Wilfs
Tagebuch – Keine Panik, |
Kairo,
Alexandria, Luxor, Erzählt
von Wilfried R. Virmond
|
Inhaltsverzeichnis: 26. Januar 2012, Hinflug Frankfurt – Kairo
Wie
jetzt meistens, fahre ich mit dem Zug direkt zum Rhein-Main-Flughafen in
Frankfurt. Ich fliege mit Egypt Air direkt nach Kairo. Egypt Air?? Ja,
leider! Da werde ich wohl nicht allzu viel Komfort verlangen dürfen.
Wahrscheinlich gar keinen. Haben die überhaupt schon gepolsterte Sitze? Immerhin,
Egypt Air gehört zur StarAlliance der Lufthansa. Aber
erst einmal stehe ich hier auf dem eiskalten Bahnsteig und muß noch über
eine halbe Stunde auf meinen Zug warten. Kleine
Atemwölkchen entströmen meiner Nase. Ein Hubschrauber knattert
lautstark über dem Flußbett entlang. Der
Nebel auf dem Rhein hat sich fast aufgelöst. Die Sonne kommt langsam
heraus. Warum muß es ausgerechnet heute so kalt sein, wo der Winter
bisher doch so mild war? Ist das eine der Folgen des gerade wütenden
Sonnensturms? Mein
Zug kommt pünktlich. Ganz im Gegensatz zu sonst ist er total leer. Wie
jedes Mal bei einer Abreise frage ich mich unentwegt, ob ich wieder mal
etwas zuhause vergessen habe. Trotzdem bin ich total entspannt, ich muß
ja auch nicht umsteigen. Das
berühmte Niederwalddenkmal ist wegen Renovierung noch immer christomäßig
eingerüstet und verhüllt. niederwalddenkmal
- Google-Suche (Fotos) Wie
immer amüsiere ich mich über die Fahrkartenkontrolle: Alle weiblichen
(und junge männliche) Kontrolleure verlangen meine Bahncard; älteren männlichen
Schaffnern genügt mein treuer Blick. Ich fahre ja gerne mit der Bahn,
wenn nur diese oft umfangreichen und lästigen Kontrollen nicht wären. Inzwischen
scheint die Sonne vom wolkenlos blauen Himmel. Nur die Taunus-Berge drüben,
auf der anderen Seite des Rheins, liegen noch etwas im Dunst. Schade, daß
ich nicht einfach hier bleiben und das schöne klare Wetter genießen
kann. Meine
Fahrt geht vorbei an Böhringer, Opel, Rhein und Main. Der Frühling nähert
sich mit großen Schritten, vorhin habe ich die ersten Schneeglöckchen
gesehen. In den Kleingärten räumen die Leute schon auf und denken wohl
schon ans Angrillen. (Aber leider ist bereits eine große Kältewelle im
Anzug und wird viel Frost und Kummer mit sich bringen. Aber das weiß
man jetzt noch nicht.) Egypt
Air ist direkt vorne am Eingang des Terminals 1 bei den
LH-Schaltern untergebracht, also von mir, aus dem Untergrund
auftauchend, ausgesprochen günstig zu erreichen. Schon wieder ist das
Einchecken sehr rasch erledigt. Leider
darf ich diesmal nicht in die LH-Lounge. Trotzdem sind die zwei Stunden
Wartezeit schnell rum, denn ich habe noch einen Gutschein für
MacDonalds. Ich würde mal so sagen: Verbrennen kann ich mich nicht an
meinem Royal TS. Mein letztes Fleisch für die nächsten vierzehn
Tage. Als ich fertig bin, entdecke ich einen Chinesen direkt gegenüber
um die Ecke. Zu spät, schade. Natürlich
finde ich mal wieder Geld, ich brauche lediglich die Zeitung neben mir
etwas anzuheben, wenn es auch nur anderthalb Dollar in Münzen sind. Mein
Flieger startet pünktlich um 15:10 Uhr. Für mich zum ersten Mal über
die Startbahn West direkt nach Süden runter. Mein Flug in der Boeing 737
wird ca. 3.000 Kilometer weit sein. Erfreulich, die Maschine
ist nur zu einem Drittel besetzt, alle mittleren Sitze bleiben frei.
Wolkenloser Himmel. Die Ansagen
erfolgen in Arabisch und in unverständlichem Englisch. München und
Zagreb sind deutlich zu erkennen. Auf den Bergen des Balkans liegt etwas
Schnee.
Athen
überfliegen wir nach Einbruch der Dunkelheit; trotz der aktuellen
Finanzkrise ist es ein einziges Lichtermeer. Weiter geht es an Kreta und
Alexandria vorbei. Alle Uhren müssen eine Stunde vorgestellt werden.
Die tatsächliche Flugzeit beträgt vier Stunden. Alexandria und das
ganze Nildelta sind so verschwenderisch beleuchtet, daß eigentlich kein
Unterschied zur US-Westküste besteht. Unsere
Landung erfolgt pünktlich um kurz nach acht. Viele Deutsche steigen
hier nur um und fliegen gleich nach Hurghada weiter. Mohamed
empfängt mich und leitet mich elegant an der Einreisekontrolle vorbei.
Meine Tasche kommt als fünftes oder sechstes Gepäckstück angerollt.
Wie mit so vielen Dingen habe ich auch wieder mit meinem Gepäck Glück;
ich könnte mir eigentlich längst schon den Spitznamen „Lucky“
zulegen. Draußen
wartet ein kleiner Toyota-Van mit Fahrer auf Mohamed und mich und wir
fahren zu dritt los. Der kürzlich erweiterte Flughafen Cairo
International ist erst zwei Jahre alt. Nur fünfunddreißig Minuten nach
meiner Landung sind wir schon auf einer Schnellstraße und dann auf der
Stadtautobahn. Die
Straße ist leer und wir kommen sehr gut durch. Wir müssen genau auf
die gegenüberliegende Seite der Stadt. Wahnsinn, Autos dürfen hier im
Dunkeln mit und ohne Licht fahren, rechts, links, in der Mitte, man fährt
einfach wo und wie man will. Dies war mir schon damals in Damaskus
aufgefallen. Es scheint hier keine Verkehrsregeln zu geben. Die kleinen
Motorräder fahren auch reichlich riskant, es sieht ganz schön gefährlich
aus, trotzdem klappt es, es kommt offensichtlich nur ganz selten zu
Feindberührungen. Die
letzten drei Tage war das Ägyptische Museum am Tahrir-Platz wegen
der ständigen Unruhen geschlossen, ab Morgen soll es aber wieder geöffnet
sein. Aber Morgen geht es erst einmal zu den Pyramiden. Die
obligatorische Personen- und Gepäckkontrolle am Hoteleingang findet
nicht statt. Mohamed checkt mich im Mövenpick ein. Es ist noch derselbe
Kofferträger wie vor ein paar Jahren, nur sein Gesicht ist noch etwas
zerknautschter geworden. Zimmer 713, hoffentlich kein Omen für
Unglück. Ich wechsle etwas Geld: Für 50 Euro bekomme ich 798 Ägyptische
Pfund (EGP). Mein
einsames Abendessen bekomme ich in der Orangerie, dem Hauptrestaurant
des Hotels vom Buffet, ich bin der einzige Gast. Danach nehme ich einen
Drink an der mir noch gut bekannten Hotelbar in der Lobby, in Begleitung
einer meiner freundlichen Zigarren. Nichts hat sich hier in den letzten
Jahren verändert. Eine Sängerin singt, auch ein paar Abba‑Lieder
sind dabei. Es klingt gar nicht mal so schlecht, mein Urlaub hat
begonnen. Morgen
wird mich ein anderer Mohamed um acht Uhr abholen. Das bedeutet, um halb
sieben aufstehen. Naja, Urlaub heißt nicht, auf der faulen Haut
rumliegen zu können. Meine Urlaube ja schon gar nicht. Mohamed
hat mir empfohlen, nachts nicht allein auf die Straße rauszulaufen,
also mache ich Feierabend und gehe durch den Garten zu meinem Zimmer.
23:30 Uhr, ist ja auch reichlich spät geworden. Die Hotelanlage
ist alt und sollte dringend renoviert werden, nebenan wird schon ein
Neubau erstellt, der Spielplatz mußte dran glauben. Aber das Zimmer ist
wenigstens sauber, auch unter dem Bettlaken, Nina H. könnte hier nicht
viel zum Meckern finden. Wenn der Neubau fertig ist, werden die kleinen
Bungalows bestimmt abgerissen. Es gibt ZDF und RTL2 zu empfangen.
Immerhin. Freitag,
27. Januar 2012, Kairo Ich
muß um halb sieben aufstehen. Im Restaurant sehe ich beim Frühstück
nur ein paar Asiaten. Als Folge der ständigen Unruhen kommen immer
weniger Urlauber nach Ägypten. Touristen sind halt ein besonders
scheues Wild. Sicherheitshalber wechsle ich nochmal fünfzig Euro. Wie
versprochen, steht ein weiterer Mohamed um acht Uhr am Eingang und
wartet auf mich. Ich bin die nächsten Tage sein einziger Gast auf der
Tour. Habe ich mir schon immer gewünscht, einen Reiseführer für mich
ganz allein, aber die Reise war ja auch teuer genug. Mohamed
erzählt mir ein bißchen über Ägypten, Kairo und den Islam. Heute ist
Freitag, also Feiertag - mit den berühmt-berüchtigten Freitagsgebeten. Kairo
hat sagenhafte zweiundzwanzig Millionen Einwohner. Und obwohl das ja
schon genug sein sollte, strömen jeden Tag zusätzlich nochmal
mindestens zweieinhalb Millionen Pendler in die Stadt. Zum
besseren Verständnis: Belgien
hat 10 Millionen Einwohner, Niederlande
16 Mio., Österreich
8 Mio., Schweiz
7 Mio. Neben
uns verläuft ein schmutziger Kanal, der zurzeit „gedeckelt“, also
mit einem Dach zubetoniert wird; fünfundsechzig Kilometer sollen
bereits fertig sein. Diese Kanäle dienen der weiteren Bewässerung der
Felder entlang des Nils. Hier in der Gegend wird vor allem jede Art von
Gemüse und Obst, Baumwolle, Mais, Weizen, Futterklee und Pfeffer
angebaut. Weiter nördlich am Nil wächst Papyrus. Die Bauern nennt man
Fellachen. Es
werden vor allem Erze, Metalle, z.B. Kupfer, aber auch Steine, Granit,
Alabaster, Basalt aus Lava, sowie Kalkstein ausgeführt. Das viele Gold
der Pharaonen kam besonders aus Nubien. Zu
den Haupteinnahmen Ägyptens gehören der Sueskanal mit ca. fünf Mrd.
Dollar und der Tourismus. Im Norden werden große neue Industriebetriebe
aufgebaut und angesiedelt. Leider
sind die Ägypter Schweine in Sachen Umwelt und Müllbeseitigung. In der
Regel wirft man seinen Müll direkt vor die Haustür, und wenn ein Kanal
zufällig vor der Tür liegt, dann wirft man halt einfach da alles rein.
Wenn er, wie jetzt hier, zubetoniert ist, wirft man halt seinen ganzen
Unrat auf die neue Betondecke. Mohamed schämt sich für seine
Landsleute. Auch
hier in Ägypten gibt es ein Bildungsgefälle: Im Norden gibt es mehr
Schulen, im Süden weniger, also lernt man da auch weniger. Die Grenze
zwischen Ober- und Unterägypten ist in Luxor. In der Wüste gibt es
bekanntermaßen Beduinen, die noch weniger lernen wollen; sie sprechen
auch einen besonderen Dialekt. (Also genau wie bei uns in Deutschland:
Norddeutschland, Süddeutschland, Bayern… Halt, stopp, liebe
bayerische Freunde, nicht aufregen, war nur Spaß!) Ein
kleiner Polizeiposten hält uns an und kontrolliert unseren Fahrer
Ahmed. Jede
Menge Wasserbüffel, Esel und Pferde gibt es hier. Auf den Feldern gibt
es massenhaft staubige Palmen und Palmwäldchen. Die Leute sind
erschreckend arm. Und schmutzig. Für den Transport bedient man sich
meistens einachsiger wackliger Eselkarren. Wer ein Pferd vorspannen
kann, gilt schon als wohlhabend. Unzählige
Bremsschwellen gibt es hier. Jeder muß bis zum Fast-Stillstand
abbremsen und drüberholpern, um dann gleich wieder auf die vorherige
Geschwindigkeit zu beschleunigen. Immer
noch gibt es die uralten Fiat 1500 aus den sechziger Jahren. Damals
mein erstes „großes“ und „richtiges“ Auto nach mehreren Käfern,
auf das ich dann auch richtig stolz war. Immerhin hatte der Fiat
Heizung, vier Türen, Kofferraum und ein riiiesiges Armaturenbrett mit
vielen Anzeigen. Heute sieht er viel kleiner aus als damals… fiat
1500 - Google-Suche (Fotos) Die
Kinder gehen hier sechs Jahre zur Schule, dann drei Jahre in die
Oberschule und nochmal drei Jahre bis zum Abitur. Danach folgt ein Jahr
Militär. Natürlich gibt es auch hier sehr viele private (und teure)
Schulen. Unsere
staubige Straße führt uns zuerst zu den Pyramiden von Abusir. Pyramide
(Bauwerk) – Wikipedia (
Pyramiden Allgemein) Und
dann zur Stufenpyramiden von Sakkara. Wir holpern über das Gleis einer
Eisenbahn; sie soll die erste in Afrika und des Nahen Ostens gewesen
sein.
Weiße
Ibis-Vögel stehen in den Feldern und am Ufer des Kanals. Sie sollen
sehr alt sein und Weisheit verkörpern. Aber auch Paviane, Affen,
Stiere, Krokodile und Falken werden von den Ägyptern gerne verehrt.
Reiher stelzen bedächtig herum. Es
folgt die Knickpyramide von Dashour. Die Treppe hinauf zum Eingang wird
bestimmt nicht lange halten, jedenfalls nicht so lange wie die Pyramide,
sie fällt jetzt schon wieder auseinander. Ich muß tief gebückt einen
langen Brettersteg hinunterkriechen, um dann zwei leere Höhlen zu
besichtigen.
Hier
im Innern der Pyramiden sind Fotos immer und grundsätzlich verboten;
ein Wächter ist stets dabei und paßt auf. Für fünf Pfund (60
Eurocent) darf ich ein paar nicht sehr deutliche Fotos machen. Hier
im nahen Umkreis soll es über fünfzehn fertige und begonnene Pyramiden
geben. Die jetzt hier besuchte „Knickpyramide“ ist eine der ersten
Pyramiden, die damals gebaut wurden und es gab während der Bauarbeiten
erhebliche Probleme, sodaß der Architekt seinerzeit die Neigung der
Seiten während des Baus verändern mußte. Bei den nachfolgenden
Pyramiden hatte man dann bereits ausreichend Erfahrungen gesammelt und
niemand der späteren Baumeister hat sich dann noch einmal blamiert. Anschließend
fahren wir weiter nach Memphis, der früheren Hauptstadt Ägyptens. Hier
sind vor allem eine prächtige große Alabastersphinx und die
Kolossalstatue von Ramses II zu besichtigen.
Auffällig
wenig Touristen gibt es überall, wenn überhaupt, sind es meistens
Asiaten, die mit dem Bus kommen und schnell wieder weg sind. Angenehm
empfinde ich es, daß mal nicht so viele Deutsche um mich herum sind wie
sonst. Für mich waren die unzähligen Touristen beim letzten Mal eine
Plage. Für Ägypten ist es dagegen eine Katastrophe, daß jeden Tag
weniger Besucher kommen. Nach
all den vielen Besichtigungen gibt es endlich für Mohamed und mich
Happi Happi in einem orientalischen Gartenrestaurant mit arabischer
„Livemusik“. Ahmed bleibt am Auto. Jedesmal, wenn sich ein Tourist nähert,
fängt die Zweimannkapelle am Eingang an zu spielen. Längst ist es heiß
und sonnig geworden.
Warum
bedeutet hier Armut auch immer Schmutz und Müll? Mohamed erzählt, daß
es unter diesen armen Menschen jetzt besonders viele neue Krankheiten
gibt; sie haben nicht mehr genug Abwehrkräfte infolge mangelhafter Ernährung
und Sauberkeit. Dazu sind sie sehr oft Analphabeten, was alles leider
noch erschwert. Auch
hier liegen Unmengen Müll und Bauschutt am Kanal und in den Straßen
herum. Ein totes Pferd möchte ich gleich wieder vergessen. Der
Verkehr in den Straßen ist „orientalisch“, d.h. fürchterlich für
uns Europäer. Lkw, moderne Autos, alte Autos, dreirädrige Tuk-Tuks,
Esel- und Pferdekarren, Fußgänger, Kinder, Hunde und Katzen. Aber
irgendwie läuft es. Die hiesigen ägyptischen Tuk-Tuks scheinen mir übrigens
noch erheblich einfacher gebaut zu sein, als die in Thailand,
Indonesien, China usw.
Hier
möchte ich kein Tier sein, kein Esel, kein Pferd, noch nicht einmal ein
Vogel, auch kein Haustier; Tiere werden von den Menschen ausschließlich
als Nutztier angesehen. Die Armut ist deprimierend. Dazu die schlimmen
oft unasphaltierten Straßen. Niemand kümmert sich um den Zustand oder
die Sauberkeit der Straßen, alles verfällt vom ersten Tag an oder wird
erst gar nicht fertig. Häuser werden sowieso nie fertiggestellt, weil
sonst Steuern dafür bezahlt werden müssen. Auf
dem Rückweg erfolgt einer der obligatorischen Besuche in einem
Papyrus-Institut, ich kaufe aber nichts. Den Besuch eines Parfümladens
lehne ich gleich von vorneherein ab. Habe damit keine guten Erfahrungen
gemacht. Es
gibt neben den üblichen Isuzu-Bussen immer noch zahlreiche uralte
VW-Busse als Sammeltaxis, vor allem T2 aus den sechziger Jahren, immer
in weiß, fast immer mit hochgestellter Motorklappe. Endlich
fahren wir nach Gizeh zu den Pyramiden. Diese drei großen Pyramiden
sind das letzte übriggebliebene der sieben Weltwunder. Die Eingänge
sind grundsätzlich im Norden, die „Ausgänge“ für die Seele der
Pharaonen übrigens immer auf der Südseite.
Pyramiden
von Gizeh – Wikipedia pyramiden
gizeh - Google-Suche (Fotos) Obwohl
nicht im Programm vorgesehen, gelingt es mir, Mohamed zu überreden,
mich kurz das Haus mit der Barke des Pharao Cheops besichtigen zu
lassen. Hier muß jeder Besucher Stoffüberzieher über seine Schuhe
streifen.
Die Sonnenbarke des Pharao:
In
einer großen von Japan geschenkten Halle neben der Cheops-Pyramide kann
man für 50 Pfund Eintritt eine der königlichen Barken des Pharaos
Cheops besichtigen. Sie ist mit 43 Metern Länge sehr
eindrucksvoll. Das etwa 4.600 Jahre alte Schiff aus schwerem
Zedernholz sollte dem Pharao nach seinem Tode als Transportmittel ins
Jenseits dienen. Das Schiff war in 1224 Einzelteile zerlegt und mußte
in jahrelanger Puzzlearbeit wieder zusammengesetzt werden. Ganz fertig
ist es noch immer nicht. Danach
fahren wir zum berühmten Aussichtspunkt, von wo man einen schönen
Blick auf alle drei großen Pyramiden hat.
Anschließend
besichtige ich die Sphinx. Hier und an den Pyramiden gibt es dann doch
wieder reichlich viele Menschen, aber vor allem arabische Leute, Europäer
und Asiaten erheblich weniger, Amerikaner sollen kaum noch kommen.
Die Sphinx:
Auffällig
an der Sphinx ist, daß der Löwenkörper und Menschenkopf in den
Proportionen nicht ganz richtig zueinander passen. Der Körper ist viel
zu lang, dafür ist der Kopf zu klein. Man nimmt an, daß Fehler im
Felsgestein die Bauarbeiter zwang, den Körper der Sphinx zu verlängern,
um Pfoten und Schweif schließlich doch noch herausarbeiten zu können.
Eine weitere Vermutung ist, daß die Sphinx die Pyramide des Chephren
bewacht. Sie ist 57 Meter lang und 20 Meter hoch und man weiß
nicht, wer sie erbaut hat. Man vermutet, daß es Chephren selbst war.
Andere Meinungen gehen dahin, daß die Sphinx wesentlich älter als die
Pyramiden in der Nachbarschaft ist. Eine
häufige Frage ist auch: Heißt es "die Sphinx" oder "der
Sphinx"? Laut Duden sind beide Artikel korrekt.
Um
16:10 Uhr werde ich an meinem Hotel abgesetzt und kann mich ein bißchen
erholen. Beim
Abendessen nerven ein paar wenige Asiaten durch ihre lauten Gespräche.
Mir fällt mal wieder neidvoll auf, daß sie meistens reichlich schlank
sind. Ich trinke ein paar in Ägypten hergestellte Heineken beim Essen
und später in der Bar, wo ich auch wieder meine Zigarre rauchen kann.
Die Sängerin beginnt pünktlich um neun. Samstag,
28. Januar 2012, Alexandria Heute geht es in neue unbekannte Gefilde, nach
Norden, hinauf nach Alexandria. In Kairo und Umgebung kannte ich ja
alles schon, jeder Tourist bekommt immer die gleichen Ziele gezeigt. Endlich läßt mich Mohamed vorne neben dem Fahrer
sitzen, er selbst muß hinten Platz nehmen. Noch in Kairo sehe ich einen
seltenen Polizisten an einer Kreuzung den Verkehr regeln. Ich glaube,
hier die Straße zu überqueren, ist weniger riskant als bei uns, auch
wenn es noch so gefährlich aussieht. Ampelanlagen gibt es hier auch nur
ganz vereinzelt. Deshalb staut sich auch der Verkehr an allen größeren
Kreuzungen sehr heftig. Jeder fährt fast bis auf die Stoßstange seines
Vordermanns, um ja keinen vom Querverkehr durchzulassen und blockiert
damit alle anderen. Zum Glück gibt es in Kairo auch eine U‑Bahn
mit Linien in die vielen neuen großen Städte der näheren Umgebung. Mohamed kauft uns ein paar zusammengeklappte
vegetarische Fladenbrote für unterwegs. Mitten in der Stadt sehe ich
eine Ziegenherde auf einem engen lehmigen Pferch ohne jedes Grün; wie
schlimm für die armen Tiere. Inzwischen liebe ich den Kairoer Verkehr schon fast,
habe mich an das ganze Durcheinander gewöhnt. Da kommt einem gerne auch
schonmal ein Geisterfahrer entgegen, der seinem Stau elegant aus dem
Wege geht. Zwischen den unzähligen Pkw die sattsam bekannten
Eselkarren, Busse, Lkw. Endlich sind wir auf einer primitiven Autobahn und
fahren nach 6th of October City, einer der vielen neuen
riesigen Städte in der Peripherie Kairos. Hier holt Mohamed einen Schlüssel
für eine Wohnung in Alexandria ab, in der er und Ahmed wohnen werden.
Auch hier wird unglaublich viel gebaut. Nebenbei: Benzin kostet etwas mehr als ein Pfund,
also etwa zwölf Euro-Cent. Genauso viel wie ein Kilowatt Strom
oder ein Kilogramm Gas… Trotz allen Schmutzes, Staubes, Mülls, es gibt
trotzdem ein paar moderne riesige gläserne Einkauf-Malls, wo wir aber
leider nicht anhalten. Wir müssen an einer zusammenfallenden Bretterbude
drei Pfund Maut bezahlen. Drüben in Alexandria später noch einmal. Die
zweimal vierspurige Autobahn wurde gerade von spanischen Firmen
instandgesetzt, trotzdem ist sie sehr wellig, kein Vergleich mit europäischen
Autobahnen. Viel mehr als 100 km/h kann man gar nicht fahren. Fünf,
sechs große Überführungen und Kreuzungen werden gerade noch gebaut,
wenn sie mal fertig sind, wird es wohl nicht mehr so viel Querverkehr
geben. Ich sehe in der Wüste auf unserer rechten Seite
ewiglange Mauern, bestimmt zig Kilometer lang, die Militärgelände
arrondieren. Hier sind reichlich viele Raketenbasen stationiert, da der
Sinai (und damit der Feind) nicht allzu weit entfernt ist. Weinstöcke gibt es hier sogar. Deren Trauben werden
nach Frankreich versandt, dort gekeltert und kommen dann als Wein zurück.
Der Koran verbietet es, Wein herzustellen. Nur Beduinen stellen geringe
Mengen Dattelwein her. Wegen der Übergangsregierung gibt es zurzeit oft
nicht mehr die früher übliche scharfe Überwachung durch die Militärpolizei.
Aber es soll noch vereinzelte Radar- bzw. Laserüberwachung geben. Übrigens:
Die Strafen für zu schnelles Fahren sind relativ hoch, wenn man das
zweite Mal erwischt wird, ist der Führerschein für drei Monate weg. Ahmed fährt für ägyptische Verhältnisse recht
bedachtsam. Man fährt hier auch sehr gerne auf dem Strich, so kann der
Hintermann rechts oder links überholen, ganz wie er will. Immer wieder
kommt uns am rechten Straßenrand ein Geisterfahrer entgegen, niemand
regt sich darüber auf. Polizeiautos habe ich nur ganz selten mal
gesehen. Am rechten oder linken Straßenrand stehen immer mehr
Verkaufsstände. Sie sind zwar wie vieles illegal, aber niemand kümmert
sich mehr darum, viele Polizisten haben ihren Dienst gekündigt.
Mubarak und seine Spießgesellen sind ja im Gefängnis.
Ihnen wird der Prozess gemacht. Mohamed erzählt ein paar gänsehauterzeugende
Geschichten über deren Machenschaften. Die reiche Oberschicht fährt ausschließlich
deutsche Autos, ich habe aber keine gesehen. Die Mittelschicht fährt
asiatische Autos. Taxis sind hier meistens Ladas. Zweihundertdreißig Kilometer sind es bis Alexandria,
aber wir machen noch einen Abstecher in eines von mehreren Klöstern
hier in der Gegend, das St. Bishoy Monastery, ein koptisch-orthodoxes
Kloster des heiligen Bishoi. Ob sich die fünfzig Euro Eintritt und
Spende dafür lohnen? Der mit Schlaglöchern übersäte Weg dorthin ist
schmal und staubig. Ein freundlicher Mönch, Bruder Ephraim, nimmt mich
in Empfang, führt mich exklusiv überall herum und erklärt mir lang
und breit mit seinem leicht verständlichen Englisch alles, was ich
wissen will und noch viel mehr. Kirchenräume und Wandmalereien,
Refektorium, Zellen, alles wird mir gezeigt und erklärt. Mir bleiben
vor allem die Treppe auf die Aussichtsplattform in Erinnerung, immer
sechs Stufen und dann ein Podest, so wie Gott die Welt erschaffen hat,
sechs Tage Arbeit, am siebten Tag Ausruhen – so kann niemand im
Dunkeln stolpern. Ich bewundere von hier oben die herrliche Aussicht.
Das Kloster besitzt riesige Ländereien und eine entsprechende
Landwirtschaft.
Jeder Ägypter besitzt ein Handy und telefoniert
damit ohne Unterbrechung. So natürlich auch „mein“ Mönch. (Deshalb
auch die unzähligen Handyläden in den Städten und Orten. Fast jeder
zweite Laden verkauft Handys.) Eine riesige Kirche, eigentlich ist es von der Größe
her schon eine Kathedrale, wurde innerhalb der Klostermauern gerade neu
erbaut und trotzdem sind an den teuren Granitstufen schon die Ecken
herausgebrochen. Das ist Ägypten… Ich genieße die ruhige Privat-Führung und die gut
verständlichen Erklärungen, endlich mal ohne die Schlaumeier, die ja
in fast jeder Gruppe sind und die sich ständig mit bescheuerten Fragen
wichtigtuerisch hervortun müssen. Nach anderthalb Stunden werde ich geläutert
entlassen, nicht ohne ein Foto von Bruder Ephraim und mir gemacht haben
zu dürfen. Als Abschiedsgeschenk erhalte ich ein Netz Orangen.
Später zu Hause lese ich, daß der heilige Bischoi
von 320 bis 417 n.Chr. gelebt hat. Jesus hat sich ihm ein paarmal
gezeigt. Sein Körper soll unverwest in einem Schrein des Klosters
ruhen. (Mehr zum Kloster gerne auf Anfrage.) Wir nehmen diesmal einen anderen Weg zurück, durch
einen besonders staubigen Ort mit unglaublich viel Verkehr. Auch die
Hauptstraße ist unasphaltiert. Anhalten geht nicht, man quetscht sich
grundsätzlich immer ohne Stopp aneinander vorbei, egal wie eng es wird,
egal wie heftig das Fahrzeug oder das gegnerische in den Straßenunebenheiten
und Schlaglöchern auch schwankt. Ich bin froh, als wir heil zurück auf
der Autobahn sind.
Die Wüste links liegt teilweise unterhalb des
Meeresspiegels; unsere Autobahn verläuft am Rande dieser riesigen
Senke. Ahmed legt hier zum ersten Mal seinen Sicherheitsgurt an. Jetzt gibt es für jeden eins der gefüllten
Fladenbrote. Zum Glück wenigstens vegetarisch. Und ein paar saure Mixed
Pickles. Hoffentlich bekomme ich von alledem keinen Durchfall.
Normalerweise würde ich das nicht essen. Aber jetzt habe ich Hunger.
Und ich darf Mohamed nicht kränken. Auf der Straße liegen ständig jede Menge
Reifenteile und andere Dinge herum. Alle paar Kilometer steht ein Auto
mit einer Reifenpanne. Ein paar Raser überholen uns, irgendwie ist es
jetzt eine rechtsfreie Zeit. Golf Plus- und A- oder B-Klasse-Fahrer und
überhaupt jeder deutsche Polizist, Ordnungsbeamte oder gar
„Oberlehrer“ bekäme hier sofort einen schweren Herzinfarkt…
Überholte Fahrzeuge hupen dankbar, es wird überhaupt
sehr gerne und ausgiebig gehupt. Die ehemaligen Polizeikontrollposten
sind leer und verwaist. Nur die knüppelharten Fahrbahnschwellen gibt es
noch und schütteln jedes Fahrzeug kräftig durch. Lkws werden gerne von Beduinen gefahren. Und so
fahren sie auch, als hätten sie noch immer ihre Kamele unter sich. 14:54
Uhr, der Weg zieht sich, immer noch sechsundvierzig Kilometer. Rechts
ist eine riesige Zuckerfabrik, das entsprechende Zuckerrohr wird aus
allen Richtungen hingefahren und hingekarrt. Hier
ist die zweite Mautstation, es gibt etwas Rückstau. Jetzt ist die Straße
nur noch je zweispurig und der Verkehr drängelt sich. Der Schmutz nimmt
rapide zu und legt sofort beredt von der Armut der Leute Zeugnis ab.
Danach müssen wir durch zwei zähe lange Staus. Alexandria, die Perle
des Mittelmeers, empfängt uns mit noch mehr Müll und Schmutz und Staub
– und einem besonders zähen Stau. Wir brauchen lange, bis wir endlich
auf die Corniche, die ehemals prächtige Uferstraße, stoßen. Übrigens:
Alexandria ist Ägyptens zweitgrößte Stadt. Einbahnstraßen
gibt es nicht in Ägypten, weil sie doch nicht akzeptiert würden. Leider
wird gerade mal wieder vor dem Gericht hier an der Uferstraße
protestiert, sodaß die Autos sich nur noch mühsam vorwärts quälen können.
Deshalb steigen Mohamed und ich aus und laufen mit vielen anderen
Menschen auf der Promenade am Meer entlang. Mohamed erzählt mir alles
Wichtige über die Stadt, die von Alexander dem Großen gegründet
worden sein soll. Nach einiger Zeit holt uns Ahmed wieder ein und wir
fahren zu einem kleinen Fischrestaurant am Ende der Corniche. Ein paar
Mopeds fahren hier in heftigen Schlangenlinien auf und ab, meist mit
zwei jungen Leuten drauf und aus primitiven Lautsprechern laute
arabische Musik abspielend.
Erst
einmal gibt es eine „köstliche“ Bouillabaisse mit viel
(Entschuldigung) für mich ekliger Einlage und einer dicken fetten Gamba
darin und ein Teller Calamari, dann zehn, elf wirklich leckere
verschiedene vegetarische Vorspeisenteller mit Fladenbrot. Dann bekommt
jeder zwei große Fische (einer soll aus dem Nil kommen, einer soll ein
„Moses-Fisch“ sein, ich bekomme keine richtige Info darüber), dann
nochmal einen ganzen Teller Roter Riesengarnelen. Unser Tisch biegt sich
geradezu. (Hoffentlich übersteht das alles mein Magen!) Das Ganze ist
bestimmt sehr lecker, aber ich habe Gambas, Calamari und Fischsuppe in
meinem ganzen Leben noch nicht gegessen und wollte sie eigentlich auch
nie essen. Mohamed hat bestellt und ich darf ihn jetzt nicht kränken;
ich darf jetzt einfach keinen Rückzieher machen, deshalb muß ich hier
durch! Und alles essen! Und muß natürlich auf die vielen Fragen ständig
heftig freudig nicken und den Daumen nach oben strecken und alles als
sehr gut bezeichnen. Wenn ich das hier heil überstehe, habe ich einen
guten Magen. Nur gut, daß ich vorhin im Kloster noch rasch die
Gelegenheit genutzt und um mein weiteres Seelenheil gebetet habe. Als
Nachtisch biete ich allen meine Zigarillos zum ägyptischen Tee an. Der
Flachbildfernseher ist offensichtlich schon mehrmals heruntergefallen
und wird nur noch von viel Klebeband zusammengehalten. Die
Fahrt zu meinem Hotel wird anstrengend. Wegen der Demonstration auf der
Corniche sucht Ahmed ein paar Seitenstraßen, die natürlich auch total
blockiert sind. Wichtige Erkenntnis: Der Abstand zum Vordermann darf
nicht größer als zwanzig Zentimeter sein. Sobald er nur etwas größer
wird, bohrt sich seitlich sofort ein anderes Fahrzeug hinein und nutzt
die Lücke gnadenlos zu seinem Vorteil aus. Statt
einer normalen Hupe benutzt man auch gerne eine Polizeisirene. Müll
türmt sich zu beiden Seiten der Straße zu Bergen, die Perle des
Mittelmeers ist ganz schön schmutzig und verkommen. Warum muß auch
ausgerechnet heute gegen die Justizbeamten demonstriert werden? Trotz
allen Gedrängels muß Ahmed auch weiterhin ständig telefonieren,
Quatschen mit Mohamed sowieso. Es
herrscht ein gnadenloser Kampf auf den Straßen, Paris, Istanbul, Amman,
Damaskus sind die reinsten Idyllen gegen den ägyptischen Verkehr. Die
Abgase durch Ahmeds offenes Fenster bringen mich um. Die
lebensmüden Mopedfahrer haben natürlich alle keinen Helm. Fußgänger
sind mindestens genauso wagemutig. Kinder kennen erst recht keine
Furcht. Dazu das ganze schreckliche Gehupe und Geschreie. Streunende
Hunde und Katzen wühlen im Müll am Straßenrand. Die geduldigen Esel
und Pferde bedauere ich auch sehr. Die unzähligen Kutschen darf ich
auch nicht vergessen. Sammeltaxis auch nicht, die ständig hupen und
gnadenlos überall anhalten, um Leute aus- oder einsteigen zu lassen.
Kreuzungen werden rücksichtslos blockiert: „Wenn ich nicht kann,
darfst Du auch nicht!“ Und jetzt kommen uns auch noch jede Menge Straßenbahnen
entgegen! Alles unter der Überschrift: Sportliche Koexistenz. Ich
achte auf meine Gedärme, alles noch im grünen Bereich, alles noch OK. Schade,
jetzt kann ich die Corniche nicht im barmherzigen Dunkel des Abends
bewundern. An
einer Kreuzung regelt sogar ein Polizist den Verkehr, er wird aber gerne
von den Fahrzeuglenkern ignoriert. Ein, zwei seltene Ampeln gibt es, die
aber auch nur eine Empfehlung abgeben. Mit
der Hupe sagt man „Guten Tag“ oder „Mir geht’s gut“ oder
„Fahrt endlich weiter Ihr da vorne!“, auch wenn sie sich gar nicht
weiter vorbewegen können. Blinker blinken so schön, die kann man auch
anlassen. Straßenbahnen
und Busse werden nie gesäubert oder gar instand gehalten; solange sie
fahren ist alles gut. Viele Scheiben der Autobusse haben schwere
Steinschlagschäden. Alle zusammen sind in erbarmungswürdigem Zustand. Die
schlimmen Bodenwellen im Dunkel sind übrigens ein eigenes Kapitel. Auf
der Autobahn ohne Licht, auch ohne Standlicht zu fahren, gibt offenbar
einen besonderen Kick. Rote Standlichtlampen vorne statt der üblichen
weißen zeigen den andern, daß man moderner Technik gegenüber
besonders aufgeschlossen ist. Vorhin habe ich auch schon ein paar Autos
mit total überklebten (oder sogar ausgebauten) Rück- und Bremslichtern
gesehen.
Aus
der regulären halben Stunde Fahrzeit zum Hotel wird deutlich mehr, nämlich
anderthalb Stunden. Raffinerien
sehe ich, sie spiegeln sich im Wasser mehrerer riesiger Seen. Der
aufgeschlossene Ägypter wendet auch gerne mal auf der Autobahn und fährt
dann seinen Kollegen ebenso friedfertig wie treuherzig entgegen. Langsam
fahrenden Lkws genügt auch ein einziges schwaches verstaubtes und kaum
wahrzunehmendes Rücklicht. Oder gar keins. Ich
sehe rote, blaue, grüne Lichter oder abwechselnd blinkende
Standlichter. Aber niemand schimpft deshalb. Alles ist erlaubt. Warum
auch nicht. Trotzdem,
irgendwann sind wir im Radisson Alexandria, reichlich außerhalb der
Stadt. Das Hotel besteht aus zwei fünfstöckigen kreisrunden Türmen
mit einem Mittelbau dazwischen und ist ganz OK. Auf jeden Fall ist es
eine Riesenverbesserung zum vorhergehenden Mövenpick, das damals vor
ein paar Jahren schon total abgewohnt war und die angeblichen fünf
Sterne schon lange hätte zurückgeben müssen, schade, daß ich da später
noch einmal ein, zwei Nächte verbringen muß. Hier wird hoffentlich
auch das Restaurant gut sein, obwohl ich von vorhin ja eigentlich noch
satt bin. (Mein Magen ist immer noch ganz ruhig.) Mohamed
checkt mich ein und fährt mit Ahmed in die Firmenwohnung in der Nähe.
Ich bekomme ein sehr schönes Zimmer im obersten Stockwerk mit großem
Bad und separater großer Dusche, einfach wie es sein soll. Dafür
erfüllt das Restaurant dann leider doch nicht meine Erwartungen. Kein
Buffet, ich habe nur die Wahl zwischen je drei Vorspeisen (ausschließlich
Salat), drei Hauptgängen (Kalbsschnitzel, Barsch und Huhn),
irgendwelchen zwei Kuchen und Obst mit Eis. Schade. Das Restaurant ist
fast leer, das wenige Personal total unfähig, der Salatteller wird
kommentarlos vor mich hingestellt. Ich werde auch nicht gefragt, ob ich
etwas trinken möchte. Das habe ich ja noch nie erlebt, in meinem ganzen
langen Leben nicht! Ich
muß meine Erwartungen an Radisson doch erheblich runterschrauben! Der
Salat ist eine Katastrophe! Eigentlich so schlimm, daß ich darüber
schon wieder lachen muß. Aber ich habe in der Lobby wenigstens
Aschenbecher gesehen, also wird mich nachher die erste heutige Zigarre
wieder mit der Welt versöhnen! Durchs
Fenster sehe ich mich derweil von Raffinerien geradezu umzingelt, überall
wird Gas abgefackelt, während ich es zuhause teuer kaufen muss. Der
Fisch auf einem angewärmten Teller entschädigt mich dann etwas. Er
darf dann doch noch in einem Heineken schwimmen, weil ich nach langer
Zeit doch noch gefragt werde. Das Obst mit Eis ist OK. Ich
lasse mir am ATM in der Lobby 1.000 Pfund (120 EUR) auszahlen.
ec-Karte ist OK, aber mit späteren 5 EUR Gebühr nicht ganz
billig). Sonntag,
29. Januar 2012, Alexandria Aufstehen
um sieben, Abfahrt um 8:30 Uhr, Wetter etwas trüb, aber das wird sich
bestimmt bald wieder bessern. Mein Bett war sehr hart. Ja, ich weiß:
„Wenn Dir das Bett zu hart ist, bist Du zu weich“. Die Kopfkissen
auch. Im
Hotelzimmer ging die Heizung nicht. Ich reklamiere es und bis heute
Abend soll sie repariert sein. Im Frühstücks-Restaurant fallen mir
wieder die wenigen Gäste auf, höchstens vier, fünf, außer mir.
Dieses Hotel scheint auch heftig unter dem Schwund an Touristen und
Geschäftsleuten zu leiden. Inzwischen
habe ich meine Meinung zum ägyptischen Verkehr nochmal revidiert. Es
ist wirklich kein Krieg, nur sportlicher Wettkampf, jeder will halt
gewinnen, eigentlich ganz harmlos. Arabische Mentalität. Vielleicht
gibt es deshalb so gut wie keine Unfälle. Auf
einem langen Damm geht es durch einen Meeresarm, denselben Weg von
gestern Abend zurück. In
Alexandria folgt ein „hartes“ Besichtigungsprogramm: Zunächst die
Shoqafa-Katakomben. Unter der Stadt soll es überhaupt viele Katakomben
geben, die meisten sind aber mit Grundwasser vollgelaufen. Hier ist ein
kleiner Ausstellungsplatz mit ein paar steinernen Altertümern zu sehen
und dann führt mich Mohamed eine Wendeltreppe tief hinunter zu weiteren
Gräbern ehemals reicher Leute. Natürlich, auch hier ist das
Fotografieren verboten. (Diese lästigen Fotoverbote gehen mir überhaupt
reichlich auf die Nerven. Mir sind sie unverständlich, bringen sie doch
viele Leute in innere Konflikte, weil sie es dann natürlich erst recht
mit ihren Handys und Kameras versuchen. Und die angeblichen Schäden an
den Farben der Wandmalereien glaube ich auch nicht, zumal es die meisten
Leute heutzutage wissen und ihren Blitz erst gar nicht einschalten.)
Weiter
geht es zur Pompeiussäule (Amud El-Sawari), der dritthöchsten nach Rom
und Konstantinopel. Hier gibt es auch zwei wunderschön erhaltene und in
der Sonne liegende große und fast unbeschädigte lächelnde Sphinxen
aus Granit zu bestaunen. Nach
einem Rundgang durch das weitläufige Gelände fahren wir weiter zum Römischen
Theater (Kom Al-Dikka) mit seinem sehr gut erhaltenen kleinen
Amphitheater und alten Bädern. Mohamed
kennt keine Gnade mit mir und setzt unser Besichtigungsprogramm gleich
fort: Jetzt folgt das Alexandria National Museum, das in einer früheren
pompösen weißen Villa eines ehemals reichen Italieners untergebracht
worden ist. Auf drei Etagen gibt es viele alte Statuen vor allem aus der
pharaonischen Zeit zu bewundern. Wieder keine Fotos erlaubt; mein Herz
blutet.
Jetzt
geht es weiter zur Festung Citadel of Qaitbay. Hier stand ganz, ganz früher
der berühmte Leuchtturm, der durch mehrere Erdbeben immer wieder zerstört
worden ist. Jetzt befindet sich hier eine sehenswerte Festung.
Citadel
of Qaitbay - Wikipedia, the free encyclopedia alexandria
citadel - Google-Suche (Fotos) Weiter
geht es zur großen neuen Bibliothek Alexandrias, der Bibiotheka
Alexandrina, einem besonders imposanten und modernen Gebäude. Auch hier
muß ich, wie überall in Ägypten, durch eine ebenso lästige wie nachlässige
Sicherheitskontrolle. Bei fast jedem, der durchgeht, piepst es, aber
niemand achtet darauf. Wieder sind keine Fotos erlaubt. Wir erhalten
eine kleine Führung durch ein paar Ausstellungsräume. Die Toilette
dieses vornehmen Gebäudes ist schmutzig und sehr vernachlässigt und
einfach angesichts des in diesem Gebäude untergebrachten Wissens der
menschlichen Kultur unwürdig. Aber so sind die Ägypter.
Bibliotheca
Alexandrina – Wikipedia alexandria
bibliothek - Google-Suche (mit Fotos) Heute
am Sonntag sind viele Geschäfte geschlossen, weil es hier besonders
viele Christen gibt. Der Verkehr fließt, und die Corniche zeigt mir
ihre schmutzige Schönheit in der strahlenden Sonne. Eine gewisse frühere
Pracht und Eleganz läßt sich durchaus noch erahnen. Hier
wie auch schon zuvor in Kairo fallen mir besonders die unzähligen
Lada-Taxis auf. Und inzwischen läßt mich der Straßenverkehr auch
immer wieder an einen riesigen Autoscooter denken; jeder fährt kreuz
und quer und wie er will. Gegenüber sehe ich plötzlich ein
WaltDisney-Mosaik an einer langen Mauer und lasse Ahmed anhalten.
Ich muß, ich müßte, die Straße unter lebensgefährlichen Bedingungen
überqueren, in der Mitte halte ich lieber an, mache ein paar Fotos und
hetze zurück in die Sicherheit unseres Toyotas. Wer hier zögert, hat
sofort verloren, wie in Paris, aber Paris ist ein Kindergarten dagegen.
Jetzt
sind alle Besichtigungen für heute abgehakt und wir fahren auf der
Corniche zu unserem Fischlokal von gestern. Ich konnte es nicht übers
Herz bringen, nach einem anderen Lokal zu fragen, und so gibt es erneut
unzählige leckere Vorspeisenteller, die bekannte „leckere“
Fischsuppe mit den vielen undefinierbaren Früchten des Meeres von
gestern, einen Salzwasserfisch mit merkwürdigem Namen und nochmal
Riesengarnelen. Dazu wie gestern ein Pepsi und Tee. Da mein Magen das
alles gestern gut überstanden hat, hoffe ich, daß es auch diesmal gut
geht.
Mohamed
erzählt, daß die jetzige Revolution wohl nicht genügt, Ägypten wird
noch viele weitere Revolutionen brauchen, um wirklich etwas im Land zu
verändern. Leider gibt es immer noch zu viele Leute ohne Ausbildung
oder sogar Analphabeten. Da haben es die Haßprediger in den Moscheen
leicht, die Menschen zu beeinflussen. Bei
so viel Autos erwartet man eigentlich feste Regeln für den Straßenverkehr,
die eingehalten werden, aber das Gegenteil ist hier der Fall. Um
16:30 Uhr sind wir zurück am Hotel. Meine Heizung im Zimmer geht immer
noch nicht und ich reklamiere noch einmal. Der zu mir geschickte Monteur
richtet auch nichts aus. Ich habe keine Lust, umzuziehen. Obwohl es
nachts wegen des offenen Fensters wirklich reichlich kalt wird. Vor
allem morgens ist es mir viel zu kalt im Zimmer. Die
Speisekarte ist unverändert und ich esse das gleiche wie gestern. Immer
noch wenig Gäste, hier im Restaurant sehe ich heute Abend nur noch zwei
andere Hotelgäste. Ich
lege kräftig einen drauf und hole mir am ATM dreitausend Pfund (375 EUR).
Ägypten ist halt teuer, trotz HP und späterer VP. Ich weiß gar nicht,
wohin das ganze Geld so verschwindet. Eine Zigarre verwöhnt mich zum
Abschluß des interessanten Tages in der Lobby. Montag,
30. Januar 2012, Alexandria Aufstehen
um 7.30 Uhr, Abfahrt um neun. Mohamed wartet wie jeden Morgen auf mich.
Es gelingt mir nicht, mal vor ihm in der Lobby zu sein. Ich schildere
ihm mein Heizungsproblem. Er hat aber auch nur den Rat, das Zimmer zu
wechseln. Ich fürchte aber, daß die Heizung in allen Hotelzimmern
nicht funktioniert und bleibe lieber. Draußen vor dem Hotel steht ein
Handy-Sendemast als Palme verkleidet. Eine gute Idee. Später sehe ich
noch mehr davon. Das
Wetter ist wieder trüb und etwas kühl. Heute fahren wir über die Küstenstraße
an der „North-Coast“ entlang nach El Alamein, dem früheren
Kriegsschauplatz im Zweiten Weltkrieg. Auf
der Schnellstraße gibt‘s wieder jede Menge Reifenpannen. Hoffentlich
bleiben wir davon verschont. Die Beduinen sollen hier recht freundlich
sein. Drüben im Sinai sind sie durch jahrtausendlange Streitereien
deutlich kämpferischer. Vom Meer ist nichts zu sehen, stattdessen
endlos lange Neubau-Viertel. „Küstenstraße“ bedeutet halt nicht,
am Wasser entlang zu fahren. Es ist unglaublich, wieviel mehrstöckige Häuser
hier in den letzten Jahren gebaut worden sind und immer noch gebaut
werden. Haus an Haus, meistens vier, fünf Stockwerke, wie Bäume im
Dschungel. Da dürfte man es schwer haben, „sein“ Haus zu finden.
Dabei soll es sich hier meistens um Zweit-Wohnungen für den Sommer
handeln, die die meiste Zeit des Jahres leer stehen. Unsere
Straße ist vierspurig, die Umgebung wird etwas sandiger, wüstiger. Der
Sand wechselt seine Farbe zwischen allen Gelb- und Brauntönen.
In
Ägypten gibt es vor allem KFC und Pizza Hut, mehr Pepsi als Coca Cola.
MacDonalds habe ich aber auch vereinzelt gesehen. Ahmed fährt 100 km/h.
Ein Kontrollposten verlangt Ahmeds Ausweis. Die Leute sind zivil mit
Pullovern angezogen. Kahle
Feigenbäume wachsen hier, sie vertragen auch Salzwasser. Feigen sollen
gut für den Magen sein. Rechts,
Richtung Mittelmeer, immer noch endlose Siedlungen, links Wüste und die
von der Herfahrt noch bekannte tiefe Senke. Vor allem unsere in
Deutschland ausgesonderten alten Mercedes-Lkws führen hier in Ägypten
ihr zweites (schwereres) Leben. Unzählige Lastwagen mit deutscher
Beschriftung fahren hier herum. Kurz vor unserem Ziel sehe ich dann doch
noch etwas Meer. Nach
anderthalb Stunden sind wir am Ziel. Zuerst am deutschen
Soldatenfriedhof, dann am englischen. Achtzigtausend Soldaten sollen
hier liegen.
Danach
besichtigen wir das britische Militärmuseum, das Al Alamein
Military Museum, in dem sehr viele alte Kriegsraritäten ausgestellt
werden. Ich werde beim Gang durchs Museum von Wächtern argwöhnisch
beobachtet, obwohl alles mit Glaskästen und zusätzlichen Ketten gegen
„versehentliche“ Mitnahme gesichert ist. Gewaltige Wandmalereien mit
Kriegsszenen gibt es natürlich auch.
Ich
erhalte eine Privatvorführung des Kriegsverlaufs auf einer riesigen
Panorama-Landkarte der nordafrikanischen Küste. Ein Soldat betätigt
jede Menge Schalter und läßt damit ganze Reihen von Lämpchen
aufleuchten, während ein anderer mit langem Zeigestab auf entsprechende
Details zeigt. Die deutsche Erklärung kommt vom Tonband. Ich komme mir
wie ein General vor, dem die aktuelle Lage seiner Soldaten gezeigt wird.
Ich
erinnere mich, daß die Gegend hier in den Kriegswochenschauen Cyrenaica
genannt wurde. Vor dem Haus stehen ein paar alte Militärfahrzeuge und
Panzer.
Afrika
im zweiten Weltkrieg Schlachtverlauf Mohamed
erzählt mir, daß Ägypten ein reiches Land ist, aber die falschen
Politiker hat, die auch nur an sich und die eigene Großfamilie denken. Mubarak
ist im Krankenhaus und wird täglich zum Gericht geflogen, jeden Tag
kostet das unglaublich viel Geld. Auch diese Verschwendung stört das
Volk und die Leute fragen sich immer häufiger, wofür sie eigentlich
ihre Revolution gemacht haben. Inzwischen
komme ich erneut zu der Erkenntnis, daß arabische Menschen (und ganz
speziell Ägypter) null Umweltbewußtsein besitzen. Aber das ist mir ja
auch schon auf meiner Orientreise ganz besonders im armen Syrien
aufgefallen. Je ärmer, desto weniger Gefühl für die Umwelt. Und für
Tiere. Tierschutz findet offensichtlich nur statt, wenn man Geld hat.
Schade. Dann
geht es den gleichen Weg zurück, wieder an den Siedlungen mit fünfzig,
hundert, zweihundert gleichen Wohnblocks vorbei, eine Siedlung an der nächsten,
unendlich lang. Wie oben schon gesagt, die allermeisten stehen leer.
Unglaublich. Eine
Unart der Ägypter ist es, sämtliche Verkehrsschilder mit Aufklebern zu
bekleben, sodaß man nichts mehr erkennen kann. Endlich kommt Frau Sonne
wieder raus. Ahmed
tankt an einer Tankstelle nach, obwohl nur ein paar Liter in den Tank
hineinpassen. Letzte Woche gab es einen Streik, sodaß das Benzin an den
Tankstellen rasch ausverkauft war. Deshalb heißt es für jeden, ständig
volltanken, egal wie wenig reinpaßt. Ein Liter Benzin kostet
umgerechnet 12 Eurocent, aber man verdient ja auch nur 2.000 Pfund,
umgerechnet 250 Euro. Ein Arzt oft wenig mehr, 3.000 Pfund.
Dolmetscher, Reiseführer (grundsätzlich mit Studium) und andere
Akademiker etwas mehr. Jetzt
besuchen wir den Botanischen Garten König Farouks am Meer. Auf dem Weg
dorthin müssen wir am Unfall zweier Lkw vorbei, beide liegen auf der
Seite. Jeder fährt drumrum wie er gerade will. Dabei wird natürlich fröhlich
gehupt.
Eine
1800er GoldWing sehe ich plötzlich auf der Corniche am Rand parken.
Motorradfahren möchte ich hier lieber nicht. Einen Lexus RX SUV
sehe ich auch mal. Übrigens, Navis soll es hier geben, ich habe aber
auf der gesamten Reise nur einmal eins in einem Mercedes gesehen. Gerade
hier in den Großstädten bräuchte man es vielleicht, aber die Leute
scheinen alle genau zu wissen, wie sie zu fahren haben, um ihr Ziel zu
finden. Ahmed kennt sich auch sehr gut aus. Der
Park soll über 40.000 Hektar groß sein, was ich aber nicht ganz
glauben will. Er ist groß, sehr groß, so groß aber wohl doch nicht.
Eher vier Hektar. Mohamed übertreibt bei Zahlen gerne und oft. (So war
es schon bei den Einnahmen des Suez-Kanals und wahrscheinlich auch bei
den Einwohnern Kairos.) Hier bummeln Mohamed und ich durch den Park am
alten Haremspalast vorbei, der heute ein sehr vornehmes Luxushotel ist,
bis zum Königspalast hinüber. Dort wartet Ahmed auf uns und wir fahren
zum Essen.
Endlich
liegt die bogenförmige Corniche mit ihren weißen Häusern in der
wohltuenden Nachmittagssonne vor mir. Wohin?
Natürlich wie immer zum Fisch-Restaurant! Aber ich habe mir endlich für
heute „etwas mit Nudeln“ gewünscht, deshalb gibt es die „elf Köstlichkeiten“,
die bereits bekannten und heißgeliebten Vorspeisenteller mit Fladenbrot
dabei, dann Gemüsesuppe, Spaghetti mit Hühnerfleisch und Pommes
Frites. Wie immer muß ich zum Schluß ein paar meiner inzwischen
knappen Zigarillos verteilen, obwohl Mohamed doch eigentlich gar nicht
raucht.
Wir
machen noch einen ganz kurzen Stopp an einer Moschee, bevor es im
letzten Abendlicht zu Fuß durch eine Hauptgeschäftsstraße und an
unendlich vielen schreienden Händlern vorbei zum Hafeneingang geht.
Mohamed wird auch hier, wie schon in Kairo, offenbar oft von
irgendwelchen Leuten erkannt und dann stets freundlich begrüßt, er muß
hier sehr bekannt sein. Die Abgase (und das Gedrängel und Gewusel der
vielen Menschen) bringen mich um. Übrigens: Waschstraßen scheint es in
Ägypten nicht zu geben. Die meisten Autos bekommen in ihrem Leben wohl
nie eine Wäsche, oder wenn überhaupt, dann mit einem Schlauch am Straßenrand
oder an einer Tankstelle. Auf
dem Weg zum Hotel kommt’s dann dicke. Jede Menge Stau. Ahmed nimmt
wieder einige schmale Sträßchen. Wir erstreiten uns den Weg Zentimeter
für Zentimeter. Hupe und Lichthupe helfen uns dabei eher weniger, müssen
aber sein. Wer eine Sirene hat, benutzt sie gerne und oft, kriegt aber
auch nicht mehr Platz gemacht. Rücksichtslose Händler mit ihren meist
von Eseln gezogenen Karren blockieren zusätzlich die schmalen Spuren an
den parkenden Autos entlang. Schmutzige räudige Katzen schleichen überall
umher und suchen nach Eßbarem; von den armen Hunden will ich erst gar
nicht reden. Der
Lautsprecher-Terror der Muezzins von den Moscheen herunter lockert das
Ganze etwas auf. Wir erhalten die unglaublich lauten und nervigen
„Durchsagen“ gleichzeitig aus verschiedenen Richtungen mit
unterschiedlichen Läuterungstexten. Doch den infernalischen Krach
interessiert hier niemanden, alle ertragen ihn stoisch. Genauso wie die
armen Esel und Pferde, die sowieso alle Plackerei geduldig ertragen. Es
soll vereinzelt Überlegungen geben, vielleicht und irgendwann in ferner
Zeit einmal darüber nachzudenken, die Lautstärke der
Moschee-Lautsprecher möglicherweise etwas zu reduzieren. Bei
all dem Staub und Schmutz fällt mir immer wieder das Schiller’sche
Zitat ein: „Ein Jeder kehre vor seiner Tür.“ Oder war es doch
Goethe?? Wenn die Ägypter sich daran hielten, würde es schnell etwas
besser werden. Ahmed
muß zweimal wenden, weil es gar nicht mehr weitergeht. Wir brauchen
eine Stunde für immerhin dreihundert
Meter. Schuld an dem ganzen Tohuwabohu sind zwei Kreuzungen. Privatleute
regeln hier den Verkehr, werden aber nicht beachtet. Jeder fährt möglichst
dicht auf seinen Vordermann, sodaß keiner seitlich reinkommt und vor
allem niemand quer über die Kreuzung kommt. Gut, daß ich nicht
verstehe, was die Leute sich zurufen, ich habe ja schon von der Fülle
wunderschöner blumiger Schimpfwörter gehört, die es in der arabischen
Sprache geben soll, und kann sie mir gut vorstellen. Unser
Auto bekommt hier auch schonmal einen kräftigen Klapps aus eiliger Fußgängerhand,
die sich hier wirklich recht mühsam durchquetschen müssen. Ahmed
wechselt ein, zweimal ein paar „freundliche“ Worte mit ein paar
Leuten; ein Austausch an Höflichkeiten dürfte es allerdings nicht
sein. Mohamed muß sogar einmal aussteigen und ich fürchte schon, es
gibt eine Schlägerei. Und dazu schon wieder die erhabenen Gesänge von
den Minaretten herab. Dieses Chaos muß man einfach mitgemacht haben.
Danach ist man ein anderer Mensch. Endlich
auf der Autobahn peppen die sattsam bekannten Bodenwellen unsere
langweilige Fahrt wieder etwas auf. Dazu die schwach oder unbeleuchteten
Fahrzeuge, auch Pannenfahrzeuge am linken oder rechten Straßenrand,
irgendwie erinnert mich ägyptischer Straßenverkehr an Anarchie.
Xenon-Scheinwerfer gibt es so gut wie gar nicht, braucht man hier auch
nicht. Unterwegs
im neuen Stau steigen wir beide aus und laufen wieder ein Stück des
Weges. Ich weiß nicht warum, denn Ahmed holt uns später wieder ein und
sammelt uns auf. Um schneller voranzukommen, nimmt man auch gerne schon
mal die andere Straßenhälfte und ist dann einer von zahlreichen
Geisterfahrern auf der Gegenseite. Die Berechtigung dafür lautet:
„Wenn einer es macht, darf ich es ja schließlich auch“. Oder man
nimmt den unglaublich holprigen Seitenweg auf der rechten Seite im
Acker. Hauptsache ist, daß mein Fahrzeug rollt. Im Stau ist alles
erlaubt. Nur Loser stehen… Übrigens,
bei einer lästigen Reifenpanne kann man durchaus auch auf der Felge
heimfahren. Habe ich mindestens zweimal gesehen. Diesmal
benötigen wir zweieinhalb Stunden statt einer halben Stunde. Mohamed
kommt diesmal mit auf mein Zimmer, um sich über die ordnungsgemäß
funktionierende Heizung zu informieren, kann aber letztendlich auch
nichts gegen die übermächtige Ignoranz der Haustechnik oder der gar
der Hotelleitung ausrichten: Meine Heizung geht natürlich immer noch
nicht. Meine Reklamation wurde stets sehr aufmerksam und freundlich
entgegengenommen, obwohl das Personal natürlich sofort wußte, daß man
da gar nichts ausrichten würde. Und das in einem angeblichen
5‑Sterne-Luxus-Hotel einer international renommierten Kette. (Später
zu Hause denke ich mir, daß die wenigen Hotelgäste der Hotelleitung
nicht wert waren, die Heizung extra für sie hochzufahren.) Aber
wenigstens gibt es heute Abend ein einfaches Buffet, deshalb bekommt der
Ober auch ein kleines Trinkgeld. (Eine meiner festen Regeln: Es gibt nur
Trinkgeld für einen korrekten Service, egal welcher Art!) Im Restaurant
sind ein paar mehr Gäste. Ich
hole mir erneut 3.000 Pfund vom Geldautomaten und rauche meine
Zigarre in der Lobby. Ägypten ist doch deutlich teurer als gedacht. Ein
paar Wäscheteile muß ich im Waschbecken waschen. Dienstag,
31. Januar 2012, Kairo Heute muß ich um sechs Uhr
aufstehen, Abfahrt ist um sieben. Der Typ an der Kasse des Radisson will
mir doch tatsächlich kein Wechselgeld zurückgeben, ich bestehe aber
gerade deshalb darauf und so bekommt er auch kein Trinkgeld. Ich weiß
gar nicht, warum wir so früh Abfahren müssen. Auf jeden Fall geht es heute nach
drei Tagen Alexandria zurück nach Kairo. Mohamed erzählt mir, daß auf
dem Nil vor ein paar Tagen die Schleusenwärter an den Schleusen in Esna
zwischen Luxor und Assuan gestreikt hätten und daß es deshalb zurzeit
immer noch Schwierigkeiten bei vielen Schiffen gebe, dort durchgelassen
zu werden. Aber mein Schiff würde auf jeden Fall fahren. Die Beamten
des Wasserministeriums wollen mehr Geld. Deshalb der Streik. Im Übrigen:
Den gestrigen abendlichen Stau haben Demonstrationen verursacht, weil
ein Mann unnötig erschossen worden ist. Gut, daß Ahmed endlich die Scheiben unseres Autos etwas gesäubert
hat. Wie jeden Morgen ist es auch heute wieder bedeckt und trüb, aber
es wird am Himmel schon wieder heller. Es ist halt Winter, auch hier. Die Mautstelle hält uns etwas auf. Da alle Spuren voll
sind, drängeln sich wieder überall Geisterfahrer durch das Gewühle
und verschlimmern alles. Sehr schlau, warum soll man unnötig warten?!
Zum ersten und einzigen Mal dieser Reise nieselt es ein paar
Minuten. Die Autobahn verbreitert sich wieder von zwei auf drei und vier
Spuren je Richtung und jeder fährt, wo er will. Technischer Zustand der
Autos: Egal, es muß nur fahren, egal wie! Du hast einen platten Reifen?
Fahr einfach weiter und tu so, als sei nichts passiert. Es ist ja auch
nichts passiert. Ein Rad ist Dir zufällig abhanden gekommen? Nicht
schlimm, zwei Helfer setzen sich hilfsbereit auf die gegenüberliegende
Ecke des Kofferraums oder der Motorhaube und alles ist wieder im Lot!
Schließlich benötigt ein Auto nur drei Räder. Trotz alledem, so richtig gefährlich kam es mir nie vor.
Die ägyptische Fahrweise liegt mir, könnte ich jetzt auch, hier in
Alexandria wie auch in Kairo, zumindest mit einem alten Auto würde ich
es mich jetzt trauen… Ich frage mich, ob die Baustellen der riesigen Autobahnbrücken
irgendwann fertig sein werden. Die beiden unterhalten sich ununterbrochen laut, alle Tage,
ohne Unterbrechung, manchmal nervt es ein bißchen, vor allem, weil ich
dann nur selten mal eine Frage stellen kann. Und dazu ständig ihre
beiden Handys. Schade, meine Ohrhörer sind hinten im Rucksack,
unerreichbar. Gestern gab es einen Sandsturm und etwas Regen in Kairo.
Danach wird es immer sonnig, also Glück gehabt, normal für Februar.
Sandstürme sollte man sich übrigens eher als Staubstürme vorstellen. Die meisten Ägypter reiten noch immer ihre Kamele, nur daß
diese Kamele jetzt motorisiert sind. Hier so kurz vor Kairo kommen wir erneut an großen gläsernen
Einkauf-Malls vorbei, so groß und von hier durchaus elegant wie in den
USA aussehend, sie brauchen sich nicht zu verstecken. Auch Aldi, Obi und
Makro gibt es hier in Ägypten. Dann fahren wir an SmartVillage vorbei, hier haben sich jede
Menge Computer- und Internet-Firmen angesiedelt. Sehr moderne Gebäude
mit viel Glas und Beton sind zu erkennen. Ägypten will aufholen. Die Schießstände und Schutzschilder der Militärpolizisten
sind alle leer, verwaist und umgeworfen. Jeder hat ein Handy am Ohr und fährt mit einer Hand. Von
weitem sind die drei Pyramiden zu sehen. Der Verkehr auf der Stadtautobahn läuft ganz gut und wir
kommen prima durch. Hier fährt sogar eine Kehrmaschine am Straßenrand,
aber das sieht aus wie der Kampf von Sisyphos, vergeblich.
Auch einen Müllwagen habe ich mal gesehen. Einen! Der Müll
am Autobahnrand und auf den Dächern ist deprimierend – und er wird
unaufhaltsam immer mehr. Das Wort „Ladungssicherung“ kennt man im
Arabischen offenbar nicht. Der Häuserbau erfolgt hier so: Ein paar dünne billige
Betonsäulen werden hochgezogen und die Öffnungen mit Backsteinen
ausgefüllt. (Schäden nach dem Ausschalen sind dabei durchaus üblich,
sodaß die Eisenarmierung zu sehen ist.) Die Betondecke muß auch nicht
zu dick sein, das hält schon alles. Später kommen noch ein paar
Fenster und Türen rein, fertig ist ein vielstöckiges Hochhaus, zehn, fünfzehn
Etagen, kein Problem. Auch hier bleiben viele Wohnungen leer bis die
Kinder erwachsen sind. Die oberste Etage darf nicht fertig werden, denn
dadurch werden noch keine Steuern fällig.
Vor der Universität gibt es wieder zähflüssigen Verkehr.
Hier fehlt eindeutig eine Verkehrsregelung. Am Haupteingang der Uni
kommen wir vorbei, gegenüber sind der Zoo und der Botanische Garten.
Diese Uni hier soll die älteste Afrikas sein. Ahmed beherrscht sich und
schimpft nur ganz selten einmal. Er muß sich beherrschen, weil ich im
Auto sitze. Als ein Moped an unserem Auto vorbeikratzt, muß er dann
aber dochmal aussteigen und ein bißchen laut mit dem Blödmann reden. Rückfahrfühler kennt man hier übrigens nicht, ich sehe
sie nur ganz selten. Trotzdem haben die Autos erstaunlich wenig Schäden
an Lack oder gar Blechkleid. Hier in Kairo sieht man auch mal eine Frau
am Steuer. Aber auch nur hier in Kairo. Sonst sind die Frauen offenbar
noch sehr wenig emanzipiert. Und jeder hat ein Handy am Ohr. Anders kann
man gar nicht Autofahren. Über dreitausend Moscheen soll es allein in Kairo geben,
private und solche der Regierung. Dann kommen wir am städtischen
Krankenhaus vorbei, sehr groß und modern aussehend, dann ein spezielles
Krankenhaus für Diabetes-Patienten. Weil es hier in der Stadt sehr viel
Stress gibt, wächst die Zahl der zuckerkranken Patienten ständig. Bei
fünf Millionen Autos kein Wunder. Weiter geht es an einer sehr modern
aussehenden Kinderkrebsklinik vorbei. Leukämie soll leider weit
verbreitet sein und die Kinder werden hier oft kostenlos behandelt. Glücklicherweise
spenden sowohl viele reiche und prominente Leute als auch berühmte
Sportler der Klinik viel Geld. Neben uns fährt ein Auto auf ein anderes
auf und es gibt etwas Streit unter den beiden Fahrern. Weiter geht die Fahrt an einem langen und gut erhaltenen
sehr hohen alten Römer-Aquädukt entlang. Leider benutzen ihn die Leute
als Müllkippe.
Mohamed glaubt, daß Kairo die älteste islamische
Hauptstadt ist, nicht Amman. Eine Diskussion darüber spare ich mir
lieber. Aber so ist das ja gerne mit den Superlativen, jeder nimmt sie
zu gerne für sich in Anspruch. Weiter am Friedhof vorbei, auf dem (außer den Toten)
300.000 Menschen leben und wohnen sollen. Mohamed spricht gar von
zwei Millionen Bewohnern, aber das habe ich vielleicht falsch in
Erinnerung – oder er übertreibt schon wieder maßlos. Wer soll sie zählen? Stadt
der Toten (Kairo) – Wikipedia Auch die Alabaster-Moschee (Muhammad-Ali-Moschee) ist fast
leer, nur ein paar ganz wenige arabische Besucher haben sich hier hinauf
verirrt. Auch der Innenhof, total leer! Die Moschee ist immer noch sehr
gewaltig, müßte aber außen dringend vom grauen Staub befreit werden.
Der Blick auf die Stadt hinunter ist grandios.
Muhammad-Ali-Moschee
– Wikipedia alabaster
moschee - Google-Suche (Fotos) Anschließend fahren wir zurück in die Stadt und
durchschreiten eines der ganz wenigen noch erhaltenen alten Tore in der
Stadtmauer und betreten die islamische Altstadt Misr el‑Qadima.
Die Holztür ist sehr gut erhalten, aus dickem schwerem Holz und mit
Eisen beschlagen. Sofort umfängt uns ursprüngliches arabisches Leben,
kleine Geschäfte, von außen akzeptabel aussehende Wohnhäuser,
lebhafte Restaurants, gut erhaltene alte herrschaftliche Häuser und Paläste,
ein paar imposante Moscheen. Die Leute drängeln sich auf den holprigen
schmalen Gassen, dazwischen Lastenträger, Männer und Frauen, die
meistens Backwaren geschickt auf ihren Köpfen balancieren – und junge
Männer auf alten Fahrrädern fahrend, die dabei mit einer Hand das
Tablett festhalten.
Es ist 11:50 Uhr, als wir eine besonders schöne Moschee
betreten. Der Wächter schaltet für einen kleinen Obolus sogar die
Beleuchtung extra für mich ein. Auch die hinteren Gebäude dürfen wir
besichtigen, offenbar war diese Moschee früher auch einmal eine Schule.
Auch hier liegt eine wichtige Persönlichkeit begraben. Eigentlich sind
alle großen Moscheen auch ein Mausoleum. Meistens zumindest schonmal
ihre Erbauer. Ist ja klar. Würde ich wohl auch so machen.
Weiter geht es durch einen engen Basar. Zur Belohnung für
die Qualen des dauernden Angequatschtwerdens lädt mich Mohamed zu einer
Tasse ägyptischen Tees ein. (Ägyptischer Tee wird immer im Glas mit
losen Teeblättern serviert; „Tee“ bedeutet immer einen
schrecklichen Teebeutel in einer ebensolchen Porzellantasse.) Aber
leider gibt es auch hier keine richtige Erholung, ich muß mich
mannigfacher Belästigung erwehren, Silberschmuck, Korane,
Sonnenbrillen, Portemonnaies, Uhren, Tücher und was weiß ich werden
mir angeboten, dazu kommen zig Schuhputzer an unseren Tisch. Auch hier wird Mohamed ständig begrüßt. Aber jetzt haben
wir beide Hunger und Mohamed führt mich zu Abu Tarek, offensichtlich
ein sehr bekanntes Lokal. Hier gibt es ausschließlich ein einziges
Gericht, ein Nationalgericht der Ägypter: Koshari. Ein unglaublich
leckeres Eintopfgericht, alles wird auf einem einzigen Teller serviert. Pro Person: Eine halbe Tasse braune kleine Linsen (gibt’s z.B. im türkischen
Geschäft), eine halbe Tasse Reis, eine halbe Tasse Nudeln (am besten Hörnchen oder 1cm-Makkaronistückchen), eine halbe Tasse Graupen, ein EL Butter, ein paar Tomaten und eine Dose Tomatenmark, ein paar Knoblauchzehen, Salz, Pfeffer, Chili, ein oder zwei Beutel fertige Röstzwiebeln Alle Hauptzutaten kochen und in den vier „Ecken“ eines vorgewärmten
Tellers verteilen. Tomaten schälen, pürieren und zusammen mit dem
Tomatenmark etwas einkochen, mit Salz, Pfeffer und Chili abschmecken.
Knoblauch kurz in Butter anbraten, zur Tomatensoße geben und über
allem verteilen. Knusprige Röstzwiebeln oben drauf legen. Wobei man
durchaus darüber streiten kann, ob die Röstzwiebeln über oder unter
der Tomatensoße liegen sollen. Auf jeden Fall: Mmmh! (Die ersten vier Hauptzutaten kann man natürlich je nach Geschmack und
Lust und Laune abwandeln. Und, Röstzwiebeln kann man auch selber
zubereiten:
Zwiebeln in Scheiben, Stückchen oder Ringe schneiden, leicht mit
Weizenmehl bestreuen und in siedendem Fett frittieren.)
Abu
Tarek Koshary restaurant - Ich habe selten so etwas Gutes gegessen und genieße es.
Mohamed schlingt alles in weniger als fünf Minuten herunter. Ich beeile
mich, brauche aber trotzdem noch dreimal so lang. Dann gehen wir zu Fuß weiter zum Ägyptischen Museum.
Unterwegs stößt Mohamed 1, der mich am Flughafen abgeholt hat, zu
uns. Wieder muß ich eine lästige Sicherheitskontrolle durchschreiten
und meine Kamera gegen ein nummeriertes Holzplättchen eintauschen.
Schon wieder keine Fotos erlaubt! Ich hasse die Ägypter dafür! Zur
„Strafe“ mache ich unter „Lebensgefahr“ mit meinem Handy ein
paar Fotos, aber das Risiko ist groß, daß mich einer der zahlreichen,
nicht uniformierten und daher schwer erkennbaren Wächter entdeckt.
Entweder muß man dann das Foto sofort löschen, oder man bekommt hier
richtige Schwierigkeiten. Ich glaube, vorhin gesehen zu haben, daß ein
Wächter auch einen Touristen abgeführt hat. Ich bin ja immer für ein
Risiko zu haben und liebe sogar manche riskante Situation, hier gebe ich
dann aber vernünftigerweise nach und verzichte auf weitere Fotos. (Ich
selbst werde ja immer von meinem Schutzengel beschützt, aber steht auch
meine Kamera unter diesem Schutz?)
Hier müßte man einen ganzen Tag verbringen können, um
alles in Ruhe betrachten (und fotografieren!) zu können. Besonders
beeindruckt mich natürlich der Goldschatz des Tutanchamun. Allen voran
seine schwere goldene Totenmaske, die mich ganz außerordentlich
fasziniert. (Nofretete im Neuen Museum hat mir ja auch schon mal
zugeblinzelt…) http://www.google.de/search?q=tutanchamun& nofretete
- Google-Suche (Fotos) Nachdem ich heil und wieder im Besitz meiner Kamera das
Museum verlassen habe, ist noch Zeit, das angrenzende Büro‑Hochhaus
der Nationaldemokratischen Partei NDP Mubaraks am
Tahrir‑Platz anzuschauen. Es wurde konsequenterweise in Brand
gesetzt, als vor genau einem Jahr die Unruhen und letztendlich die
Absetzung Mubaraks und das Ende seines Terror-Regimes begannen.
Revolution
in Ägypten 2011 – Wikipedia Aufstand:
Hohngelächter für das ägyptische Regime | Politik | ZEIT ONLINE Mohamed 2 verläßt mich und fährt mit der U‑Bahn
nach Hause. Mohamed 1 bringt mich mit Ahmed in unserem Toyota-Bus
an der Nil-Corniche entlang und dann über die Stadtautobahn nach Hause
ins Mövenpick. Die Stadtautobahn steht hier in der Innenstadt übrigens
meist auf Betonsäulen. Eine meiner Beobachtungen im Verkehr: Du kannst überall
anhalten, also tu es! Am besten auf der Autobahn! Zweite Feststellung: Die Hupe macht, daß sich der Stau vor
Dir auflöst, also benutze sie und die Autos, die vor Dir stehen, lösen
sich in Luft auf! Trotz des oft zähen Verkehrs bin ich dann doch um 16:10 Uhr
zu Hause. Ich bekomme mein altes Zimmer 713. Da noch Zeit ist, gehe
ich rüber in die Roof-Bar des Hotels. Von hier aus hat man einen schönen
Blick hinüber zu den drei großen Pyramiden. Leider stört einer der
zahlreichen Handymasten jedes Foto. Noch mehr nervt mich (und den
Sonnenuntergang) aber eine kleine Gruppe Asiaten mit ihrem dauernden Gelächter.
Es wird danach gleich etwas kühl, zuhause soll es sibirisch kalt sein.
Beim Abendessen gibt es auch ein paar wenige Deutsche, aber
kein Vergleich zu früher. Der Restaurant-Chef scheint mich zu mögen.
Er brät mir meinen Fisch persönlich. In seinem Clubjacket mit
ebensolcher Krawatte sieht er tatsächlich wie ein US-Schauspieler aus,
den ich kenne, aber dessen Namen mir jetzt nicht einfällt. Schmaler
Oberlippenbart, straff zurückgekämmtes und mit Brisk eingeschmiertes
Haar, fast auch ein bißchen wie Higgins aus Magnum, aber eigentlich
meine ich einen anderen Schauspieler. Als Filmregisseur würde ich ihn
hier sofort wegengagieren. Bei meiner abendlichen Zigarre in der Lobby gibt es noch
einmal Radau. Eine ägyptische Hochzeit. Neun Trommler und ein Flötenspieler
lassen mir fast die Trommelfelle platzen. Die „Musik“ ist wirklich
sehr laut - und sehr disharmonisch. Die zwei englisch sprechenden älteren Paare am Nebentisch
meckern über meinen Zigarrenqualm und erdolchen mich mit eisigen
Blicken. Aber ich bleibe ganz gelassen, denn ich saß zuerst hier. Welch ein Luxus! Die Heizung funktioniert in meinem Zimmer.
Endlich werde ich Morgen früh mal nicht im Bad vor Kälte zittern. Mittwoch,
1. Februar 2012, Kairo + Fayoum Aufstehen
um sieben, Abfahrt um neun Uhr. Beim Frühstück sitzen wieder ein paar
Asiaten an einem der Nebentische, alle mit dicker Winterjacke oder gar
Daunenmantel. Ein komisches Volk. Endlich
komme ich mal wieder in den Genuß geschälter, geviertelter süßer
Orangen, die ich hier so gerne esse. Normalerweise ist die Schüssel
schon leergefre…, äh, leergefuttert, weil ich immer irgendwie zu spät
komme. Überhaupt ist es angenehm, heute mal etwas Zeit zu haben, gut,
daß ich schon um sieben Uhr aufgestanden bin. Endlich mal keine Hetze. Um
viertel vor neun bin ich schon vorne in der Lobby, aber die beiden,
Mohamed und Ahmed, warten schon wieder auf mich. Bin ich eigentlich nie
mal zuerst da? Ich mußte überhaupt nie auf einen der Reiseführer
warten, sie waren immer sehr früh zur Stelle. Ahmed hat die
Frontscheibe etwas sauber gemacht, gut so, ist besser für die Fotos. Mohamed
erzählt, daß direkt neben unserem Hotel das neue Große Ägyptische
Museum gebaut wird. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, soll es in
einer unteririschen, umgedrehten riesigen Pyramide verschwinden. Die Mövenpick-Leute
werden sich wegen des Ansturms an Gästen bestimmt schon jetzt
ununterbrochen die Hände reiben und gegenseitig auf die Schultern
klopfen. Hotelgäste müssen dann nur noch über die Straße, um direkt
ins neue Museum zu gelangen. Einziger Wermutstropfen: Leider soll es
nicht vor Mitte 2015 eröffnet werden. Und den offiziellen Termin wird
man sowieso nicht ein halten können. Planet-Wissen
schreibt dazu: 23.02.2010,
Birgit Amrehn, Neubau der Superlative Schon
lange platzt das altehrwürdige Ägyptische Museum aus allen Nähten.
2013 soll es deshalb so weit sein: Das neue "Grand Egyptian
Museum", nur 1,5 Kilometer westlich der Pyramiden von Gizeh
gelegen, wird dann voraussichtlich seine Pforten öffnen. Der Grundstein
wurde bereits 2002 von Ägyptens Präsident Muhammad Husni Mubarak
gelegt. Es wird ein Museum der Superlative: Jedes Jahr sollen 4,8 Millionen
Besucher an den insgesamt 150.000 Artefakten aus der Pharaonenzeit,
aber auch aus der koptischen und islamischen Epoche Ägyptens
vorbeigeschleust werden. An
dem bislang weltweit größten internationalen Architekturwettbewerb
nahmen 1557 Architekten aus 82 Ländern teil. Letztendlich gewann
das Architekturbüro Heneghan Peng aus Irland. Die Baukosten werden auf
550 Millionen US-Dollar geschätzt. Das alte Ägyptische
Museum bleibt trotz des Neubaus erhalten. Doch die Konkurrenz wird groß:
Wichtige Exponate, wie die Schätze aus dem Grab Tutanchamuns, werden in
Zukunft nur in Gizeh zu sehen sein. Planet
Wissen - Das Ägyptische Museum grand
egyptian museum - Google-Suche (Bilder) Von
den Bauarbeiten ist allerdings nichts zu erkennen, ich sehe nur ein paar
riesige Sandberge. Heute
fahren wir nach Südwesten, ca. hundert Kilometer nach Fayoum. Die
Autobahn ist ziemlich leer und läßt sich problemlos befahren. Rechts
wieder riesige Neubauviertel, ausschließlich Wohnblocks. Wahnsinn, was
besonders hier in Kairo und Umgebung gebaut wird. Ganz neue Großstädte
werden aus dem Wüstenboden gestampft. Eine
Mautstelle. Die Sonne scheint, alles im Lot. Leider kommen wir an einem
heftigen Unfall vorbei. Polizei ist nicht zu erkennen. Der übliche
kurze Stau davor. Eine holprige einspurige primitive Eisenbahnlinie wird
überquert. Viele deutsche Lkw mit ihrer Originalbeschriftung und
manchmal deutschen Nummernschildern fahren herum. Die Oettinger Brauerei
liefert ihren Gerstensaft offenbar auch hierher. Bald
ist die Wüste wie sie sein soll, nur noch Sand, nichts Grünes. Kein
Haus. Nichts. Noch nicht mal Plastikmüll, wirklich nichts. Nur eine
unvermeidbare allgegenwärtige Überland-Stromleitung. Doch dann wird es
etwas grüner, Palmen, Bäume. Behausungen sind zu sehen, gerade im Bau
oder schon wieder am Verfallen, aufgegeben und verlassen. Wer soll hier
auch leben? Links,
Richtung Nil, stehen über fünfzig hohe Schornsteine. Ziegelsteine
werden hier gebrannt. Aber
zunächst besuchen wir die schon von weitem gut erkennbare Pyramide von
Meidum, die zweitälteste nach Sakkara. Natürlich muß ich auch hier
tiefgebückt zusammen mit einem Wächter einen endloslangen Brettersteg
nach unten kraxeln und dann weiter waagerecht und wieder etwas nach oben
klettern, um dann eine leere nach oben spitzzulaufende Grabhöhle mit
eingemeißelten Hieroglyphen zu besichtigen. Der Handlauf ist wacklig;
achtlos weggeworfener Plastikmüll bleibt hier unten unbeachtet liegen.
Niemand nimmt ihn mit nach oben. Welcher Ignorant wirft hier unten
seinen Müll weg?!! Der Fluch des Pharaos möge ihn treffen!
Anschließend
wird mir von Mohamed ein Besuch in einer der zahlreichen Grabhöhlen im
Hügel nebenan empfohlen. Hier muß ich rückwärts sehr tief gebückt
und fast auf Knien schräg nach unten kriechen. Nach langer Quälerei
bin ich vor einer lose angelehnten wackeligen Leiter angekommen, die
weiter senkrecht nach unten führt. Umdrehen kann ich mich hier nicht,
ich müßte rückwärts einen Riesenschritt über eine Kuhle
hinwegmachen, um die Leiter zu erreichen. Aber hier schlägt die
Vernunft zu, ich breche gnadenlos ab, (ausnahmsweise, meine Angehörigen
werden mich hoffentlich dafür loben), es ist mir einfach zu gefährlich
und ich krieche wieder nach oben. Man muß wissen, wann der Punkt zur
Aufgabe erreicht ist. Wahrscheinlich haben die oben herumstehenden Wächter
untereinander Wetten abgeschlossen, ob ich heil rauskomme oder nicht…
Weiter
fahren wir, jetzt nach Fayoum, einer endlos weiten fruchtbaren Senke, in
der sehr viel Gemüse und Obst angebaut wird. Mohamed spricht von einem
Viertel Ägyptens. Früher war hier ein großes Meer, das mit dem
Mittelmeer verbunden war. „Fayoum“ heißt demzufolge auch „großer
See“. Wal-Knochen hat man hier sogar gefunden. Heute gibt es noch
einen salzigen See, der über eine meist unterirdische Verbindung mit
dem Nil verbunden ist, 130 km lang. Große Städte mit sehr vielen
Menschen gibt es hier. Auch hier sind wieder viele neue Wohngebiete im
Bau. Lange gerade Straßen führen in die Stadt, alle mit Laternen
beleuchtet. An Strom muß man nicht sparen. Eine
neue Schnellstraße nach Luxor wird gebaut, siebenhundert Kilometer
lang. Vier
Kinder sind in einer ägyptischen Familie normal. Städter haben auch
schon mal ein, zwei Kinder weniger, die haben ja auch mehr andere
„Unterhaltungsmöglichkeiten“. Auch hier gibt es eine große
Universität. Kleintiere hält man der Einfachheit halber auch gerne auf
den Dächern der Häuser, Enten, Gänse, Hühner, eine Ziege oder ein
Schaf… In
Fayoum machen wir Stopp. Unendlich viel Müll, besonders auch am
Bahndamm entlang. Hier an einem Wasserrad empfiehlt mir Mohamed eine
Kutschenfahrt. Ich sitze natürlich vorne auf dem Bock und darf auch mal
die Zügel übernehmen. Ich habe ja etwas Übung und kann kutschieren.
Nur der Peitschenknall will mir nicht gelingen, obwohl der Kutscher mir
fünfzig Dollar geben will, für den Fall, daß es bei mir so laut wie
bei ihm knallt. Naja, Geld ist auch nicht alles…
Wir
fahren ein bißchen durch die Stadt. Die Leute sehen mich schon mal
etwas erstaunt an, normalerweise sitzen die Touristen offenbar hinten,
wo jetzt Mohamed alleine sitzt und breit grinst. Manche Leute, vor allem
auch Kinder, sind recht freundlich und rufen mir einen Willkommensgruß
zu, lächeln mich auch schon mal an. Ob es ernst gemeint ist? Wir
fahren zu einem anderen Wasserrad im „Botanischen Garten“, den es
aber gar nicht gibt, nur ein, zwei Palmen, eigentlich keine Sensation,
da habe ich in Hama doch ganz andere, unendlich viel größere Wasserräder
gesehen. Obst
und Gemüse, und vor allem auch das Fleisch sollen hier eine erheblich
bessere Qualität haben, weil die Bauern so gut wie keine Chemie
benutzen. Auch hier gibt’s gemächlich grasende Wasserbüffel,
geduldige Esel und kleine Pferde, meckernde Ziegen und blökende Schafe.
Federvieh sowieso. Es ist etwas grüner als sonst, aber auch immer noch
sehr staubig. „Maschimasch“
(oder einfach nur das kurze „maschi“) heißt hier OK. Die Ägypter
gucken mich immer etwas verdutzt an und schmunzeln dann, wenn ich es zu
ihnen sage. Was
ich hier am meisten hasse, sind Bodenwellen, eine der sieben biblischen
Plagen, hier sind sie sehr schlimm und brutal, in Holland gibt’s jetzt
auch immer mehr davon. In Mexiko sind sie auch tödlich, dort gibt es
aber nicht so viele. Witzig,
wir fahren bis an den Salzwassersee, halten kurz für ein Foto und
fahren sofort zurück. Mitten auf der Straße stehende Fischverkäufer
strecken uns ihre Fische entgegen. Überholen bei Gegenverkehr ist kein
Problem, der andere weicht schon an den Straßenrand aus. Meistens. Auf
dem Rückweg muß erneut Maut bezahlt werden.
Willst
Du Autofahren in Ägypten? Ganz einfach, vergiß sämtliche Regeln.
Halt, OK, eine gibt es, fahr meistens rechts wenn es Dir gefällt, aber
Du darfst fahren wie und wo Du willst, gerne auch auf der Gegenfahrbahn.
Weiße
Striche auf der Fahrbahn? Ignoriere sie, sie dienen ausschließlich der
Verschönerung und haben keinerlei Bedeutung. Blinker?
Benutze ihn wie Du möchtest. Nur nicht beim Abbiegen. Fahrspuren?
Wer sagt, daß Du sie einhalten mußt? Du
möchtest stehen bleiben? Tu es. Die andern werden Dir freundlich
zuhupen. Halte einfach an, wo Du willst, die andern machen es auch. Ladungssicherung?
Vergiß es! Du brauchst sie nicht. Auf
der Autobahn die Ausfahrt verpasst? Nimm die Auffahrt dahinter, sie gehört
Dir, die entgegenkommenden Autos freuen sich, Dich zu sehen. Aber
es gibt leider doch schonmal Autounfälle und dann gleich heftig. Hier
in Fayoum und kurz vor Kairo auch wieder. Kein Wunder, so wie die hier
fahren.
Auf
der linken Seite kommen wir an den neuen Friedhöfen Kairos vorbei, sehr
groß und sehr ausgedehnt. Schon von weitem sind die imposanten
Pyramiden von Gizeh im Dunst zu sehen. Unser
Mittagessen bekommen wir um drei in Kairo, in einem Restaurant unterhalb
der Pyramiden mit wunderschönem Blick auf dieselben. Auf meinen Wunsch
vegetarisch, erst wieder viele der von mir so heißgeliebten
Vorspeisenteller, dann ich Reis, Pommes, Gemüse, Auberginen, die andern
beiden mit Huhn.
Das
Eis ist knochenhart, so hart wie die Pyramiden, wahrscheinlich nebenan
herausgemeißelt, ungenießbar, es schmeckt wie es aussieht. Danach
gibt’s Tee. Natürlich Ägyptischen. Für uns alle Drei. Es
folgt noch ein Besuch in einem Textilladen. Aber sie haben dort nichts
Brauchbares für mich. Hier
in der Stadt möchte ich kein Busfahrer sein. Wäre ich ja vielleicht
geworden, wenn in mir kein Kaufmann gesteckt hätte. Hast
Du Deinen Motor hinten? Dann mach Deine Motorhaube auf! Mohamed
und ich steigen aus und laufen zu Fuß über die Nilbrücke, den
Sonnenuntergang im Rücken habend. Viele bekannte Hotelnamen sind zu
sehen, auch sie haben jetzt kaum Gäste, obwohl Hauptsaison ist, weil ständig
schlechte Nachrichten aus Ägypten kommen. Die meisten Touristen sind
halt sehr empfindlich und schnell verschreckt. Wie schon letztes Jahr
auf meiner Orientreise. Mohamed leidet auch darunter. Wie alle, die mit
Tourismus zu tun haben. Die großen Reisebusse mit den zahlreichen
Touristen gibt es so gut wie gar nicht mehr. An
der Deutschen Schule und am Goethe-Institut vorbei kommen wir zum berüchtigten
Tahrir-Platz, ganz in der Nähe des Nils und des Ägyptischen Museums.
In der Mitte haben sich die Demonstranten mit Plakaten, Transparenten
und vielen Zelten niedergelassen. Mohamed weist mich auf ein paar große
Plakate hin, auf denen die Köpfe vieler Leute abgebildet sind, Mubaraks
Schergen und Kumpane, die jetzt allesamt im Knast sitzen und denen der
Prozess gemacht wird. Der Verkehr läuft ungehindert daran vorbei und um
die riesige Insel mit den Demonstranten herum. Mohamed hat mir vorher
ein paar Verhaltensmaßregeln gegeben, nicht viel fotografieren, nicht
zu sehr hinstarren, nicht viel Aufhebens machen. Deswegen lassen mich
die Leute auch ungeschoren.
Wieder
fallen mir arme schwer behinderte Menschen an Krücken auf und machen
mich traurig. Kinderlähmung. Rollstühle sind offenbar zu teuer. Jede
Straßenüberquerung wird hier in Ägypten zur Herausforderung, für ängstliche
Menschen besteht tatsächliche Lebensgefahr. Deshalb nicht zur Seite
gucken, einfach durch und rüber. Dann geht es auch meistens gut… Offensichtlich
ist das hier eine der Hauptgeschäftstraßen, aber ohne bekannte Namen,
die sind wohl an anderer Stelle. Autos
hupen, Leute wuseln herum, Krach, Schmutz, Müllberge, Straßenverkäufer.
Meine Kamera verlangt eigentlich nach vielfältigen tropischen Pflanzen,
wohltuenden Farben, orientalischer Kunst und arabischer Architektur, in
einem Wort nach Schönheit und Sauberkeit und bekommt das alles leider
nicht geboten. Nicht in Ägypten. Ein
Big Mac kostet nur 16 Pfund = 2 EUR. Die
Sonne geht unter, es ist ja auch schon 18 Uhr. Wir
trinken Tee in einem kleinen Laden, erster Stock, enge Wendeltreppe
hinauf, alles ist schmutzig-klebrig, schlimm, hier möchte ich nichts
freiwillig anfassen, und rauchen jeder eine Wasserpfeife. (Ich kann es
Mohammed einfach nicht abschlagen. Er will mich unbedingt einladen.
Entweder ich überlebe es – oder sterbe…)
Ein
Muezzin ist durchs offene Fenster zu hören oder ist es ein
Handy-Klingelton? Im Fernseher sehen ein paar Leute einem Fußballspiel
zu. Am nächsten Tag höre ich von schwersten Ausschreitungen, siebzig
Toten und sechshundert Verletzten: Sportbild, 02.02.2012, 23.32 Uhr: Nach den tödlichen Krawallen am Rande eines Fußballspiels in Ägypten
haben sich wütende Demonstranten in Kairo Auseinandersetzungen mit der
Polizei geliefert. Die Anhänger des Kairoer Klubs Al-Ahly machten den
Chef des Militärrats, Hussein Tantawi, für den Tod von mehr als 70 Fußballfans
am Vorabend in Port Said verantwortlich. „Dies war kein Sportunglück, dies war ein Militärmassaker!”, riefen
die tausenden Demonstranten, als sie vom Sitz des Fußballclubs zum
zentralen Tahrir-Platz marschierten. Als die Demonstranten weiter zum
Innenministerium vordringen wollten, setzte die Polizei Tränengas gegen
sie ein; nach Angaben von Ärzten wurden mindestens 20 Menschen
verletzt. Die Demonstranten warfen Steine auf die Polizisten. Bei einem Spiel zwischen den Mannschaften Al‑Masry aus Port Said und
Al‑Ahly aus Kairo waren am Mittwochabend unmittelbar nach dem
Abpfiff Fans von Al‑Masry auf das Spielfeld gestürmt und hatten
Spieler und Anhänger der gegnerischen Mannschaft mit Flaschen und
Steinen beworfen. Im Internet waren Fotos von blutüberströmten
Spielern zu sehen. Nach Angaben von Innenminister Mohammed Ibrahim
wurden die meisten der Opfer erdrückt. Neben den mehr als 70 Toten
gab es nach Angaben des Gesundheitsministeriums hunderte Verletzte. Die
Polizei nahm 47 Menschen fest. Aber
das wissen wir jetzt noch nicht und brechen wohlgemut auf. Mohamed möchte
heim, dabei habe ich meine Shisha noch gar nicht aufgeraucht. Weil
es schon hierher soviel Gedränge gab, fahren wir mit der U-Bahn, leider
nur eine Station bis zum Tahrir-Platz. Denn auch hier beim Umsteigen
warten schon wieder viel zu viele Leute auf die Bahn Richtung Gizeh, das
will mir Mohamed nicht antun und deshalb ruft er Ahmed an, damit er uns
hier abholt. Sonst wären wir noch ein, zwei Stationen weiter und unter
dem Nil durchgefahren. Mohamed
hat seinen Auftrag gut erfüllt und wir nehmen herzlich Abschied
voneinander. Er fährt mit der U‑Bahn heim und Ahmed bringt mich
zum Hotel. Die Oper ist wunderschön beleuchtet und wahrscheinlich das
sauberste Gebäude der Stadt. Sie wurde Kairo von der japanischen
Regierung 1988 geschenkt. Von der Nilbrücke herab kann ich zahlreiche
beleuchtete Ausflugsschiffe und die Hotels bewundern. Einhundertzwanzig
Parteien soll es jetzt geben. Kein Wunder, daß sie bei der
Konstituierung ihres neuen Parlaments nicht vorankommen. Später
wird es wieder zähflüssig. Willst Du z.B. rechts abbiegen, ordne Dich
lange vorher links ein, alle freuen sich und senden Dir einen
freundlichen Gruß zu. Je
mehr Abgas Du ausstößt, desto besser bist Du, die andern wollen Dich
schließlich auch riechen. Ahmed
kann ganz schön schimpfen, aber er hält sich unter Kontrolle.
Jedenfalls solange ich im Auto bin. Er kann auch mal einen unangenehmen
Kollegen zurückquälen, der ihn vorher geärgert hat. Aber das ist ja
normal. Ich mache so etwas aber niemals. Hier
wieder ein paar Erfahrungen: Fahr auf der linken Spur der Stadtautobahn
ganz langsam und ohne Licht im Dunkeln: Sehr gut, Du steigst in der
Achtung der andern. Unbeleuchtetes
Auto mit Panne auf der dunklen Autobahn? Du bist der Abräumer. Auf der
linken Seite? Dann bist Du der König! Der
Warnblinker ist nur dafür da, Deine Freude über irgendetwas auszudrücken.
Eine Panne gehört ganz bestimmt nicht dazu. Blinker?
Wofür hat ihn Gott Dir geschenkt? Benutze ihn als Ausdruck Deiner guten
Laune bzw. Deiner Lebensfreude. Noch
besser ist es, wenn Du ihn schonst. Möchtest
Du spazieren gehen? Dann am besten nachts auf einem Stück
unbeleuchteter Autobahn. Dunkle Klamotten hast Du ja schon an. Du bist
unsichtbar. Super! Um
19 Uhr sind wir zurück am Hotel, nur vierzig Minuten für die
Heimfahrt. Ich gebe Ahmed für Mohamed noch eine meiner Zigarren mit,
weil ich sie vorhin vergessen hatte. So staubig wie heute waren meine
Sandalen die ganzen Tage nicht. Oh
je, schon wieder wenig Gäste, also wird es wieder kaum Auswahl am
Buffet geben. Ja, stimmt. Mr.
Higgins ist auch wieder da und bedient mich wieder persönlich. Offenbar
mag er mich, kommt ja nicht so oft vor, und brutzelt mir wie gestern
meinen Fisch. Der Koch muß dabei zusehen. Zwei
deutsche Reiseleiter und vier deutsche laute Frauen sind im Restaurant.
Die vier Ober stehen sich die Beine in den Bauch und streiten sich um
jeden abzuräumenden Teller. Heute
gibt es ausnahmsweise mal ein wohlschmeckendes Mousse au Chocolat; ich
verkneife mir, es mir ein zweites Mal zu holen. Zigarre
in der Lobby. Heute singt mal wieder eine Sängerin. Typisch, ihre Musik
überschneidet sich mit der Hotelbeschallung, niemand kümmert sich
darum. Ein bißchen tut es weh. Lieblos und einfach typisches
Desinteresse. Später
im Bett sehe ich im ZDF und auf vielen arabischen Sendern die Berichte
über das schlimme Fußballspiel. Die
erste Hälfte einer abwechslungsreichen Reise geht zu Ende, ich habe
viele neue Erkenntnisse gesammelt. Donnerstag,
2. Februar 2012, Luxor Heute
beginnt die zweite Hälfte meines Urlaubs. Die Abholung wurde
erfreulicherweise um eine dreiviertel Stunde auf 8.45 Uhr nach
vorne verschoben. Nur ein paar Deutsche und ein paar arabisch aussehende
Leute sind beim Frühstück im Hotel. Natürlich,
Mohamed 1 ist schon da und erwartet mich. Ist das hier das Hase und
Igel-Spiel? Er wohnt zwei Stunden entfernt in einem kleinen Dorf östlich
und kommt extra mit dem Bus in die Stadt rein, nur um mich zum Flughafen
zu eskortieren. Ahmed fährt. Gut,
daß ich ihn frage, Mohamed muß sofort anrufen und meine Fahrt nach Abu
Simbel für mich buchen. Es
kostet 120 EUR statt 95 EUR, weil ich alleine fahre und ich muß
sofort bezahlen. Kairo
verabschiedet mich mit zähem Dunst über der Stadt und einem
freundlichen Stau auf der Stadtautobahn.
Denk
dran, Dein Warnblinker ist für alles da, nur nicht zum Warnen! Verkaufsstände,
vor allem für Getränke, stellt man einfach am Rand der Autobahn auf,
die Leute im Stau sind Dir dankbar für eine Erfrischung. Und: Du mußt
nichts für Deinen Stellplatz bezahlen! Du
willst Deinen Weg etwas abkürzen? Dann nimm doch mit Deinem Eselkarren
einfach die Autobahn! Kein Problem. Mach‘s einfach! Erstaunlicherweise
gibt es aber sehr wenig wirkliche Schäden an den Autos, höchstens
leichte Kratzer oder „Abschabungen“. Auch erstaunlich, die Autos
sind teilweise alt, sehr alt, fünfzig Jahre alt. Zwei
verstaubte Blitzer-Kameras sehe ich am Rand der Autobahn, bestimmt sind
sie kaputt, auf jeden Fall schon lange ohne jegliche Wartung. Wir
fahren rings um die Stadt, wie schon am Anfang dieser Reise, diesmal nur
andersrum. Südlich. Stell
Dich beim Trampen mitten auf die Autobahn! Umso eher wirst Du
mitgenommen. So oder so…
Nach
einer Stunde sind wir da. Hier oben am Flughafen ist deutlich weniger
Smog und Dunst. Später fällt mir wieder das abschüssige Rollfeld mit
meterhohen Absätzen auf, habe ich so noch nie auf einem Flughafen
gesehen. Mohamed
bringt mich zum Boarding-Schalter für meinen Flug nach Luxor und nimmt
den Bus gleich wieder nach Hause zurück, Ahmed fährt alleine mit dem
Auto weg. Wir verabschieden uns freundlich voneinander. Alle
Ansagen erfolgen in Arabisch und Englisch, und dann in der Sprache des
Ziellandes, also z.B. deutsch für einen Flug nach Wien, türkisch für
Istanbul, zusammen mit einer typischen Melodie des Ziellandes. Es ist
nicht viel los. Ich
muß über eine Stunde warten, was mir aber nichts ausmacht, bin von
Haus aus schon nicht so der gesellige Typ und eher ein Einzelgänger.
Und nach so einer aufregenden Woche bin ich ganz gerne mal für mich
allein, genieße die Entspannung und hänge meinen Gedanken nach. Leider
komme ich hier nicht ins Internet: “Too many active subscribers. Try later again.” Was bestimmt gelogen ist. Auch
hier sind die Sicherheitskontrollen sehr lässig und nicht so
unangenehm. Mit sonstigen Flughafenkontrollen in keinster Weise
vergleichbar. Der
Passenger-Bus macht mit uns eine Rundfahrt bis an die entlegenste
Stelle, wo unser kleiner Flieger auf uns wartet, alle Plätze sind
besetzt. Jetzt weiß ich schon, daß auf dem Rückweg bestimmt auch
wieder eine weite Busfahrt ansteht. Nach
langer Zeit sehe ich mal wieder meine Tasche in unsren Flugzeugbauch
rollen, sonst ist das Gepäck ja nur noch unsichtbar in Containern. Ein
Mönch mit seiner Frau ist unter den Passagieren. Dürfen die das? Auch
sonst gibt’s genug schwarz gekleidete Mönche unter den Passagieren.
Obwohl ich offiziell in Reihe 24 sitze, sitze ich in Wirklichkeit
in der fünften Reihe und komme nachher schnell hier raus. Ein anderer
(einziger) Mönch darf Business fliegen. Dort sind sieben von acht
Sitzen frei. Unser
Start ist immerhin pünktlich, gut für ägyptische Verhältnisse.
Unsere
Embraer 170, (werden/wurden in Brasilien gebaut), hat bestimmt reichlich
Flugstunden auf dem Tacho. Unten ist nur noch graubraune Wüste. Schade,
wir machen keine Schleife über die Stadt und biegen stattdessen sofort
nach Süden ab. Zwei Startbahnen, aber eine wird wohl noch lange nicht
gebraucht werden. Rechts ahne ich anfangs noch den Nil im Dunst. Ich
erkenne ein paar Sandpisten, aber auch gelegentlich schnurgerade
geteerte Straßen, auch ein, zwei neue kleine moderne Flugplätze,
mitten in der Wüste, mit ein paar Behausungen, sonst nichts. Wind
und Wetter ließ die steinigen Felsen erodieren und die Natur fraß
breite, sehr breite geschwungene „Flüsse“ in die Landschaft. Wie
sehr breite Autobahnen. Aber mit teilweise engen Windungen. Oder waren
das vor Jahrtausenden doch mal richtige Flüsse?
Das
grüne Band des Nils ist nur noch ganz hinten am Horizont erkennbar. Die
Leute, die links sitzen, müssten eigentlich den Sueskanal sehen können.
Ich bin hier ja schon ein paarmal geflogen. Kurz
vor Luxor erreichen wir wieder das fruchtbar-grüne Tal des Nils. Großzügige
Kanäle spenden den etwas entlegenen Gegenden das Wasser. Dem Fluß wird
überall so viel Wasser entnommen, daß ich mich immer wieder darüber
wundere, daß unten immer noch ein breiter Strom ins Mittelmeer mündet. Pünktlich
um 12:30 Uhr kommen wir auf unserer Außenposition an und der Bus bringt
uns zum Empfangsgebäude. Zwanzig Minuten später, um 12:51 Uhr
sitze ich schon im Pkw, meine Tasche war nicht die erste, aber höchstens
die zehnte, da freue ich mich natürlich, daß es diesmal mit dem Gepäck
wieder so gut klappt. Draußen sind es immerhin 18 Grad in der
Sonne. Mohamed 3 holt mich mit Fahrer in einem Toyota ab. Jeder
zweite heißt in Ägypten Mohamed. Ist
der Luxus des Vornesitzens vorbei? Ich sitze jedenfalls hinten. Eine
kleine Schmalspurbahn quert unsere Straße, jede Menge Wagen mit
Zuckerrohr dahinter. Der
Fahrer fährt einen anderen Stil als Ahmed, heißer, ägyptischer. Die
beiden brausen an allen schönen Sachen vorbei, ich bedauere es. Mohamed
übergibt mich vor dem Schiff an den dunkelhäutigen Mahmoud.
Ich
kann nicht immer ein Glückspilz sein. Manchmal schlägt das Schicksal
auch schonmal hart zu: Mahmoud checkt mich auf der MS Nile Ruby ein, es
dauert und ist offenbar sehr schwierig. Hier eine Bewertung des Schiffes
aus holidaycheck.de: 5
Steine im Wasser als Schiffsbewertung zum Schiff Nile Ruby - damit der
Urlaub kein Reinfall wird Schiff
allgemein Bewertung
1.0 (von 6.0)
Der
Gesamtzustand des Schiffes läßt eher auf baldige Verschrottung als auf
weitere Nutzung schließen. Einen derartigen Seelenverkäufer als
Premiumklasse zu verkaufen ist nicht mehr unverfroren sondern schon
wieder recht witzig. Die Ausstattung ist mäßig bis gar nicht - das
Essen hat denselben Standard Kabine 2.0
(von 6.0)
Die
Suite verlangt sehr viel Humor, Möbel welche auseinander fallen, Spots
sind grundsätzlich in zu großen Löchern verbaut, sodaß sie immer
einseitig raushängen. Der Kopfteil des Doppelbettes ist mit riesen
Fettflecken geschmückt, die Fenster wurden in den letzten Jahren wohl
mit keinem Putzlappen mehr gequält. Dafür war der Kabinensteward sehr
bemüht und hat vieles wieder gut gemacht. Gastronomie 3.0
(von 6.0)
Die
Qualität der Speisen war sehr stimmungsabhängig, von wem auch immer,
mancher Tags war es eher ein Quiz - wer errät, was es ist - und
manchmal war´s sogar richtig gut. Das Personal war sehr aufmerksam und
bemüht. Service 5.0
(von 6.0)
Die
Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft des Personals war gut, mit ein
bisschen Bakschisch konnte man so ziemlich alles bekommen was man benötigte. Sport
Unterhaltung 1.0
(von 6.0)
Der Fitnessbereich war wieder von der humorigen Art.
Drei sehr verdächtig unfallträchtige Fitnessgeräte am Sonnendeck,
sowie ein Pool etwa von der Größe einer Vogeltränke, kann man nicht
wirklich als Sportanlagen bezeichnen. Die Shows am Abend mit dem
ambitionierten Küchen- und Servicepersonal waren schrecklich. Mein
Zimmer ist noch nicht fertig, also erst mal runter ins Restaurant im
Unterdeck, die Fenster liegen hier knapp über der Wasserlinie, zum
Mittagessen. Fünfundzwanzig runde Tische mit je sechs Plätzen; an
meinem sitzen zwei nette Engländer aus der Nähe Oxfords. Während
des Essens kommt Mahmoud aufgeregt zu mir und führt mich zum Zimmer. Es
liegt auf der dritten Etage - und ich habe die vierte und oberste
gebucht. Und bezahlt! Das ganze Schiff ist alt, sehr alt. Zwei schmale
Betten, ein altes Bad, es sieht nicht sehr appetitlich aus. Der Safe
geht nicht, er hat keinen Strom, Batterie ist leer. Er sieht so alt und
schmutzig aus, daß ich ihm nichts anvertrauen möchte. Zum Glück habe
ich mein neues T‑Shirt mit den eingebauten Holster-Taschen dabei.
Da habe ich alle Wertsachen bequem am Mann und spüre sie nicht. Folgendes
Problem besteht zurzeit: Die Schleusenwärter in Esna streiken noch
immer und lassen nur eine bestimmte Anzahl Schiffe durch. Deshalb werden
alle Passagiere auf wenigen Schiffen zusammengefaßt. Deshalb ist das
Oberdeck bereits ausgebucht und deshalb muß ich mit der Kabine im
Mitteldeck vorlieb nehmen. Die
meisten Passagiere sind Engländer und Deutsche, halb und halb. Ich fühle
mich nicht wohl. Doch alles Jammern nützt nichts. Deshalb geht es in
einer halben Stunde mit einer Besichtigung weiter. Doch
erst einmal gehe ich nochmal runter ins Restaurant und genieße mein
Dessert und trinke mein restliches Bier. Der schöne Teil der Reise ist
offenbar vorbei. Zudem mußte ich meinen Paß an der Rezeption abgeben.
Warum eigentlich, ich kann ja doch nicht abhauen. Um
14:45 Uhr treffe ich mich wieder mit Mahmoud und ein Fahrer fährt uns
in einem Toyota-Van zum Karnak-Tempel. Der Parkplatz ist fast leer, nur
drei Busse sind da. Am
Eingang empfangen uns zwei imposante Reihen Sphinxen. Übrigens sind das
hier Widder, keine Löwen wie an den Pyramiden oder andere Tiere. Der
Widder war das heilige Tier des Gottes Amun, dem Karnak hauptsächlich
geweiht ist. Mahmoud
fängt gleich mit seinen umfangreichen Erklärungen an. Dreißig
Dynastien haben hier im Laufe der Jahrhunderte gebaut und der Tempel
besteht in Wirklichkeit aus vielen einzelnen Tempeln, deshalb sollte man
besser von „Karnak-Komplex“ sprechen. Jeder Pharao hat erst einmal
umgebaut, abgerissen, neu gebaut. (Warum müssen Herrscher immer große
Bauwerke zurücklassen? Washington DC, Paris, Berlin und überall! Alles
auf Kosten des Volkes. Könnte man nicht etwas sinnvolleres mit dem Geld
machen?!) Hier
ist Ost-Theben, drüben, auf der anderen Seite des Nils liegt
West-Theben. Hier hat man gelebt, hier standen die Wohnhäuser, Paläste
und Tempel, drüben, auf der gegenüberliegenden Seite des Nils waren
die Gräber und Totentempel. Theben war lange Zeit Hauptstadt, bis es
dann Memphis (bei Kairo) wurde. James
Bond-Liebhaber werden sich gerne an die aufregenden Verfolgungsszenen
Roger Moores im Film „Der Spion, der mich liebte“ aus 1977 erinnern.
Die wurden hier gedreht. karnak
tempel - Google-Suche (Fotos) Ich
bin jetzt mindestens zum dritten Mal hier und immer noch voller
Bewunderung für die Leistung der alten Ägypter. Gerade wurden zwei
kleine Häfen ausgegraben und freigelegt, die die Tempel damals mit dem
Nil verbunden hatten. Über
uns ist die Sichel des gerade wieder aufgehenden Mondes zu sehen.
Mahmoud weist mich darauf hin, daß die Sichel hier waagerecht steht;
bei uns ist sie senkrecht. Ein
paar Minuten später weiß ich, wie man einen Obelisken aus den Felsen
haut und könnte es jetzt auch. Es fehlten mir nur so etwa dreitausend Männer
und fünf Jahre Zeit. Neunundzwanzig soll es von ihnen gegeben haben.
Und aufstellen könnte ich ihn jetzt auch. Es geht ähnlich einfach, wie
man einen Maibaum bei uns aufstellt… Hinter
Säulen und Ecken tauchen ständig geheimnisvoll oder verschwörerisch
winkende Araber in langen Galabias (ist das der korrekte Plural?) oder
auch Wächter in Uniform auf und wollen mir, wirklich nur mir, ganz
besondere Einmaligkeiten zeigen. (Ja, ich weiß, gibt es eigentlich
nicht, es gibt immer nur eine einzige Einmaligkeit!) Ein Uniformierter
bettelt ganz besonders und ist so aufdringlich, daß ich seinem Winken
schließlich nachgebe. Sofort sind noch zwei andere Kumpel von ihm da,
die auch Geld haben wollen. Anschließend
besuchen wir den nahegelegenen etwas kleineren Luxor-Tempel in der
langsam untergehenden Nachmittagssonne. luxor
tempel - Google-Suche (Fotos) Beide
Tempelanlagen waren früher mit einer imposanten drei Kilometer langen
Sphinxen-Allee (diesmal mit Menschenköpfen) verbunden, die jetzt gerade
ausgegraben worden ist. Zahlreiche Häuser mußten dafür verschwinden.
Nur eine koptische und eine christliche Kirche wehren sich noch gegen
ihre Verlegung.
Gegen
17:30 Uhr sind wir zurück auf dem Schiff und ich lade Mahmoud zu einem
kühlen Bier auf dem Sonnendeck ein. Als braver Moslem will er aber nur
einen Tee. Er erzählt mir von dem furchtbaren Fußballspiel in Port
Said und von den Schleusenproblemen in Esna. Außerdem, wie schlimm die
Tourismuskrise die Leute hier trifft, weil kaum noch jemand kommt.
Achtzig, neunzig Prozent weniger Besucher, das ist eine Katastrophe.
Alle leben ausschließlich vom Tourismus, Industrie gibt es hier im Süden
so gut wie gar keine. Was
haben die Leute hier nur früher gemacht, als es noch keine Handys gab?
Jeder hat eins und ist trotz aller Geldnot ständig am Quatschen, noch
viel mehr als bei uns. Mahmoud natürlich auch. Und wer nicht gerade am
Quasseln ist, hält es wenigstens als Statussymbol in seiner Hand. Die
Nilschiffe liegen meistens als Päckchen zu mehreren „knirsch“
aneinander. Die Passagiere, deren Schiffe in der Mitte liegen, und die,
deren Fenster dorthin aufgehen, sehen in knapp ein, zwei Metern auf die
jeweilige andere Bordwand – und in das gegenüberliegende stets
zugezogene Fenster. Ich habe schon wieder Glück im Unglück, wir sind
das dem Land zu am nächsten liegende Schiff und mein Fenster geht auch
nach dorthin. Ich habe also Luft, Licht und Aussicht. Gottseidank
habe ich Sagrotan mitgenommen und desinfiziere erst mal die wichtigsten
Dinge in meiner Kabine und im Bad. Vor allem Telefon und
TV-Fernbedienung. Der kleine alte Grundig-Fernsehapparat funktioniert
auch nicht. Morgen werde ich ihn reklamieren. Steckdosen?
Mehrere?! Kann man fast vergessen. Es gibt nur eine für den Fernseher.
Gut, daß ich den jetzt nicht brauche. Aber ich habe ja noch einen
Dreifachstecker im Gepäck. Sagrotan und Dreifachstecker brauche ich
jetzt eigentlich zum ersten Mal auf meinen Reisen, also doch nicht ganz
umsonst mitgeschleppt. Übrigens, überall in Ägypten liegen 220 Volt
an, auch hier auf dem Schiff, und unsere deutschen Stecker bzw.
Eurostecker passen. Meine
Kabine liegt ziemlich weit hinten. Schon vorher zu Hause hatte ich
gelesen: Sehr ungünstig! Lärm und Abgase der ununterbrochen laufenden
Maschinen dringen zu gerne in die hinteren Zimmer ein. Am besten Fenster
zulassen! Und das bei mir, wo ich dringend auf ein offenes Fenster
angewiesen bin. Aber wenigstens läßt es sich immer mal kurz
aufschieben. Beim Reiseveranstalter hatte ich Oberdeck und „Kabine
vorne“ verlangt. Vergebens! Mahmoud kann mir auch nicht helfen. Die
andern Leute sind größtenteils schon gestern an Bord gekommen und es
war nichts Besseres mehr für mich frei. Warum habe ich keine Ohrstöpsel
dabei? Oder wenigstens eine Gasmaske… Mahmoud
gibt mir auch ein paar Verhaltenstipps, weil die Händler zurzeit noch
aufdringlicher als sonst sind. Taschendiebe soll es auch geben. Versteht
man ja auch ein bißchen, bei der Not, unter der die Leute jetzt leiden
müssen. Mein
Bett ist höchstens 90 Zentimeter breit, hoffentlich falle ich nachts
nicht raus. Das andere gleiche Bett ist durch einen Nachttisch von mir
getrennt. Das nenne ich lieblos. Beide Kopfteile haben eine dunkelbraune
Textilbespannung mit eingetrockneten Flecken, die ich mir lieber nicht
genau ansehen möchte. Dieses Schiff ist absolut untragbar. Ob der
schmutzige Rauchmelder an der Decke noch funktioniert? Sieht eigentlich
nicht so aus. Das Eingangslicht an der Tür geht auch nicht. Wenn dieses
Schiff unterginge, wäre es bestimmt nicht schade darum. Immerhin gibt
es eine Rettungsweste ganz unten im Schrank. Heizung?
Da kommt nichts anderes außer leicht gekühlter Luft raus. Aber ich bin
ja schon abgehärtet. Warum habe ich nicht auf die Warnung meiner
Freunde gehört und bin zuhause geblieben? Leider hatte ich keinerlei
Einfluß darauf, welches Schiff ich zugeteilt bekomme. Das
Schleusenproblem verschärft das Ganze noch, weil das Schiff jetzt voll
besetzt ist, sonst gäbe es vielleicht noch ein paar freie Zimmer und
ich könnte versuchen, die Kabine zu wechseln. Mahmoud
erzählt, daß statt ein paar hundert Schiffen wegen des Touristenrückgangs
überhaupt nur noch ein paar wenige fahren. Minibar:
Ja aber selbstverständlich. Gerne. - Allerdings leer! Ein toter kleiner
Kühlschrank sieht mich mit traurigen Augen an. Ich
höre jedes Geräusch der umliegenden Zimmer, Gespräche, Fernseher, vor
allem die ständig zuknallenden Zimmertüren. OK, ist halt wie Radio.
Die Infomappe über das Schiff? Leer! Hier braucht niemand eine Info.
Wenigstens hat mir Mahmoud gesagt, daß es um halbacht Abendessen gibt. Im
Badezimmer ist so gut wie alles schmutzig, vergammelt, kaputt,
zerbrochen/angebrochen oder geht nicht. Bis auf Wasserhahn und
Toilettenbecken. Die Wände in der Dusche sind bestimmt seit Jahren
nicht mehr gesäubert worden. Das grenzt hier schon fast an
Survivaltraining. Ich glaube, ich bleibe jetzt abends manchmal lieber
mal etwas staubig und verschwitzt. (Zu oft Duschen soll ja der Haut
schaden…) In
der Dusche kommt mir dann mein zwergenhafter Wuchs entgegen, wie kürzlich
im Wohnmobil. (Was andere an Länge haben, habe ich halt an Weite. Nach
vorne.) Über 1,80 m sollte man hierdrin möglichst nicht sein. Und
dick darf man auch nicht sein. Ich kenne Menschen mit etwas barocker Üppigkeit,
die die runde Schiebetür wahrscheinlich nicht schließen könnten.
Fühle
mich nicht sehr wohl in meiner staubigen Haut. Der hohe Preis meiner
Reise garantiert halt nicht automatisch hohen Komfort, sondern nur
Gewinn für den Berliner Reiseveranstalter. Schade. Außer
nach einer Hotelübernachtung in Bitburg habe ich schon jahrelang kein
Herpes mehr gehabt. Ob ich das hier heil überstehe? Vor
mir auf der Promenade grölen ein paar junge Demonstranten herum. Das
hat mir jetzt gerade noch gefehlt und ist das i-Tüpfelchen auf dem
ganzen. Nur gut, daß ich alleine gefahren bin, die Kabine ist für zwei
Leute etwas klein. Und gut, daß E. und I. aus B. nicht mitgefahren
sind. Spätestens jetzt hätte ich zwei gute Freunde weniger… Nach
dem Abendessen statte ich der Bar im Oberdeck einen Besuch ab.
Wenigstens kann ich hier in Ruhe meine Zigarre rauchen und einen Gin
Tonic (ohne Eiswürfel!) genießen. Ganz oben im Freien auf dem
Sonnendeck ist es schon viel zu kalt dafür.
Um
22:30 Uhr liege ich im Bett und schließe beide Äuglein zu. Freitag,
3. Februar 2012, Luxor + Nil Heute
ist die Nacht kurz. Mein Handy weckt mich um 04:30 Uhr. Der
versprochene telefonische Weckruf kommt fünfzehn Minuten später und
daher viel zu spät. Nix mit nochmal Rumdrehen. Erst soll ich unten im
Restaurant kein Frühstück bekommen, obwohl gestern Abend besprochen
und fest zugesagt. Gut, daß ich etwas früher aufgestanden bin und noch
etwas Zeit für entsprechende Diskussionen übrig habe. Nach einigem Hin
und Her bekomme ich es aber doch noch serviert. Mahmoud wird sich später
wieder darüber aufregen. Ägyptische Bürokratie nennt er es. Ich bin
natürlich der erste und einzige Gast hier unten. Youssef
mit den eiskalten Händen holt mich um 05:25 Uhr ab und bringt mich
zu seinem Boot in der Nähe. Am Ausgang unseres Schiffes überreicht mir
noch schnell ein Wächter trotz der frühen Stunde eine schmutzige
laminierte Karte, sonst darf ich später nicht zurück aufs Schiff und
sie wissen, wenn alle Leute zurück an Bord sind. Youssef
spricht gebrochenes Deutsch und weiß alles über die deutsche Fußball-Bundesliga.
Mehr als ich. Klinsmann, FC Bayern, Loddar M., Beckenbauer. Ich
glaube, auch den Namen Schweinsteiger herauszuhören. Hier
liegen noch mehr dieser Boote und alle füllen sich nach und nach, vor
allem mit Asiaten, Engländern und ein paar Franzosen. Deutsch höre ich
gar nicht. Ein im Dunkeln nicht lesbares Formular muß von jedem
unterschrieben werden. Dann folgen ein paar Sicherheitsinstruktionen.
Wofür das alles? Na, für die Ballonfahrt natürlich! 6:02
Uhr. Ganz langsam dämmert es. Wir warten noch immer. Warum mußte ich
eigentlich sooo früh aufstehen? Hier
stehen ein paar Bäume, in denen unzählige Vögel laut zwitschern, auch
nachts. Es gibt Tee, Kaffee und Sandkuchen. Nach
dem Briefing muß noch eine weitere Liste mit dem jeweiligen Namen und
Gewicht ausgefüllt werden. Wir werden in unserm Boot genau zwanzig
Leute sein und fahren alle im selben Ballon. Endlich kommen die noch
gefehlt habenden beiden Franzosen, jetzt sind wir komplett und auch
unser Boot legt schließlich ab. Jede
Menge weißer Toyota Busse warten schon drüben auf dem gegenüberliegenden
Nilufer auf uns und wir sausen am Hatschepsut-Tempel und an den beiden
verlassenen Memnon-Kolossen vorbei. Mit den Bergen und besonders mit den
Felswänden vor mir werde ich später noch nähere Bekanntschaft machen.
Aber das weiß ich jetzt noch nicht. Von
unterwegs aus sehe ich schon ein paar bereits gestartete Ballons.
Unserer wird gerade ausgebreitet und mit einem Riesenventilator
aufgeblasen. Wie schon kürzlich in der Türkei werden die zwanzig
Passagiere in vier Abteile gequetscht. Der Pilot steht wieder in der
Mitte im eigenen Abteil.
Wir
sind schließlich ungefähr zwanzig Ballons in der Luft. In unserem Korb
nur Asiaten, Engländer und Franzosen. Und ein Deutscher. Ich. Schade,
die Sonne kommt schon wieder nicht hinter dem dicken Dunst hervor, schon
wieder keine schönen Farben der Heißluftballons. Hier
im Korb eines Heißluftballons bekommt der Begriff „Gasgeben“ plötzlich
eine ganz andere Bedeutung. Jedes Mal, nachdem der Pilot die Gasflamme
eines der vier Brenner gezündet hat, steigen wir auf. Mit einer Leine
kann er eine kleine Klappe öffnen und unser Ballon dreht sich. Wir
fahren gemächlich nach Süden, links ist der Nil gerade noch so zu
erkennen. Rechts ist das Tal der Könige und der Tempel der Hatschepsut
von oben deutlich zu sehen, dann kommen links die Memnon-Kolosse und
rechts das Tal der Königinnen und der Habu-Tempel.
Wir
fahren noch ein kleines Stück weiter durch das Luftmeer. Kühl ist es
eigentlich nicht, nur eng. Die Kinder eines kleinen Dorfes laufen uns
hinterher, ganz schön weit über Stock und Stein, ich bedauere sie ein
bißchen. Und dann landen wir. Es ist 7:40 Uhr. Alle müssen sich
im Korb mit ihren Knien gegen die Außenwand drücken. Nur ich nicht. Für
mich gibt es keinen Platz mehr zum Knien. Die Franzosen neben mir machen
sich ganz schön breit. Aber es geht gut, das Aufsetzen ist nicht so
hart wie sonst schon manches Mal.
Die
Kinder sind jetzt auch da. Und betteln heftig. Da kann ich natürlich
nicht widerstehen. Obwohl man ja nicht soll. Unterwegs im Korb habe ich
gehört, daß bei einem Paar der Weckruf ihres Hotels auch viel zu spät
erfolgt ist. Sie mußten innerhalb zehn Minuten angezogen sein. Gut, daß
ich mich in solchen wichtigen Fällen gerne zusätzlich auf den eigenen
Handywecker verlasse. Auf
der Rückfahrt hält unser kleiner Bus kurz an den zwanzig Meter hohen
Memnon-Statuen, um mich herauszulassen. Mahmoud ist schon da,
wieder mit unserem Toyota-Bus von gestern. Unser Fahrer heißt Jassir.
Wie Arafat. Die Memnon-Kolosse sollen nach dem berühmten Agamemnon
benannt worden sein. Leider sind sie nicht mehr allzugut erhalten; sie
schauen nach Osten, Richtung Nil. (Ich
bitte um Entschuldigung, der Link ist tatsächlich so lang und ich will
ihn lieber nicht umbenennen, weil er dann vielleicht nicht mehr
funktioniert.) Hier
an den Memnons wird gerade der dazugehörige Tempel von Pharao Amenophis III
ausgegraben. Weiter
geht es zum Tal der Könige. Endlich sitze ich wieder vorn im Auto.
Mahmoud erzählt, daß es hier insgesamt fünfundsechzig Gräber gibt,
zwei davon sind noch gar nicht ausgegraben. Wer weiß, was sich darin
und auch sonst noch hier alles verbirgt… Schon
wieder muß die Kamera im Auto bleiben. Die spinnen, die Ägypter! Drei
Gräber darf man besuchen und zur Kontrolle wird die Eintrittskarte von
den jeweiligen Wächtern am Eingang mit einem Bürolocher gelocht. Die
Guides müssen draußen bleiben, weil es sonst viel zu viel Unruhe in
den Gräbern geben würde, deshalb müssen sie ihre Erklärungen vor den
jeweiligen Gräbern abgeben. Ramses
9, Ramses 3 und Ramses 4 besuche ich. Obwohl es draußen eigentlich mehr
Händler und Wächter gibt, drängeln sich hier drin doch die Leute. Ich
mache ein paar verwackelte Bilder mit meinem Handy. Leider sind auch
hier die Wächter nicht an einer Uniform zu erkennen. Einen übersehe
ich im Gedränge der vielen Leute und er erwischt mich. Sonst ist das ja
stets einfach mit wenig Geld zu regeln. Dieser hier ist aber scharf aufs
Geld und ich muß zweimal zwanzig Pfund (etwas über fünf Euro) und
zwei Kugelschreiber ihm und seinem Kumpan bezahlen. Man muß halt
wissen, wenn man verloren hat. Ein wichtigtuerischer Wächter kann auch
reichlich Ärger verursachen. Dann wird es nur teurer. Es wäre
eigentlich alles nicht so schlimm, aber ich muß das Foto auch noch vor
seinen Augen löschen… Die
Gräber werden abwechselnd zur Besichtigung freigegeben, damit sie sich
zwischendurch „erholen“ können. Das Grab des Tutenchamun würde
hundert Pfund extra kosten, lohnt sich aber angeblich nicht und ist auch
überhaupt sehr klein. Der
sonst übliche Besuch einer Alabaster“fabrik“ (= Werkstatt)
bleibt mir erspart. Das ist der Vorteil, wenn man einziger Reisegast
ist.
Es
folgt ein Besuch des Hatschepsut-Totentempels. Seit meinem letzten
Besuch vor ein paar Jahren ist ein ganz neues Feld nebenan ausgegraben
worden. Natürlich, jetzt ist die Sonne da, die vorhin gefehlt hat. Es
ist schon längst wieder heiß. Warum nicht heute Morgen?
Die
Leute werden vom Parkplatz aus mit kleinen Bummelbahnen zum Tempel
gefahren. Und wer ist der Fahrer unserer Bimmelbahn? Der Schreiber
dieser Zeilen… Der
schlimme Terroranschlag auf den Hatschepsut-Tempel,
an den sich ja noch einige Menschen erinnern werden, war übrigens 1997. www.tagesspiegel.de,
17.11.1997 00:00 Uhr Weltweit
schwerstes Attentat auf Touristen vor dem Hatschepsut-Tempel in Luxor. Zwei
Deutsche unter den Opfern (dpa). Beim
weltweit blutigsten Terroranschlag auf Urlauber sind am Montag
(17.11.1997) vor dem Hatschepsut-Tempel in der ägyptischen Stadt Luxor
56 Touristen getötet und 24 Menschen verletzt worden,
darunter zwölf Schweizer, zwei Deutsche, ein Japaner, ein Franzose und
acht Ägypter. Nach offiziellen Angaben starben auch vier Ägypter und sechs der
sieben Attentäter im Kugelhagel von Maschinenpistolen und anderen Schußwaffen. Wir
fahren fast denselben Weg, wie heute Morgen mit dem Ballon. Jede Menge
Zuckerrohr wächst hier. Ich habe es schon aus dem Ballon gesehen. Und
Weizen. Aber dessen Pflanzen sind noch ganz klein. Am Kanal wieder jede
Menge Müll und Unrat. Und das in all der Armut. Die Häuser haben oft
gar kein Dach, nur ein paar Schilfmatten. Und auch hier leben fast überall
Tiere innerhalb der Mauern. Esel, Kuh, Vogelvieh. Für Milch, Käse,
Eier, Hühnerfleisch. Dazu jede Menge Müll. Gutmütige Hunde und Katzen
laufen überall wild herum. Viele
Fahrzeuge sind mit Zuckerrohr beladen. Esel auch. Die Zuckerfabrik ist
nur fünfzehn Kilometer entfernt. Obwohl, mit einem Eselkarren ist es
ganz schön weit dorthin. Aber es fährt auch hier eine Schmalspurbahn. Plastikwasser
muß ich kaufen. Vorhin, am Hatschepsut-Tempel kostete eine kleine
Flasche mit 0,3 Liter zehn Pfund. Jetzt bekomme ich zwei große
mit je 1,5 Litern für denselben Preis. Übrigens Geld: Man braucht
ständig kleine Scheine, fünf Pfund (0,60 EUR), zehn Pfund,
zwanzig Pfund. Für die Trinkgelder an die vielen Leute. Das wäre ja
nicht so schlimm, aber es ist in der Praxis dann doch ein großes
Problem, ein sehr großes. Man bekommt diese kleinen Scheine nur sehr
schwer. Niemand will einem die großen Scheine aus dem Geldautomaten
wechseln. Münzen für die Toilette usw. sind noch schwieriger zu
bekommen. Inzwischen amüsiere ich mich über meine Naivität und die
anfangs umgetauschten 50 EUR, die braucht man am Tag allein für
Tipps, alles kostet. Man darf niemand angucken, ansprechen oder gar
fotografieren. Sofort geht die Hand auf und streckt sich einem
entgegen… Dann
geht es über die große Nilbrücke und zurück zum Schiff. Nanu, wo ist
die Nile Ruby? Am Ufer liegt plötzlich ein ganz anderes Schiff. Sie
haben ihre Plätze getauscht, ich muss durch drei durch, um auf unser
Schiff zu kommen und dann liegt mindestens noch eins auf der anderen
Seite vor uns. Der
Fernseher läuft jetzt wieder, das Antennenkabel war defekt. Das Bild
flackert aber, nur zwei drei arabische Programme gibt es. Mahmoud
hat jetzt seinen Koffer dabei. Er fährt mit mir und betreut mich
exklusiv auf unserer Reise. Ich erzähle ihm von dem Problem heute
Morgen mit dem Frühstück, das mir erst verweigert wurde und er
reklamiert an der Rezeption. Als es Ärger geben soll, gebe ich nach,
deswegen muß jetzt kein Drama draus gemacht werden. Die
Ruby ist bestimmt das schlimmste aller jetzt fahrenden Schiffe. Warum muß
ich ausgerechnet da drauf kommen? Aber jetzt weiß ich, warum man vor
der Reise angeblich noch nicht den Namen wußte, denn da hätte ich ja
gleich viel Wirbel machen können. Eigentlich eine gute Masche und ganz
geschickt vom Berliner Reiseveranstalter eingefädelt. Der
Abflußstopfen des Waschbeckens im Bad sitzt jetzt fest. Der Zimmerboy
hat ihn reingedrückt. Er kann nicht verstellt werden! Es gibt gar
keinen Hebel dafür! Entweder fest drin oder offen. Ich reklamiere.
Antwort: Ich soll jedesmal einen Boy rufen, der unter das Waschbecken
kriecht und ihn wieder nach oben rausdrückt. Und ich wollte eigentlich
mindestens alle zwei Tage mein T‑Shirt und ein paar andere Sachen
waschen. Aber das Waschbecken sieht überhaupt so schlimm aus, daß ich
sowieso lieber darauf verzichten und nicht waschen möchte - und die
schmutzigen Sachen weiter anziehe. Ich
habe noch nie in meinem Leben so schmutziggraue Stores gesehen wie hier
am Fenster in meiner Kabine. Bettwäsche und Handtücher natürlich auch
grau, grau, grau. Und dann der an den Rändern schmutzig-schwarze
(eigentlich rot-gemusterte) Teppichboden. Lieber nicht so genau
hinsehen… Um
13 Uhr wird es täglich Mittagessen geben. Um 13:20 Uhr legen wir
fast pünktlich und nur zehn Minuten zu spät ab. Auf
einmal gibt’s auch Holländer an Bord. Zwei von ihnen sitzen jetzt
zusammen mit den beiden Engländern an meinem Tisch, der sechste Stuhl
bleibt leer. Wir unterhalten uns auf Englisch. Die Fenster hier unten
liegen knapp oberhalb des Wasserspiegels; von der Brust nach unten
„steht“ man eigentlich im Nilwasser. Es ist wunderbar blau und mit
weißem Schaum gesprenkelt. Ich
höre hier, daß die andern Leute auch keine Heizung in ihren Kabinen
haben. Am
besten soll es sein, alles auszuschalten, Klimaanlage und Ventilation.
Und das bei geschlossenem Fenster! Egal,
jetzt sitze ich oben auf dem Sonnendeck im Schatten, rauche genüßlich
meine Zigarre und entspanne mich bei einem Tee. So ungefähr
zweihundertzehn Kilometer liegen vor uns. Langsam gleiten die beiden
Ufer an uns vorbei. Das Leben ist schön! Allen nicht vorhandenen
Komfort vermisse ich jetzt schon nicht mehr. Nach den aufregenden Tagen
zuvor kehrt jetzt etwas Ruhe ein. Mahmoud läßt mich auch in Frieden.
Gut, daß ich nicht auf die mannigfachen Unkenrufe meiner Freunde vor
der Reise gehört habe.
Die
meisten Nil -Schiffe sind etwa gleich groß in Länge, Breite und Höhe,
vier Etagen plus Sonnendeck. Bis zu fünf Schiffe liegen am Ufer
meistens nebeneinander. Wer Pech hat, sieht auf der ganzen Reise während
der Liegezeit aus seinem Fenster nur auf ein anderes Schiff direkt vor
ihm. Die
vorhin erwähnte Zuckerfabrik fährt gemächlich an uns vorbei. Sie
sieht eigentlich wie bei uns aus, nur kleiner. Die Menschen am Ufer
winken uns freundlich zu, obwohl sie doch jeden Tag eine ganze Reihe
solcher Schiffe vorbeifahren sehen. Wir winken zurück. Ein
havariertes längst verlassenes Touristenschiff, die MS Armada,
liegt traurig am Ufer auf Sand und erinnert an die Costa Concordia.
Niemand kümmert sich um das aufgegebene Schiff. Welches Schicksal
verbirgt sich dahinter? Jetzt weiß ich, daß die Rettungswesten in den
Kabinen manchmal doch nicht ganz unnütz sind.
Langsam
wird die Nillandschaft an uns vorbeigezogen. Die Nachmittagssonne ist
heiß, obwohl gerade erst der Februar angefangen hat. Wie heiß mag es
hier im Sommer werden…
Die
Maschine im Bauch des Schiffes sendet entspannende Vibrationen durchs
Schiff und lässt alle zweiundzwanzig Spieler des bemitleidenswerten
Kickers neben mir wackeln und zittern; hier wird niemand mehr dran
spielen, alles ist verrostet und verrottet. Der Feuerlöscher löscht
wahrscheinlich kein Feuer mehr; er soll Sicherheit vermitteln, aber das
Gegenteil ist der Fall. Die vertrockneten Pflanzen hier oben auf dem
Sonnendeck spiegeln den gesamten Zustand der totalen Vernachlässigung
dieses Schiffes wider. Sogar die wenigen Rettungsringe am Geländer sind
brüchig, aufgerissen und unbrauchbar. Der
Fluß liegt wie geschmolzenes flüssiges Silber vor uns. Er muß hier
ca. vier, fünfhundert Meter breit sein. Ich kenne ja nur Rhein, Main,
Donau, Rhone und Mississippi, doch der Nil ist ganz anders, breiter als
ich ihn mir vorgestellt habe. Auch
hier wieder: Viele Leute lesen Bücher, lösen Kreuzworträtsel, rätseln
an ihren Sudokus, dösen vor sich hin – und sehen kaum auf. Nil: Der
Nil ist der längste Fluß der Erde (ca. 6.850 Kilometer). Er fließt
durch Tansania, Kenia, Burundi, Ruanda, Zaire, Äthiopien, Uganda, den
Sudan und schließlich durch Ägypten. (Aus
Äthiopien soll das meiste Wasser kommen. W.R.V.) Die
schrecklichen, nach und nach einsetzenden Gesänge der Muezzins aus den
überall gegenwärtigen Moscheen dringen zu mir bis aufs Schiff. Das
Schiff fährt erstaunlich schnell und bahnt sich seine Fahrt durch die
Fluten. Der Fluß wird immer breiter. Der Nil könnte durchaus mein
Freund werden. Nur die Gittertürme der Handysendemasten stören ein
wenig die sonnige Landschaftsidylle.
Ich
bin einziger Reisender meines Veranstalters. Deshalb hängt nie ein
Tagesplan für mich aus, wie sonst für die anderen Passagiere. Aber
alle haben das gleiche Tagesprogramm, deshalb brauche ich nur darauf zu
gucken. Mahmoud schreibt mir dann aber für manche Tage auch noch extra
ein Tagesprogramm. Hier
wachsen vor allem Bananen und Zuckerohr. Ägypter lieben sehr süße
Sachen, wie alle arabischen Menschen. Pünktlich um vier Uhr ist Teatime
mit etwas Sandkuchen, Tee und Kaffee. Die
Schiffe fahren in sanften leichten Bögen, mal rechts, mal links.
Mahmoud erklärt mir warum: Der Kapitän weicht den Sandbänken aus,
deshalb heißt es auch Nil“kreuz“fahrt. Die Kapitäne sind von Natur
aus sehr geschickt, wenn sie auch manchmal noch nicht mal lesen und
schreiben können. Mahmoud will dafür sorgen, daß ich
Morgen mal auf die Brücke darf.
17:50
Uhr. Die Schleuse Esna kommt langsam in Sicht. Die Sonne ist leider
schon untergegangen. Fliegende Händler mit kleinen Booten machen an der
Bordwand fest, eigentlich müsste es „schwimmende Händler“ oder so
heißen. Weitere
Händler erwarten uns an beiden Mauern der Schleuse und bieten ihre
Waren an. Dabei werden sie mit ihren Preisen immer billiger. Hauptsache,
es kommt überhaupt etwas Geld herein. Ihre Klamotten können sie ja
nicht essen. Doch im Halbdunkel ist es sehr ungünstig für sie, kaum
jemand kauft etwas. Das Schiff wird hier angehoben, deshalb wäre der
Handel von außen aufs Schiff durch die unterschiedliche Höhe ganz
praktisch. Die Händler können (könnten) alles gewünschte einfach den
Meter zum Schiff auf die einzelnen Etagen rüberreichen.
Im
Bad ist der Boden jetzt ständig naß, irgendwo ist etwas undicht. Das
neue Antennenkabel ist auch nicht viel besser, das Bild zittert und
flackert. Die instandgesetzte Lampe im Eingang ist schon wieder kaputt,
sodaß ich den Safe im Dunkeln schon wieder nicht öffnen oder schließen
kann. Der Abflußstopfen im Waschbecken ist ein eigenes Drama. Das
schmutzige Waschbecken selbst auch. Das
Fenster hinaus zum Fluß ist schmuddelig, überhaupt ist einfach alles
schmutzig, rostig und vergammelt – und mehr oder weniger kaputt. Warum
ist nicht dieses Schiff gestrandet? Im
Restaurant sind beim Abendessen sämtliche Plätze besetzt. Heiß hier
drin. Das Essen selbst ist OK, nicht viel Auswahl, Reis, Fleisch, Hühnchen,
Gemüse. Etwas Salat und ein paar süße Nachspeisen. Und eine Suppe.
Mir genügt jetzt zu allen Mittag- und Abendessen Reis mit Gemüse, esse
ja gerne vegetarisch. Bei
Mahmoud habe ich noch einmal alles reklamiert und während des
Abendessens hat man versucht, meine Forderungen so weit wie möglich zu
erfüllen. Jetzt sind Mahmoud und der Bord-Manager dabei. Der TV ist
ausgetauscht und die Lampe geht wieder. Während der Fahrt darf ich mein
Fenster ausnahmsweise aufschieben, nur wenn wir festliegen, soll ich es
geschlossen halten. Der Rauchmelder könnte sonst wegen der Abgase Alarm
auslösen. Am Stöpsel des Waschbeckens kann man nichts ändern. (Den
fasse ich schon zuhause nicht an, hier bestimmt nicht. Und jedesmal
jemanden dafür anfordern – also das will ich auch nicht.) An der
Undichtigkeit kann man auch nichts ändern… Aber
immerhin geht mein Fenster auf den offenen Nil hinaus. Die andere
Bordseite hat mal wieder Pech und kann ein anderes Schiff bewundern. Wie
jetzt immer, rauche ich nach dem Abendessen meine Zigarre in der Bar und
trinke einen schwachen Gin Tonic dazu. So heiß wie es tagsüber wird,
so kalt ist es abends im Freien. Ich
liege schon im Bett, als wir Edfu um 22:45 Uhr erreichen und dort
anlegen. Samstag,
4. Februar 2012, Edfu, Kom Ombo + Assuan In
der Nacht habe ich mehrmals mein Fenster aufgeschoben. Aber die Abgase
der Maschine sind tatsächlich recht lästig. Wir liegen immer noch in
Edfu. Ich
sehe in die richtige Richtung nach Osten und kann der Sonne um
halbsieben beim Aufstehen zuschauen. So genieße ich endlich wieder mal
einen frühen Morgen. Draußen ist es noch angenehm kühl.
Später
sehe ich, daß zwei Schiffe auf der anderen Seite neben uns liegen. Was
habe ich ein Glück. Allerdings sehen die beiden Schiffe erheblich
besser aus, manche bieten ihren Passagieren sogar schmale Balkons vor
den Fenstern.
Drüben
am gegenüberliegenden Ufer sehe ich einen Zug nach Süden fahren, den
ersten in Ägypten. Mahmoud erklärt mir später dazu, daß fünf, sechs
Züge täglich zwischen Assuan im Süden und Kairo fahren, zwei auch
noch weiter bis Alexandria, nachmittags und abends mit Schlafwagen der
1. + 2. Klasse, also klimatisiert, mittags auch mit 3. Klasse-Wagen,
alle ziemlich lang, zehn, fünfzehn, zwanzig Waggons, alle natürlich
von Diesel-Loks gezogen.
Nach
dem Frühstück verlassen wir alle das Schiff. Vor uns auf der Uferstraße
haben sich zig Kutschen versammelt, die alle nach und nach mit ein, zwei
Passagieren zum berühmten Horus-Tempel streben. Ist ja klar, ich sitze
beim Schwager vorn, Mahmoud hinten. Manche Kutschen sind besonders üppig
mit Silber beschlagen. Hier gibt es so viele, daß sie sogar
Nummernschilder haben. Übrigens Ziffern: Sie sind ganz einfach
auswendig zu lernen. Ich kenne sie aus beruflichen Gründen schon lange
und „übersetze“ auf dieser Reise ständig gerne zum Zeitvertreib
und zur Übung viele Nummernschilder der Autos in unser Ziffernsystem.
Arabische? Haben wir nicht auch arabische Ziffern? Aber unsere sind ja
in Wirklichkeit indisch-arabische Ziffern.
Mahmoud
erklärt mir im Tempel wieder alles und läßt mich dann wie immer
allein, damit ich in Ruhe meine Fotos machen kann. Der Boden vieler
Tempel soll übrigens verschwenderisch mit Silber (= Wasser)
ausgelegt gewesen sein. Und Gold gab’s natürlich auch in Hülle und Fülle. Jetzt
so früh am Morgen habe ich gerade noch Glück, es sind nur wenige
Touristen da, die meisten Besuchergruppen der anderen Schiffe kommen
erst, als ich den Tempel schon wieder verlasse. Dieser Tempel war auch
halb unter Sand begraben. Viele Wohnhäuser standen darauf, als 1860 mit
der Freilegung begonnen wurde. Die Wände sind überall bis in
schwindelerregende Höhen kunstvoll bemeißelt und behauen. (Und bemalt
gewesen). Übrigens: Je später ein Tempel entstanden ist, desto weniger
tief hat man dann schonmal die Wände graviert. Arbeiter waren wohl auch
damals schon teuer, oder gute Arbeiter selten. Alles
ist hier so riesig, so gewaltig, daß mein sonst so großer Weitwinkel
kaum noch ausreicht. Auch dieser Tempel beeindruckt mich sehr stark. Ist
ja klar, im Innern strengstes Fotografierverbot.
tempel
edfu - Google-Suche (Fotos) Zwei
eingebildete deutsche Tussis, die ich schon auf dem Hinflug nach Kairo
und dann noch mehrmals während der Reise gesehen habe, müssen hier
auch wieder herumlaufen. Ich werde sie noch ein, zwei Mal sehen, sogar
noch auf dem Rückflug. Gute
Nachricht, Mahmoud will Morgen für ein besseres Zimmer sorgen. Ein Teil
der Passagiere geht dann von Bord und so bietet sich eine gute
Gelegenheit dafür. Auf
dem Rückweg darf ich wieder die Zügel übernehmen und Pferd und
Kutsche lenken. Ich kann es ja, die Pferde reagieren auf den leichtesten
Zug an der Leine.
Welch
ein Land, in dem sogar die Friedhöfe schwer bewacht werden müssen. Ein
Schiff nach dem anderen hinter uns und vor uns legt ab, wir machen
Platz, damit das mittlere ablegen kann. Ein ganzes Schiff mit Holländern
fährt los. Gut, daß wir noch liegen bleiben, vielleicht haben wir ja
wieder Glück und können heute Abend als letztes Schiff wieder außen
festmachen. Mit
Mahmoud vereinbare ich die Ausflüge für morgen und übermorgen. Um
10:45 Uhr legen wir in Edfu ab. Nach
dem Horus-Tempel von Edfu kommt gleich noch ein weiterer Höhepunkt: Ich
darf zum Käpt’n auf die Brücke. Hier sind alle recht freundlich zu
mir und ich bekomme gleich ein Glas Tee (ganz ungewohnt, kostet
ausnahmsweise mal nichts) und einen Aschenbecher vor mich hingestellt.
Der 1. (Primo) und der 2. Kapitän (Secundo), beide in
Galabias und mit weißem Turban, zwei Matrosen und ein Sicherheitsmann
sind da. Der
jeweilige Steuermann sitzt auf einer etwas höheren Holzbank und sieht
durch das offene Fenster nach vorne raus. Es gibt zwar ein hölzernes
Steuerrad, aber er steuert unser Schiff ganz lässig mit zwei Tasten in
einer Kabelfernbedienung, entweder rechts oder links. Die Anzeigen der
beiden Maschinen stehen fest bei ca. 1.600 UpM. Kompaß,
Radar, Echolot, Funksprechgeräte, Karten, sonstiger moderner Kram oder
gar Elektronik? Unnötig! Teufelszeug! Der Steuermann hat alle Sandbänke
im Kopf. Das genügt. (Und so fahren sie auch in der Dunkelheit!) Bojen
braucht man auch nicht. Habe überhaupt nur eine schmutziggraue gesehen.
Seit fünfzig Jahren dürfte sich hier nichts geändert haben. Unser
Schiff hat nur 1,80 m Tiefgang. Bei den anderen Schiffen ist es
genauso, sagt man mir. Übrigens
stammen alle Kapitäne aus nur zwei kleinen Ortschaften hier am Nil. Ein
Mann aus einem anderen Ort hätte gar keine Chance. Uniform und
Schulterklappen und das ganze Gedöns brauchen sie nicht. Das modernste
hier auf der Brücke ist ein mit viel Klebeband umwickeltes billiges
Walkie‑Talkie. Und ein alter kleiner schmutziger Fernseher. Etwas
sauberes Intaktes dürfte es auf dem ganzen Schiff nicht geben. Gut, daß
die hier keine Führung machen, ich möchte nicht wissen, wie es im
Maschinenraum oder gar in der Küche aussieht. (Später erfahre ich, daß
das nicht stimmt, es gibt eine Führung, aber ich nehme lieber nicht
daran teil.) Unterdessen
begegnen uns ein paar Schiffe. Der im Moment freie Kapitän steht draußen
vor dem Steuerstand im Freien und begrüßt alle entgegenkommenden
Schiffe durch heftiges Winken. Drüben ist es genauso. Außerdem hupt
man sich kollegial zu und gibt Lichtsignale mit dem großen Scheinwerfer
vorne am Bug. Jeder wird hier jeden kennen.
Hier
oben auf dem Sonnendeck herrscht eine Zweiklassengesellschaft. Die einen
liegen vorne in der Sonne am Pool und bekommen langsam Sonnenbrand, die
andern sitzen in der hinteren Hälfte unter dem schattenspendenden
Sonnensegel. Sogenannte
„Long Cruise Ships“ für Reisen von Kairo über Luxor nach Assuan
sind bereits geplant. Der Nil muß aber dafür noch weiter ausgebaggert
werden. Außerdem bestehen leider immer noch Sicherheitsprobleme. Es
gibt direkt am Fluß teilweise sehr großflächige Zuckerrohrfelder und
darin könnten sich Terroristen verstecken, anschleichen und die Schiffe
angreifen. Deshalb gibt es zurzeit nur die relativ kurze Strecke
zwischen Luxor und Assuan. Feluken
begegnen uns, kleine Ausflugsschiffe, sie fahren oft ohne Motor, nur mit
zwei Segeln, manchmal werden sie auch geschleppt, vor allem, wenn es
keinen Wind gibt. Später erfahre ich, daß es Dahabeyas sind, relativ
klein, aber viel persönlicher und komfortabler - und natürlich nur auf
ein paar wenige Gäste eingestellt. Wer diese Tour machen möchte, dem
empfehle ich, diese Art einer Nilreise in Betracht zu ziehen.
Wahrscheinlich ein bißchen teurer, aber weitab vom Massentourismus, den
doch heute wirklich niemand mehr haben möchte. Sie
sollen für unsere Zweitage-Reise (ca. 220 km) vier, fünf, sieben
Tage benötigen. Wäre wirklich mal wert, um darüber nachzudenken. Die
beste Reisezeit soll übrigens zwischen Oktober und April sein. Im
Sommer ist es hier viel zu heiß.
13:00
Uhr. Ein Glöckchen erklingt, nein, nicht das Christkind, nur der Boy
geht durchs Schiff und meldet, daß es Mittagessen gibt. Ich warte
lieber mal ab, mal sehen, ob in einer halben Stunde noch etwas für mich
übrig gelassen worden ist. Vielleicht kann ich ja mal alleine essen,
ohne die etwas anstrengenden ununterbrochen quasselnden Leute an meinem
Tisch. Personal räumt unterdessen hier oben auf. Sogar ein alter
betagter Staubsauger kommt zum Einsatz. Der hilft hier aber auch nicht
viel. Alle grünen Teppiche sind umgebogen und haben sich in gemeine
Stolperfallen verwandelt. Schlagartig bin ich hier oben der einzig übriggebliebene
Passagier. An
beiden Ufern stehen überall Esel und Pferde herum und warten geduldig.
Sich selbst überlassene arme Hunde sind von Natur aus brav. Hier sieht
man es ganz deutlich. Sie sind einfach überall und schauen mich immer
traurig und hungrig an. (Böse Hunde wurden von Menschen böse gemacht!) Fischreiher
staken am Ufer entlang und suchen sich ihr Essen. Auf dem Fluß tummeln
sich Fischerboote. Ich kann beobachten, wie die Fischer mit ihren Rudern
aufs Wasser schlagen, um die Fische in ihre Netze zu treiben. Die
vorher vereinzelten Palmen verwandeln sich langsam in Gruppen und dann
in ganze Palmenwälder. Jetzt werden unsere Kurven im Strom auch
schonmal etwas heftiger, es muss hier also mehr Sandbänke geben. Eine
Autofähre überquert den Fluß. Wahrscheinlich die einzige auf unserer
Flußfahrt. Die
drei "Fitnessgeräte" fristen hier oben ein trauriges Dasein,
niemand kann sie mehr benutzen, man könnte aufräumen und sie am besten
gleich jetzt und hier in den Nil werfen. Wie so vieles hier. Erneut
verwandelt sich das vorher grüne Wasser in flüssiges Silber. Das
Wasser sieht überhaupt recht sauber aus, erstaunlich. Aber es gibt
darin für uns Europäer bösartige Bakterienstämme, sodaß man es
besser vermeiden sollte, direkt mit dem Nilwasser in Berührung zu
kommen, ohne direkt anschließend die Hände ordentlich waschen zu können.
(Mit bösartigen Bakterien kenne ich mich ja leider schon aus.) Ein
einziges kleines vergammeltes Frachtschiff sehe ich. Güterverkehr auf
dem Nil gibt es hier so gut wie überhaupt nicht. Magere
Kühe und Büffel versuchen mühsam zu grasen. Alle sind immer einzeln
angebunden, sie haben noch nie eine Herde gesehen und können das ihnen
angeborene Herdengefühl gar nicht ausleben. Die
Wüste rückt hier von Westen näher an den Fluß heran und versucht
sich zu behaupten. Auf der gegenüberliegenden Seite erstrecken sich
endlose Palmenwälder. Nach
dem Mittagessen sinniere ich, daß man hier durchaus auf die Idee kommen
könnte, es Agatha Christie gleichtun zu wollen und einen Kriminalroman
schreiben könnte. Wer ist der Mörder? Ist es einer des Personals? Wer
ist die Leiche? Natürlich einer der viel zu vielen Passagiere. Oder
soll ich am besten gleich mehrere sterben lassen? Eine Epidemie? Dann hätte
ich gleich jetzt schon ein besseres Zimmer. Und mehr Platz beim Essen im
Restaurant. Und mehr Ruhe…
15:30
Uhr. Wieder das bekannte Glöckchen. It’s Teatime. Einzelne
Kühe baden im warmen Wasser des Nils. Hier oben auf dem Sonnendeck ist
es inzwischen etwas ruhiger geworden. Kaum jemand fotografiert noch die
immer gleiche Landschaft. Bücherseiten werden weiter umgeblättert, Rätsel
gelöst, viele sehen kaum noch auf, um die Landschaft zu bewundern. Ganz
selten gibt es mal einen altertümlichen Traktor. Die meiste Arbeit auf
den Feldern erledigen Esel und Kühe.
Laute
Wasserpumpen ohne Auspuff fördern unentwegt kostbares Nass in die
Felder. Ich
könnte so die nächsten Wochen verbringen. Eigentlich ist es eine
angenehme Art des Reisens, immer seinen gesamten Hausstand dabei zu
haben, Bett, Küche, Wohnzimmer und das nötige Personal. Fast wie im
Wohnmobil kürzlich. Ich
wünschte mir nur ein etwas komfortableres Schiff.
Dann wäre dies in der Tat eine vergnügliche Reise. Keine Staus,
kein Gehupe, keine nervenden Trempel (Bodenwellen). In Luxor gab es auf
der Uferstraße zwei, dreimal acht, neun, zehn scharfe Wellen kurz
hintereinander, auf ein paar Metern. Wem nutzt so etwas? Jeder muß so
stark wie möglich kurz davor abbremsen, schmerzvoll drüberholpern, um
dann erneut wieder kräftig Gas zu geben. Da möchte ich nicht schwer
verletzt in einem Krankenwagen liegen. 16:00
Uhr. Wir nähern uns der nächsten Stadt. Kom Ombo. Unser nächster
Stopp. Kleine Gemüsegärten liegen unter schattenspendenden Palmen.
Primitive Steinhütten. Die Galabias sind hier auch schonmal weiß,
bisher waren sie gerne grau und braun. Sofort
stürmen mehrere hundert Leute unseres Schiffes die Tempelanlagen von
Kom Ombo im weicher werdenden Licht der langsam untergehenden
Nachmittagssonne.
Hinter
den Säulen des Tempels treten wieder plötzlich geheimnisvolle Leute
hervor und machen mir erneut die bereits bekannten verschwörerischen
Handbewegungen und Zeichen. Wollen sie mir eine ihrer Frauen oder gar Töchter
anbieten? Nein, schade, leider nicht, nur etwas an den Mauern zeigen, um
dann ihr Bakschisch verlangen zu können. Doppeltempel
von Kom Ombo – Wikipedia kom
ombo - Google-Suche (Fotos) Inzwischen
wird es am Liegeplatz voll, noch mehr Schiffe kommen an. Wieder habe ich
Glück, unser Schiff hat direkt am Ufer festgemacht und mein Fenster öffnet
sich auch noch dorthin. Wahnsinn, wie viele Schiffe jetzt noch anlegen,
reger Verkehr. Nach
der Besichtigung des Tempels lädt mich Mahmoud zu einem gemütlichen
Tee und einer Shisha ein. (Leider sind diese Wasserpfeifen genauso schädlich
wie Zigaretten und Zigarren. Man vergißt das zu gerne, weil der Rauch
so angenehm kühl ist.) Eine kleine Kapelle spielt.
18:15
Uhr. Wir legen ab, es geht weiter nach Assuan. Schade,
wir werden im Dunkeln fahren und nichts mehr von der Landschaft sehen. Heute
Abend ist es nicht mehr so kalt wie an den vergangenen Abenden. Nach dem
Abendessen kann ich sogar noch ein bißchen auf dem Sonnendeck sitzen
und die Fahrt noch ein ganz klein wenig genießen. Der Fluß ist jetzt
noch breiter geworden. Nur ein paar ganz wenige Brücken seit Luxor überspannen
den Fluß. Zwei, drei Lkw fahren drüber, obwohl es erst neun Uhr abends
ist. Auch nur ganz selten mal ein Pkw auf der Uferstraße. Heute Abend
ist es eigentlich noch ganz aushaltbar, noch nicht mal kühl. Ich bin
fast ganz allein hier oben in Begleitung meiner Zigarre. Assuan
nähert sich, offenbar eine Großstadt, das wir gegen 22:45 Uhr
erreichen. In
jedem Ort Ägyptens stehen übrigens neue orangene VW-Krankenwagen
herum, die Leute sind also in der Beziehung offenbar gut versorgt. Die
Luft ist ganz schön trocken, warum habe ich mein Nasenspray nicht
mitgenommen? Erneut
habe ich Glück nach unserem Anlegemanöver und sehe aufs Land, auf
unserer anderen Seite dockt kurze Zeit später mindestens ein weiteres
großes Schiff an. Also, über eine fehlende Aussicht kann ich mich
nicht beschweren. Andere Passagiere höre ich ständig deswegen meckern. Sonntag,
5. Februar 2012, Assuan Heute
heißt es mal wieder früh aufstehen. 6:30 Uhr. Um 7:30 Uhr fahren
wir am Schiff ab. Unser Fahrer ist Rami und wir haben eine
Kia-Limousine. Erfreulicherweise fährt Rami sehr brav. Inzwischen
weiß ich, daß Assuan flächenmäßig Ägyptens drittgrößte Stadt und
der bedeutendste Handelsplatz zwischen Nord- und Südhälfte ist. Zwei Dämme
gibt es zu besichtigen, den alten aus dem Jahre 1902 und den neuen,
der 1971 eröffnet worden ist. Mahmoud
nennt mir stolz ein paar Daten zu den beiden Staudämmen. Alter
Damm: 25
Meter an der Sohle breit, ab
1898 haben Ägypter und Engländer unter Leitung von William Willcocks
vier Jahre daran gebaut, 1912
und 1932 erhöht, zum Schluss 54 Meter hoch, 180
Durchlässe und eine Schleuse. Neuer
Damm: Breite
unten 980 Meter, Krone
40 Meter breit, 111
Meter hoch, 3.800
Meter lang, 1960-1970
von den Russen erbaut, (Amis
und Weltbank hatten ihre Zusage zurückgezogen), 1971
durch Präsident Sadat eingeweiht, 12
Turbinen von ABB, weit
über vierhundert Tote bei den Bauarbeiten, umgerechnet
2 Mrd. Euro Baukosten. Der
neue gewaltige Staudamm brachte auch viele Probleme mit sich, u.a. fehlt
der segenbringende Nilschlamm weiter unten im Fluß. Und hier im Stausee
wird er immer mehr, rein rechnerisch wird es deshalb in fünfhundert
Jahren kein Wasser mehr im See geben. Aber da wird man wohl vorher noch
etwas daran ändern. Natürlich
verschandeln hier unheimlich viele Stromleitungen das Bild, eigentlich
überall in Ägypten, hier aber naturgemäß ganz besonders, aber sie müssen
ja sein, immerhin werden hier 65 Prozent des ägyptischen Stroms
erzeugt. Wenn es keine Strommasten oder Überlandleitungen sind, sind es
Handysendemasten, die sich einem in jedes Foto drängeln. Ein paar
Panzer und schwerbewaffnete Soldaten bewachen alles. Manche
Tankstellen sind auch hier abgesperrt, ihre Tanks sind leer, Benzin und
Diesel sind weiterhin sehr knapp. Vor einer noch geöffneten Tankstelle
gibt es einen endlos langen Rückstau. Ausnahmsweise
muß Mahmoud hier die Eintrittskarte für den neuen Damm kaufen. Alle
anderen hatten meine beiden Reiseführer immer schon bei sich. Dies geht
aber nur für Altertümer. Die
beiden Staudämme geben fotomäßig nicht viel her, über den alten
fahren wir drüber, den neuen Großen darf man nur ganz kurz an der
einen Seite besichtigen. Witzig: Teleobjektive darf man nicht verwenden.
Streng verboten. Wer überwacht so widersinnige Verbote?
Dann
geht es über den engen, schmalen alten Damm zurück zum Philae-Tempel.
Er wäre vom steigenden Wasser des neuen Stausees überschwemmt worden
und wurde deshalb versetzt. Unglaublich, welch eine Leistung
erforderlich war, um solche gewaltigen Massen an Steinen, Mauern, Säulen,
Figuren originalgetreu an den neuen Standort, die Insel Agilika, zu
versetzen. Viele Felsen sind hier deutlich rundlicher als sonst. Geschätzte
dreihundert Boote liegen hier herum, aber wegen des Touristenmangels
fahren nur höchstens dreißig.
Ja,
es ist wie immer, wer im Innern fotografiert, erhält die Todesstrafe. Wächter
wuseln hin und her und passen überall scharf auf. Schließlich leben
sie von den Strafen, die sie an die Touristen verhängen.
Endlich
sehe ich auch Möwen, die habe ich seit Alexandria nicht mehr gesehen. philae
tempel - Google-Suche (Fotos) Anschließend
besuchen wir einen Laden, der die berühmten Aroma-Essenzen herstellt
und verkauft. Ich bin auch hier während einer Stunde der einzige Kunde.
Dann
besuchen wir den unvollendeten Obelisken. Ein größeres Areal des
uralten Steinbruchs ist hier zu besichtigen. Der größte aller
Obelisken sollte an dieser Stelle aus dem Fels gehauen werden, aber
leider zwangen Risse im Gestein die Arbeiter zur Aufgabe dieser
Baustelle; alle Mühe und Arbeit war mit einem Schlag vergebens.
Überall
liegen noch die Felsen herum, aus denen etwas herausgemeißelt werden
sollte. Wie an allen Besichtigungsorten in Ägypten, muß ich mich auch
hier zum Schluß durch eine enge Ladenstraße mit zahlreichen Händlern
zwängen. Unvollendeter
Obelisk von Assuan – Wikipedia unvollendeter
obelisk - Google-Suche (Fotos) Sogar
dieser Steinbruch wird schwer bewacht. Haben die Angst, daß man den
Obelisken klaut? Wir
versuchen in einer Bank, ein paar meiner großen 200 Pfund-Scheine
in kleinere umzutauschen, bis Mahmoud einfällt, daß ja heute Sonntag
ist. Geschäfte sind sonntags offen, Banken im Allgemeinen nicht. Um
12:30 Uhr sind wir rechtzeitig zum Mittagessen zurück.
Ich
sitze kurz in meiner Kabine nach dem Essen am offenen Fenster und genieße
die Aussicht, als Anubis hereinkommt. Er putzt meine Fensterscheiben und
hinterläßt ein paar schöne, wie heißen sie?, Putzstreifen, und zeigt
mir seine Babytochter in seinem Handy.
Mahmoud
rät mir, lieber nicht alleine in die Stadt gehen. Leider muß/soll man
hier überallhin seinen Guide dabei haben. Alleine geht, wird aber nicht
empfohlen. Unser
Schiff ist hier am Liegeplatz an einer dicken Wasserleitung
angeschlossen. Wo kriegen die eigentlich sonst auf unserer Fahrt das
Wasser für uns alle her? Und wo geht eigentlich das Abwasser der vielen
Passagiere hin? Ich will es lieber nicht wissen. Hauptsache, ich habe
keine Magen-Darm-Probleme. Auf jeden Fall ist es nachts während des
Liegens an der Kaimauer nicht mehr ganz so laut, und die Vibrationen
fehlen auch zum größten Teil. Feluken
mit Touristen fahren auf den Nil hinaus und sofort kommen ein paar
Kinder mit winzigen Paddelbooten an, halten sich an den Schiffen fest
und singen den Leuten etwas vor.
Mir
ist schon die ganze Zeit ein Rohbau gegenüber auf einer Insel im Nil
aufgefallen. Dahinter liegt das Mövenpick-Hotel mit einem
Turmrestaurant. Der Turm wird nachts mit abwechselnden Farben
beleuchtet. Hierzu erzählt Mahmoud, daß es ursprünglich der Neubau
eines japanischen Hotels werden sollte, 1992 begonnen. Der Bau mußte
dann ruhen, weil die Japaner keine ordnungsgemäße Baugenehmigung
vorweisen konnten. Vor ein paar Jahren hat es Mubaraks Sohn gekauft und
dann gewinnbringend an Mövenpick weiterverkauft. Ende des Jahres soll
das neue Mövenpick fertig sein. Die ganze Insel steht unter
Naturschutz. Übrigens:
Sämtliche Nilschiffe machen immer die gleiche Tour mit den gleichen
Ausflügen. Jeder Reisende bekommt also im Endeffekt das gleiche Paket. Mir
fällt auf, daß viele Leute auf den Feluken ihre leuchtrote
Schwimmwesten aus dem Schiff mitgebracht haben und sie auch tragen. Hat
das mit der kürzlichen Costa Concordia-Havarie zu tun und sind die
Leute jetzt besonders vorsichtig oder sind sie überhaupt ängstlich?
Ich weiß es nicht. Die Mittagssonne knallt ganz schön. Um
14:00 Uhr beginnt der zweite Teil des Tages, unser Ausflug mit dem Boot.
Wieder nur der Steuermann, Mahmoud und ich.
Wir
fahren am Mövenpick und am berühmten Old Cataract Hotel vorbei. Hier
schrieb Agatha Christie ihren Roman „Tod auf dem Nil“. Weiter
geht es Richtung alter Staudamm. Rechts liegt das Grabmal von Aga Khan III,
unübersehbar und wunderschön auf einem Hügel am Nil. (Das jeweilige
Oberhaupt der Ismailiten bekommt stets den Titel „Aga Khan“.) Seine
Frau, die Beghoum, bürgerlich Yvette Labrousse, brachte ihm jeden Tag
eine frische Rose ans Grab, weil sie sich beide so sehr liebten. Nach
ihrem Tod wurde auch sie hier beerdigt. aga
khan grabmal - Google-Suche aga
khan grabmal - Google-Suche (Fotos) Ein
paar Felsen gibt es hier, die nach Elefanten aussehen. Wieder etwas für
meine kleine Sammlung.
Dann
folgt eine „gefährliche“ Aktion. Wir müssen durch ein paar vorher
von Mahmoud vollmundig als „Stromschnellen“ angekündigte
winzigkleine Strudel. Ein „Katarakt“. Unser Boot nickt nur ein
paarmal gutmütig dazu. Ich füttere meine Speicherkarte unterdessen,
wonach sie verlangt. Mit Fotos.
Wir
schippern dann noch gemächlich bis in Sichtweite der alten kleinen
Staumauer, wenden, und besuchen das „Nubische Dorf“. Wir sind früh
und deshalb noch ganz allein. Die Besuchermassen werden erst in ein,
zwei Stunden herströmen. Nubier sind ein eigenes Volk, natürlich
Afrikaner, aber halt keine Araber, die nur im Süden Ägyptens und im
Sudan leben. Viele wurden wegen des neuen Stausees in den sechziger
Jahren umgesiedelt. Sie sind immer sehr schwarz und heiraten nur
untereinander. Sie kennen in ihrer Sprache keine Schrift und müssen
arabisch schreiben. Omar
erwartet uns beide schon, auf einem kleinen Mäuerchen sitzend. Er ist
Lehrer und begleitet uns zu seiner kleinen Schule. Ich muß das
arabische Alphabet lernen, die Zahlen kann ich ja schon und kann es Omar
mit stolzgeschwellter Brust gleich an der Tafel beweisen. Er hat bisher
nur ein paar andere Europäer erlebt, die ihm arabische Zahlen so
perfekt aufmalen konnten. Beim Text wird es dann doch „etwas“
schwieriger.
Anschließend
führt mich Mahmoud um die Ecke in ein größeres Haus. Hier wohnt eine
nubische Familie, die er offensichtlich kennt. Sand ist auf dem Boden
verstreut; er wird jeden Abend vor dem Schlafengehen fein säuberlich
gerecht, damit die Bewohner an den unverwechselbaren Spuren immer gleich
erkennen können, falls sich nachts einmal eine der zahlreichen
freilaufenden Schlangen hier hineingeschlichen haben sollte. Aber
die sind eigentlich gar nicht so gefährlich. Gefährlich ist das, was
mir David auf meine Arme legt. Angeblich ist es zahm und ich könnte es
küssen, aber das möchte ich dann lieber doch nicht ausprobieren. Ein
Krokodil! Es genügt mir, Schnappi zehn Minuten auf den Armen zu halten.
Es ist mindestens anderthalb Meter lang und wiegt dreißig, vierzig ganz
schön schwer werdende Kilos. Am Bauch fühlt es sich weich an. Obenrum,
so wie man es erwartet. Eigentlich so, wie eine Krokohandtasche. Oder
Krokostiefel. Ich glaube, dem Krokodil macht es nicht wirklich Spaß, daß
ich es auf den Arm genommen habe. Es guckt verkniffen und ein bißchen
unglücklich aus seinem zukünftigen Handtaschenleder. (Irgendwie eigne
ich mich offenbar nicht besonders gut dafür, kleine Krokodile,
Hundewelpen oder gar Babys auf meinen Armen zu halten. Die jeweiligen Mütter
gucken mir dann immer sehr zweifelnd zu…)
Zwei
andere, etwas größere aber angeblich ebenso zahme Krokodile liegen
nebenan und schlafen mit offenen Augen. Die Nubier halten sich zum Spaß
gerne ein paar der sonst längst am Nil ausgestorbenen Krokodile. Als
Hobby. Ich könnte mir da doch eher andere Hobbies vorstellen… Anschließend
fahren wir mit unserem Boot zurück und legen am Botanischen Garten auf
Kitchener Island an. Herbert Kitchener war ein hoher britischer Militär
um 1900 herum mit einer interessanten Geschichte und ließ diese Insel
damals bepflanzen.
Leider
ist es schon ein bißchen zu spät, die Sonne versinkt gerade hinter den
Bergen. Hier gibt es nur Bäume und zurzeit so gut wie keine Blumen. Und
Bäume im Schatten sind mir zu langweilig, deshalb schieße ich hier nur
ein paar wenige Fotos. Herbert
Kitchener, 1. Earl Kitchener of Khartoum – Wikipedia kitchener
island - Google-Suche
(Fotos) Unser
kleines Segelschiff muß auf dem Rückweg kreuzen, denn der Wind kommt
von vorne. Deshalb kommen wir auch kaum effektiv voran, aber für mich
ist das natürlich sehr interessant. Wie alle arabischen Seeleute sind
auch diese beiden ein eingespieltes Team. Geschickt betätigen sie
Seile, Segel, Schwert und Ruder. Da bedarf es keiner Befehle, alles
klappt vorbildlich. Auch die beiden klagen heftig über ihren heftigen
Verdienstrückgang, deshalb bekommen sie beide ein doppeltes Trinkgeld
von mir.
Hier
in der Abendsonne rieche ich zum ersten Mal wieder das Wasser, nein,
nicht etwa unangenehm, angenehm. Ich rieche gerne Meer und Flüsse. Um
17:30 Uhr sind wir wohlbehalten zurück an Bord. Ich habe immer noch
meinen Ausblick aus dem Fenster. Abendessen
wie immer um 19:30 Uhr. Anschließend gibt es Bauchtanz um 21:15 Uhr.
Der Hügel uns gegenüber ist prunkvoll beleuchtet. Alte (leere) Grabhöhlen
sind zu erkennen. Um halbelf liege ich im Bett, Morgen geht es früh
raus!
Montag,
6. Februar 2012, Abu Simbel Der
hundsgemeine Wecker klingelt um 3:30 Uhr und reißt mich herzlos aus den
schönsten Träumen! Der offizielle Weckruf kommt natürlich wieder
zwanzig Minuten zu spät. Sonst, zu normalen Weckzeiten, ist der Weckruf
immer pünktlich, vor sieben Uhr nicht. Nur gut, daß ich mein Gepäck
schon gestern Abend vor dem Schlafengehen zusammengepackt habe, denn ich
soll heute Nachmittag endlich eine neue Kabine auf dem obersten Deck
bekommen. Ich lege die Betonung erst mal auf „soll“. Abfahrt
mit Rami und seinem Kia Cerato um 4:00 Uhr. Jallah! Auf geht’s! Frisch
auf! Wir haben heute noch viel vor! Mahmoud hat für uns drei (billige)
Lunchpakete in der Küche organisiert. Wir
müssen zu einem Treffpunkt direkt vor dem unvollendeten Obelisken. Nur
elf große Reisebusse, neun kleine Busse, ein Pkw mit zwei
Amerikanerinnen und unser Kia haben sich für den Konvoi nach Abu Simbel
aufgestellt. Die Konvois zwischen Hurghada und Luxor sind übrigens
schon seit zwei Jahren abgeschafft. Ein, zwei Polizisten sehe ich im
vorderen Bus einsteigen, wir sind direkt dahinter. Pünktlich
um 4:36 Uhr geht’s los, nach Süden. Zweihundertachtzig Kilometer. Vor
der jetzt noch geschlossenen Tankstelle warten schon die ersten Lkw. Die
anfangs meiner Reise noch schmale waagerechte Sichel des Mondes hat sich
zum Vollmond verwandelt. Vor
jeder noch so kleinen Kurve wird der entsprechende Blinker betätigt.
Man fährt teilweise ganz dicht hintereinander, an Sicherheitsabstand
ist nicht zu denken, auch dieses Wort kennt man hier nicht. Warnblinker
werden vor jeder Bodenwelle eingeschaltet, oder zum Danke sagen an die
andern. Aus dem mp3‑Player erschallen eintönige monotone Korangesänge.
(Man stelle sich vor, wir würden das mit unseren Bibeltexten so
machen.) Oft
haben wir nur eine Autolänge Abstand zum Vorder- und/oder Hintermann. Rami
fährt fast nur mit Standlicht, gut, daß wir gerade Vollmond haben.
Mahmoud hat sein Kissen mitgebracht und schläft hinten. Ich brauche
keins, muß ja alles sehen. Der Bus vor uns und wir fahren meist mit 140 km/h;
80 oder 90 km/h sind erlaubt. Die andern haben wir längst abgehängt.
Bei Sonnenaufgang hält Rami kurz für mich an, obwohl es eigentlich
nicht erlaubt ist. Hunderte
kleine Pyramiden tauchen links und rechts in der Wüste auf. Alles frühere
kleine Vulkane. Unsere Straße ist schnurgerade, die Landschaft
topfeben. Eine Strom-Überlandleitung begleitet uns rechts. Natürlich,
Ramis Frontscheibe hat zahlreiche Sprünge und Absplitterungen. Kein
Wunder, so wie er fährt. Es knistert ständig, weil die Steinchen
unseres Vordermannes auf uns treffen. Ein
ausgebrannter Reisebus steht am Straßenrand. Welche Geschichte mag sich
dahinter verbergen? Eine kleine Oase „fährt“ an uns vorbei,
staubig, schmutzig, schäbig. Offiziell
erlaubte Geschwindigkeiten: Pkw
90 km/h Busse
80 km/h Lkw
70+60 km/h, je nach Anhänger und Last. Doch
niemand hält sich daran. Die
seltenen Leitplanken bestehen nur noch aus Fragmenten, nur die
senkrechten Pfosten sind noch vorhanden, die Bleche wurden
wahrscheinlich abgeschraubt und irgendwo zweckentfremdet. Genauso wie
das Holz der Sitzbänke an den wenigen Rastplätzen. Der
vordere Bus ist nach dem kurzen Stopp nicht mehr zu sehen, obwohl Rami
jetzt noch eine Schippe drauflegt und der Zeiger schon auf 160 km/h
und später mal kurz auf 200 km/h steht. Die zweispurige schmale
Straße ist neu asphaltiert, aber wie immer wellig, gerade bei unserer
Eile spürt man es. Zwei Polizeikontrollposten gibt es auf der Strecke,
jedes Fahrzeug wird offenbar penibel auf einer Liste abgehakt.
Ein
neuer Kanal und ein riesiges Ausgleichsbecken werden gebaut. Beide
sollen später vom Nil gespeist werden. Auch hier sehe ich mehrmals grüne
und orangene Krankenwagen für eventuelle Notfälle bereitstehen. Um
7:20 Uhr erreichen wir unser Ziel Abu Simbel, der südlichste Ort meiner
Reise. Ich beeile mich etwas und bin der erste, naja, der zweite
Tourist, zwei Franzosen sind leider schon da und stören meine Fotos.
Aber die vielen Leute aus den Bussen sind wenigstens noch nicht da. Der
Tempel von Ramses II ist erneut sehr beeindruckend, wenn auch
eigentlich alles nur Fassade, Kulisse und einfach nur Schau ist.
(Nebenbei: Ramses II soll mehr als 160 Kinder gezeugt haben,
na, OK, er ist ja auch 92 Jahre alt geworden. Da hat er offenbar
genug Zeit für seine Sexspiele gehabt.) Der zweite Tempel daneben war für
seine Gemahlin Nefertari bestimmt. Wer
will, darf gegen einen entsprechenden Obolus den viele tausend Jahre
alten großen schweren Original-Messingschlüssel (oder ist er in
Wirklichkeit aus Gold?) in die Hand nehmen.
Mahmoud
weiß inzwischen längst, daß ich keinen großen Wert auf längere oder
gar langatmige Abhandlungen der ägyptischen Uraltgeschichte, Götter,
Pharaonen, Tempel und Priester lege, so interessant sie auch für
manchen sein mögen. Ich kann sie mir doch nicht merken, schon gar nicht
die vielen Namen. Mir sind meine Fotos viel wichtiger, vor allem,
solange sich noch keine Touristen in sie rein quetschen. Deshalb nutze
ich gerne jede Gelegenheit und lasse den Armen dann einfach stehen, der
mir dann immer etwas verblüfft nachsieht. Neben
dem Tempel Pharaos Ramses II bewundere ich noch den etwas kleineren
Hathor-Tempel zur Erinnerung an seine Gemahlin Nefertari.
Der
echt aussehende Berg ist in Wirklichkeit eine Mogelpackung, denn er ist
neu aufgeschüttet worden und innen hohl. Auch
Abu Simbel wurde gerettet und von der UNESCO und unter Beteiligung
vieler Länder zwischen 1964 und 1968 umgesetzt, bevor die Fluten des
neuen Nasser-Stausees die Anlagen überschwemmt hätten. Hier wurde in
den sechziger Jahren zuerst einmal eine Bergfassade erstellt und dann
die Tempelanlagen hineingebaut. Viele hunderttausend Menschen mußten in
dieser Zeit wegen des späteren Stausees ihre Dörfer verlassen.
Insgesamt wurden die beiden Tempel 63 Meter höher und 68 Meter
nach hinten verlegt. abu
simbel - Google-Suche (Fotos) Ist
ja klar, „no pictures!“, keine Fotos in den beiden Tempeln. Aber da
die Wächter hier nicht so scharf sind, gelingen mir ein paar
undeutliche wacklige Handyfotos. Ich bin wie immer sehr beeindruckt von
der Kunstfertigkeit der alten Ägypter. Allerdings stören zahlreiche
tiefe Eingravierungen früherer Touristen das Bild. Die Idioten haben
hier den alten Ägyptern teilweise heftig nachgeeifert und viele Säulen
mit Hammer und Meißel verschandelt. Warum müssen manche Menschen nur
alles beschmieren oder wie hier sogar für immer beschädigen?
Hoffentlich hat der Fluch der Pharaonen die Blödmänner später
getroffen und schwer bestraft! Nach
einer Stunde habe ich alles gesehen, jetzt sind auch schon deutlich mehr
Leute da, auch viele Deutsche. Ich treffe mich daher lieber mit Mahmoud
und ein paar anderen Reiseleitern zu einem Tee im Garten des Restaurants
am Eingang, ich kenne ja jetzt schon ein paar von ihnen, sie sprechen
alle gut Deutsch. Mahmoud ist wie schon vorher Mohamed überall bekannt
und wird oft erkannt und angesprochen. Ich
höre, daß auch der eigentliche Ort Abu Simbel neu gebaut worden ist.
Hier gibt es so gut wie keine Landwirtschaft, alle Menschen leben fast
ausschließlich vom Tourismus. Mit den schlimmen aktuellen Folgen. Einer
deutschen Frau (von meinem Schiff) bricht der Sessel aus Altersschwäche
unter dem, ähm, Hintern zusammen. Ganze dreizehn Busse zähle ich auf
dem Parkplatz. Früher sollen es dreihundert gewesen sein… Zwei
Konvois gibt es hierher, einer frühmorgens und einer mittags. Pünktlich
um kurz nach halbzehn machen wir uns auf den Rückweg. Die Wüste
leuchtet jetzt von gelb bis dunkelbraun, in allen Schattierungen. So gut
wie kein Verkehr begegnet uns. Eigentlich ist das hier eine filmreife Wüstenlandschaft,
schön zum Durchfahren. Eine
Straße zweigt links in den Sudan ab, das Land ist offenbar nicht mehr
so weit entfernt, die Lkw-Kolonne mit Raupen und Baggern von heute
Morgen ist dorthin verschwunden. Wenn
uns ein Auto entgegenkommt, wird von beiden links geblinkt und Lichthupe
betätigt. Rechts wird geblinkt, wenn der Hintermann wegen irgendetwas
langsamer fahren soll. Wir
sind wieder das zweite Fahrzeug hinter dem führenden Bus, der nicht überholt
werden darf, der Polizist sitzt drin. Rechts
sehe ich weit hinten mehrmals eine Fata Morgana. Ein großer kühler See
mit zwei Inseln und Häusern. Heiß ist es draußen. Später geht es
rechts zu einer Reihe (tatsächlicher) Tempel ab. Eigentlich
ist es eine Todesfahrt. Ein Abstand zum Vordermann, oder auch zum
Hintermann, ist oft nicht mehr vorhanden. Es wird eng. Sehr eng! Oft
weniger als ein Meter! Oft seitlich versetzt. Und das bei 160 km/h.
So würde ich zuhause auch
gerne mal fahren. Rami schimpft schonmal, dabei fährt er ganz besonders
unverschämt. Frech kann man dazu schon nicht mehr sagen. Aber alles
geht gut. Um 13:25 Uhr sind wir zurück am Schiff, wieder exakt
drei Stunden Fahrtzeit. Gute
Nachricht: Ich habe tatsächlich ein neues Zimmer im obersten Deck mit
breitem Doppelbett und Zweier-Couch bekommen.
Im Übrigen ist das neue Zimmer identisch mit dem alten. Mein Gepäck
ist auch schon da. Schlechte Nachricht: Mindestens zwei Schiffe
versperren mir den Ausblick auf den Nil, hoffentlich bleibt das jetzt
nicht so.
Hier
habe ich auf wundersame Weise viel mehr TV‑Programme, aber die
beiden guten mit amerikanischen Spielfilmen von vorher leider nicht
mehr. Erst mal wieder alles mit Sagrotan desinfizieren. Mal sehen, wie
es mir nach diesem Umzug ergeht. Leider läßt sich das Fenster nicht
mehr aufschieben. Es ist verriegelt. Sogar der Verschlußstopfen im
Waschbecken kann mit Hilfe eines Hebels verstellt werden. Selbstverständliche
Dinge können hier durchaus einmal Luxus bedeuten…
Nach
dem Mittagessen sitze ich wieder auf dem Sonnendeck und genieße etwas
Ruhe bei meinem ägyptischen Tee im Glas. Heute
Nachmittag sollen sechzig Inder und Koreaner an Bord kommen. Für die
ist das Schiff ja noch gut zu gebrauchen. Die nehmen alles. Und die
vielen Holländer auch. Drüben
auf der Promenade hupen ununterbrochen Autos. Dazu die Sammeltaxis, die
laut nach Mitfahrern rufen und hupen. Im trüben Wasser sehe ich zwei
alte defekte Neonröhren schwimmen, jemand muß sie aus einem der großen
Schiffe ins Wasser geworfen haben. Ein paar Ratten suchen am Ufer nach Eßbarem. Unter
einer Galabia trägt man übrigens immer eine (lange!) Hose, schließlich
sind Araber ja keine Schotten. Eine ordentliche Galabia muß nach Maß
geschneidert werden. Fertige sind nur für Touristen. Heute
ist es noch dunstiger als gestern. Gut, daß wir die große Bootstour
zum Nubischen Dorf am Vortag gemacht haben. Aber heute Nachmittag gibt
es ja noch die Panoramafahrt. Hier
sind die Autos nicht ganz so schmutzig wie in Kairo. Viele alte und
uralte Autos fahren herum, vor allem Peugeot und jetzt schon seltener
alte Fiats. Deutsche Autos gibt es hier unten fast gar nicht; ich habe
nur zwei alte kleine Mercedesse gesehen. Jetzt sind Japaner und Koreaner
aktuell, Toyota, Nissan, Kia, selten Mitsubishis und ein paar Infinitis. Um
16:20 Uhr fahren wir mit Rami in dessen Kia zur koptischen Kirche.
Mahmoud
erzählt mir einiges über Kopten, Maria, Juden, Kopftücher, was man
hier auch nachlesen kann: Wir
kommen auch am Haupteingang des ehrwürdigen Old Cataract Hotel vorbei.
Gestern konnte ich es schon vom Wasser aus beäugen. Reichlich
viele neue Hotels sind im Bau. Wer soll in ihnen absteigen? Die
Tourismusindustrie liegt am Boden. Weiter
geht es zu einem kleinen Café mit wunderschönem Panorama. Ich sehe die
ganze Strecke, die wir gestern mit dem Boot gefahren sind. Hier warten
wir zusammen mit vielen anderen Leuten auf den Sonnenuntergang. Mahmoud
schwatzt derweil mit seinen Kollegen. Viele Ossis sind da. Aber die sind
ja überall. Es gibt Tee im Glas, Kuchen und Salzstangen. Mahmoud lädt
mich ein. Kinder
singen auch hier den Leuten ihre Lieder vor, um etwas Geld zu erbetteln. Im
Dunkeln fahren wir zu einer großen Moschee, wo mir Mahmoud vieles über
den Koran und den Islam erzählt, vor allem, welch eine friedliche
Religion der Islam ist. Auch über die fünf Säulen des Islam, über
den Dschihad, über Goethes West-östlichen Diwan und über die von den
Persern mitgebrachte Burka. Wer möchte, kann vieles dazu im Internet
erfahren. Mahmoud nutzt die Gelegenheit zu einem kurzen Gebet. Fünfunddreißig
Prozent Analphabeten gibt es in Ägypten. Da kann man verstehen, daß Haßprediger
in den Moscheen den Menschen reichlich viele falsche Sachen aus dem
Koran erzählen können. Hier
erlebt man ununterbrochen Situationen im Verkehr, die bei uns undenkbar
wären. Aber das hält uns nicht davon ab, den Souk und den Gewürzmarkt
zu besuchen. Übrigens hier noch ein Tipp: Willst Du etwas schneller
vorankommen, dann bau Dir eine Polizeisirene in Dein Auto ein.
Dann
noch kurz einen Schlenker am Bahnhof vorbei, bevor Rami uns beide am
Schiff absetzt. Er wird herzlich verabschiedet. Unser
Schiff hat sich mal wieder umgesetzt, eins ist weg und wir liegen jetzt
außen, ich kann jetzt wieder auf den Fluß raus sehen. Mein Fenster
geht rüber zum beleuchteten Hügel mit den Gräbern. Hoffentlich bleibt
das so. Im
arabischen Fernsehen sieht man echt die unfähigsten Nachrichten, total
unprofessionell, geradezu dilettantisch, auch wenn ich sie nicht
verstehen kann. Beim
Abendessen sitzen noch zwei Holländer mehr am Tisch, jetzt sind es also
schon vier gegen einen Deutschen. Die Engländer haben uns verlassen und
wir können jetzt Deutsch reden. Mahmoud
ruft mich später im Zimmer an, die Direktion will das Fenster erst
morgen aufschließen lassen. Das akzeptiere ich nicht. Er will sich
weiter darum kümmern. Ich
höre, daß wir heute Nacht um 0:00 Uhr ablegen werden. Also wird schon
wieder dasselbe Stück Nil für mich unsichtbar bleiben. Warum machen
die das? Ich habe doch eine Nilfahrt gebucht und möchte den Nil sehen.
Schade. Aber nichts ist vollkommen. Du kannst nicht immer alles bekommen. You can‘t get
always what you want.
Das
leidige Fensterproblem ist immer noch nicht gelöst. Die Fenster müssen
auf dem Schiff aus schwer nachvollziehbaren Gründen meistens verriegelt
sein. (Warum war mein Fenster bisher unverriegelt?) Ich brauche aber
unbedingt ein zu öffnendes Fenster. 22:05
Uhr. Eins unserer Schwesterschiffe, die MS Royal Ruby legt auf
meiner Seite an, obwohl wir in zwei Stunden ablegen. Später noch eins.
Dahinter verbirgt sich ein System, das sich mir noch nicht erschlossen
hat oder für mich schwer nachzuvollziehen ist, denn alle riesigen
Nilschiffe werden ständig umgesetzt. Bezeichnend:
Ein fünfköpfiges ägyptisches Fernsehteam interviewt spätabends eine
kleine englischsprachige Reisegruppe. Der Kameramann telefoniert während
der Aufnahme mit seinem Handy. Um
0:15 Uhr legen wir ab. Irgendetwas vibriert und nervt im Zwischenraum
über meiner Zimmerdecke. Mein Fenster wird erst nach zwei
weiteren Anrufen aufgeschlossen. Der Ober-Steward kommt mit einem großen
Schlüsselring, an dem bestimmt weit über fünfzig Schlüssel hängen
und sucht langwierig den passenden aus. Für zehn Pfund bleibt es jetzt
inoffiziell aufgeschlossen. Endlich sind meine wichtigsten Wünsche erfüllt. Dienstag,
7. Februar 2012, Nil Als
ich morgens aufwache, haben wir erneut am Ufer in Kom Ombo
festgemacht. Angenehm ist es heute früh. Wunderbar kühle Morgenluft
strömt zu mir herein. Im Hintergrund sehe ich ein kleines Motorboot
fahren; es ist eine Fähre. Dazu die herrliche Aussicht auf den Fluß.
Einfach wunderschön. Da wird man gerne um sieben wach. Zum ersten Mal
steht nichts auf dem Programm, zum ersten Mal kann ich aufstehen, wann
ich will.
Ich
bleibe noch etwas liegen und genieße den Morgen. Bis sich uns ein
weiteres Nilschiff, die MS Minerva nähert. Es wird doch wohl nicht
neben uns anlegen und mir den Ausblick versperren wollen? Doch ich habe
Glück, es macht dann weiter vorne am Ufer fest.
Das
erste wirklich geruhsame Frühstück. Immer noch sehr viel Dunst. Auf
dem Sonnendeck haben die Schiffsleute das große Sonnensegel (mindestens
300 qm) aufs Deck runtergelassen, wegen des Windes, wie man mir
sagt. Aber nur auf unserem Schiff. Starker heftiger Wind aus dem Norden
bläst uns entgegen, als wir gegen 10:00 Uhr ablegen, von hinten wäre
er viel günstiger. Die Sonnenschirme und alles was umgeweht werden
kann, alles ist umgelegt, oben kann man nicht mehr sitzen, längst ist
es hier viel zu ungemütlich geworden, deshalb sitze ich in der
Lounge/Bar.
Die
Leute sitzen hier in der Bar und spielen Spiele, Gesellschaftsspiele und
Ratespiele, lösen ihre Sudokus (oder heißt es Sudoka?) und quatschen
über ihre früheren Reisen in der ganzen Welt. Ein paar ganz Harte
wollen sich nicht damit abfinden und harren oben aus, geben aber nach
und nach wieder auf. Wie avisiert, gibt es jetzt viele Asiaten und ein
paar Inder oder Pakistani, aber auch ein paar neue Holländer mehr an
Bord. Viele sind wohl auch in ihren Kabinen. Der
Kontrast ist scharf, auf dem einen Ufer nur gelbgraue Felsen, Wüste, drüben
staubige Palmen, grasende magere Rinder, Landwirtschaft. Die
kleineren Schiffe haben unterdessen lieber an Land festgemacht. Ich
spiele Titanic vorne und lasse mein Hemd im heftigen Nordwind wehen. Man
kann kaum noch das andere Ufer erkennen. Ich fürchte, den heutigen Tag
kann ich abhaken. Aber ich
wollte heute ja sowieso relaxen.
Schade,
es könnte ein schönes Land sein, wenn die Leute nur nicht ihren Müll
und Abfall nicht immer direkt vor ihrer Beiwohnung wegwürfen. 12:20
Uhr, wir kommen in Edfu an. Gekonntes Anlegemanöver der Seeleute.
Achtzig, neunzig Kutschen mit geduldigen kleinen Pferden stehen in
langer Reihe auf der Promenade und warten traurig auf Kundschaft.
Ruckzuck und flink wie die Wiesel sind dreißig Kutschen an unserer
Anlegestelle. Alle neuangekommenen Asiaten (alle mit obligatorischem Cap
oder Hütchen und oft mit Mundschutz) und zwei holländische Pärchen
strömen heraus und werden losgefahren. Die übrig gebliebenen Kutschen
verschwinden so schnell, als wären sie gar nicht dagewesen.
Alle
andern müssen an Bord bleiben. Mittagessen deshalb eine halbe Stunde später,
um 13:30 Uhr. Übrigens, die Asiaten sind Koreaner. Wie
befürchtet, das Wetter ändert sich nicht mehr, es bleibt dunstig,
windig und kalt. Deshalb bleibt unser Schiff erst mal noch in Edfu
liegen. Zu geringe Sichtweite für eine Fahrt den Fluß hinunter. Kleine
Grüppchen dürfen jetzt Brücke und Maschinenraum besichtigen. Teatime
ist heute um 16:00 Uhr. Die Reiseleiter wohnen übrigens im untersten
Deck in Vier-Bett-Zimmern. Wir
liegen reichlich lang in Edfu. Der Nachmittag vergeht und wir liegen
immer noch wegen des schlechten Wetters fest. Wir werden also wieder im
Dunkeln weiter nach Luxor fahren. Ohne Radar und Echolot dürfte es überhaupt
etwas schwierig sein, im Nebel zu navigieren. Richtig kalt und ungemütlich
ist es draußen, ich habe mir zum ersten Mal seit ich auf dem Schiff
bin, einen Pullover übergezogen. Sogar der Ratte unten am Wasser ist es
heute zu kalt und sie bleibt lieber in ihrem gemütlichen Loch am Ufer.
Ich bedauere die Leute, die gestern an Bord kamen und das Schiff morgen
oder übermorgen schon wieder verlassen. Sie werden den Nil in keiner
guten Erinnerung behalten. Eigentlich in gar keiner, sie haben ihn ja
gar nicht gesehen. 17:35
Uhr. Es wird langsam dunkel. Nach und nach fangen mindestens fünf
verschiedene Muezzins mit ihren Gesängen an. Vor meinem Fenster fahren
Jugendliche auf ihren alten Mopeds die Straße so schnell wie möglich
auf und ab. Einer schafft ein paar Wheelies. Die Straßenlaternen werfen
Dreiecke aus orangenem Licht nach unten auf die staubige Straße. Alle
Kutschen sind verschwunden, die Pferde ruhen sich vom Herumstehen aus.
Schade für die Fahrer der Kutschen, wieder ein Tag, an dem sie kaum
etwas für ihren Lebensunterhalt und für den ihrer Familien verdienen
konnten. Entsprechend mager wird das Futter für die armen Pferde
ausfallen. Die
monotonen Gesänge der vereinigten Muezzins ebben nach zehn Minuten nach
und nach ab, einer nach dem andern schaltet seine Lautsprecher ab. Nur
einer will gar nicht aufhören. Eine verspätete Kutsche kommt noch
vorbei, hell klingen die flinken eisenbeschlagenen Hufe auf dem harten
staubigen Asphalt. Die Ratte hat sich bestimmt schon eingekuschelt. So
wie ich auf meinem Bett. Zumindest ich könnte spätestens jetzt eine
Heizung in meinem kalten Zimmer gebrauchen. In meiner Not habe ich mich
endlich aufs Bett gelegt und mich mit meiner immer mitgenommenen
Kuscheldecke zugedeckt. Zuhause in Deutschland und Europa tobt der lang
"vermisste" Winter mit reichlich Schnee. Werden
wir Luxor überhaupt auf dem Wasserweg erreichen? Niemand weiß es, ich
bin ebenso gespannt wie relaxt. Irgendwie wird es schon weitergehen.
Hier gibt’s auch keinen Informationsfluss. Mahmoud hat sich zurückgezogen.
Ob er schmollt? 18:50
Uhr. Schon wieder der Chor der vereinigten Muezzins. Wahnsinn. Ich
glaube, eine Herde Schafe singt, äh, blökt melodischer. Wer in der
unmittelbaren Nähe einer Moschee wohnt, wohnen muss, benötigt starke
Nerven. Oder Ohrenschützer. Zwanzig Minuten später "singen"
sie übrigens schon wieder. Da möchte ich nicht auf dringenden Schlaf
angewiesen oder krank sein. Der Islam ist für Andersgläubige wirklich
nur schwer zu verstehen. Unsere
Abfahrt nach Luxor wird wegen des ungünstigen Wetters um Stunde für
Stunde verschoben. Kein Schiff darf zur Zeit fahren. Schließlich hat
keins der Schiffe Radar oder irgendetwas Vergleichbares. Jeder Kapitän
fährt ausschließlich nach Sicht und nur aufgrund seiner persönlichen
Erfahrung. (Beim Fliegen mit kleinen Flugzeugen sagt man VFR –
„Visible Flight Rules“ dazu.) Diese Kapitäne verfügen über ein
schier unglaubliches Wissen und kennen jede der unzähligen Sandbänke
und Untiefen. Wie schon auf der Hinfahrt müssen der Kapitän und sein
Kollege ständig hin und her steuern, um in der Fahrrinne zu bleiben.
Erschwert wird der Kurs durch entgegenkommende und zu überholende bzw.
uns überholende Schiffe, nachts alle natürlich wie auch auf der Straße
unzulänglich beleuchtet. Draußen
ist es sauschweinekalt, wahrscheinlich herrschen hier im Moment ähnliche
Temperaturen wie zu Hause. Gestern noch 45 Grad, jetzt geht es auf
die null zu. Mahmoud hat nicht geschmollt, er hat mich nur allein lassen
wollen. Um
21:10 Uhr endlich die erlösende Nachricht, wir legen ab. So kann ich
beruhigt zu Bett gehen. Mittwoch,
8. Februar 2012, Luxor Heute
ist Ausruhtag, trotzdem wache ich schon um sieben auf, weil über mir
wieder das Sonnensegel lautstark hochgesetzt wird. Gegen 1:00 Uhr
in der Nacht waren wir an der Schleuse in Esna und gegen 5:00 Uhr
in Luxor angekommen. Wir sind das fünfte Schiff und ich sehe auf den
Fluß hinaus. Damit habe ich unglaubliches Glück gehabt. Nach
dem Frühstück wird es mir dann aber doch etwas langweilig und ich
beschließe, noch irgendetwas zu unternehmen. Mahmoud hat auch gleich
einen hervorragenden Vorschlag: Ein Ritt auf dem Esel, nein, nicht auf
der Kanonenkugel, aber fast. Und nicht viel weniger gefährlich. Er
warnt mich jedenfalls schon mal und bittet mich, aufzupassen. Wir fahren
gegen neun Uhr mit dem Taxi und Yussuf als Fahrer los. Langer
Rede kurzer Sinn, eine dreiviertel Stunde später sind wir an den
Memnon-Kolossen vorbei am vereinbarten Treffpunkt auf der anderen
Nilseite. Gelbe staubige Mimosenbäumchen wachsen entlang des
Kanals. Und Schilf. Hier in der Gegend gibt es keine Ladas wie in Kairo. Adham
wartet schon auf uns, nein, auf mich. Der Esel ist weiblich und heißt
Sisi. Kein Sattel, keine Steigbügel, einfach nur eine zusammengefaltete
Wolldecke und ein Paar Zügel. Es geht sofort steil den Berg hinauf. Der
arme kleine Esel tut mir leid. An den besonders steilen Stellen steige
ich lieber ab und laufe zusammen mit Adham nebenher. War offenbar eine
blöde Idee, auf einem so kleinen Esel herumreiten zu wollen. Kinder ja,
aber ein erwachsener dicker schwerer Mann? Ich tröste mich damit, daß
Adham und seine Familie (und der Esel) von Leuten wie mir leben. An
einer Stelle geht es zwei Meter fast senkrecht hinauf, da müssen wir
alle etwas klettern.
Inzwischen
ist der senkrechte Abgrund wenige Meter neben mir schon reichlich tief,
ein paar hundert Meter dürften es sein. Dafür ist die Aussicht nach
Osten hinüber wunderschön. Unter mir sind das Tal der Königinnen, der
Tempel der Hadschepsut und der Habu-Tempel ganz deutlich zu erkennen.
Wenn ich mich nur nicht so sehr darauf konzentrieren müßte, nicht vom
Esel zu purzeln. Längst ist es wieder heiß, aber auch immer noch
dunstig. Ich
bin ja meistens nicht sehr ängstlich, eigentlich auch schwindelfrei,
hier wird es mir aber doch manchmal etwas mulmig, vor allem, wenn der
Esel auf den losen Steinen etwas stolpert. Doch
alles geht gut, niemand von uns dreien stürzt ab. Oberhalb
des Tals der Könige ist Schluß. Adham und Sisi müssen umdrehen und
den gleichen Weg zurück nach Hause. Ich muß den steilen Hang alleine
runter und komme von hinten ins Tal der Könige. Yussuf hat mir vorhin
im Taxi dringend ans Herz gelegt, die Kamera unter meiner Jacke so gut
wie möglich zu verbergen; Fotoapparate sind hier wirklich sehr streng
verboten. Mahmoud hat auch extra nochmal übers Handy angerufen und mich
gewarnt. Yussuf
und Mahmoud warten wie versprochen am Eingang und fahren mich jetzt zum
Tal der Königinnen. Hier war ich noch nie. Ein paar Gräber gibt es zu
besichtigen. Hier in diesen Höhlen wurden „nur“ Königinnen und
Prinzessinnen beerdigt. Die Malereien in den Gräbern sind hier nicht
ganz so prächtig wie drüben bei den Königen. Alles ist (und war) ein
bißchen schlichter. Fotos
in den Gräbern sind zwar verboten, aber für ein paar Pfund und ein
paar Kugelschreiber sehen die Wächter schonmal kurz weg.
Die
Fahrt geht weiter zum Habu-Tempel. Ihn habe ich auch noch nicht gesehen.
Auch hier ist wieder alles sehr beeindruckend. Auch hier war früher alles vergoldet und
bemalt.
Geniale
Geschäftsidee: Man stellt als Wächter einfach ein Gitter in einen
Durchgang und kann zusätzlichen Eintritt für die Räume dahinter
verlangen. Ein zweiter Verdienst. Ich bekomme eine Privatführung und
verteile meine letzten kleinen Geldscheine und die allerletzten
Kugelschreiber. Dabei weiß ich noch nicht einmal, ob es wirklich Wächter
oder nur ein paar normale Leute von draußen sind. Schlimm,
trotz all der Armut hängen mindestens zwei von drei Ägyptern am Handy.
Wirklich
jede Steckdose, die ich sehe, egal ob an Land oder auf dem Schiff, ist
mit einem Handyladegerät besetzt. Tagsüber
ist es wieder heiß wie immer. Zuckerrohr wächst sechs Monate und wird
sechs Monate geerntet. An
einer Tankstelle herrscht heftiger Betrieb und ein ewiglanger Rückstau
hat sich gebildet, weil ein Tankwagen gerade Treibstoff liefert. Eine
neue Straße durch die Wüste wird nach Marsalam ans Rote Meer gebaut.
Hunderte Kilometer. Um
13:00 Uhr setzt uns Yussuf am Schiff ab; wie von mir gewünscht, sind
wir pünktlich zum Mittagessen zurück.
Leider
ist außen noch ein Schiff dazugekommen, jetzt sind es sechs. Es
ist ein großes Problem, daß die Leute dann nicht mehr rausgucken und
nur noch gegen die Bordwand des nächsten Schiffes sehen können. Oder
ihre dicken Vorhänge deshalb zuziehen müssen. Manche haben sich früher
schonmal bei Mahmoud deshalb beschwert, weil sie sich wie in einer Gefängniszelle
vorkamen. Aber er konnte ja auch nichts daran ändern. Doch ich hatte
fast immer Glück, jetzt auch wieder, das fremde Schiff auf meiner Seite
hat ausnahmsweise nur zwei Etagen; ich bin in der dritten und kann ganz
normal mein Fenster aufmachen und drüber hinwegsehen. Ich habe
unglaubliches Glück in dieser Beziehung gehabt und nur zwei, dreimal
kurz ein Schiff vor meinem Fenster gehabt. Ich möchte mir nicht
vorstellen, hier immer in einer dunklen Höhle leben zu müssen. Das Glück
ist halt dem Tüchtigen hold. Heißt es nicht so? Die Schiffe liegen
knirsch aneinander, damit nichts passieren kann. Im Übrigen zieht die
MS Nile Empress um 14:15 Uhr schon wieder Leine - bzw. legt
ab. Nach
dem Essen sitze ich auf dem Sonnendeck, trinke ägyptischen Tee und
rauche meine Zigarre. Die
Ober sind inzwischen ganz scharf auf die Tubos (Aluminium-Rohre) meiner
Zigarren. Ganz
schön anstrengend für das Schiffspersonal: Die schweren Koffer der
Passagiere müssen ständig mühselig durch bis zu vier weitere Schiffe
hin- und hergeschleppt werden. Unser
Schiff ist sehr hellhörig. Ich weiß immer, was auf dem Flur passiert
und sehe oft nach, ob meine Tür vielleicht noch offensteht. Und über
das mehr oder weniger private Geschehen in den umliegenden Zimmern
bestehen eigentlich auch selten Zweifel… Um
16:30 Uhr holt uns ein neuer Mohammed zu einer Kutschfahrt durch die
Stadt ab. Zunächst traben wir durch ein paar "normale"
asphaltierte Straßen und dann durch enge, sehr enge staubige Lehm-Gässchen,
auf denen eigentlich kein Durchkommen ist. Die Leute schieben mehr oder
weniger bereitwillig ihre Karren zur Seite. Viele Händler sind in die
Stadt gekommen und bieten hier alles an. Obst, Gemüse, lebende Hühner,
andere Tiere, tot oder lebendig, Klamotten, Koffer, Spielzeug und vieles
mehr. Ich sitze natürlich wieder vorne auf dem Bock und halte oft die Zügel
in der Hand. Zwischendurch lasse ich kurz anhalten und versuche, eine
Jeans zu kaufen, geht aber nicht. Unser Rückweg führt an der neu
ausgegrabenen drei Kilometer langen Sphinxenallee entlang.
Zum
Abschluß lädt mich Mahmoud noch, ganz in der Nähe des Schiffes, zu
einer Falafel mit Tee und zu einer Wasserpfeife ein. Wenn mir jetzt zum
Schluß noch etwas Magendarmmäßiges passieren sollte, werde ich es
verkraften können. Schlimmer ist so etwas während einer Reise, aber
heute ist letzter Tag. Außerdem bin ich ja sowieso unverwundbar,
mindestens aber unempfindlich und hatte noch nie ägyptischen Durchfall
bekommen, über den inzwischen doch immer mehr Reisende klagen. Im
letzten Moment verläßt mich mein Glück dann doch noch ein bißchen
und zeigt mir, daß ich leider doch nicht ganz unverwundbar bin: Beim
Aussteigen aus der Kutsche ziehe ich mir einen saftig-langen Kratzer ins
Schienbein, weil ich oben am Handgriff mit meiner Weste etwas hängen
bleibe. Aber der Jacke passiert wenigstens nichts. Und Fleisch heilt
wieder… Und
dann legt doch tatsächlich noch ein Schiff neben uns an und versperrt
mir meine persönliche Aussicht auf den Fluß. Endgültig! Aber jetzt
ist es mir egal. Ich
sage Mahmoud herzlichen Dank. Wir verabschieden uns schon mal herzlich
voneinander, seine Arbeit ist spätestens jetzt und hier beendet. Er war
einfach perfekt, ich war sehr zufrieden mit ihm. Er wohnt hier in Luxor
und ist in ein paar Minuten zurück bei seiner Familie. Leider hat er
noch keinen neuen Auftrag bekommen… Donnerstag,
9. Februar 2012, Heimflug Mein
Weckruf soll um 4:40 Uhr sein, kommt aber natürlich wie immer viel zu
spät. Das blöde Schiff von gestern Abend liegt immer noch neben uns.
Meine Abholung um 5:20 Uhr klappt dafür perfekt. Wir starten um
7:05 Uhr in einer B 737‑800 nach Kairo. Ich sitze am
Notausgang und habe endlos viel Platz nach vorne. Zu
unser aller Erbauung werden nach dem Start über die Monitore erst mal
Koranverse verlesen, dann folgt eine langwierige arabische Einweisung in
die Sicherheitseinrichtungen und eine Erklärung der Notfallregularien.
Economy ist wieder voll bis auf den letzten Platz. Wir
landen eine Stunde später um 8:10 Uhr in Kairo, wieder auf demselben Außenplatz.
Knappe zwei Stunden Wartezeit sind rasch überstanden. Unser
Airbus A330/200 der Egypt Air startet pünktlich um 10:45 Uhr.
Unglaublich, wieviel Leute hier reinpassen, endlich mal wieder ein
modernes, neues sauberes Flugzeug. Beide Piloten haben die übliche
Uniform an – nicht wie auf dem Schiff. Ich habe schon wieder Glück,
der Platz neben mir bleibt als einer von ganz wenigen frei, auch dieses
Flugzeug ist fast voll besetzt. Dazu sitze ich in der zweiten Reihe. Ich
sage ja, ich bin ein Glückskind. Meistens.
Wieder
ertönen schrecklich lange Koransprüche und die langwierigen
Sicherheitserklärungen. Dazu erneut die Notfallhinweise auf Arabisch
als Sahnehäubchen. Von
hier oben erkennt man leider sehr deutlich, wie verstaubt das riesige Häusermeer
da unten ist. In Kairo möchte ich nicht leben müssen. Ein
ausgedehntes Kanalsystem sorgt für die Bewässerung des Nildeltas. Alexandria
und die Mittelmeerküste liegen im Dunst. Dann
wird es sofort wolkig und wir haben bis nach Hause eine geschlossene
Schnee-, ähm, Wolkendecke. Wir
landen um 15:15 Uhr in Frankfurt, das letzte Stück fahre ich wieder mit
dem Zug. Meine
Heimat hat sich verändert, seit ich sie kürzlich verlassen habe; sie
ist abweisend und kalt geworden. Puderzuckerähnlicher Schnee liegt über
der Landschaft verstreut, eine heftige Kältewelle hat das Wasser im
Rhein an den Ufern teilweise zu Eis gefrieren lassen. Der
hiesige Sonnenuntergang ist röter als alle vorher in Ägypten.
Elf
Stunden war ich heute unterwegs, die Hälfte in der Luft, die andere
habe ich mit Warten und Bahnfahrt verbracht. Alles
OK, nichts Schlimmes passiert, nur mein neues (schönes, neun Euro
teures) Halstuch habe ich auf dem Hinflug im Flugzeug liegen gelassen,
sonst nichts verloren, vor allem nichts Wichtiges. Und kein Durchfall,
ist ja immer ein großes Risiko hier in diesen Ländern.
(Durchfall-Medikamente übrigens besser im Zielland besorgen, nicht von
zu Hause mitnehmen.) Ich
habe fast vier Kilogramm abgenommen. (Jetzt ist mein BMI wieder
innerhalb des erlaubten Werts meiner Altersklasse. Ist doch auch ein
Erfolg…) Wer
sich mehr wirkliche Informationen über Ägyptens Altertümer wünscht,
dem empfehle ich, neben unzähligen anderen, speziell diesen besonders
interessanten und witzigen Reisebericht von Frau Anja
Trinler: Ägypten
- Land - Kultur - Geschichte: Reiseverlauf Hier
erfährt man viel mehr Details als in meinem Reisebericht. Und
wer es noch etwas genauer wünscht, dem empfehle ich auch noch diese
Internet-Seite von Frau Margret „Nefer“ Pirzer mit einer schier
unglaublichen Fülle an Informationen und Details über die ägyptischen
Altertümer: Hauptsitemap
(www.nefershapiland.de) Am linken Seitenrand kann man jede Menge Seiten
anklicken und weiß danach alles über das alte Ägypten. Mein
Fazit dieser Reise: Insgesamt
wieder eine meiner schönsten Reisen mit gleichermaßen unfaßbaren wie
gewaltigen Eindrücken und großartigen Erfahrungen. Kairo, Alexandria,
die Pyramiden von Gizeh am Anfang, die Tempelanlagen von Luxor, Edfu,
Kom Ombo, Philae, und natürlich, als krönenden Abschluß, Abu Simbel.
Dazu die vielen anderen "kleinen" Highlights. Also, ich war
und bin immer noch total begeistert. Auch wieder eine Reise, die ich
jederzeit, allerdings auf einem kleinen Schiff, mit Freude wiederholen würde. Meine
beiden Privat-Reiseführer haben sich ständig bemüht, meine manchmal
ihnen wahrscheinlich etwas fremdartig vorkommenden Wünsche so gut wie möglich
zu erfüllen. Und ich habe ein paar neue Freunde gefunden. Das
Wetter war (bis auf Dienstag, vorletzter Tag) hervorragend, nie Regen,
nie zu kalt, nie zu heiß. Unser Winter dürfte die beste Reisezeit
sein. Und
wer hat schon jemals ein (kleines) Krokodil auf seinen Armen gehalten?
Ich
fürchte allerdings, daß das Krokodil mich nicht zu seinen neuen
Freunden zählt… Ich
bin froh, daß ich diese Reise gemacht habe. Hier
aber wie immer auch ein paar meiner kleinen Meckereien. Als Chronist
habe ich ja geradezu die Pflicht, sie den geneigten Leserinnen und
Lesern aufzuzeigen; wer sie nicht lesen will, sollte spätestens hier
mit dem Lesen aufhören: Ein
(zumindest renoviertes) ordentliches „de Luxe“-Schiff zu bestellen
und bestätigt zu bekommen und dann auf einem uralten vergammelten
rostigen Seelenverkäufer zu landen ist für mich, der ja bekanntermaßen
dem Komfort besonders zugetan ist, hart. Oberstes Deck zu bezahlen und
ein schlechteres Deck zugeteilt zubekommen, geht ja schon gar nicht.
Also, mit der Nile Ruby war ich wegen der unzähligen Unzulänglichkeiten
sehr unzufrieden. Und der Berliner Spezial-Veranstalter kann daraufhin
von mir auch nur ein „Ungenügend“ bekommen! Ersatz
für die nicht erbrachten Leistungen habe ich übrigens nicht bekommen.
Noch nicht einmal eine Entschuldigung. Man sollte halt doch eher bei großen
renommierten Veranstaltern buchen. Kleine sind zu klein und manchmal
nicht genügend seriös. Hier sieht man es mal wieder. Ich zumindest
werde daraus lernen. Und
dann die beiden Nachtfahrten auf dem Nil. Das ist ja wie Fernsehen ohne
Bild, wie ein Bier ohne Alkohol, wie ein Urlaub am Polarkreis, es ist möglich,
macht aber keinen Spaß. Mein Rat: Unbedingt ein kleines Schiff buchen!! Weiter
gibt es ein sehr hohes Risiko, neben einem anderen Schiff zu liegen und
deshalb nicht aus dem Fenster rausschauen zu können. Manchen Leuten mag
das nichts ausmachen. Für mich aber undenkbar. Alles noch
verschlimmernd: Das Fenster darf auf keinen Fall geöffnet werden! Ich
habe die Leute oft über die erhebliche Diskrepanz zwischen Prospekt und
Wirklichkeit meckern gehört. Einer meinte gar, unser Schiff sei eher
mit einer Fähre zu vergleichen, ein "Genießen der
vorbeigleitenden Landschaft" sei kaum möglich gewesen. Er hatte,
besonders in Bezug auf die Nil-Rückfahrt nach Luxor, nicht ganz
Unrecht, aber so hart würde ich es auch nicht ausdrücken. Und
dann, die schönsten Dinge neuerdings nicht mehr fotografieren zu dürfen!
Ägyptisches Museum, alle Gräber und alle Tempel innen. Überall
versuchten Wächter, aus den Fotografierverboten Gewinn (Geld) zu
ziehen. Das ist, wie im Paradies zu sein und nur die einfachen Sachen
essen dürfen. Das war für mich und für viele Mitreisende eine Höllenqual
und eigentlich auch das Negativste der Reise. Ich habe vor der Reise ein
paar Geheimkameras (im Kugelschreiber, Feuerzeug usw.) ausprobiert. Ist
aber leider auch keine wirklich geeignete Lösung, weil sie entweder gar
nicht funktionierten, nicht wirklich praktikabel waren oder eine zu
schlechte Auflösung hatten. Ägypten
hat noch einen weiten Weg bis zu einem modernen Tourismus vor sich. Und
zum Schluß noch ein Hinweis in eigener Sache: »Die Rechtschreibreform ist doch ganz in Ordnung. Dies
ist der Grund, warum auch ich mich standhaft weigere, die neue
Rechtschreibung anzuwenden und stattdessen viel lieber weiterhin mit der
bisherigen befreundet bleibe. © 2012 Wilfried R. Virmond - Nachdruck, auch
auszugsweise, grundsätzlich nur mit Genehmigung des Autors! Dies gilt
ganz besonders auch für sämtliche Fotos. |
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