwirtschaft.

Die kleineren Schiffe haben unterdessen lieber an Land festgemacht.

Ich spiele Titanic vorne und lasse mein Hemd im heftigen Nordwind wehen. Man kann kaum noch das andere Ufer erkennen. Ich fürchte, den heutigen Tag kann ich abhaken.  Aber ich wollte heute ja sowieso relaxen.

 

Ägypten Reise 2012

 

Schade, es könnte ein schönes Land sein, wenn die Leute nur nicht ihren Müll und Abfall nicht immer direkt vor ihrer Beiwohnung wegwürfen.

12:20 Uhr, wir kommen in Edfu an. Gekonntes Anlegemanöver der Seeleute. Achtzig, neunzig Kutschen mit geduldigen kleinen Pferden stehen in langer Reihe auf der Promenade und warten traurig auf Kundschaft. Ruckzuck und flink wie die Wiesel sind dreißig Kutschen an unserer Anlegestelle. Alle neuangekommenen Asiaten (alle mit obligatorischem Cap oder Hütchen und oft mit Mundschutz) und zwei holländische Pärchen strömen heraus und werden losgefahren. Die übrig gebliebenen Kutschen verschwinden so schnell, als wären sie gar nicht dagewesen.

 

Ägypten Reise 2012

 

Alle andern müssen an Bord bleiben. Mittagessen deshalb eine halbe Stunde später, um 13:30 Uhr. Übrigens, die Asiaten sind Koreaner.

Wie befürchtet, das Wetter ändert sich nicht mehr, es bleibt dunstig, windig und kalt. Deshalb bleibt unser Schiff erst mal noch in Edfu liegen. Zu geringe Sichtweite für eine Fahrt den Fluß hinunter. Kleine Grüppchen dürfen jetzt Brücke und Maschinenraum besichtigen.

Teatime ist heute um 16:00 Uhr. Die Reiseleiter wohnen übrigens im untersten Deck in Vier-Bett-Zimmern.

Wir liegen reichlich lang in Edfu. Der Nachmittag vergeht und wir liegen immer noch wegen des schlechten Wetters fest. Wir werden also wieder im Dunkeln weiter nach Luxor fahren. Ohne Radar und Echolot dürfte es überhaupt etwas schwierig sein, im Nebel zu navigieren. Richtig kalt und ungemütlich ist es draußen, ich habe mir zum ersten Mal seit ich auf dem Schiff bin, einen Pullover übergezogen. Sogar der Ratte unten am Wasser ist es heute zu kalt und sie bleibt lieber in ihrem gemütlichen Loch am Ufer. Ich bedauere die Leute, die gestern an Bord kamen und das Schiff morgen oder übermorgen schon wieder verlassen. Sie werden den Nil in keiner guten Erinnerung behalten. Eigentlich in gar keiner, sie haben ihn ja gar nicht gesehen.

17:35 Uhr. Es wird langsam dunkel. Nach und nach fangen mindestens fünf verschiedene Muezzins mit ihren Gesängen an. Vor meinem Fenster fahren Jugendliche auf ihren alten Mopeds die Straße so schnell wie möglich auf und ab. Einer schafft ein paar Wheelies. Die Straßenlaternen werfen Dreiecke aus orangenem Licht nach unten auf die staubige Straße. Alle Kutschen sind verschwunden, die Pferde ruhen sich vom Herumstehen aus. Schade für die Fahrer der Kutschen, wieder ein Tag, an dem sie kaum etwas für ihren Lebensunterhalt und für den ihrer Familien verdienen konnten. Entsprechend mager wird das Futter für die armen Pferde ausfallen.

Die monotonen Gesänge der vereinigten Muezzins ebben nach zehn Minuten nach und nach ab, einer nach dem andern schaltet seine Lautsprecher ab. Nur einer will gar nicht aufhören. Eine verspätete Kutsche kommt noch vorbei, hell klingen die flinken eisenbeschlagenen Hufe auf dem harten staubigen Asphalt. Die Ratte hat sich bestimmt schon eingekuschelt. So wie ich auf meinem Bett. Zumindest ich könnte spätestens jetzt eine Heizung in meinem kalten Zimmer gebrauchen. In meiner Not habe ich mich endlich aufs Bett gelegt und mich mit meiner immer mitgenommenen Kuscheldecke zugedeckt. Zuhause in Deutschland und Europa tobt der lang "vermisste" Winter mit reichlich Schnee.

Werden wir Luxor überhaupt auf dem Wasserweg erreichen? Niemand weiß es, ich bin ebenso gespannt wie relaxt. Irgendwie wird es schon weitergehen. Hier gibt’s auch keinen Informationsfluss. Mahmoud hat sich zurückgezogen. Ob er schmollt?

18:50 Uhr. Schon wieder der Chor der vereinigten Muezzins. Wahnsinn. Ich glaube, eine Herde Schafe singt, äh, blökt melodischer. Wer in der unmittelbaren Nähe einer Moschee wohnt, wohnen muss, benötigt starke Nerven. Oder Ohrenschützer. Zwanzig Minuten später "singen" sie übrigens schon wieder. Da möchte ich nicht auf dringenden Schlaf angewiesen oder krank sein. Der Islam ist für Andersgläubige wirklich nur schwer zu verstehen.

Unsere Abfahrt nach Luxor wird wegen des ungünstigen Wetters um Stunde für Stunde verschoben. Kein Schiff darf zur Zeit fahren. Schließlich hat keins der Schiffe Radar oder irgendetwas Vergleichbares. Jeder Kapitän fährt ausschließlich nach Sicht und nur aufgrund seiner persönlichen Erfahrung. (Beim Fliegen mit kleinen Flugzeugen sagt man VFR – „Visible Flight Rules“ dazu.) Diese Kapitäne verfügen über ein schier unglaubliches Wissen und kennen jede der unzähligen Sandbänke und Untiefen. Wie schon auf der Hinfahrt müssen der Kapitän und sein Kollege ständig hin und her steuern, um in der Fahrrinne zu bleiben. Erschwert wird der Kurs durch entgegenkommende und zu überholende bzw. uns überholende Schiffe, nachts alle natürlich wie auch auf der Straße unzulänglich beleuchtet.

Draußen ist es sauschweinekalt, wahrscheinlich herrschen hier im Moment ähnliche Temperaturen wie zu Hause. Gestern noch 45 Grad, jetzt geht es auf die null zu. Mahmoud hat nicht geschmollt, er hat mich nur allein lassen wollen.

Um 21:10 Uhr endlich die erlösende Nachricht, wir legen ab. So kann ich beruhigt zu Bett gehen.

 

Mittwoch, 8. Februar 2012, Luxor

Heute ist Ausruhtag, trotzdem wache ich schon um sieben auf, weil über mir wieder das Sonnensegel lautstark hochgesetzt wird. Gegen 1:00 Uhr in der Nacht waren wir an der Schleuse in Esna und gegen 5:00 Uhr in Luxor angekommen. Wir sind das fünfte Schiff und ich sehe auf den Fluß hinaus. Damit habe ich unglaubliches Glück gehabt.

Nach dem Frühstück wird es mir dann aber doch etwas langweilig und ich beschließe, noch irgendetwas zu unternehmen. Mahmoud hat auch gleich einen hervorragenden Vorschlag: Ein Ritt auf dem Esel, nein, nicht auf der Kanonenkugel, aber fast. Und nicht viel weniger gefährlich. Er warnt mich jedenfalls schon mal und bittet mich, aufzupassen. Wir fahren gegen neun Uhr mit dem Taxi und Yussuf als Fahrer los.

Langer Rede kurzer Sinn, eine dreiviertel Stunde später sind wir an den Memnon-Kolossen vorbei am vereinbarten Treffpunkt auf der anderen  Nilseite. Gelbe staubige Mimosenbäumchen wachsen entlang des Kanals. Und Schilf. Hier in der Gegend gibt es keine Ladas wie in Kairo.

Adham wartet schon auf uns, nein, auf mich. Der Esel ist weiblich und heißt Sisi. Kein Sattel, keine Steigbügel, einfach nur eine zusammengefaltete Wolldecke und ein Paar Zügel. Es geht sofort steil den Berg hinauf. Der arme kleine Esel tut mir leid. An den besonders steilen Stellen steige ich lieber ab und laufe zusammen mit Adham nebenher. War offenbar eine blöde Idee, auf einem so kleinen Esel herumreiten zu wollen. Kinder ja, aber ein erwachsener dicker schwerer Mann? Ich tröste mich damit, daß Adham und seine Familie (und der Esel) von Leuten wie mir leben. An einer Stelle geht es zwei Meter fast senkrecht hinauf, da müssen wir alle etwas klettern.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

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Ägypten Reise 2012

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Inzwischen ist der senkrechte Abgrund wenige Meter neben mir schon reichlich tief, ein paar hundert Meter dürften es sein. Dafür ist die Aussicht nach Osten hinüber wunderschön. Unter mir sind das Tal der Königinnen, der Tempel der Hadschepsut und der Habu-Tempel ganz deutlich zu erkennen. Wenn ich mich nur nicht so sehr darauf konzentrieren müßte, nicht vom Esel zu purzeln. Längst ist es wieder heiß, aber auch immer noch dunstig.

Ich bin ja meistens nicht sehr ängstlich, eigentlich auch schwindelfrei, hier wird es mir aber doch manchmal etwas mulmig, vor allem, wenn der Esel auf den losen Steinen etwas stolpert. Doch alles geht gut, niemand von uns dreien stürzt ab.

 

Ägypten Reise 2012

 

Oberhalb des Tals der Könige ist Schluß. Adham und Sisi müssen umdrehen und den gleichen Weg zurück nach Hause. Ich muß den steilen Hang alleine runter und komme von hinten ins Tal der Könige. Yussuf hat mir vorhin im Taxi dringend ans Herz gelegt, die Kamera unter meiner Jacke so gut wie möglich zu verbergen; Fotoapparate sind hier wirklich sehr streng verboten. Mahmoud hat auch extra nochmal übers Handy angerufen und mich gewarnt.

Yussuf und Mahmoud warten wie versprochen am Eingang und fahren mich jetzt zum Tal der Königinnen. Hier war ich noch nie. Ein paar Gräber gibt es zu besichtigen. Hier in diesen Höhlen wurden „nur“ Königinnen und Prinzessinnen beerdigt. Die Malereien in den Gräbern sind hier nicht ganz so prächtig wie drüben bei den Königen. Alles ist (und war) ein bißchen schlichter.

Fotos in den Gräbern sind zwar verboten, aber für ein paar Pfund und ein paar Kugelschreiber sehen die Wächter schonmal kurz weg.

 

Ägypten Reise 2012

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Die Fahrt geht weiter zum Habu-Tempel. Ihn habe ich auch noch nicht gesehen. Auch hier ist wieder alles sehr beeindruckend. Auch hier war früher alles vergoldet und bemalt.

 

Ägypten Reise 2012

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Geniale Geschäftsidee: Man stellt als Wächter einfach ein Gitter in einen Durchgang und kann zusätzlichen Eintritt für die Räume dahinter verlangen. Ein zweiter Verdienst. Ich bekomme eine Privatführung und verteile meine letzten kleinen Geldscheine und die allerletzten Kugelschreiber. Dabei weiß ich noch nicht einmal, ob es wirklich Wächter oder nur ein paar normale Leute von draußen sind.

Schlimm, trotz all der Armut hängen mindestens zwei von drei Ägyptern am Handy. Wirklich jede Steckdose, die ich sehe, egal ob an Land oder auf dem Schiff, ist mit einem Handyladegerät besetzt.

Tagsüber ist es wieder heiß wie immer. Zuckerrohr wächst sechs Monate und wird sechs Monate geerntet.

An einer Tankstelle herrscht heftiger Betrieb und ein ewiglanger Rückstau hat sich gebildet, weil ein Tankwagen gerade Treibstoff liefert. Eine neue Straße durch die Wüste wird nach Marsalam ans Rote Meer gebaut. Hunderte Kilometer.

Um 13:00 Uhr setzt uns Yussuf am Schiff ab; wie von mir gewünscht, sind wir pünktlich zum Mittagessen zurück.

 

Ägypten Reise 2012

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Leider ist außen noch ein Schiff dazugekommen, jetzt sind es sechs.  Es ist ein großes Problem, daß die Leute dann nicht mehr rausgucken und nur noch gegen die Bordwand des nächsten Schiffes sehen können. Oder ihre dicken Vorhänge deshalb zuziehen müssen. Manche haben sich früher schonmal bei Mahmoud deshalb beschwert, weil sie sich wie in einer Gefängniszelle vorkamen. Aber er konnte ja auch nichts daran ändern. Doch ich hatte fast immer Glück, jetzt auch wieder, das fremde Schiff auf meiner Seite hat ausnahmsweise nur zwei Etagen; ich bin in der dritten und kann ganz normal mein Fenster aufmachen und drüber hinwegsehen. Ich habe unglaubliches Glück in dieser Beziehung gehabt und nur zwei, dreimal kurz ein Schiff vor meinem Fenster gehabt. Ich möchte mir nicht vorstellen, hier immer in einer dunklen Höhle leben zu müssen. Das Glück ist halt dem Tüchtigen hold. Heißt es nicht so? Die Schiffe liegen knirsch aneinander, damit nichts passieren kann. Im Übrigen zieht die MS Nile Empress um 14:15 Uhr schon wieder Leine - bzw. legt ab.

Nach dem Essen sitze ich auf dem Sonnendeck, trinke ägyptischen Tee und rauche meine Zigarre. Die Ober sind inzwischen ganz scharf auf die Tubos (Aluminium-Rohre) meiner Zigarren.

Ganz schön anstrengend für das Schiffspersonal: Die schweren Koffer der Passagiere müssen ständig mühselig durch bis zu vier weitere Schiffe hin- und hergeschleppt werden.

Unser Schiff ist sehr hellhörig. Ich weiß immer, was auf dem Flur passiert und sehe oft nach, ob meine Tür vielleicht noch offensteht. Und über das mehr oder weniger private Geschehen in den umliegenden Zimmern bestehen eigentlich auch selten Zweifel…

Um 16:30 Uhr holt uns ein neuer Mohammed zu einer Kutschfahrt durch die Stadt ab. Zunächst traben wir durch ein paar "normale" asphaltierte Straßen und dann durch enge, sehr enge staubige Lehm-Gässchen, auf denen eigentlich kein Durchkommen ist. Die Leute schieben mehr oder weniger bereitwillig ihre Karren zur Seite. Viele Händler sind in die Stadt gekommen und bieten hier alles an. Obst, Gemüse, lebende Hühner, andere Tiere, tot oder lebendig, Klamotten, Koffer, Spielzeug und vieles mehr. Ich sitze natürlich wieder vorne auf dem Bock und halte oft die Zügel in der Hand. Zwischendurch lasse ich kurz anhalten und versuche, eine Jeans zu kaufen, geht aber nicht. Unser Rückweg führt an der neu ausgegrabenen drei Kilometer langen Sphinxenallee entlang.

 

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

Ägypten Reise 2012

 

Zum Abschluß lädt mich Mahmoud noch, ganz in der Nähe des Schiffes, zu einer Falafel mit Tee und zu einer Wasserpfeife ein. Wenn mir jetzt zum Schluß noch etwas Magendarmmäßiges passieren sollte, werde ich es verkraften können. Schlimmer ist so etwas während einer Reise, aber heute ist letzter Tag. Außerdem bin ich ja sowieso unverwundbar, mindestens aber unempfindlich und hatte noch nie ägyptischen Durchfall bekommen, über den inzwischen doch immer mehr Reisende klagen.

Im letzten Moment verläßt mich mein Glück dann doch noch ein bißchen und zeigt mir, daß ich leider doch nicht ganz unverwundbar bin: Beim Aussteigen aus der Kutsche ziehe ich mir einen saftig-langen Kratzer ins Schienbein, weil ich oben am Handgriff mit meiner Weste etwas hängen bleibe. Aber der Jacke passiert wenigstens nichts. Und Fleisch heilt wieder…

 

Ägypten Reise 2012

 

Und dann legt doch tatsächlich noch ein Schiff neben uns an und versperrt mir meine persönliche Aussicht auf den Fluß. Endgültig! Aber jetzt ist es mir egal.

Ich sage Mahmoud herzlichen Dank. Wir verabschieden uns schon mal herzlich voneinander, seine Arbeit ist spätestens jetzt und hier beendet. Er war einfach perfekt, ich war sehr zufrieden mit ihm. Er wohnt hier in Luxor und ist in ein paar Minuten zurück bei seiner Familie. Leider hat er noch keinen neuen Auftrag bekommen…

 

Donnerstag, 9. Februar 2012, Heimflug

Mein Weckruf soll um 4:40 Uhr sein, kommt aber natürlich wie immer viel zu spät. Das blöde Schiff von gestern Abend liegt immer noch neben uns. Meine Abholung um 5:20 Uhr klappt dafür perfekt. Wir starten um 7:05 Uhr in einer B 737‑800 nach Kairo. Ich sitze am Notausgang und habe endlos viel Platz nach vorne.

Zu unser aller Erbauung werden nach dem Start über die Monitore erst mal Koranverse verlesen, dann folgt eine langwierige arabische Einweisung in die Sicherheitseinrichtungen und eine Erklärung der Notfallregularien. Economy ist wieder voll bis auf den letzten Platz.

Wir landen eine Stunde später um 8:10 Uhr in Kairo, wieder auf demselben Außenplatz. Knappe zwei Stunden Wartezeit sind rasch überstanden.

Unser Airbus A330/200 der Egypt Air startet pünktlich um 10:45 Uhr. Unglaublich, wieviel Leute hier reinpassen, endlich mal wieder ein modernes, neues sauberes Flugzeug. Beide Piloten haben die übliche Uniform an – nicht wie auf dem Schiff. Ich habe schon wieder Glück, der Platz neben mir bleibt als einer von ganz wenigen frei, auch dieses Flugzeug ist fast voll besetzt. Dazu sitze ich in der zweiten Reihe. Ich sage ja, ich bin ein Glückskind. Meistens.

Ägypten Reise 2012

 

Wieder ertönen schrecklich lange Koransprüche und die langwierigen Sicherheitserklärungen. Dazu erneut die Notfallhinweise auf Arabisch als Sahnehäubchen.

Von hier oben erkennt man leider sehr deutlich, wie verstaubt das riesige Häusermeer da unten ist. In Kairo möchte ich nicht leben müssen.

Ein ausgedehntes Kanalsystem sorgt für die Bewässerung des Nildeltas.

Alexandria und die Mittelmeerküste liegen im Dunst.

Dann wird es sofort wolkig und wir haben bis nach Hause eine geschlossene Schnee-, ähm, Wolkendecke.

Wir landen um 15:15 Uhr in Frankfurt, das letzte Stück fahre ich wieder mit dem Zug.

Meine Heimat hat sich verändert, seit ich sie kürzlich verlassen habe; sie ist abweisend und kalt geworden. Puderzuckerähnlicher Schnee liegt über der Landschaft verstreut, eine heftige Kältewelle hat das Wasser im Rhein an den Ufern teilweise zu Eis gefrieren lassen.

Der hiesige Sonnenuntergang ist röter als alle vorher in Ägypten.

 

Ägypten Reise 2012

 

Elf Stunden war ich heute unterwegs, die Hälfte in der Luft, die andere habe ich mit Warten und Bahnfahrt verbracht.

Alles OK, nichts Schlimmes passiert, nur mein neues (schönes, neun Euro teures) Halstuch habe ich auf dem Hinflug im Flugzeug liegen gelassen, sonst nichts verloren, vor allem nichts Wichtiges. Und kein Durchfall, ist ja immer ein großes Risiko hier in diesen Ländern. (Durchfall-Medikamente übrigens besser im Zielland besorgen, nicht von zu Hause mitnehmen.)

Ich habe fast vier Kilogramm abgenommen. (Jetzt ist mein BMI wieder innerhalb des erlaubten Werts meiner Altersklasse. Ist doch auch ein Erfolg…)

Wer sich mehr wirkliche Informationen über Ägyptens Altertümer wünscht, dem empfehle ich, neben unzähligen anderen, speziell diesen besonders interessanten und witzigen Reisebericht von Frau Anja Trinler:

Ägypten - Land - Kultur - Geschichte: Reiseverlauf

Hier erfährt man viel mehr Details als in meinem Reisebericht.

Und wer es noch etwas genauer wünscht, dem empfehle ich auch noch diese Internet-Seite von Frau Margret „Nefer“ Pirzer mit einer schier unglaublichen Fülle an Informationen und Details über die ägyptischen Altertümer:

Hauptsitemap       (www.nefershapiland.de)

Am linken Seitenrand kann man jede Menge Seiten anklicken und weiß danach alles über das alte Ägypten.

Mein Fazit dieser Reise:

Insgesamt wieder eine meiner schönsten Reisen mit gleichermaßen unfaßbaren wie gewaltigen Eindrücken und großartigen Erfahrungen. Kairo, Alexandria, die Pyramiden von Gizeh am Anfang, die Tempelanlagen von Luxor, Edfu, Kom Ombo, Philae, und natürlich, als krönenden Abschluß, Abu Simbel. Dazu die vielen anderen "kleinen" Highlights. Also, ich war und bin immer noch total begeistert. Auch wieder eine Reise, die ich jederzeit, allerdings auf einem kleinen Schiff, mit Freude wiederholen würde.

Meine beiden Privat-Reiseführer haben sich ständig bemüht, meine manchmal ihnen wahrscheinlich etwas fremdartig vorkommenden Wünsche so gut wie möglich zu erfüllen. Und ich habe ein paar neue Freunde gefunden.

Das Wetter war (bis auf Dienstag, vorletzter Tag) hervorragend, nie Regen, nie zu kalt, nie zu heiß. Unser Winter dürfte die beste Reisezeit sein.

Und wer hat schon jemals ein (kleines) Krokodil auf seinen Armen gehalten? Ich fürchte allerdings, daß das Krokodil mich nicht zu seinen neuen Freunden zählt…

Ich bin froh, daß ich diese Reise gemacht habe.

Hier aber wie immer auch ein paar meiner kleinen Meckereien. Als Chronist habe ich ja geradezu die Pflicht, sie den geneigten Leserinnen und Lesern aufzuzeigen; wer sie nicht lesen will, sollte spätestens hier mit dem Lesen aufhören:

Ein (zumindest renoviertes) ordentliches „de Luxe“-Schiff zu bestellen und bestätigt zu bekommen und dann auf einem uralten vergammelten rostigen Seelenverkäufer zu landen ist für mich, der ja bekanntermaßen dem Komfort besonders zugetan ist, hart. Oberstes Deck zu bezahlen und ein schlechteres Deck zugeteilt zubekommen, geht ja schon gar nicht. Also, mit der Nile Ruby war ich wegen der unzähligen Unzulänglichkeiten sehr unzufrieden. Und der Berliner Spezial-Veranstalter kann daraufhin von mir auch nur ein „Ungenügend“ bekommen!

Ersatz für die nicht erbrachten Leistungen habe ich übrigens nicht bekommen. Noch nicht einmal eine Entschuldigung. Man sollte halt doch eher bei großen renommierten Veranstaltern buchen. Kleine sind zu klein und manchmal nicht genügend seriös. Hier sieht man es mal wieder. Ich zumindest werde daraus lernen.

Und dann die beiden Nachtfahrten auf dem Nil. Das ist ja wie Fernsehen ohne Bild, wie ein Bier ohne Alkohol, wie ein Urlaub am Polarkreis, es ist möglich, macht aber keinen Spaß. Mein Rat: Unbedingt ein kleines Schiff buchen!!

Weiter gibt es ein sehr hohes Risiko, neben einem anderen Schiff zu liegen und deshalb nicht aus dem Fenster rausschauen zu können. Manchen Leuten mag das nichts ausmachen. Für mich aber undenkbar. Alles noch verschlimmernd: Das Fenster darf auf keinen Fall geöffnet werden!

Ich habe die Leute oft über die erhebliche Diskrepanz zwischen Prospekt und Wirklichkeit meckern gehört. Einer meinte gar, unser Schiff sei eher mit einer Fähre zu vergleichen, ein "Genießen der vorbeigleitenden Landschaft" sei kaum möglich gewesen. Er hatte, besonders in Bezug auf die Nil-Rückfahrt nach Luxor, nicht ganz Unrecht, aber so hart würde ich es auch nicht ausdrücken.

Und dann, die schönsten Dinge neuerdings nicht mehr fotografieren zu dürfen! Ägyptisches Museum, alle Gräber und alle Tempel innen. Überall versuchten Wächter, aus den Fotografierverboten Gewinn (Geld) zu ziehen. Das ist, wie im Paradies zu sein und nur die einfachen Sachen essen dürfen. Das war für mich und für viele Mitreisende eine Höllenqual und eigentlich auch das Negativste der Reise. Ich habe vor der Reise ein paar Geheimkameras (im Kugelschreiber, Feuerzeug usw.) ausprobiert. Ist aber leider auch keine wirklich geeignete Lösung, weil sie entweder gar nicht funktionierten, nicht wirklich praktikabel waren oder eine zu schlechte Auflösung hatten.

Ägypten hat noch einen weiten Weg bis zu einem modernen Tourismus vor sich.

Und zum Schluß noch ein Hinweis in eigener Sache:

»Die Rechtschreibreform ist doch ganz in Ordnung.
Wenn man weder lesen noch schreiben kann.«

Vicco von Bülow

Dies ist der Grund, warum auch ich mich standhaft weigere, die neue Rechtschreibung anzuwenden und stattdessen viel lieber weiterhin mit der bisherigen befreundet bleibe.

 

© 2012 Wilfried R. Virmond - Nachdruck, auch auszugsweise, grundsätzlich nur mit Genehmigung des Autors! Dies gilt ganz besonders auch für sämtliche Fotos.

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