Wir
sind dann mal weg …
… zum Indian Summer in Neuengland Unsere
Reise im Wohnmobil durch Massachusetts, New Hampshire, Maine, Vermont, New
York und Connecticut. Von
Wilfried R. Virmond Kursiver Text kann unbeachtet bleiben. Falls sich Links beim Draufklicken nicht sofort öffnen, „Strg“
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1. Tag Sonntag.
16. Oktober 2011 Ingrid
hat sich gewünscht, Nonstop nach Boston zu fliegen und das geht nicht
von Düsseldorf aus, also fliegen wir von Frankfurt am Main ab. Wir
wollen durch den vielgerühmten Indian Summer Neu-Englands (engl.: New
England) fahren, um „Fall Foliage“, die hier besonders
intensive Blattverfärbung zu sehen. „Hervorgerufen
wird diese Farbenpracht durch die kalten Nächte und relativ warmen und
sonnigen Tage. Viele Bäume produzieren aufgrund dieser
Temperaturschwankungen eine korkhaltige Substanz, die den Flüssigkeitsaustausch
zwischen Blättern und Ästen blockiert. Dadurch sinkt der
Chlorophyllgehalt der Blätter und der Zucker in den Blättern läßt
sie in den schönsten warmen Farben erblühen. Dabei tun sich Baumsorten
hervor, die bei uns in Europa schon lange ausgestorben sind: Z.B. die
Ahornarten Silver
Maple und Red Maple, die
Eichen Northern Red Oak und Scarlet Oak
sowie andere Baumarten wie Sweetgum,
Sassafras und Dogwoods“. Diesmal
passe ich auf und habe vorher zweimal den korrekten Abflugtag überprüft,
damit wir nicht am falschen Tag abfliegen wollen – und unser Flugzeug
schon längst weg ist. (Ist mir ja schließlich schon passiert…) Ist
ja klar, drei Tage vor Abflug ärgert mich die Lufthansa mit einem
Sonderpreis für unseren Flug: z.B. München – Boston für 399 Euro.
Ich sehe lieber gar nicht erst nach, wie viel mehr ich mal wieder für
unseren Flug in der Business-Class bezahlen mußte. Wir
haben der Einfachheit halber einen Leihwagen genommen, den wir am
Flughafen zurückgeben können. Die Sonne scheint und die Autobahn ist
frei, was will man mehr? Für die sonntagvormittäglichen
zweihundertsiebzehn Kilometer brauchen wir gutgelaunte anderthalb
Stunden. Die Bäume unterwegs im Westerwald sind bunt und rufen uns zu:
„Was wollt Ihr da drüben, warum bleibt ihr nicht hier? Wir sind
mindestens genauso schön bunt wie unsere Kollegen da drüben!“ Aber
das geht natürlich nicht, und außerdem ist es wahrscheinlich unverschämt
gelogen. Aber wir werden sehen... Zum Glück streikt gerade niemand, keine Luftlotsen,
kein Bodenpersonal, keine Flugzeug-Putzfrauen, niemand, sodaß wir
wahrscheinlich pünktlich starten können. Schade,
die Lufthansa-Lounge ist voll wie immer. Und was für Leute hier
herumlaufen! Haben die alle den teuren Business-Aufschlag bezahlt?
(Glaub‘ ich bei manchen nicht!) Oder sind sie Vielflieger und hatten
genug Meilen gesammelt? (Danach sehen sie auch nicht aus.) Oder
erhielten sie alle kostenlose Upgrades? (Wäre ungerecht, jedenfalls mir
gegenüber…) Dasselbe
frage ich mich später im Flieger. Ich bin ja nun nicht besonders
vornehm oder gar elegant, aber manche Typen, die sich hier herumdrücken,
sehen doch schon sehr, hmm, na sagen wir mal, merkwürdig aus. Eigentlich denke ich ja immer an eine mögliche
Flugzeugentführung, wenn ich an einem Gate stehe und mir die Leute so
ansehe, die mit mir aufs Einsteigen ins Flugzeug warten. Genug arabisch
aussende Leute sind stets dabei. Diesmal drehen sich meine Gedanken noch
mehr darum, 9/11 war schließlich vor genau zehn Jahren… Unser
Jumbo 747-400 ist pünktlich, wir starten um 13:20 Uhr. Toll, wir
sitzen auf der richtigen Seite und sehen bei klarem Wetter das
Ijsselmeer mit dem Houtribdijk mitten hindurch (und auf dem wir schon so
oft ans Meer gefahren sind) und den großen Afsluitdijk.
houtribdijk
- Google-Suche mit vielen Fotos (Ja,
ich weiß: Im Holländischen wird „IJ“ am Anfang eines Wortes immer
großgeschrieben, also eigentlich „IJsselmeer“, ich gehorche hier
aber (ausnahmsweise!) mal der Rechtschreibempfehlung meines PCs.) Später
sehen wir dann Nord-England und tatsächlich, endlich mal wieder, die Südspitze
von Grönland mit den wunderschönen bläulichweißen Gletschern und
vielfarbigen Felsen. gletscher
grönland - Google-Suche
mit vielen Fotos
Wir
landen bei herrlichem Sonnenschein nur zwei Stunden später nach unserem
Abflug (schön wäre es ja) nachmittags um drei Uhr Ortszeit in Boston,
Massachusetts. (Die Sonne flog neben uns her - tatsächliche
Flugzeit 7,45 Stunden). Wir beeilen uns etwas und sind deshalb auch
recht bald durch die von mir so „heißgeliebte“ Immigration-Control.
So ein vollbesetzter Jumbo
spuckt ganz schön viele Menschen aus. Jetzt sieht man sie mal alle im
„Laufpferch“ vor den Einreiseschaltern, denn wir sind das einzige
gerade gelandete Flugzeug. Ingrid
raucht schnell eine Zigarette und ich organisiere inzwischen ein Taxi für
unsere Fahrt ins Holiday Inn in Peabody. Den Fahrpreis kann ich von $ 45
auf $ 30 runterhandeln, einschließlich Tipp
(Trinkgeld). Dafür läßt mich der Taxidriver
unser Gepäck selbst
einladen, das ist aber OK, ein bißchen Sport soll ja der eigenen
Gesundheit recht förderlich sein. Am Ziel wird der bisher stumme Fahrer
plötzlich redselig und meckert etwas mit mir herum, daß er sich mit
dem Preis angeblich vertan hat und ein normales Taxi viel teurer gewesen
wäre und will auf einmal $ 60 für die zwanzigminütige Fahrt, (lt.
Google exakt siebzehn Meilen), aber ich bleibe natürlich bei dem
vereinbarten Betrag. Amerikanische
Taxifahrer sind ja in der Regel nicht sehr freundlich, vielleicht auch
nur mit Ausländern, vielleicht auch nur mit mir. Ich hatte nur einmal
einen ebenso hilfsbereiten wie freundlichen Fahrer, in Chicago, vor
vielen Jahren, da hat es mir direkt leid getan, irgendwann am Ziel
angekommen zu sein. Wir
fuhren gerade auf dem berühmten Highway 1, der hier an der Ostküste
von Key West im äußersten Süden wirklich rauf bis an die kanadische
Grenze führt. (Man beachte bitte: Es gibt noch seinen deutlich berühmteren
gleichnamigen Zwillingsbruder „Highway 1“ (und später dann
101) an der Westküste von San Diego rauf bis Seattle.) Witzig:
Angeblich sind hier im Hotel für uns zwei Zimmer für zwei Nächte von
zwei verschiedenen Auftraggebern bestellt, was uns aber gar nicht
interessiert, unser Voucher gilt, und da steht eine Nacht für zwei
Personen in einem Zimmer drauf, und das heutige Datum ist auch korrekt. Das
Personal in den Motels und Hotels ist oft auffallend hilflos. Ich staune
immer noch darüber. Jedes Mal. Wer weiß, welche Angaben der Typ da in
seinem Computer zu unserem Zimmer gefunden hat - und wie er sie
interpretiert hat. (Vor ein, zwei Jahren hat mich einer dieser Leute
tatsächlich gefragt, wie man „Germany“ schreibt…) Um
16:30 Uhr sind wir in unserem Zimmer, das zwar wie immer am Ende des
langen Ganges liegt, aber im Übrigen ganz OK ist, vielleicht ein bißchen
eng, wenn man vier Koffer dabei hat. Schade, das Fenster läßt sich mal
wieder nicht öffnen, es ist zugeschraubt. Und zugeklebt! Da nutzt mir
mein Werkzeug auch nichts. Na gut, eine Nacht müssen wir durchstehen.
Die schlechten Bewertungen für dieses Holiday Inn bestätigen sich,
aber wir mußten es nehmen, weil die Moturis-Leute ihre Kunden nur aus
diesem und einem weiteren Hotel abholen. Übrigens, es fällt mir gerade wieder ein, ich habe es irgendwo
bei der Vorbereitung gelesen und mir ausgeschnitten: Neuengland war bis in dieses Jahrhundert hinein das kulturelle
Zentrum der USA und deswegen auch Geburts- und Wohnstätte einiger der
größten amerikanischen Literaten.
Hier ein paar der Berühmtesten, die ich aber nicht alle kenne: Louisa
May Alcott (Kenne ich
nicht!) Harriet Beecher-Stowe Emily
Dickinson Ralph
Waldo Emerson Robert
Lee Froste Nathaniel
Hawthorne Herman
Melville Henry
David Thoreau (Kenne ich
auch nicht! Ja, bin blöd.) Mark
Twain Mark Twain wird
folgendes weit verbreitetes Sprichwort zugeschrieben: „If you don’t
like New England weather – wait a minute!“
Und er hat recht damit –
hier soll sich keine Schlechtwetterlage allzu lange halten. (Aber, hat
er das nicht in Wirklichkeit zum Wetter San Franciscos gesagt?) Mal
sehen, ob es stimmt… Bei
dieser Gelegenheit: Die Geschichte Massachusetts beginnt mit der Landung
der Mayflower in Plymouth im Jahre 1620. Ingrid
schreibt an dieser Stelle jetzt täglich ihren kurzen Kommentar dazu: Der
Flug war kurz und sehr bequem. Ich will immer wieder Business fliegen,
bin total ausgeruht. Wilf natürlich auch. Freue mich auf die kommenden
Tage. 2.
Tag Montag,
17. Oktober 2011 Die
erste Nacht war wie immer unruhig, man wird ständig wach. (Die meisten
USA‑Reisenden werden es mir bestätigen können.) Um halbsechs
stehen wir auf, denn ich glaube, mich zu erinnern, daß wir um 7:00 Uhr
abgeholt werden. Wenn unser Bett sprechen könnte, würde es
wahrscheinlich sagen „Leute, bleibt lieber bei mir, das wird heute
nicht Euer Tag...“ Ich
rufe mindestens zehnmal bei Moturis an und spreche dabei mehrmals aufs
Band, aber niemand ruft uns zurück, geschweige denn, daß ein Auto
kommt, um uns abzuholen. Deshalb frühstücken wir erst einmal im
Hotel-Café, immer mit einem Auge nach draußen. Um viertel nach zehn
dann endlich: Eine menschliche Stimme antwortet mir! Eine offenbar
lebendige Person nuschelt am anderen Ende etwas ins Telefon: Abholen
ginge jetzt nicht, wir sollen ein Taxi nehmen und uns zur Vermietung
bringen lassen. (Übrigens, der
Ordnung halber, Reisende werden, falls überhaupt, erst um 7:30 Uhr
abgeholt, da hatte ich mich um dreißig Minuten geirrt.) Das
Taxi hat keinen Taxameter, der schon wieder stumme Fahrer verlangt für
die zwanzig Minuten (erneut siebzehn Meilen) kurz und bündig „Fifty Dollar“, dazu bekommt er dann auch nur ein mageres
Tipp in Höhe von fünf Dollar. Dieser Fuhrlohn ist mir im Übrigen
egal, denn die fünfundfünfzig „Bucks“
will uns Moturis (heißt jetzt „Camping World RV Rental“)
bei der Rückgabe des Autos auf der Kreditkarte gutschreiben. Soviel
Bargeld habe man nicht im Haus. Erfreulicherweise ging die Taxi-Fahrt
weiter nach Norden auf Highway 1 durch ländliches Gebiet. Linda,
die Chefin, empfängt uns überfreundlich und erklärt uns mit vielen
Worten, daß das gemietete große Wohnmobil leider einen Schaden habe
und daß wir jetzt ein anderes Wohnmobil mit Alkoven („Class C“
Freedom Super Elite) bekämen, und das wäre sowieso viel besser. Damit
sind wir aber bestimmt nicht einverstanden, wir bestehen darauf, daß
wir ein Fahrzeug wie bestellt bekommen. Schließlich haben wir Luxus
bezahlt und wollen jetzt auch Luxus haben. Wir bekommen also das defekte
Fahrzeug, ein „Class A Double Elite“ mit 32,5 Feet (= zehn
Meter) Länge von Firma Thor Motor Coach, der V 10‑Motor (und
das Chassis) ist von Ford, mit ca. 44.000 Meilen auf der Uhr.
Der rechte Slide‑out ist beschädigt und kann nicht mehr
ausgefahren werden, deshalb ist er fest mit der Außenwand verschraubt
worden; das Getriebe darin ist kaputt, was aber nicht tragisch ist, der
linke funktioniert noch einwandfrei, sodaß wir trotzdem genug Platz im
„Wohnzimmer“ haben werden. (Einen „Slide-out“
fährt man elektrisch aus,
um den Platz im Innern bei Stillstand auf dem Campingplatz zu vergrößern.
Vor dem Abfahren sollte er besser eingefahren werden, sonst ist er
ab...)
Als
Ausgleich bekommen wir zwei neue Campingstühle, (die wir eigentlich
kaufen wollten, weil sie dann bequemer gewesen wären), Toaster,
Schaufel und Handfeger, einen Broom (= Besen), zusätzliche Bettwäsche, zwei weitere Kopfkissen und jede
Menge Kleinkram umsonst dazu, was sonst reichlich gekostet hätte. Außerdem
brauchen wir vor Rückgabe des Fahrzeugs nicht zu dumpen
(= die beiden Abwassertanks
zu leeren) und das Propangas muß auch nicht wie sonst üblich vor der
Abgabe aufgefüllt werden. Eigentlich müssen wir dann vor dem Abliefern
nur noch Saubermachen und Volltanken. Linda hat offenbar ein schlechtes
Gewissen. Ingrid hat sogar das deutliche Gefühl, sie hätte es übersehen,
daß wir heute ein Fahrzeug abholen, aber das ist ja gar nicht
vorstellbar. Die haben ganz sicher ein Computersystem, dem kein
Kundentermin entgeht. Linda
erklärt uns dann die Technik unseres Fahrzeugs, was aber gar nicht nötig
ist, denn diese ist dem Wohnmobil von 2008 in allem sehr ähnlich.
Minuspunkt:
Die beiden vorderen Sitzbezüge sind abgezogen und es würde jetzt zu
lange dauern, sie aufzuziehen, deshalb bekommen wir einfach zwei
Bettlaken lose über die unansehnlichen und total abgeschabten Sitze drübergehängt.
Außerdem, dicke häßliche Flecken auf den Polstern im Wohnzimmer!
Das
Fahrzeug muß noch etwas in Ordnung gebracht werden, deshalb leiht uns
Linda ihren Firmen-Van. Damit können wir schonmal bei „Market Basket“ das
Wichtigste einkaufen. Schade, daß man in den USA keinen Würfelzucker
kennt. Als
wir zurückkommen, ist das Auto fertig und wir können endlich
losfahren. Aber so richtig doch noch nicht, wir müssen erst noch zum Liquor‑Shop (Getränkeladen
für Alkohol), um die wichtigsten Alkoholika für unseren Lebenserhalt
zu besorgen. (Etwas Rotwein, Bier, Margaritas, Wodka, Martini...) Die
kosten dann über $ 60, mehr als die Hälfte vom Einkauf vorher, wo wir
für $ 103 einen Riesen-Einkaufswagen voll bekommen haben. -
Die
Alkoholgesetze sind in den US-Staaten, Counties und sogar Städten sehr
unterschiedlich. In Massachusetts und Rhode Island kann man Alkohol
relativ einfach kaufen. In Maine, Vermont und New Hampshire dagegen nur
in „Liquor Stores“. -
In
einigen Städten im Nordosten wird gar kein Alkohol verkauft. Man muß
ihn in der Umgebung besorgen und darf z.B. eine eigene Flasche Wein ins
Restaurant mitbringen. -
Alkoholika
sollten immer im Kofferraum untergebracht werden, möglichst nie im
Innern des Autos bei den Passagieren! Dies empfiehlt sich im Übrigen für
die gesamten USA. -
Mein
Rat: Wer ein Fahrzeug steuert, sollte in den USA am besten nichts
Alkoholisches trinken! Falls doch, vorher sehr explizit nach der
gesetzlichen Regelung erkundigen! Wir besteigen unseren Dampfer, schließen die Luken, lichten
den Anker und stechen in See. Unser Auto ist ja durchaus mit einem
Ozeandampfer vergleichbar: Ich bin natürlich Käpt‘n, Erster Offizier,
Navigator, LI (Leitender Ingenieur), Maschinist und Kadett in
Personalunion. Ingrid macht den Smutje und spielt ansonsten vor allem
die verwöhnten Erste Klasse-Passagiere. (Hoffentlich meckert sie nicht
ständig wie diese…) Fehlt nur noch, daß ich mit unserem
„Schiffshorn“ beim Ablegen laut hupe, aber das erspare ich den
Umstehenden. Unser TomTom-Navi ist der Radarschirm, der Kompaß ist im
Spiegel, unser Funkgerät sind die Handys und wir sitzen beide so hoch
wie im Kommandostand einer Brücke. Ganz hinten ist das Schlafzimmer mit unserem Doppelbett, (195
cm lang, 150 cm breit und ungefähr so hoch wie ein Tisch (90
Zentimeter), auf das man abends also geradezu hochklettern muß) und
vier Staufächern, davor das Badezimmer mit Waschbecken, Dusche,
(bestenfalls 190 cm hoch, also nichts für lange Menschen), und
Toilette (natürlich mit Wasserspülung, ich wurde deswegen kürzlich
mal gefragt), sowie zwei Türen für die Einhaltung der Intimsphäre.
Weiter vorne ist die Küche mit Kühl- und Gefrierschrank, Mikrowelle,
Kaffeemaschine, Gasherd und Doppel-Spülbecken. Dann unser Wohnzimmer
mit den beiden Slide‑outs, einem Eßtisch für vier schlanke bzw.
zwei normale Personen wie wir und gegenüber eine längs zur
Fahrtrichtung stehende Sitzbank. Sie ist ausklappbar und für Kinder
bestimmt sehr gut geeignet. Ganz vorne zwei superbequeme, ebenso dreh-
wie verstellbare Polstersitze. (Nur sehr bedauerlich, daß jetzt die üppigen
Sitzbezüge fehlen. Denn dann würde ich sie als „opulent“
bezeichnen.) Darüber TV und DVD‑Player. Tempomat, Automatik und Rückfahrkamera
sind selbstverständlich. Ich
finde, daß das Lenkrad in einem so großen Fahrzeug so waagerecht wie möglich
stehen sollte, deshalb stelle ich es gleich entsprechend ein. Ich müßte
hier auch kein automatisches Getriebe haben. Schalten, mit Zwischengas,
wäre mir auch recht. Aber
dann geht es endlich los. Denken wir. Es ist 14:45 Uhr. Doch irren ist
menschlich... Ich
verpasse die Abbiegung auf den schöneren parallel und mehr am Meer
(Atlantik) verlaufenden Highway 1A. Also Wenden. In einer
Abbiegung. Eine kleine flache Verkehrsinsel ist etwas im Weg, aber es
geht. Ein
überholender Autofahrer macht uns darauf aufmerksam, daß irgendetwas
am Auto nicht stimmt. Ich halte an. Nach etwas Suchen sehe ich, daß der
innen liegende linke Hinterreifen keine Luft hat! (Eine Blondine würde
jetzt sagen: Wir haben noch Glück, er ist nur untenrum platt!) Das heißt,
wir müssen die drei Meilen schnell zu Moturis zurück. Gut, daß wir
noch nicht weit weg sind. Ingrid lacht sich schief, weil wir schon
wieder zurück müssen und immer noch nicht endgültig abfahren. „Der
eine Reifen ist ja ganz platt! Da war der Vormieter wohl etwas
unvorsichtig!“ schnauze ich Linda an. Ihre Mitarbeiter hätten sich
die Reifen bei der Rückgabe ja auch wirklich etwas besser ansehen können!
Schließlich hat der Vormieter schon den einen Slide-out kaputt gemacht.
Die beiden Jungs müssen die beiden Räder abmontieren, den defekten
gegen das Reserverad austauschen und alles wieder montieren. Das dauert
leider etwas. Linda spricht von einer halben Stunde, irgendwann nur noch
von fünf Minuten, aber die Reparatur zieht sich dann doch anderthalb
Stunden hin. Die beiden Monteure sind recht nett und meckern nicht mit
uns; das angebotene Trinkgeld für ihre Kaffeekasse verweigern sie
sogar. Linda nimmt es „for my children“. Die Sonne scheint warm und lächelt uns
aufmunternd zu. Leider
sagt uns Linda erst jetzt, daß wir besser im zwanzig Meilen entfernten
New Hampshire hätten einkaufen sollen, weil man dort keine
Verkaufssteuern kennt. Es lohne sich ganz besonders bei Alkohol und
Zigaretten… Im Internet habe
ich mir folgende Informationen wegen der unterschiedlichen sales taxes
(Verkaufssteuer) ausgeschnitten, die sich aber im Übrigen natürlich
jederzeit ändern können: Connecticut: 6%,
keine Steuer auf Kleidung Massachusetts: 5% New Hampshire: Keine
Verkaufssteuer Rhode Island: 7%,
keine Steuer auf Kleidung Vermont: 5% Nach New Hampshire fahren sehr viele
Neuengländer aus den umliegenden Staaten zum Einkaufen, da es dort
keine sales tax (entspricht unserer Mehrwertsteuer) gibt. Gegen
16:15 Uhr verlassen wir den Hof endgültig. Oder passiert uns jetzt noch
etwas? Nein, alles OK. Wir bleiben auf Highway 1 und 1A nach Norden und
nehmen ein kurzes Stück eine Nebenstraße. Schöne Gegend hier. Viele
vornehme Häuser. Jede Menge bunter Laubbäume. Die Sonne scheint noch
immer. Endlich fängt unser gemeinsamer Urlaub an. Neue Gegend, hier
oben im Nordosten der USA waren wir noch nie, mal sehen, wie es
weitergeht. Schade,
unsere Kiste ist reichlich ausgelutscht, die Vorderachse ist total
ausgeschlagen, jedes Schlagloch und jede Unebenheit der Straße, und
davon gibt es hier sehr viele, ist eine Katastrophe und rüttelt und schüttelt
uns durch. Die Rückfahrkamera flackert ständig und ist kaum brauchbar.
Ich schalte sie lieber aus. In
zwei Stunden dunkelt es, deshalb nehmen wir den nächsten RV-Park, um für
die Nacht unterzuschlüpfen: „Salisbury Beach State Reservation“.
Wir müssen etwas hin- und herfahren, weil wir über eine andere Straße
in den Ort kommen, (Linda hat uns eine Info mit einer schlechten
Wegbeschreibung mitgegeben), und den Platz etwas suchen, aber die Zeit fürs
Rumfahren lohnt sich, wir stehen zum Schluß direkt am Strand mit Blick
aufs Meer. Und das Beste: Das Kassenhäuschen ist geschlossen. Wir sind
fast allein im riesigen Park, zu den nächsten beiden Nachbarn müßten
wir Rauchzeichen senden, um ihnen etwas mitzuteilen. Seltsam. Wasserschlauch
und Stromkabel sind rasch angeschlossen. Abwasserschlauch und
TV-Antennenkabel auch. Ingrid bereitet ein leckeres Abendessen zu und
wir speisen ganz hervorragend, wenn sich der Korken der Rotweinflasche
auch noch etwas sträubt. (Ich habe an alles gedacht, nur nicht an einen
vernünftigen Korkenzieher.) Der Rotwein (immerhin $ 12,99) kommt aus
Chile und besteht leicht erkennbar zu 100 Prozent aus Chemie, aber
dafür kann man ihn bestimmt auch sehr gut als Rostlöser oder
vielleicht sogar zur Selbstverteidigung benutzen. Um neun liegen wir in
unserer weichen kuscheligen Heia.
Ingrid: Na ja, unser Schiff entspricht nicht ganz meinen
Vorstellungen. Wo ist der versprochene Luxus? Lose Bettlaken über den
Sitzen! Matratzen so hart wie ein Brett! Aber Wilf ist zufrieden, dann
mal loos!!! 3.
Tag Dienstag,
18. Oktober 2011 Die
Nacht war angenehm, wir haben beide sehr gut geschlafen. Ich wecke um
sieben. Zum Sonnenaufgang gibt es ein geruhsames üppiges amerikanisches
Frühstück. Draußen ist es wenig über null Grad. Dann packen wir
endlich unsere Koffer aus und richten uns häuslich ein. Endlich, wird
auch Zeit. Lenkrad, Frontscheibe innen und vor allem die Außenspiegel müssen
noch gesäubert werden. Alles klebt und ist schmutzig. Die Leute bei
Moturis waschen zwar die Fahrzeuge (außen) nach der Rückgabe und
reinigen sie innen grob und oberflächlich, aber insgesamt bleibt alles
etwas schmuddelig. Schade, vor allem für Deutsche. Vierzehn
Außenklappen für Staufächer und Versorgungsleitungen (und weitere
kleine noch nicht mitgezählt für zusätzliche Versorgung, z.B.
TV-Kabel, Dumping-Schlauch usw.) müssen vor der Abfahrt überprüft
werden. Dann den Slide‑out einfahren. Abfahrt um halbzehn. Zum
Schluß etwas überstürzt, denn der Ranger schmeißt uns raus! Montags
und dienstags darf hier niemand übernachten. Aus welchem Grund auch
immer. Die spinnen, die Amis! Wir machen es, wie Katzi es empfiehlt: Sei
schlau, stell Dich dumm! Das Schild? Nein, haben wir nicht gesehen, nein, No Sir,
ganz bestimmt nicht... Keine
Möglichkeit, wenigstens zu bezahlen. Es ist immer noch niemand im
Kassenhäuschen. Jetzt
habe ich endlich eine Vergleichsmöglichkeit zwischen zwei verschiedenen
Wohnmobilen: Unser Winnebago vom letzten Mal und jetzt der Hurricane.
Der Winnebago war mir damals „als Mercedes unter den Wohnmobilen“
angeboten worden und das kann ich jetzt auch eindeutig bestätigen.
Unser jetziges Auto ist ihm zwar sehr ähnlich, aber in einigen nützlichen
Dingen doch etwas sparsamer und einfacher ausgestattet. Bei Ablagefächern,
Steckdosen, Außenanschlüssen und vielen anderen Kleinigkeiten spürt
man es deutlich. Hinzu kommt, daß unser Fahrzeug wirklich ziemlich am
Ende ist, Vorderachse habe ich ja bereits erwähnt, aber auch die Stoßdämpfer
und/oder Federung sind ausgelutscht. Bei jedem Schritt im Innern
schwankt die Kiste heftig. Bisher
waren wir in Massachusetts, heute Morgen überqueren wir unmittelbar
nach unserer Abfahrt die Grenze nach New Hampshire. Ein
paar Minuten später kommen wir durch Hampton Beach, einem wunderschönen
aber nur „in der Saison“ offenem Ort; jetzt ist die Saison gerade
vorbei und 99,9 Prozent aller Läden (sogar McDonald‘s) sind
geschlossen und bereits im Winterschlaf. Aber der Strand bleibt offen
und wir genießen es, ein bißchen über den feuchten Sand zu laufen.
Ist natürlich totaler Luxus, immer sein Badezimmer dabei zu haben, um
die Füße z.B. nach einem Strandspaziergang waschen zu können.
Noch
einmal ein paar Minuten später und nach heute immerhin schon insgesamt
16,8 Meilen erneuter Stopp zum Einkaufen in Hampton bei Walmart
(nur 125 Dollar, obwohl Ingrid bei allem die besseren Produkte
nimmt). Alle Walmart- Supercenter sind ja im Prinzip immer gleich, hier
gefällt es uns aber nicht so sehr. Die Fleischtheke ist fast leer, wer
weiß, wann sie endlich wieder aufgefüllt wird. (Den Fleischeinkauf
habe ich zu meiner persönlichen Sache erklärt.) Die Wursttheke ist
genauso leer. Das, was noch da ist, läuft natürlich bald ab. Schade,
gestern wäre es im Market Basket viel günstiger gewesen, aber wir
hatten im geliehenen Wagen noch keine Kühlung. (Deshalb war ich
dagegen, verderbliche Dinge dort schon einzukaufen.) Wenn wir mit dieser
Geschwindigkeit, oder besser Langsamkeit weiterfahren, werden wir
diesmal wohl kaum die gebuchten und bezahlten 2.250 Meilen
aufbrauchen. Trotzdem gibt es erst einmal ein geruhsames Mittagessen;
wir haben eins der phantastischen gegrillten heißen Hähnchen
mitgenommen und dazu Amish-Kartoffelsalat. Der Rest des Vogels wird wohl
noch für mehrere Mahlzeiten ausreichen. Wolkig
ist es heute, kaum Sonne. Um 12:50 Uhr geht es endlich weiter auf dem
Highway 1 und später ab und zu auch mal auf Hwy 9. Nach zwanzig
Meilen überqueren wir schon die Grenze nach Maine. Direkt nach der
Grenze, in Kittery, kommen wir an vielen Outlet-Läden vorbei, einer
reiht sich an den anderen. Der
Nachmittag führt uns durch schöne Herbstwälder, die Sonne kommt sogar
ein paarmal heraus. Kennybunkport, sehr idyllisch. Präsident Bush soll
hier sein Sommer-Haus haben. Und viele andere berühmte Leute. Aber wir
müssen achtgeben, überall stehen dunkle Gestalten in den Vorgärten
herum und passen auf, daß die orangenen Kürbisse nicht geklaut werden
- ach so, Halloween nähert sich und deshalb sind alle Monster aus ihren
dunklen Höhlen herausgekrochen. (Zufall: Ich bin ja jetzt jedes Jahr zu
Halloween in den USA.) Schöne
Ortschaften werden von uns durchfahren. Aber unzählige der wunderschönen
Häuser stehen zum Verkauf.
Obwohl
wir inzwischen hundert Meilen gefahren haben, zeigt die Tankanzeige
immer noch unverändert voll an. Falls sie kaputt ist, sollte ich
vielleicht schnellstens mal nachtanken?! Jetzt ohne Sprit liegen zu
bleiben, wäre zumindest peinlich. Irgendwie
ist die Zeit knapp, wir kommen auf der schmalen holprigen Straße kaum
voran, deshalb muß ich ein paar zu Hause herausgesuchte Ziele canceln
und brav weiterfahren, wir wollen heute Freeport erreichen, wo wir gegen
17:00 Uhr am Visitor Center eintreffen.
Ein paar vorher angefahrene RV-Plätze waren schon geschlossen, der
einzige offene, ein KOA-Campground, hat uns nicht gefallen, deshalb
frage ich hier nach einem schönen Platz. Ein solcher wird mir
empfohlen, obwohl ihn die ältere Dame im Visitor Center nicht persönlich
kennt. Auf jeden Fall soll er direkt am Meer liegen. Die
Straße durch den herbstlichen Wald schlängelt sich ein bißchen, plötzlich
ein Stück unbefestigte Holperstrecke, eine Brücke wird gerade
renoviert, unser Dampfer hüpft ganz schön, obwohl die Kuhlen in der
Straße kaum sichtbar sind. Endlich erreichen wir unser Ziel, den „Recompence
Shore Campground“, die Registration
(Anmeldung) ist schon geschlossen. Das Gelände ist wahrhaft
riesig, mitten in der Natur, ohne erkennbare Grenzen, die Wege sind lang
und erneut sehr holprig. Wir können uns unseren Standplatz nach Lust
und Laune aussuchen. Nach etwas Suchen finden wir auch einen schönen
unter einigen Bäumen an der etwas abfallenden Küste mit Blick aufs
Wasser. Die Stellplätze hier unten sind leider ohne alle
Versorgungsanschlüsse, also heute Nacht kein Strom und kein Wasser,
schade. Unser Platz ist ganz leicht abschüssig und mit Gras bewachsen,
hoffentlich komme ich da morgen, wenn die Wiese noch feucht ist, wieder
auf den Fahrweg zurück. Eigentlich ist der Platz für fast dreißig
Dollar etwas teuer.
Wir
richten uns ein, Ingrid bereitet das Abendessen zu, ich fahre schonmal
den Slide-out aus. Will ihn ausfahren, aber er will nicht, obwohl der
Motor zu hören ist. Ich sehe es mir mal von außen an. Mist, die Kiste
steht eine Handbreit aus dem Fahrzeug heraus. Das bedeutet nichts Gutes.
Innen versuchen wir es zu zweit mit Überredung, nichts, er weigert
sich, seine Pflicht zu tun und ist kaputt. Ich rüttle mal etwas, um
eine eventuelle Blockade zu überwinden – und die Kiste rollt etwas
raus. Fuck!
(= Dumm gelaufen!) Das sieht übel aus! Das ausfahrbare
Seitenteil hätte unterwegs in einer der vielen Kurven einfach
rausrollen können. Der Schaden könnte auf einer der Holperstrecken
vorhin entstanden sein. Wahrscheinlich ist ein Teil im Getriebe beim Rütteln
gebrochen, so sehr hat sich unser Auto geschüttelt. Oder (und
wahrscheinlicher): Das betreffende Teil war schon zusammen mit dem
anderen Slide-out beschädigt worden. Das
heißt, daß ich die Service-Hotline anrufen muß. Das Callcenter
verbindet mich mit einem unverkennbaren Schweizer. Herr Stm. sitzt aber
nicht etwa in der Schweiz, sondern in Denver, Colorado. Ich schildere
ihm unsere Situation und er verspricht baldige Hilfe. Ein Monteur wird
morgen früh zu uns kommen, um den Schaden zu reparieren. Mein Handyakku
ist reichlich leer, wer konnte so etwas auch ahnen. Ohne Stromanschluß
gibt es keine Energie zum Laden. Oder wir müßten den Generator laufen
lassen. Das ist aber nur am Tag erlaubt. Nachdem
unser Problem jetzt erst einmal erledigt ist, essen wir in Ruhe zu Abend
und gehen Schlafen. Wir müssen Strom sparen. Also auch kein Radio, so
wenig Licht wie möglich. Und Wasser auch. Bisher
noch keine einzige Zigarre geraucht. Ingrid:
Das kann ja nur noch besser werden. Ich ahne, dass alles nicht so
einfach mit einem Monteur getan ist. Fällt unser Urlaub ins Wasser?
Hoffentlich kann ich schlafen. 4.
Tag Mittwoch,
19. Oktober 2011 Die
Nacht war saukalt, so ein Wohnmobil ist offensichtlich nicht für den
Winterurlaub vorgesehen. Mehrmals muß ich den (eigentlich zu
Nachtstunden) verbotenen Generator anwerfen, damit uns die Heizung Wärme
spendet. Morgens
ist es wieder trüb, sehr trüb und es wird gar nicht richtig hell. Aber
wir bleiben fröhlich und frühstücken erst einmal gutgelaunt. Ein
Reiher stolziert stolz vor uns am Ufer entlang. Schade, ich kann nicht
raus, um Fotos zu machen, muß ja jederzeit am Telefon (und am
Schreibblock) sein, um etwas notieren können. Zehn
Uhr, wir warten aufs Christkind, äh, auf unseren Monteur. (Aber das
Christkind kommt irgendwann!) Warum sind wir eigentlich schon um sieben
aufgestanden? Nichts tut sich, alles ist ruhig, genauso wie das Meer vor
unserer Nase. Das Problem wirft meine ganze Reiseplanung erheblich
durcheinander. Aber, ich liebe ja Abenteuer im Urlaub, mal sehen, wie es
weitergeht. Eigentlich hat Herr Stm. von Moturis gestern versprochen,
uns „so bald wie möglich“ Bescheid zu geben. Auf Schweizer kann man
sich doch eigentlich verlassen, dachte ich bisher immer. Doch kein
Telefon klingelt, nichts passiert. Keine Kavallerie kommt angeritten, um
uns endlich zu retten. Auch kein weißer Prinz. Noch nicht einmal ein
Monteur… Der
erste Anruf (von mehreren) kommt um 10:30 Uhr. Herr Stm. ruft endlich an
und teilt uns mit, daß der erwartete Monteur nicht vor Morgen hierher
kommen kann. Wir sollen es uns hier auf dem Platz gemütlich machen und
den Ort besichtigen. Das geht ja wohl gar nicht! Nein, ein
Ersatzfahrzeug sei leider auch nicht verfügbar. Er empfiehlt uns bei
einem der nächsten Anrufe, den linken Slide-out mit zwei Holzstücken
zu blockieren, damit wir endlich vorsichtig weiterfahren und den Schaden
unterwegs reparieren lassen können. Er will aber zusätzlich versuchen,
im Büro vorne auf dem Platz anzurufen und einen „Handyman“,
also einen Allround-Handwerker für alle kleinen Arbeiten, die
auf so einem Platz anfallen können, vorbeischicken lassen. Wir haben ja
weder Holz noch eine Säge zur Hand! (Schrauben und Schraubenzieher bräuchten
wir auch noch.) Wir warten weiter. Unser Launepegel: Unverändert hoch.
Erkenntnis: Shit happens! (= Es passiert halt immer etwas Unvorhergesehenes!) Neuer
Anruf von Herrn Stm! Auf
dem Platz kann oder will uns niemand helfen. Er hat irgendjemand anders
gefunden, dieser Mensch wird aber mindestens(!?) noch zwei Stunden benötigen,
bis er hier ist. Jetzt reicht es uns und ich nehme mich des Problems an.
(Hätte ich schon viel eher tun sollen!) Ich gehe zu ein paar
Wohnmobilen in der Nähe und frage dort nach einem handwerklich begabten
Menschen. Einer von ihnen gibt mir wenigstens ein paar Holzscheite und
– ich habe Glück, ich kann den Slide-out einschieben und auf beiden
Seiten die Holzstücke provisorisch festklemmen. Sie passen fast
haargenau, ich muß nur etwas verhalten fahren. Außerdem erhalten wir
die telefonische Nachricht, daß wir jetzt auf einmal doch unser
Wohnmobil gegen ein gleiches intaktes umtauschen können. Das bedeutet,
jetzt schnellstens zurück zum gestrigen Ausgangspunkt in Rowley fahren!
Wir hören vom Nachbar, daß es heute noch stärker regnen und windig
werden soll. Er empfiehlt uns, vorsichtig zu fahren. Aber er übertreibt
bestimmt. So
nebenbei: Die ganzen Handygespräche werden hinterher mit etwas über
sechzig Euro zu Buche schlagen, denn auch die empfangenen Gespräche
sind sehr teuer. „Uschi“
hat ausgerechnet, daß es nur einhundertzweiundsechzig Kilometer über
die Autobahn sind. (Wie alle Frauen nennt auch Ingrid die Stimme in
unserem Navi „Uschi“. Mir soll‘s recht sein.) Na also, die 162 km
sollten doch zu schaffen sein. Wie vorhergesagt, beginnt es zu nieseln.
Dreimal muß Toll (= Maut)
auf dem „Turnpike“ bezahlt
werden, insgesamt $ 11,50. Personenwagen kriegen’s billiger und kosten
nur jeweils ein oder zwei Dollar, wir immer deutlich mehr. Der Zeiger
der Tankuhr hat sich inzwischen minimal bewegt.
Unterwegs
sehe ich mal nach den Holzstücken im Slide-out. Auf einer Seite haben
sie sich etwas gelockert. Ah,
perfekt, meine weltweit erprobten Sandalen dienen jetzt hervorragend
dazu, die Holzscheite zu fixieren. Eigentlich kann ich meine Sandalen
schon fast so vielfältig wie ein Leatherman-Werkzeug einsetzen. Oder
wie eins der berühmten Schweizer Taschenmesser. Hämmern, Vampire und sämtliche
Blutsauger töten (Stechmücken totklatschen), nach größeren Tieren
(z.B. Löwen, Tigern usw.) werfen, um sie zu vertreiben, sie als
Kopfkissen verwenden (wie beim Brand des Motels vor zwei Jahren), Krach
machen oder im Rhythmus zur Musik auf den Tisch klopfen, und, und,
und...
Pünktlich
um 14:00 Uhr sind wir zurück am Ausgangspunkt, an der Station bei
Moturis. Linda drückt sich, bestimmt hat sie ein schlechtes Gewissen
uns gegenüber, sie ist angeblich heute zu Hause geblieben, deshalb
bedienen uns die zwei jungen Leute aus Büro und Werkstatt. Sie wissen
schon, daß wir zurückkommen und haben tatsächlich alles für uns
vorbereitet. Ein anderes absolut gleiches Fahrzeug wartet in ihrer
trockenen Werkstatt auf uns. Naja, ganz gleich ist es nicht, es ist viel
neuer, hat nur 22.000 Meilen auf der Uhr, also ca. die Hälfte
des anderen und macht einen erheblich besseren Eindruck. Jetzt
heißt es ranklotzen. Alles aus dem draußen im Regen stehenden Fahrzeug
holen und ins neue Fahrzeug bringen! Ingrid muß alles wieder einräumen.
Anderthalb Stunden Schwerstarbeit für uns beide. Ich kann nicht
glauben, wieviel Equipment sich inzwischen im Fahrzeug angesammelt hat.
Klamotten, Bettzeug, Ausrüstung. Und vor allem Lebensmittel! Und Getränke.
Und der ganze Kleinkram! Trotzdem, um halb vier ist alles erledigt. Die
ganze Zeit schüttet es in Strömen. Natürlich bin ich längst total
durchnäßt und muß mich erstmal komplett umziehen. OK, da habe ich dem
Ami heute Vormittag Unrecht getan. Aber die übertreiben ja sonst sehr
gerne, deshalb habe ich ihm das mit dem heftigen Regen nicht glauben
wollen. Manchmal haben sie halt doch Recht. Ingrid
ist glücklich. Ich auch. Endlich sitzen wir in einem verkehrstüchtigen
und bequemen Luxus-Fahrzeug. Alles funktioniert, alles ist in bestem
Zustand, die Sitzbezüge der vorderen Sitze und die Polster auf den
Sofas sind sauber und kuschelig weich, das Armaturenbrett relativ aufgeräumt,
das Radio viel moderner, die elektrische Spiegelverstellung
funktioniert, die Rückfahrkamera wackelt nicht, alles wirkt absolut schön
und perfekt. (Ich
liebe ganz besonders meinen Fahrersitz! Ich habe noch nie so komfortabel
und bequem gesessen wie in den beiden Vordersitzen dieser großen
Wohnmobile.) Die
Duschtür läßt sich jetzt sogar von einer Frau öffnen und schließen.
Und wir haben ein brandneues unbenutztes Reserverad im Kofferraum! Und
Tagfahrlicht. Einzige Verschlechterung: Es gibt ein paar Staufächer
weniger an Bord. Und jetzt sechs Schlüssel am Bund, noch einen mehr als
vorher. (Für die Motorhaube vorne.) Ist das Stand der (amerikanischen)
Technik? Trotzdem: Die Kiste ist einfach cool!
Aber
das i-Tüpfelchen: Ingrid hat ein großes aufklappbares Fach oben im
Armaturenbrett vor sich, mit seitlichen Steckdosen darin für 110 und 12
Volt, in dem z.B. der Laptop nach der Benutzung immer wunderbar einfach
verschwinden kann. Ingrid kann es auch sehr gut während der Fahrt
nutzen. Sehr praktisch! Raffiniert! Einfach supergeil! Manchmal haben
die Amis auch ganz gute Einfälle. Merke:
Auch mit kleinen Sachen kann man
Frauen glücklich machen… Um
kurz vor vier legen wir erneut gutgelaunt ab. Endlich hat unser Urlaub
begonnen. Aber wir wissen ja auch noch nicht, welch Ungemach heute Abend
noch auf uns wartet... Gestern
Morgen hatten wir in Hampton Beach einen schönen RV-Park direkt am Meer
gesehen (Hampton Beach State Park) und bedauerten noch, nicht auf ihm übernachtet
zu haben. Jetzt haben wir Gelegenheit dazu. So schnell ändert sich
alles. Schon
wieder sitzt niemand in der Registration, schon wieder können wir nicht
bezahlen, na, OK, bestimmt Morgen früh. Es ist fünf Uhr nachmittags
und es dämmert schon. Wir suchen uns einen schönen Stellplatz aus, mit
Blick direkt aufs Meer hinaus. Jetzt nur noch schnell Wasserschlauch und
Stromkabel anschließen und dann die ganze Nacht dem aufs Dach
klopfenden Regen zuhören. Schön. Tür
auf und raus. Flutsch! Peng! Sie wird mir brutal von einem orkanartigen
Sturm aus der Hand gerissen und schlägt mit voller Wucht gegen die Außenwand!
Neue Katastrophe! Der Stoßdämpfer oben an der Tür wird dabei
herausgerissen. Es passiert halt ständig etwas Schlimmes. Der Wind ist
extrem stark. Dazu heftiger und lauter Regen. Deshalb haben wir auch
nichts vom Sturm mitgekriegt. Vor ein paar Minuten im Ort habe ich noch
ein paar Kleinigkeiten eingekauft, dort war außer Regen nichts zu spüren.
Der
Platz ist direkt am Wasser, ohne jeglichen Schutz. Deshalb sind wir Wind
und Wetter total hilflos ausgeliefert. Aber
wir haben Glück, trotz des Unwetters kann ich die Tür reparieren und
wenigstens unser Stromkabel anschließen. Offenbar ist nichts passiert,
kein Lackschaden wie schon befürchtet. Alle anderen
Versorgungsleitungen sind
jetzt nicht so wichtig. Ich bin patschnaß, trotz Regenjacke, und ziehe
mir erstmal die inzwischen getrocknete Hose von heute nachmittag an.
Befehl vom Käpt’n: Die Luke (Außentür) darf heute Abend nicht mehr
geöffnet werden! Und
dann sitzen wir gemütlich im leicht schwankenden Wohnmobil und hören
dem Orkan zu, während wir voller Genuß unser üppiges Abendessen genießen.
(Es gibt Kartoffeln, Rosenkohl und Rinderfilet. Und genießbaren Rotwein
aus dem Nappa Valley. Mmh!) Unser erstes Wohnmobil würde jetzt bestimmt
ständig unheimlich stark hin- und her schwanken, wie ein Schiff im
Sturm auf hoher See, schließlich haben Federn und Stoßdämpfer längst
ihr Ablaufdatum überschritten und sind schon lange am Ende ihrer
Verwendbarkeit angekommen. Rasch ist es im Wagen mollig warm. Ingrid
freut sich schon auf die Nacht. Obwohl, der Orkan gibt sich alle Kraft,
unser Motorhome umzuwerfen.
Die beiden Slide-outs lassen wir heute Nacht lieber drin. Wir sind auch
so glücklich und zufrieden. Die
MP3-CDs wurden und werden von beiden Jensen-Autoradios einwandfrei
gelesen, sodaß wir auch unsere mitgebrachte Musik genießen können.
Hier im neuen Fahrzeug könnte ich sogar einen USB-Stick anschließen.
Außerdem haben wir eine AUX- (Kopfhörer) und eine iPhone-Steckdose. (Auf
die iPhone-Steckdose kann ich jetzt gut verzichten, ich habe inzwischen
das viel modernere und benutzerfreundlichere Samsung Galaxy und kann über
die AUX-Steckdose meine Musik übers Autoradio abspielen.) Ich hatte
mich vorher extra wegen der Anschlüsse im Auto beim Reiseveranstalter
erkundigt und eine falsche Auskunft erhalten. Überall gibt es halt
uninteressierte Schlafmützen, denen solche Fragen gleichgültig sind.
Der Reiseveranstalter, der vor allem Canada- und USA-Reisen anbietet,
kann also auch nicht besonders von mir empfohlen werden. Hoffentlich
verschlimmert sich der Orkan nicht auch noch in einen Hurrikan. Es genügt,
wenn unser Auto so heißt: Hurricane.
Hurrikan Irene hat schließlich
vor zwei Monaten hier getobt und vieles verwüstet. Ist die
Hurrikan-Zeit nicht längst vorbei? Schade:
Ich habe immer noch keine meiner vielen mitgenommenen Zigarren geraucht.
Ingrid:
Endlich der versprochene und bezahlte Luxus. Jetzt kann es richtig
losgehen! Schade um die zwei verlorenen Tage. 5.
Tag Donnerstag,
20. Oktober 2011 Nachts
versuchte der Wind mit größter Kraftanstrengung, unser Auto ins Wasser
zu schubsen, aber es stemmte sich dem Wind entgegen und blieb brav auf
seinen sechs Rädern stehen. Ingrid hatte doch etwas Angst; ich machte
mir auch ein paar Sorgen. Wenn ich jetzt nochmal bei Moturis einen
Schaden melde, werden sie mich vierteilen. Hier
stehen noch ein paar große Wohnmobile, alle haben sich „verkehrt“
herum aufgestellt, alle (vernünftig) mit der Schnauze (windschnittig)
zum Wind gerichtet. Nur wir sind unvernünftig und parken „richtig“
herum, mit der Nase zum Wasser, damit wir etwas von der Aussicht haben.
Uns greift der Wind also von hinten an. Deshalb findet der Sturm viel
mehr Angriffsfläche an unserem Auto und unsere Dach-Aufbauten sind viel
stärker gefährdet!
Gegen
vier Uhr in der Nacht ließ der Orkan stark nach und mutierte zu einem
heftigen Sturm. Da
wir gestern notgedrungen viel zu früh schlafen gegangen sind, stehen
wir um sechs Uhr auf. Ahh, endlich die erste Dusche! Welch eine Wohltat!
Wir sind wieder in die Zivilisation zurückgekehrt! Um
acht geht’s los. Für die Übernachtung müssen wir bei der Rangerin
(wir sind schließlich in einem State Park) unverschämte fünfzig
Dollar bezahlen. Draußen vor der Tür tobt immer noch heftiger Wind mit
Regen. 55°F (= 12°C). Mal sehen, was uns heute widerfährt... Auf
jeden Fall wollen wir ja nach Freeport zurück, um wenigstens L.L.Bean
zu besuchen, die andern Outlet-Stores dort müssen wir uns wohl sparen,
um nicht noch mehr Zeit zu verlieren. Morgen Abend will ich am Acadia
Nationalpark sein. Die
Autobahn (Turnpike mit wieder dreimal Toll) ist relativ leer, aber es
nieselt und regnet ununterbrochen. Um
elf sind wir zurück bei L.L.Bean. Jetzt sind wir da, wo wir gestern
unsere Reise abgebrochen haben, um das Wohnmobil umzutauschen; also
einen ganzen kompletten Tag unnötig verschwendet! Die
Erfolgsgeschichte von L.L.Bean begann vor vielen Jahren, als er für
sich, der er ein leidenschaftlicher Angler und Jäger war, ein paar
wasserdichte Schuhe anfertigen ließ. Die waren dann so gut, daß jeder
auch solche Schuhe haben wollte und ein großer wirtschaftlicher
Aufstieg begann. L.L.Bean soll einen besseren Kundendienst als Apple,
(das dürfte nicht schwer sein!), Lexus oder Starbucks (wofür brauchen
die einen Kundendienst?!) haben. Der Laden soll 365 Tage geöffnet
sein. (Und was ist mit dem 366. Tag?) Ingrid
strahlt, sie hat sofort mit ihrer Schnüffelnase (für meinen Geschmack
ganz besonders, hm, „wenig schöne“) schwarze Schnürstiefel mit
Pelzfütterung gefunden, auf die sie bestimmt wieder ständig
angesprochen werden wird. (Frauen haben eben einen oft seltsamen
Geschmack.) Wenn sie genug Platz im Koffer hätte, könnte sie noch jede
Menge anderer Dinge kaufen.
Für
mich gibt es leider nichts, ich hatte mir erheblich mehr von diesem
Laden versprochen. Wir stöbern noch in ein paar Outlet-Läden in der Nähe
herum, finden sonst aber nichts. Diese ganze Outlet-Masche ist in meinen
Augen deutlich überbewertet. Wir
essen auf dem großen Parkplatz im Auto zu Mittag und machen uns um
13:00 Uhr wieder auf die Socken, äh, auf die Räder. Wir nehmen
jetzt endlich wieder die Landstraße, natürlich Highway 1. „Drüben“
an der Westküste haben wir ihn ja schon komplett vom tiefsten Süden
bei San Diego bis zum hohen Norden bei Seattle befahren. Jetzt endlich
mal wenigstens ein Stück an der Ostküste. (Irgendwann fahre ich ihn
auch hier nochmal komplett...) Es
regnet weiter. Temperatur steigt am Nachmittag bis auf 62°F. Die Straße
an der Küste entlang ist leicht hügelig mit vielen herbstlich-bunten Bäumen
und im Sonnenlicht wäre sie bestimmt traumhaft. Jetzt im Regen ist sie
nur wunderschön. Wir sind bester Laune und haben viel Spaß.
Übrigens,
BTW, ausgesprochen wenig
Polizeiautos sehe ich hier herumfahren. Auf der Autobahn war auch
nichts. Nicht wie sonst im Mittleren Westen oder ganz drüben an der
Westküste, da sind sie überall und natürlich ständig am Abkassieren. Unser
Ziel ist ein Campground in Belfast, „Moorings Oceanfront RV Resort“.
USA Today schreibt angeblich: „Belfast
is one of the top ten culturally cool towns in our country“. Diesen
Platz habe ich im „2011 RV Parks & Campgrounds“-Katalog
herausgesucht. Das Buch (ein dicker schwerer Wälzer mit fast 1.800 Seiten!)
liegt in jedem gemieteten Wohnmobil, sodaß man da im Allgemeinen leicht
einen der millionen RV-Plätze heraussuchen kann. Neben vielen anderen
Angaben steht auch genau drin, von wann bis wann die Plätze geöffnet
haben. Ich muß mir ab jetzt für jede Nacht unseren Platz in diesem
Buch raussuchen, anders geht es gar nicht mehr. Ich würde ihn mir ja
lieber „frei nach Schnauze“ aussuchen. Doch man muß einfach
erkennen, wenn man nachgeben muß! Denn wir fahren in der falschen
Jahreszeit, die allermeisten Plätze werden hier in Maine und überhaupt
im Nord-Osten bereits zwischen Ende September und Mitte Oktober
zugemacht (spätestens nach Columbus Day, zweiter Montag im Oktober). Auch
viele Motels und andere Geschäfte, die vom Tourismus leben, sind bis
zur nächsten Saison in 2012 bereits in Winterschlaf, viele
Reklameschilder und andere Blickfänge sind dick mit blauer Folie umhüllt
und eingepackt, damit sie den Winter über nicht so frieren müssen.
Unser Platz hat zu unser beider Erleichterung immerhin heute noch als
letzten Tag geöffnet. Nächstes
Mal fahren wir hier im Sommer herum. Auf Kreta ist es ja ähnlich, ab,
ich glaube, Ende Oktober wird die gesamte Insel für den Tourismus bis
zum Frühling „ab“geschlossen. Hier
haben wir Glück, wir bekommen einen sehr schönen „Premium“-Stellplatz,
(relativ teuer, kein Nachlaß, schon wieder schlappe fünfzig Dollar),
etwas erhöht direkt am Atlantikstrand, in der weiten Bucht, nach Süden
liegend und mit wunderschönem Ausblick aufs Wasser. Sogar die Sonne
freut sich mit uns und kommt noch für ein paar Minuten hinter den
Wolken heraus. Ingrid ist glücklich und hüpft mit ihren neuen Stiefeln
fröhlich draußen im Gras herum, während ich alle Leitungen anschließe
und zum ersten Mal unsere beiden Slide-outs ausfahre. Jetzt können (könnten)
wir im Wohnzimmer tanzen, soviel Platz gibt es.
Übers
W-LAN kann ich endlich mal ins Internet. Freitag, Samstag und Sonntag
soll es endlich wieder sonnig werden! Aber
es kommt noch ein weiteres Highlight, jedenfalls für uns beide: Unser
abendliches Dinner. Leider werden zwei arme bedauernswerte unschuldige
Tiere extra für uns sterben müssen, zwei Lobster, nur damit wir sie
ganz profan aufessen können. Ich habe bisher nur einmal (in Mexiko)
Hummer gegessen. Damals fand ich es nicht so toll, aber das war damals
auch eine ausgesprochen lieblose Touristenfalle. Oben an der Straße
soll es ein Lokal mit gutem Ruf geben. Schade für die beiden Tiere, ich
habe ein ganz, ganz schlechtes Gewissen. Warum bin ich nur so
verfressen?! Super,
das Lokal ist wohl eher eins für Einheimische, nicht gerade ein
Geheimtipp, aber doch etwas Besonderes mit viel originellem Ambiente.
Schummrig beleuchtet, die Gäste bekommen zur Speisekarte auf einer großen
Tafel eine Taschenlampe gereicht. Also uns gefällt es hier, wir fühlen
uns wohl. So etwas Besonderes wiegt alle vorher erlebte Unbill auf und
entschädigt uns. Schön, so ein Urlaub. Die
beiden Tiere kosten jedes sechsundzwanzig Dollar, was ich nicht als zu
teuer empfinde. In den
zahlreichen Imbißbuden an der Straße bekommt man sie wahrscheinlich
billiger, aber bestimmt nicht in dieser einzigartigen Atmosphäre –
und sitzt dabei im Freien. Karen bedient uns und erklärt uns mit
wenigen Worten, wie man es macht. Alles was man abbrechen kann, an dem
armen roten Typ auf dem Teller vor einem abbrechen und das Teil mit
Hilfe des dazu gereichten „Nutcrackers“
(Nußknacker) aufbrechen, dann das weiße zarte Fleisch mit dem
beiliegenden Plastikspieß herausholen. Eine kleine Schürze wird
gleichfalls mitgeliefert. Erkenntnis: Alles ganz easy, viel einfacher
als befürchtet! Dazu gibt es Pommes frites, je einen Maiskolben, flüssige
Butter und Ketchup.
Zwei
Stunden später. Hicks! Also, mir persönlich gibt so ein Lobster
nichts. Hicks! Ingrid eher, sie ist begeistert. Hicks! Wir haben jeder
einen ganzen roten Lobster bzw. dessen Inneres aufgefuttert. Hicks! Dazu
gab es eine Flasche kalifornischen Merlots (ist mir lieber als Weißwein)
und zwei Long Island Ice Tea. Hicks! Ich jedenfalls bin ziemlich blau.
Hicks! Ingrid noch mehr!. Hicks! Gutgelaunt laufen wir zum Auto runter.
Hicks! Warum geht denn das blöde Schloß am Wohnmobil nicht mehr auf?
Hicks! Hat da jemand Klebstoff reingespritzt? Hicks! Oder die blöden
Schlüssel vertauscht? Hicks! Irgendwann habe ich die blöde Sch...tür
aber doch auf... Auf
dem Rückweg bewundern wir sämtliche Sterne der Milchstraße. Morgen
soll es wohl wirklich Sonne geben. Ist ja klar, wenn Engel reisen! Und
es ist auch längst nicht mehr so kühl wie nachmittags. Die Brandung
brandet immer noch. Ingrid:
Unsere Landstraße im Regen war soo schön. Und der Hummer war wirklich
gut! Ein wirklich schöner Tag! 6.
Tag Freitag,
21. Oktober 2011 Die
Nacht war sehr angenehm, wir haben wunderbar geschlafen, mal so ganz
ohne Orkan, mal so ganz ohne Lebensgefahr. Um halb sieben stehen wir
auf, Petrus will seinen Fehler wieder gutmachen und hat ein Einsehen mit
uns: Er hat wie versprochen die Sonne wieder rausgelassen und spendiert
uns einen wunderschönen Sonnenaufgang. Kein Wölkchen mehr am Himmel.
Die 55°F fühlen sich heute gar nicht so kalt an wie gestern. So muß
ein Urlaub sein, schönes Wetter, gutes Frühstück und viel Meer.
Wir
liegen hier an einer riesigweiten Bucht, deshalb ist der Atlantik hier
eben wie ein Spiegel. Um
neun haben wir Klarschiff und rollen vor zur Dump-Station, ein paar Minuten später sind wir „on
the road again“. Wir tanken für $ 3,53 pro Gallone bis sich die
Zapfsäule bei $ 75 abschaltet. Schade, die Straßen hier oben sind den
ganzen weiten Weg sehr schlecht und werden es wohl auch bleiben. Unser
Schuhkarton klappert und rumpelt eigentlich ununterbrochen. Der erste
Cop lauert versteckt am Straßenrand auf Kunden. (Am Schluß der Reise
werden es insgesamt nur zwei gewesen sein.) Wir
fahren weiter auf unserem geliebten Highway 1, weiter nordöstlich,
leider sind es nur noch fünfundachtzig Kilometer bis zum Acadia
National Park. Der Hwy 1 ist für manche Leute und speziell für
uns beide eine ganz besondere Straße. Vom Mythos her folgen die beiden
Highway 1 direkt der alten Route 66,
die aber in Wirklichkeit leider kaum noch besteht.
Wir
bleiben noch bis Ellsworth auf dem Highway 1 (ergänzen unsere Vorräte
für nochmal $ 72), biegen dann auf den 3er ab und fahren in einer
Schleife südlich nach Bar Harbor und dem Acadia NP. Vor Bar Harbor
liegen zwei große weiße Kreuzfahrtschiffe in der Frenchman Bay auf
Rede. Gegen
13 Uhr sind wir da und durchfahren den Acadia Park auf Mount Desert
Island. Ein bißchen schwierig wird es, weil es zwei zu niedrige Brücken
im Park gibt, die uns wegen unserer Höhe nicht durchlassen wollen. Aber
mir gelingt es auf ein paar Schleichwegen ganz gut, wir müssen nicht
Wenden. Strahlende Sonne und blauer Himmel: Indian Summer! Ein Feuerwerk an Farben. Hier sind wir glücklich. So haben wir es uns gewünscht! Wir
fahren den Cadillac Mountain hinauf. Er ist mit (in Wirklichkeit lächerlichen)
466 Metern Höhe der höchste Berg an der amerikanischen Atlantikküste.
Trotzdem: Abgründe tun sich vor uns auf, oft gibt es keine Leitplanken.
Ingrid hat Probleme mit ihrer Höhenangst. Altmodisch aussehende
Trolleybusse fahren ständig durch den Park. Amis können ja keine
Kurven fahren. Deshalb lassen sie ihre Autos lieber unten in Bar Harbor
stehen, um sich mit den Bussen durch den Park fahren zu lassen. Oli's Trolley Bar Harbor and Acadia's Original Trolley Sightseeing Tour Leider
ist es hier oben auf dem Gipfel trotz der Sonne kalt und windig. Ich
laufe wenigstens die kleine Loop (Schleife) um die Bergspitze
herum und bestaune die herrliche und weite Aussicht. Hier oben würde
ich zu gerne mal den Sonnenaufgang erleben. (Hier auf dem Gipfel des
Cadillac Mountain sollen die morgendlichen Sonnenstrahlen zuerst die USA
berühren. Wäre mir persönlich aber nicht so wichtig.)
Das Wetter ist so schön, der Himmel so blau und der Wald
so bunt, daß ich schon befürchte, bald nicht mehr genug Farbe in
meiner Kamera übrig zu haben. Ein wunderschöner Nachmittag. Die
Ranger im Visitor Center erweisen
sich dagegen leider als etwas unkooperativ, bestimmt, weil sie jetzt am
Ende der Saison auch langsam die Schnauze voll haben. (Wenn man sie bzw.
die Leute in den Visitor Centers nicht braucht, überschütten sie einen
mit angebotener Hilfe und Gequatsche.) Wie versprochen, leuchtet
wenigstens das Laub in den wunderschönsten Farben. Den ganzen Tag war
es zwischen 56 und 62°F warm bzw. kalt. Merkwürdig finde ich, daß wir
keinen Eintritt (eigentlich $ 10 oder $ 20 pro Fahrzeug) bezahlen müssen Gegen
vier sind wir auf dem einzigen weit und breit noch geöffneten
Campground „Narrow Too Camping Resort“ und müssen für unseren
angeblichen „best of the best“-Stellplatz
direkt am Strand der riesigen Bucht mit wunderschönem Blick auf die
Insel und den Nationalpark schlappe zweiundachtzig Dollar bezahlen.
Die Preise werden immer unverschämter; die Hochsaison („Peakseason“)
wird schamlos ausgenutzt. Wenigstens gibt es wieder Strom und Wasser. Übrigens:
Die Gegend hier wird „Down
East“ genannt und ist
wohl insgesamt sehr teuer. Weil
das Schloß unserer Außentür etwas schwer geht, lasse ich mir an der
Registration eine Sprühdose WD‑40 geben und sprühe es etwas ein. Immer
noch herrliche Sonne, auch für Morgen. Wir
überlegen bei meiner (ersten) Zigarre und ein paar Wodka Martini, ob
wir unsere Tour etwas ändern sollen/wollen. Es ist doch etwas
schwierig, immer wieder vor bereits geschlossenen Plätzen zu stehen.
Auch unser heutiger wird in ein paar Tagen am 25. Oktober schließen.
Abendessen
bei Sonnenuntergang. Wie bei uns ist es um halb sieben schon
stockdunkel. Ein Eis rundet den Tag ab. Draußen ist es
(eigentlich) immer noch nicht kalt. Im
Internet lese ich, daß Gaddafi und seine Söhne getötet worden sein
sollen. Gut so! Ingrid:
Ich will die Route nicht ändern. Der Atlantik ist einfach zu schön.
Amerika ist hier ganz anders. Die Häuser und die ganze Gegend gefallen
mir, einfach alles. Erinnert mich ein wenig an Holland und die Nordsee. 7.
Tag Guten
Morgen, liebe Sonne! Sonne? Nix da, eine dichte Wolkendecke hängt über
uns und der Bucht und dräut vor sich hin. Cadillac Mountain wird von
einer Wolke (oder ist es Nebel?) überzogen. Es ist sieben Uhr und
Petrus hat sein Versprechen nicht eingehalten! Schade, daß ich seine
Handynummer nicht kenne; keine Möglichkeit zur Beschwerde. Aber
wenigstens bekommen wir während des Sonnenaufgangs schöne Farben ganz
hinten am Horizont zu sehen. Das gestern vollmundig angekündigte „Mostly
sunny“ (vielfach
sonnig) ist jedenfalls gelogen. Ich
überlege erneut, die Tour umzuplanen, bleibe dann aber letztlich doch
auf unserer alten Route. Maine ist offenbar etwas langweilig, es gibt
hier keine touristisch empfohlenen (im Atlas gepunkteten) Straßen, außer
natürlich Hwy 1 an der Küste entlang. Also fahren wir jetzt westwärts
auf möglichst kurzer Strecke durch den Staat und werden die Grenze nach
New Hampshire bei Bethel überqueren. In
Elsworth kommen wir am Supermarkt von gestern vorbei, ob Barb
(Barbara) aus Stuttgart heute wieder an der Kasse steht? Wir
nehmen den Highway 1A bis Brewer und können endlich mal (für $ 3,46
pro Gallone) volltanken, ohne daß sich die Säule schon bei $ 75
abschaltet. Dann
weiter auf Hwy 2. Den ganzen Tag bleibt es bei 53 bis 56°F. Unser
Wetter bleibt trüb, aber wenigstens ist es meistenteils trocken, so ist
es auch noch ganz schön. Wenn nur die Straßen nicht in so katastrophal
schlechtem Zustand wären. Das wie immer lose auf das Armaturenbrett
gelegte Navi tanzt Samba und hüpft vor Freude zentimeterhoch herum.
Wieder
gibt es unzählige Kirchen und Sekten am Straßenrand mit ihren vielen
Kapellen. Überall
in Maine sieht man viele Schneepflüge, große, mittlere und ganz
kleine, es scheint hier viel Schnee zu geben. Und außerordentlich viele
Snowmobiles stehen zum Verkauf am Straßenrand. Bisher
keine besonderen Vorkommnisse, Gottseidank. (Wenn ich jetzt nochmal mit
einer neuerlichen Schadensmeldung die Moturis-Hilfe-Hotline anriefe, brächten
die uns vermutlich um...) Wir
halten an einem Fluß. Mr.
Bob Ross könnte hier herumstehen und eines seiner (scheußlichen)
Bilder malen. (Trotzdem, wir schätzen ihn beide sehr.) Nur schade, daß
die Sonne kaum rauskommt.
Unterwegs
besuchen wir mal wieder einen Walmart, Ingrid braucht dringend
Klamotten. Sie hat eigentlich so gut wie nichts zum Anzuziehen... Schade,
auch hier im Norden sind die meisten Orte ausgestorben. Fast alle
Privathäuser sind verkommen oder sogar verfallen. In den Großstädten
gibt es ja bekanntermaßen sehr großen Reichtum, aber hier auf dem Land
verkommt alles, Straßen, Häuser, einfach alles, kleine Orte, große
Orte, sogar Kleinstädte. Ich war ja schon oft in den USA, aber leider
ist es fast überall so schlimm. Sogar hier oben im „reichen“
Nordosten. Trotzdem, ich liebe Amerika. (Wir schätzen, daß auf unserer
jetzigen Reise durchschnittlich mindestens jedes vierte Haus zum Verkauf
steht. Oft ganze Straßenzüge, ein Haus neben dem anderen.) In den
Nebenstraßen sieht es oft noch schlimmer aus. Amerikaner
verwenden bekannte Städtenamen ja auch gerne für ihre eigenen Dörfer
und Städte, so gibt es hier in der Umgebung z.B. Peru, Paris,
Cambridge, Oxford, Norway, Sweden, China und Palmyra. Palmyra?! Ja, gibt
es hier auch, wir fahren sogar durch. Palmyra ist ja eigentlich als
antike Oasenstadt in Syrien bekannt, in der ich im April noch war.
Zuhause sehe ich dann, daß es allein in den USA elf Orte mit diesem
Namen gibt, plus einmal in Australien. In
Mexico, ME sehen wir zufällig das Highlight des Tages, nein, der Reise:
Eine gigantische Paul Bunyan-Holzfäller-Figur. (Einer
meiner Lieblingsfilme ist „Fargo“. Ich liebe ja alle Filme der
Coen-Brüder, Fargo aber am meisten. In Fargo kommt so eine riesige Paul Bunyan-Holzfällerfigur
vor. Sie war speziell für den Film gebaut worden und stand für die
kurze Zeit der Filmaufnahmen in Bathgate, ND - und wurde dann
versteigert. Seitdem war ich davon fasziniert und wollte sie schon immer
einmal sehen. Lange Zeit wußte ich nicht, daß es davon eine ganze
Anzahl gibt. Jetzt ist der Moment gekommen! Ich bin außerordentlich
happy! In Bangor hatten wir sie heute mittags verpaßt und jetzt steht
hier eine andere einfach so herum und wartet auf mich! Nein, auf uns!
Unglaublich!) Schade,
für seinen zu ihm gehörenden blauen Ochsen „Babe,
the blue Ox“ im
Nachbarort Rumford haben wir keine Zeit mehr, wir wollen noch vor
Dunkelheit an unserem Campground ankommen.
Wir
übernachten im „Pleasant River Campground“ in West Bethel am
Androscoggin-River, kurz vor der Grenze nach New Hampshire für außerordentlich
günstige (bzw. endlich normale) knapp dreißig Dollar. (Ist ja klar,
auch dieser Platz wird in ein paar Tagen am 31. Oktober geschlossen.)
Der Campingplatz macht einen guten Eindruck und ist hervorragend gut
gepflegt; wir stehen in einem schmucken Park mit jeder Menge Bäume.
Erst einmal bekommt jeder einen Drink draußen auf der Bank, wenn es
auch schon reichlich kühl ist, und ich die heißgeliebte Zigarre, erst
die zweite der Reise. Ist das Leben nicht schön? WiFi
(WLAN) gibt’s auch. Jetzt muß ich erstmal die E-Mails checken und
dann kann ich die Welt retten, äh, nein, zum Essen kommen. Der
kalifornische Rotwein (Pinot Noir für $ 19,99) mundet uns ganz
besonders, zum Glück kein
Barrique. Dazu gibt es „knuspriges“ (ich nenne es schwarz
verkohltes) Weißbrot und ein saftiges Steak. (Wir haben heute Abend
keinen allzu großen Hunger.) Jeder Abend ist jetzt der schönste Abend
unserer Reise. Entspannung pur. Wie damals, auf unserer ersten
Wohnmobilreise, entdecken wir beide jeden Tag mehr die Freuden einer
langsamen Fortbewegungsart. Wir fühlen uns wohl und gewöhnen uns immer
mehr an solch ein Leben auf der Straße. (Ingrid meinte schon vor ein,
zwei Tagen, daß sie sich durchaus eine deutlich längere Reise in einem
so komfortablen Wohnmobil vorstellen könnte...)
Die
Margaritas hauen ganz schön rein. Nuna, die Bcuhtsbn snid ja pöltzlcih
gnaz waodnres afu der Tsatutar! Ingrid:
Essen zuzubereiten und es zu verspeisen ist schön, Spülen und Aufräumen
nicht. 8.
Tag Sonntag,
23. Oktober 2011 Wir
haben hier so gut geschlafen, daß wir zum ersten Mal erst um halbacht
wach werden. Der Sonnenaufgang wäre jetzt schon längst vorbei, aber
hier gibt es ja auch gar kein Meer. Himmel stark bewölkt, immerhin gibt
es ein paar kleine blaue Flecken am Himmel. Um
zehn geht’s los, weiter westwärts, es sind nur noch ein paar Meilen
bis New Hampshire und bis zu den White Mountains. Neues Ungemach wartet
schon auf mich. Schade,
leider dürfen wir mit unserem Dampfer nicht die Straße zum Mt. Washington
rauffahren. (Schlecht für mich, gut für Ingrid. Mit ihrer Höhenangst
hätte sie die Strecke bestimmt nicht überlebt. Jedenfalls werden hier
solche Menschen extra gewarnt. Mein Tipp: An den schlimmsten Stellen könnte
man ja auch mal kurz die Augen zumachen.) Die Fahrt den Berg rauf ist
nicht billig und kostet für Pkw mit einem Beifahrer dreiunddreißig
Dollar. Mit einem der kleinen weißgrünen Vans (für $ 30 pro Person)
will ich mich nicht hochfahren lassen, zumal oben alles wegen Eis und
Schnee gesperrt und überhaupt alles im dicken Nebel liegen soll. (Wäre
mir auch zu unprofessionell! Da muß man doch wohl selbst rauffahren! Später
zuhause sehe ich auf Google Earth, daß es keine einzige Serpentine
gibt. Amerikaner sind halt sehr vorsichtig bei solchen Straßen.) Wir
gondeln auf ein paar romantischen Straßen und zum Schluß auf der
Crawford Notch Road um den Berg herum und kommen schließlich zu einem
weiteren Highlight: Das frühere Hotel „Mount Washington“ in Bretton
Woods, ein außerordentlich berühmtes Luxus-Hotel. 1944 gab es hier
eine Konferenz für ein neues Weltwährungssystem. (Vom „Bretton
Woods-Abkommen“ hat man ja schonmal gehört.) Breit und schön ist es
in der herrlichen Landschaft eingebettet, überragt von mächtigen
Bergen, allen voran der berühmte Mount Washington. (Frage:
Wie sind die Politiker damals nur alle hierhergekommen? Gab es 1944
schon Hubschrauber?)
Bretton
Woods (New Hampshire) – Wikipedia Bretton-Woods-System
– Wikipedia mount
washington - Google-Suche mit
vielen Fotos Hier
biegen wir ab, ich will mit der ebenso berühmten „ältesten
Zahnradbahn der Welt“, der „Mount Washington Cog Railway“, zum
1.917 Meter (6.288 feet) hohen Gipfel rauffahren. Siebenundfünfzig
Dollar „for Adults over 65“ (statt
normal $ 62). (Dafür könnte man auch hochklettern, wenigstens im
Sommer. Ein paar Leute tun es tatsächlich, ich sehe sie unterwegs und
ganz oben auf dem Berg.) Der Fahrkartenverkäufer will noch nicht einmal
meinen Ausweis sehen. Sehe ich inzwischen wirklich schon so alt aus? („Cog“
heißt „Zahnrad“. Ich wußte das jedenfalls bisher
nicht. Auf jeder USA-Reise lernt man ein paar Wörter hinzu. Ein
Seitenschneider soll z.B. „dike“ oder so ähnlich genannt werden.
Wie er tatsächlich geschrieben wird, konnte der Typ mir nicht sagen…) Ich
habe Glück, ich bekomme meine Karte und kann auch in einer halben
Stunde mit der nächsten Bahn um 14:30 Uhr hochfahren. Die Bahn
kommt langsam auf dem krummen Gleis herunter geschwankt, ein paar
Minuten dahinter noch eine. (Praktisch: An der jeweiligen Endstation
werden vom Zugbegleiter sämtliche Rückenlehnen der hölzernen Sitzbänke
umgeschwenkt, damit die Leute immer in Fahrtrichtung gucken.)
Ich
steige in die jetzt vordere Bahn ein. Aber es geht noch nicht gleich
los, erst müssen sich alle siebzig Leute im vollbesetzten Waggon einen
„witzigen“ Vortrag des Wagenbegleiters anhören. Um kurz nach halb
drei geht es endlich langsam den Berg hinauf. Die „Züge“ bestehen
aus je einer Diesel-Lok, („Bio“-Diesel, wie man stolz verkündet;
die mit Kohle und Wasser betriebenen Loks sind inzwischen längst zu
teuer und schon seit Jahren auf dem Abstellgleis), also aus einer
kleinen Lok und einem langen 70-sitzigen Waggon. Alle Plätze sind
ausverkauft. (Die
früheren Dampfloks sahen sehr skurril aus, weil das Oberteil mit
Dampfkessel und Führerhaus waagerecht auf dem schrägen Fahrgestell
montiert war. Aber leider werden sie nur noch einmal morgens um halbneun
rausgeholt, für eine einzige Fahrt. Logisch: Heute Morgen war es zum
letzten Mal für dieses Jahr. Ich wäre also mal wieder zu spät für
die Dampflok gekommen. Deshalb: Wer sich das Vergnügen gönnen will,
mit dieser alten Dampflok zu fahren, sollte den Fahrplan beachten und möglichst
frühzeitig vorher online buchen.) Die
Fahrt bergauf dauert ca. vierzig Minuten. Steil, sehr steil geht es auf
wackeligen Schienen den Berg im Kriechtempo hinauf. In der Mitte gibt es
eine Ausweichstelle, an der sich zwei Züge begegnen können und einen
Wasserturm für die Dampflok. Nach einiger Zeit wird es neblig, dann
kommen noch Schnee und Eis dazu. Oben auf dem Gipfel sind wir ganz knapp
über den Wolken, die Sonne kommt immer wieder ein bißchen durch.
Ich
sehe mir alles an, aber es gibt halt nicht allzuviel zu sehen. Ein
paarmal werde ich angesprochen und muß fremde Leute mit ihren Kameras
fotografieren. Pardauz!
Bums! Platsch! Au! Auf dem kurzen Weg von der Aussichtsterrasse zum großen
Platz hinunter kürze ich etwas ab, weil vor mir ein paar alte Leute
rummachen, rutsche auf dem Eis aus und setze mich knallhart auf meinen
Po bzw. mit eben diesem aufs betonharte Eis. (Leider ist meine
Adoleszenz (Jugend) schon viel zu lange her; ein junger Mann hätte den
Ausrutscher vielleicht gerade noch so abfangen können.) Warum bin ich
auch immer so risikobereit und bleibe nicht auf dem normalen Weg? Dabei
habe ich (auf Ingrids Anraten) extra meine Sandalen unten gelassen und
die Sportschuhe angezogen. (Und drei Jacken - und sogar die lange Hose!)
Immerhin handele ich mir beim Aufprall ein paar leichte Hautabschürfungen
an der rechten Hand ein. Ein Mann will mir zu Hilfe kommen, es ist aber
nicht nötig, es ist sonst nichts passiert. Er bestätigt mir aber, daß
ich mich noch relativ elegant hingesetzt hätte... Es
ist zwar nichts passiert, aber die Kamera ist weg! In großem Bogen habe
ich sie beim Fallen durch die Luft geschleudert. Jetzt ist sie irgendwo
zwischen den großen Felsen in irgendeine der vielen Felsspalten
hineingerutscht. Man könnte es auch so ausdrücken: Der Höllenschlund
tat sich auf und verschlang sie! Wahrscheinlich hat sie sich beim
Aufprall in ihre Einzelteile zerlegt. Aber ich habe Glück, wie immer,
wenn ich es wirklich brauche. Zwei sportliche junge Leute, die
offensichtlich zu Fuß heraufgekommen sind, bieten sich an, mir bei der
Suche zu helfen. Nach einigen Minuten wird die Kamera entdeckt und
mithilfe eines Wanderstocks auch aus den Tiefen des Orkus
herausgeangelt. Kamera wieder da, unbeschädigt, ich bin auch unbeschädigt,
nix gebrochen oder ernsthaft verletzt! Ich schicke erstmal ein Dankgebet
nach oben. Vielen Dank für alles, mein lieber Schutzengel! (Wie vor
zwei Jahren. Damals war ich mit dem blöden GBS noch total gelähmt! -
Immer, wenn ich wirklich in großer Not war, ward mir von ihm geholfen!
Schon so häufig! Und mein Schutzengel muß manchmal ganz schön schnell
fliegen. Wie lang hilft er mir eigentlich noch?) Wenn die Kamera weg wäre,
könnte ich mich auch gleich aufhängen. Oder mich hier im ewigen Eis
einfrieren lassen. Alle heutigen Fotos weg. Nicht auszudenken. (Deshalb
immer Fotos sichern und eine zweite Kamera mitnehmen...) Übrigens:
Auf einem großen Schild sind die (einhundertachtundvierzig) Namen
derjenigen Leute verzeichnet, die hier oben oder auf dem Weg hinauf oder
hinunter gestorben sind. Gut, daß mein Name hier noch nicht eingetragen
werden muß. Die
weißgrünen Vans sind auch hier oben; sie bringen die Leute, die nicht
selbst hochfahren können bzw. wollen, über die Straße herauf. Man
rühmt sich großspurig damit, daß hier oben das schlechteste Wetter
der Welt sein soll: „The worst
weather in the world“.
Nach
etwas mehr als einer halben Stunde dürfen wir wieder runterfahren, viel
länger kann man es auch gar nicht hier oben im eisigen Wind aushalten.
(Es gibt aber auch ein Gebäude aus Beton mit Cafeteria und dem
unvermeidlichen Souvenir-Shop. Ich bin wirklich glücklich, daß ich die
Treppe ins kleine Museum im Untergeschoß runterlaufen kann.) Im Sommer
ist es bestimmt ganz schön hier oben. Die Fahrt bergab dauert genauso
lang, wieder vierzig Minuten. Der jeweilige Wagenbegleiter muß jetzt an
zwei großen Stellrädern zusätzlich bremsen. Und weil in unserem
jetzigen Wagen die Lüftung ausgefallen ist, beschlagen die Scheiben ständig
und der Schaffner muß sie dauernd mit einem Wischer abwischen; er
braucht Sichtkontakt zum Lokführer vor uns, der ihm Winkzeichen fürs
zusätzliche Bremsen gibt.
Ingrid
wartet unten schon und ist etwas unwirsch mit mir, weil es so lange
gedauert hat, dabei hätte es wirklich nicht schneller gehen können. Um
halb fünf fahren wir wieder weiter. Das Navi schickt uns auf einer
ausgesprochen schmalen Straße durch den Wald; die Schranke am Ende ist
erfreulicherweise geöffnet… Alle
drei herausgesuchten Campgrounds (einer aus dem dicken Buch, zwei aus
dem Navi) gibt es gar nicht. Das kommt hier leider manchmal vor. Oder
wir haben sie einfach nicht gefunden. Inzwischen ist es neunzehn Uhr und
längst stockdunkel und ich habe einfach keine Lust mehr, jetzt im
Finstern noch ewig weiterzusuchen. Deshalb stellen wir uns in einem
kleinen Ort einfach auf einen kleinen Parkplatz vor ein paar Läden. Wofür
sind wir autark und haben alles dabei, um komfortabel eine Nacht zu
verbringen? Wir
vermuten, daß wir in Conway sind. (Ortsschilder sind in den USA mehr
oder weniger unbekannt, man muß oft raten, wie der jeweilige Ort oder
die Stadt heißt. Man weiß es eigentlich nur, wenn ein
Willkommensschild am Straßenrand steht, „Welcome to XY“.) Jetzt
hoffen wir, daß wir hier unbelästigt bis Morgen früh stehen bleiben können.
(Übrigens: Walmart lädt Wohnmobilisten geradezu ein, die Nacht auf
seinen riesigen Parkplätzen zu verbringen. Aber hier ist leider keiner
weit und breit.) Mein
Steißbein schmerzt noch immer vom Fall. Hoffentlich ist es Morgen nicht
noch schlimmer. (Später zuhause höre ich wahre Horrorgeschichten über
Handgelenke, Wirbelsäulen und Bandscheiben, die bei solchen Stürzen
gerne schonmal verstaucht, angeknackst, gebrochen oder sonst wie beschädigt
werden. Das hätte ganz schön unangenehm ausgehen können…) Heutige
Erkenntnis: Eiskristalle wachsen zum Wind hin! Ingrid:
Gemeckert habe ich gar nicht, Sorgen hatte ich um ihn. Wer Wilf kennt,
weiß ja, wie sehr er das Risiko liebt!!!! Und hatte ich nicht Recht,
man kann ihn nicht alleine lassen! Kleine Strafe: Steißbein!! 9.
Tag Montag,
24. Oktober 2011 Wir
stehen um halbsieben auf. Draußen ist es 34°F = ca. 0°C! Zur Feier
des Tages frühstücken wir gleich neben unserem Auto in Bea's Café.
Ausnahmsweise. Vielleicht essen wir auch noch einmal irgendwo zu Abend,
ist ja einfacher, als selbst kochen und spülen müssen. Mal sehen, ob
es eine Gelegenheit dafür gibt. Übrigens, wir sind tatsächlich in
Conway. Mein
Steißbein ist OK, der Schmerz ist auszuhalten. (Es ist ein durchaus
erträglicher Schmerz, eigentlich nur lästig, keiner dieser schlimmen
stechenden Schmerzen.) Auch mit der rechten Hand und dem dazugehörigen
Arm ist alles in Ordnung, nichts zurückbehalten. Was habe ich da mal
wieder ein Glück gehabt! Jetzt mit angeknackstem oder gar gebrochenem
Handgelenk oder sonst einem beschädigten Körperteil weiterfahren zu müssen
oder gar im Krankenhaus liegen zu müssen ‑ das will ich
mir lieber gar nicht erst weiter ausmalen. Keine
Wolke am Himmel, wenn sich erst einmal der Dunst aufgelöst hat, werden
wir einen strahlend-sonnigen Tag bekommen. Jetzt,
nach Studium der Karte, klärt sich auch das Rätsel, warum ich gestern
Abend den anvisierten Campingplatz in Twin Mountains nicht gefunden
habe: Das blöde Navi hat uns an einen völlig falschen Ort geführt!
Und dann bin ich auf der Hauptstraße leider auch noch in die falsche
Richtung abgebogen! (Bedauerlich: Winzige Fehlentscheidung, große
Wirkung.) Dabei hätte es in Twin Mountains ja sooo schön werden können.
Warum habe ich nicht in der Karte nachgesehen?!
(Erklärung: Wir waren schon etwas spät und ich wollte nicht noch mehr
Zeit verlieren. War echt blöd von mir! - Aber die Nacht auf dem
Parkplatz war auch ganz schön! Nicht gerade ein Abenteuer, aber halt
mal was anderes.) Zwei
Meilen weiter nördlich gibt es mal wieder eine Reihe Outlet-Läden,
aber ich will jetzt nicht schon wieder soviel Zeit mit Einkaufen
verschwenden. Ich fahre deshalb ein paar Meter südlich und biege nach
Westen ab, auf den hier beginnenden Kancamagus-Highway. Er soll ja nicht
so besonders sein, (vor allem die Straße ist mal wieder bzw. wie immer
sehr schlecht und hoppelig), aber er bietet sich uns einfach an. Und
fahren wollte ich ihn auf jeden Fall. Am
Swift River entlang führt uns unsere Fahrt durch die White Mountains
weiter in westlicher Richtung ganz romantisch und idyllisch nach
Lincoln. Hier wollten wir eigentlich „The Flume“ besuchen, einen
tiefen Taleinschnitt, eigentlich eine Klamm, mit steilen Wegen und
Treppen hinunter und wieder rauf, und vielen Holzstegen entlang eines
wilden Flusses und zu einem Wasserfall. Leider ist alles seit ein paar
Tagen geschlossen und die Boardwalks werden
gerade abmontiert. Nicht schlimm, wir haben uns ja schon dran gewöhnt,
daß alles Mögliche bereits „closed
for the season“ ist. Wenigstens
habe ich ja gestern die Fahrt mit der Zahnradbahn zum Mt. Washington
hinauf noch machen können. the
flume - Google-Suche mit
vielen Fotos Wir
haben (rein zufällig) insgesamt gerade den richtigen Zeitpunkt für die
Foliage erwischt. Unten im Süden war sie noch nicht richtig angekommen,
weiter oben im Norden und besonders auf den Bergen ist sie gerade am
Abklingen. Jetzt findet sie gerade hier statt. Und das Wetter,
insbesondere Frau Sonne, spielt heute auch wieder mit. Besser hätten
wir den Termin also nicht legen können. Und
zu Halloween sind wir hier auch gerade richtig unterwegs, denn überall
sitzen und stehen sie jetzt herum, unverschämte Gestalten, deren Köpfe,
Hände und Hintern orangenen Kürbissen sehr ähnlich sehen, zerlumpte
Typen, denen man noch nicht einmal tagsüber begegnen möchte, daneben
krabbeln oft furchterregende Spinnen herum, die dicke Spinnweben über
alles gewoben haben, und überhaupt sieht man alle Arten von
Gruselmonstern und Geistern. Sie sitzen meist vor den Häusern und haben
es sich dort in den ansonsten gepflegten Vorgärten gemütlich gemacht.
Die Hausbesitzer sind offenbar völlig machtlos gegen diese Plage...
Hier
in Lincoln fahren wir südwestlich am Connecticut River entlang nach
Hanover, (das zweite „n“ fehlt tatsächlich!), einer ausnahmsweise
mal quicklebendigen kleinen Stadt, und zur Quechee Gorge, einer tiefen
Schlucht. Diese ist bestimmt auch geschlossen, es gibt nur ein, zwei
Autos auf dem Parkplatz, ich halte gar nicht erst an, um mühselig
einzuparken. Unterwegs
tanken wir mal wieder (für $ 3,55). Jetzt überqueren wir auch wieder
eine Grenze. New Hampshire geht, Vermont kommt. Hier ist die Straße
noch erheblich schlechter, vor allem die rechte Hälfte unserer Straßenseite
ist ganz grauenhaft schlimm. Stundenlang. Für einen Europäer nicht
vorstellbar. Auch
hier lungern vor vielen Häusern zerlumpte Typen herum, oft in kleinen
Gruppen, sitzen an Tischen und spielen Karten, haben es sich dreist in
Schaukelstühlen bequem gemacht, fahren orangene dicke Kürbisse in
Schubkarren durch die Gegend und machen überhaupt allerlei Unsinn und
Schabernack. Freche weiße Geister sehen ihnen dabei gerne zu.
Abgemagerte Skelette hängen an Ästen und Hauswänden herum und gucken
blöd aus der Wäsche. Die Adams-Family hat hier offensichtlich auch überall
ein Domizil. Untote klettern gerade aus ihren offenen Särgen heraus und
wollen wohl auch mitmachen...
Genau
wie es uns Uschi angekündigt hat, sind wir pünktlich (und relativ früh)
um 16:00 Uhr an unserem heutigen Campingplatz, dem „Horseshoe Acres
Campground“. (Wir wollen heute kein Risiko eingehen und ihn erneut
nicht finden oder vor einem geschlossenen Platz stehen.) An der
Registration kann ich den Preis für unseren Stellplatz von $ 34 auf $
23,32 runterhandeln. (Fast habe ich ein schlechtes Gewissen für den
eigentlich zu hohen Nachlaß.) Zumal der Platz außerordentlich angenehm
ist. Wir stehen auf sauberem grünem Rasen, alle Anschlüsse sind
vorhanden, sogar für die Fernseh-Antenne. Einziger (winziger)
Wermutstropfen: Kein WiFi. Gut:
Morgen (erst Morgen!) wird das Wasser für den Winter abgestellt...
Schnell
noch eine Zigarre und ein, zwei gemütliche Drinks in der relativ warmen
Spätnachmittagssonne am Tisch, bevor sie gleich hinter den Bergen
untergeht. Die
beiden netten Mädchen im Registration-Office erzählten mir, daß es
dieses Jahr leider nicht so toll mit der Foliage sein soll, weil
Hurrican Irene am 28. August 2011 vieles zerstört und dabei
auch die Blätter an den Bäumen abgerissen hat und dabei kennt man hier
in Vermont eigentlich keine Wirbelstürme. Um viertel nach sechs Uhr
abends ist es stockdunkel. Ingrid:
Ein wunderschöner Tag, bis auf die Straßen, deshalb haben wir tagsüber
nur ein wenig Obst gegessen. Heute
Abend wird’s gemütlich. Heizung an und den Fernseher natürlich auch, obwohl,
Wilfs Musik ist super. Und
wie lieb er ist. Er hat mir eine Stange Marlboro vorhin an der
Tankstelle gekauft. (Nur zur Info: Die kosten hier inzwischen auch schon
$ 62!) 10.
Tag Dienstag,
25. Oktober 2011 Saukalt
ist es heute Morgen, wie vorhergesagt, ist es mit 26°F deutlich unter
dem Gefrierpunkt. Und wie angekündigt, ist unsere Wasserleitung über
Nacht leicht eingefroren. Um sieben stehen wir auf, Frau Sonne kommt
gegen acht über den Terrible Mountain, der gar nicht so schrecklich
aussieht. Wir haben blauen Himmel mit ein paar weißen Schäfchenwölkchen.
Der Ahorn neben uns hat über Nacht seine letzten Blätter abgeworfen.
Zwei Handwerker laufen im Gelände herum und stellen tatsächlich das
Wasser ab. Gut, daß wir unseren Wassertank bereits gefüllt haben. Gegen
zehn lichten wir unseren Anker und starten in ein neues Abenteuer. Viele
Berge gibt es hier in Vermont, es geht rauf und runter. Hier in dieser
Gegend hat Irene schwer gewütet, reichlich viele Baustellen mit
einspuriger Verkehrsführung (und „Flaggers“, nicht „Flagmen“
wie sie sonst heißen, obwohl ja auch oft Frauen dabei sind) halten uns
etwas auf. Zahlreiche schon reparierte Stellen sieht man; es muß
wirklich sehr schlimm gewesen sein. Straßen sollen wochenlang gesperrt
gewesen sein, die Leute mußten und müssen noch immer weite Umwege
machen. Außerdem sind auf unserer gesamten Reise wirklich sehr viele Brücken
beschädigt, zerstört oder weggespült und werden gerade repariert oder
wieder neu aufgebaut.
Eigentlich
wollte ich erst noch ein bißchen nach Süden und dann wieder nach
Norden rauf. Aber hier sind schon viele Bäume (vor allem die Birken)
kahl, im Norden bestimmt noch mehr, deshalb ändere ich meinen Plan und
fahre weiter nach Süden runter. Hier ist die Foliage noch im vollen
Gang. Dann wird es südlicher erst recht so sein. Unsere Augen können
weiter im Farbenrausch schwelgen.
Wir
fahren auf der US 100 über Jamaica, Wilmington und Bennington weiter
nach Süden. Und dann ein Stück durch Massachusetts auf der US 7. Später
am Nachmittag überqueren wir die Grenze nach New York. (NY State, nicht
NYC die Stadt, die ist viel weiter südlich). Hier sind die Straßen
auch nicht besser. Sie sind überall miserabel, geradezu katastrophal
schlecht. In einem Pkw fallen sie einem vielleicht gar nicht mal so
stark auf, aber unser Schuhkarton schwankt ständig hin und her; alles
klappert hinten, ich wundere mich, daß kein Geschirr oder sonst etwas
zu Bruch geht. Aber wenigstens bleibt es sonnig; Petrus hält sein
gestriges Versprechen. Am späten Nachmittag fahren wir genau westlich,
die Sonne blendet uns am späten Nachmittag ständig durch die große
Frontscheibe. Wir
tanken für $ 100 in Lanesboro. Unser Navi liegt schon seit Tagen in der
Kuhle des Dosenhalters am Boden zwischen unseren beiden Sitzen; auch da
unten empfängt es genug Satelliten und arbeitet einwandfrei - und vor
allem hüpft es mir nicht ständig weg. (Ich
weiß auch nicht, warum ich den Sauger für die Frontscheibe so ungern
verwende. Aber hier im Auto wäre das Display des Navis auch wirklich
sehr weit von meinen Augen entfernt. Mindestens anderthalb Meter. Viel
zu weit, um noch Details zu erkennen. Da nützte mir auch die affige
Fernbedienung nichts. Wegen seiner bauchigen Form (TomTom GO 910) läßt
es sich aber auch sehr gut überall hinstellen, ein modernes flaches Gerät
wollte stattdessen immer an seinem Halter angebracht werden.) Ein
weiterer Einkauf in Lenox. MA. Für eine leere Cola-Glasflasche bekommen
wir hier immerhin 5 Cent Pfand zurück. Weiter
geht es südlich über die US-Highways 7 und 23. Später überqueren wir
den Hudson River auf einer der üblichen langen Stahlbrücken. In der
anderen Richtung müßten wir Toll bezahlen. Wir
wollen auch diesmal sichergehen und haben uns schon mittags den weit und
breit einzigen noch offenen Campingplatz in Saugerties, NY ausgesucht.
Eigentlich schade, unsere Fahrtroute wird hauptsächlich durch die
wenigen noch geöffneten Campingplätze bestimmt. Aber sie ist
wenigstens schön und nie langweilig.
(Paßt zu mir: „Keine
Angst, der will nur fahren!“) Unser
Navi führt uns erneut an einen völlig falschen Ort, obwohl ich den
Campground unter den POIs mit seiner korrekten Adresse eingegeben habe,
das TomTom macht manchmal solche Späße mit uns, aber wir sind ja
flexibel, ich gebe jetzt nur die Straße ein und wir fahren einfach
weiter, unser Platz ist tatsächlich noch vierzehn Meilen entfernt. Er
ist auch offen, der „Saugerties/Woodstock KOA Campground“. (Nein,
immer noch nicht das „richtige“ Woodstock, aber das liegt auch hier
im Staat NY, wahrscheinlich weiter südwestlich. Gestern sind wir in New
Hampshire schon durch ein anderes Woodstock gekommen.) Wir
erreichen den Platz kurz vor Sonnenuntergang. Natürlich, ist ja klar,
er schließt am 1. November. Aber heute ist er noch offen und bietet uns
alle Anschlüsse, außer TV, dafür aber wenigstens WiFi. Mit der noch
zuhause ausgefüllten KOA-Karte kostet er ermäßigte (und akzeptable) $
34. Wir stehen wieder in einem ordentlichen sauberen Wäldchen unter
hohen Kiefern und sind offensichtlich die
einzigen Gäste auf dem Platz, es gibt nur noch ein paar ganz wenige
unbewohnte hier wohl immer stehende überwinternde Wohnmobile. Im
letzten Sonnenlicht nehmen wir unsere abendlichen Drinks und rauchen
eine Zigarre (ich). Ingrid:
Bergauf, bergab, Wilf hat seine Freude daran, ich ja nicht so sehr mit
meiner Höhenangst. Wilf
vermisst sein Moped oder den Mustang!!!! (Männer und ihr Spieltrieb!) Mir
gefällt unser Schuhkarton, könnten wir doch einfach noch ein paar Tage
dranhängen. Freue
mich schon wieder auf den Atlantik. Ich mag keine Berge. 11.
Tag Mittwoch,
26. Oktober 2011 Die
Nacht war etwas aufregend, denn die Sirene auf dem Campground gab
dreimal Signal: Feueralarm! Aber zum Glück ist das Unglück nicht hier
auf dem Gelände gewesen, sondern war weiter weg. Jede Menge Feuerwehren
mit unterschiedlichen Sirenen fuhren bei uns vorbei, dazwischen hörten
wir auch noch mehrmals die Alarmsirenen in den umliegenden Orten. Da wir
hier unter hohen Bäumen stehen, beobachtete ich unsere Situation sehr
sorgfältig. Nach der Feuerkatastrophe vor zwei Jahren am Monument
Valley wollte ich nicht noch einmal in eine so schwere Gefahr kommen.
Aber hier blieb alles ruhig und so durfte unser Auto stehen bleiben. Morgens
nieselt es, aber es ist kein Regen, sondern Nebelnässe, die in winzigen
Tröpfchen aufs Dach unseres Autos fällt und doch laut zu hören ist.
Um halbneun stehen wir auf, es sind 44°F (7°C). Der
Typ im gelben KOA-Shirt in der Registration weiß noch nicht einmal, was
heute Nacht konkret los war und wo es gebrannt hat. Er vermutet aber
etwas Größeres, weil so viele Feuerwehren unterwegs waren. Um
kurz nach elf fahren wir endlich los. Inzwischen ist es trocken
geworden. Die Temperatur bleibt heute zwischen 50 und 58°, also kühl;
der Himmel ist trüb. Umso besser ist unsere Stimmung. Besonders,
als wir kurz nach der Abfahrt in Woodstock landen. Sicherheitshalber
frage ich zwei alte Männer, ob es „das“ Woodstock wäre. „Yes Sir, it is!“ Da habe ich mich ja ganz schön getäuscht!
Ich wußte ja, daß Woodstock nördlich im Staat New York ist, aber hier
sieht es gar nicht danach aus, irgendwie habe ich mir den Ort ganz
anders vorgestellt. Achtung,
aufpassen, wichtige Information: Die beiden alten Leute erklären mir
dann nämlich, daß der eigentliche Platz des Festivals von 1969 noch
dreißig Meilen südwestlich (am White Lake, NY) entfernt sein soll, nur
die Organisatoren haben damals hier im Ort gelebt. Zurück
zuhause suche ich ein bißchen bei Google Earth herum und finde den
Platz dann auch: Ø
White
Lake, Bethel, NY
und
dann mit dem Cursor etwas nach links gehen. (Am besten Kopieren und als
gesuchten Ort eingeben.) Hier war das Spektakel damals. Schade, da war
ich mal wieder sehr schlecht vorbereitet. Aber bei der Planung dieser
Reise wußte ich auch noch gar nicht, daß es uns hier in diese Gegend
und überhaupt nach New York State verschlagen würde. Woodstock-Festival
– Wikipedia woodstock
festival - Google-Suche mit
vielen Fotos Naja,
weiter vorne im Ort finden wir dann noch zwei, drei kleine Läden mit
etwas übriggebliebenem Hippieflair von damals. Inzwischen haben sich
hier viele Künstler niedergelassen; Woodstock, NY ist längst eine
kleine Künstlerenklave geworden, mit vielen schönen Dingen in den
Schaufenstern. Ingrid schlägt natürlich gleich zu, aber wir haben ja
nur wenig Platz im Gepäck. Jedenfalls ist das ein weiteres Highlight
unserer Reise. Wir sind begeistert! (Für
Morgen habe ich kurzentschlossen noch ein weiteres Highlight eingeplant,
ich habe auf der Karte gesehen, daß Montgomery, NY nur noch wenig
entfernt ist...)
Wir
bleiben heute in den Catskill Mountains und fahren erst auf einer
schmalen aber umso romantischeren Straße an einem kleinen Flüßchen
entlang, (unsere Straße führt eigentlich ständig an einem kleineren
oder größeren Fluß entlang, schon seit vielen Tagen), und dann auf
der 212, 28 und 30 über Arkville und East Branch nach Roscoe. Hier in
der Gegend ist der Indian Summer längst vorbei, die meisten Bäume sind
kahl, aber braune Blätter haben wir jetzt auch genug gesehen. Unterwegs
in Downsville erzählt uns ein Typ, daß hier kürzlich schweres
Hochwasser alles schlimm verwüstet hat, alle Orte wurden überschwemmt,
eine Katastrophe, besonders Margaretville, hat schwer gelitten. Das
Wasser des Delaware River stand bis zu zwei Metern in den Häusern, ein
neu gebauter millionenschwerer Supermarkt ist einfach von den Fluten
zerlegt und weggespült worden, nichts ist davon übrig geblieben.
Einfach, als wäre er nie dagewesen! Vorhin haben wir schon über längere
Zeit jede Menge abgebrochene Bäume, Holzreste und anderes Treibgut
herumliegen sehen. Es wird wohl noch lange dauern, bis alles wieder
aufgeräumt ist. Natürlich auch eine Folge des Tropical Storm Irene. Insgesamt wurden allein hier und in der
unmittelbaren Nähe 229 Häuser von den Wassermassen zerstört.
(Bei YouTube findet man zahlreiche Videos der Katastrophe.) Ausnahmsweise
nehmen wir für ein paar Kilometer die Autobahn Interstate 86. Auch
sie ist in einem desaströsen Zustand und deshalb sind hier auch nur 55 mph
erlaubt. Wann sollen die Straßen eigentlich mal repariert werden? New
York City ist nah und nur noch 122 Meilen entfernt. Ingrid würde
gerne, aber da dürfen wir mit unserem Dickschiff sowieso nicht rein,
gesetzlich verboten. Gegen
vier sind wir an unserem heutigen Ziel: „Russell Brook Campsite“,
der glücklicherweise auch erst am 31. Oktober geschlossen wird. Die
Besitzer sind auf einer Beerdigung, deshalb führt uns ein bärtiger
Helfer an unseren Stellplatz, unter hohen Bäumen direkt am Ufer eines
munter rauschenden Baches. Wenigstens haben wir Strom und Wasser, kein
WiFi, kein TV. Auch hier sind wir wohl die einzigen lebendigen Gäste.
Ingrid:
Woodstock, ja das war es!! Sofort denk ich an meine Jugend! Ist ja noch
nicht so lange her. (Ha,ha! Wilf.) Ein paar alt gewordene vergessene
Hippies sind auch noch da, ich bliebe am liebsten auch gleich hier! Love, Peace and Happyness! Wilf
hat dafür kein Verständnis. (Stimmt
gar nicht! Wilf) Er fährt
einfach weiter. (Stimmt! Wilf) Spielverderber!!!
(Einer muß ja vernünftig bleiben. Wilf) love
peace and happiness - Google-Suche mit
vielen Bildern 12.
Tag Donnerstag,
27. Oktober 2011 Regentropfen,
die auf mein Hausdach klopfen... Es
scheint hier normal zu sein, daß sich nachts und morgens im Nebel über
einem Tropfen bilden und dann einfach runterfallen. Aber es ist kein
richtiger Regen. (Hoffe ich.) Schon wieder schlafen wir lang, herrlich
lang, fast wie die Murmeltiere, oder wie die buschigen Eichhörnchen des
nachts, die alle Tage leichtfüßig und elegant um uns herumhüpfen,
possierlich spielen, die Bäume rauf- und runterklettern und dabei ihren
Futtervorrat für den Winter aufstocken. Um acht stehen wir endlich auf.
Um elf bezahlen wir unseren Stellplatz im Office.
Hier am Gebäude haben wir WiFi und deshalb sehe ich im Laptop noch
schnell die Adresse nach, wo wir heute hinwollen. (Hätte ich nicht
gebraucht, man fährt direkt dran vorbei.) Ingrid füttert derweil die
Enten. Dann geht’s auch schon los. Eigentlich
hätten wir auch liegen bleiben können, denn diesen Tag können wir
abhaken und vergessen. Es regnet in einem fort,
in der Nacht fing es an und bis zum Abend ändert sich nichts.
Dazu ist es nur um die 50°F warm, äh, kalt. Außer,
daß es ein Regentag wird, wird es auch ein Autobahntag. Wir gehen
gleich wieder auf die I 57 und dann ein kurzes Stück auf die Landstraße
17K. Schon sind wir in Montgomery und kurz darauf in Newburgh, NY.
Ingrid weiß immer noch nicht, wo es heute hingehen wird, sie ist
ratlos. Meine sibyllinischen Andeutungen helfen ihr auch nicht wirklich
weiter. Doch
dann, direkt an unserer Straße, sehen wir es, das Hauptgebäude von OCC,
Orange County Chopper!! Direkt neben dem riesigen Flughafen Newburghs.
Ihre Show ist ja zuhause schon seit zig Jahren meine wichtigste
Lieblingssendung im Fernsehen. Ich gehöre schon fast zur Familie. Jetzt
bin ich endlich da, im OCC‑Headquarter! Orange
County Choppers – Wikipedia Jede
Menge bekannte Themenbikes stehen hier herum, dazu gibt es reichlich
OCC-Klamotten. Wir sind beide begeistert und kaufen natürlich ein paar
Kleinigkeiten. Paul ist zwar nicht da, Paulie und Mikey natürlich schon
gar nicht, dafür sehen wir aber hinten in der vom Fernsehen her
bekannten Werkstatt tatsächlich Mike Ammirati und Rick Petko an ihrer
gewohnten Arbeit. Leider müssen die Besucher durch eine Art Lochwand
gucken, sodaß keine brauchbaren Fotos möglich sind. Ein roter Hummer
steht draußen vor dem Eingang zur Werkstatt. Ist Mr. Paul Teutul
Sr. vielleicht doch im Haus? Aber wir haben keine Zeit zu warten.
Nach
einer Stunde haben wir alles gesehen und suchen uns unseren heutigen
Campground im dicken Buch aus. Viel Auswahl gibt es leider nicht, auch
hier sind die meisten Plätze längst geschlossen. Wir
sind rasch wieder auf der Autobahn I 84. Für die Riesenbrücke über
den Hudson müssen wir für unser Dickschiff $ 2,50 Toll bezahlen (Pkw
übrigens immer viel weniger, in der Regel immer nur ein, zwei Dollar).
Bald darauf sind wir in Connecticut. Das WelcomeCenter ist geschlossen,
obwohl das offiziell erst in ein paar Tagen geschehen soll.
Hier
ist die Foliage noch im vollen Gang, nur interessiert sie uns jetzt im
Dauerregen und auf der katastrophal schlimmen Autobahn kaum. Mit einem
Pkw fällt einem der bedauernswerte Zustand der Straßen wahrscheinlich
nicht so sehr auf, aber in unserem Schuhkarton ist es oft unerträglich,
alles klappert ständig, die Kiste schüttelt sich ununterbrochen. Man
hat eigentlich immer Angst, daß plötzlich eine Tür aufspringt und
irgendetwas kaputt geht. Wie sollen die Straßen hier oben im Nord-Osten
nur je in Ordnung gebracht werden, wo will man anfangen, wenn einfach
alles kaputt ist? Zum
Schluß fahren wir noch ein paar Meilen Landstraße bis Watertown,
unserem heutigen Ziel. Hier tanken wir für $ 3,59.
Angenehm, der „Branch Brook Campground“ ist gut beschildert,
liegt direkt an unserer Straße und ist diesmal wieder rasch gefunden.
(Er schließt übrigens auch am 1. November. Insoweit haben wir ja noch
etwas Glück im Unglück, ein paar wenige Campgrounds sind noch ein paar
Tage geöffnet, oft bis 31. Oktober, wir müssen uns nur schon mittags
einen aussuchen und unsere Fahrtstrecke dann danach ausrichten. Wenn wir
nach dem 1. November hier herumführen, wäre alles viel schwieriger!) Die
Registration ist unbesetzt, jede Menge Zettel mit Hinweisen,
Vorschriften, Geboten und Verboten sind an die Tür genagelt. Wie
Luthers 95 Thesen. Wir müssen uns unseren Stellplatz selbst aussuchen,
ein „Receipt“ (Anmeldeformular)
ausfüllen und zusammen mit vierzig Dollar in bar, (Kreditkarten werden
hier grundsätzlich nicht angenommen), durch einen schmalen Schlitz in
der Mitte der Tür durchschieben.
Im
Wetterkanal werden Schnee und Graupel und Temperaturen zwischen 28 und
48°F vorhergesagt. Heute
kocht Ingrid mal kein Menü, es gibt stattdessen eine Pizza; also nur
Warmmachen, kein Kochen und kein Abspülen. Im Fernseher sehen wir eine
Show mit Bob Ross „The Joy of
Painting“, den wir so sehr lieben (seine Bilder ja nicht so sehr,
aber wie er malt und wie angenehm er spricht); vor ein paar Tagen haben
wir schon einmal an ihn gedacht... bob
ross - Google-Suche mit
vielen Fotos seiner Bilder Wegen
des Regens gibt es leider auch keine Zigarre. Merkwürdig, die
Regentropfen sehen sehr hell aus und fallen viel langsamer als vorhin.
Sind wir Morgen früh vielleicht eingeschneit? Mein
Steißbein sendet noch immer sein Feedback an mein Schmerzzentrum. Warum
muß ich jetzt eigentlich auf jeder großen Reise irgend so ein
schmerzhaftes und lästiges Problem haben? Ingrid:
OCC! Jede Frau möchte da mal hin, sagte Wilf zu mir. Deshalb kam
ich nicht drauf. Fantastisch all die tollen Bikes zu sehen. Ich überlege
nur, ob man auch damit fahren kann. Man braucht auf jeden Fall laaange
Arme. Bequem sind sie bestimmt auch nicht. Meine Dragstar ist mir
jedenfalls lieber. Ein trotz des Regens schöner Tag!
13.
Tag Freitag,
28. Oktober 2011 In
der Nacht haben die Zwerge aufgehört, Erbsen aufs Dach zu werfen, d.h.
es hat aufgehört zu regnen. Schnee gibt’s auch keinen. Um viertel vor
acht kommt die helle klare Sonne über den Hügel und begrüßt uns mit
herrlichem Herbstlicht. Aber es ist wieder saukalt draußen, Pfützen
und Gras sind (noch) gefroren. Ich bin ganz allein hier draußen. Die
wenigen übrig gebliebenen Blätter an den Bäumen leuchten in allen
goldgelben Farben. Leichter Nebel steigt aus dem ganz zart plätschernden
Bach vor mir auf. (Da muß man
einfach an das „Oktoberlied“ von Theodor Storm denken: „Der
Nebel steigt, es fällt das Laub…“) Unser
Reiher von vor ein paar Tagen ist wieder da; er guckt immer noch so
stoisch in die Gegend. Der Arme friert bestimmt. Meine
Nase sendet kleine Atemwölkchen aus. (Wie ein Taucher seine
Luftblasen.) Die Wasserleitung ist auch wieder eingefroren. Nach
unserem Frühstück sehe ich zuallererst im Computer nach dem Wetter,
aber das bleibt heute wirklich sonnig. Versprochen! Jetzt muß ich uns
nur noch eine angenehme Route aussuchen, dann steht einem weiteren schönen
Tag nichts mehr entgegen.
Wie
immer trödelt Ingrid etwas herum, sodaß wir mal wieder erst nach elf
Uhr loskommen. Auf dem autobahnähnlichen Expressway 8 fahren wir nordwärts,
der sich später in eine ganz normale Landstraße verwandelt. Hier überqueren
wir auch wieder mal die Grenze von Connecticut nach Massachusetts. Die
Straße steigt ständig etwas an, rechts und links wird es weiß.
Schnee! Er wird immer vorherrschender, je höher wir kommen. Jede Menge
Schneepflüge begegnen uns nach getaner Arbeit auf ihrem Heimweg. Und
wir haben natürlich keine Winterreifen drauf, Winterausrüstung schon
gar nicht. Ingrid bekommt natürlich gleich wieder Angst. (Ein dickes
Buch: Frauen und ihre Ängste...)
Ab
Otis geht es östlich und dann bald durch ein größeres Stadtgebiet,
Northampton und Amherst. Leider müssen wir hier durch, Ampeln mit
langen Staus quälen uns hier. Da, plötzlich entdeckt Ingrid ein
Schild: Durchfahrtshöhe an einer alten abbruchreifen Eisenbahn-Brücke
direkt vor uns nur 11 Fuß! Und wir sind 13 Fuß (= ca. 3,96 Meter)
hoch!! Obwohl wir auf der Hauptdurchgangsstraße fahren! Ich kann gerade
noch rechtzeitig abbiegen. Die nächste Brücke ist noch niedriger! Also
fahre ich erst einmal am Bahndamm entlang ohne ihn zu unterqueren. Da
die Autobahn nur wenig entfernt ist, mache ich einen kleinen Umweg über
diese und schaffe es schließlich, die niedrigen Brücken zu
umgehen. Ingrid
entdeckt aber auch so manches Positive, nämlich einen Walmart, leider
etwas zu spät. Also wieder einen Schlenker zurück und dann sind wir
da, in unserem Einkaufs-Paradies. Nanu, was ist denn das? Der Walmart
ist ja ganz klein, viiiel zu klein! Ich Schussel habe nicht aufgepaßt.
Das ist hier nur ein ganz „normaler“ Walmart, kein SuperCenter. Hier
gibt es hauptsächlich Non-Food und nur ganz, ganz wenig Lebensmittel,
viele Fächer vernachlässigt, kein Eis, kein vernünftiges Brot, kaum
Gemüse, so gut wie kein Fleisch. Anschließend
wird für $ 3,51 getankt. Danach geht es über ein paar schmale Straßen
weiter. Ich muß mit der großen Kiste ständig aufpassen, um keine Äste
oder vorwitzig in die Straße ragenden Schilder oder gar Briefkästen zu
streifen. Auch enge Kurven und Abbiegungen aller Art verlangen besondere
Aufmerksamkeit, denn unser Hinterteil will gerne mal den Weg abkürzen,
z.B. mit den Hinterrädern über Bordsteine an Ecken rollen, Schilder
umreißen, Bäume streifen oder sonstigen Schabernack machen. Man muß
also immer, wirklich immer, auf alles Mögliche achten. Unzählige
Kabel sind quer über die Straßen gespannt, wir haben ständig Sorge,
daran hängenzubleiben. Draußen
war es den ganzen Tag herrlich sonnig, aber kalt, sehr kalt, nur knapp
über null Grad Celsius. Gegen
17 Uhr treffen wir am mittags von uns ausgesuchten Campingplatz ein: „Pine
Acres Familiy Camping Resort“ in Oakham, MA. Der Platz liegt im Wald
und an einem wunderschönen See. Unser Stellplatz kostet feste 38 Dollar
und ich kann leider mal wieder nichts runterhandeln.
Flüssiggas
muß auch getankt werden. (LPG
= Liquefied Petroleum Gas.) Zum
Glück gibt es eine Füllstation hier auf dem Gelände. Schock: Eine Füllung
mit zwanzig Gallonen Propane kostet exakt siebzig Dollar! Reichlich teuer. Ob das korrekt
ist? (Ja,
war es, ich habe mich am nächsten Tag bei einer anderen Gastankstelle
erkundigt; der Preis war mit zehn Dollar nur leicht überhöht und
gerade noch akzeptabel. Wieder zu Hause sehe ich noch einmal genauer
nach und finde Preise zwischen $ 1 und $ 5 pro Gallone, die meisten aber
zwischen zwei und vier Dollar, in der Praxis wird man zwischen $ 3,50
bis $ 4,00 bezahlen müssen.) Der
Typ vom Gas kündigt uns für Morgen einen heftigen Schneesturm an. Es
werden tatsächlich 60 Zentimeter Schnee erwartet! Und mehr! Vor allem
auch für Rhode Island, wo wir eigentlich hinwollten. Oberhalb von NYC
die gesamte Ostküste rauf. Offenbar wird der Sturm durch die Tide
(ansteigende Flut) auf dem Meer verschlimmert, jedenfalls verstehe ich
den Typ so. Das bedeutet, daß wir Morgen früh hier etwas eher abfahren
sollten. Außerdem rät uns der Typ, heute Abend den Wetterbericht im
Fernsehen anzuschauen. Je nachdem, was ich dort erfahre, soll ich dann
ggf. unsere geplante Fahrtroute noch etwas abändern. Aber ich mache mir
erstmal noch keine Sorgen. Ist ja schließlich Abenteuer... Richtig,
im TV sehen wir Berichte, daß es in New York City und überhaupt hier
in der Gegend so früh nur selten um diese Zeit Schnee gab und vor
Halloween schon gar nicht. Ob das wieder nur die gewohnte
Sensationsmache des US‑Fernsehens ist? Die kleinste Unwichtigkeit
wird sofort zur Katastrophe erklärt und mit allen Mitteln hochgepuscht.
Und immer gibt es Augenzeugen, die alles hautnah beobachtet haben oder
ihre Kommentare dazu abgeben. Die sind hier ja groß mit solchen
Wahrheitsveränderungen. Noch schlimmer als bei uns RTL... Ingrid:
Unsere Schneeballschlacht hat er natürlich „vergessen“, die habe
ich nämlich gewonnen! (Aber nur, wenn man wie eine Frau auch halbe
Treffer und sogar Wenig-Streif-Schüsse mitzählt! Wilf) Und
dann, ganz wichtig: Erst Woodstock, dann Massachusetts. Die BeeGees
lassen grüßen. Viele Erinnerungen aus meiner (und unser beider) Jugend
sind wieder hervorgekommen. 14.
Tag Samstag,
29. Oktober 2011 Nanu?
Blauer Himmel um halbacht, in einer halben Stunde kommt bestimmt die
Sonne über die Bäume hoch. (Ingrid ist skeptisch und glaubt es mir
noch nicht.) Ist der Schneesturm auf einen anderen Termin verschoben
worden? (Wie bei einem Konzert: „In drei Wochen. Alle Karten behalten
ihre Gültigkeit“.) Wäre mir ja am liebsten. Dann sind wir längst
wieder zu Hause. Aber
erst einmal frühstücken wir ganz in Ruhe. Und tatsächlich, Ingrid behält
recht, der Himmel hat sich schon wieder zugezogen. So schnell geht das
hier. Inzwischen
wird der Wintersturm für heute Abend sechs Uhr angekündigt. Vor allem
Schneeschieber und kleine Schneefräsen werden in den Geschäften knapp.
Man sieht fast leere Fächer mit den letzten paar Schneeschaufeln. Die
Leute kaufen aber auch alle anderen Dinge ein, Decken, Flüssiggas,
Lebensmittel, Trinkwasser und tanken ihre Autos und Benzinkanister voll.
Auf jeden Fall erhöht so eine Sturmwarnung schlagartig die Umsätze.
Alle unnötigen Fahrten soll man morgen, Sonntag, vermeiden. Man hofft,
daß sich bis übermorgen, Montag auf Dienstag, die Halloween-Nacht, das
Wetter wieder halbwegs beruhigt hat. Wir
starten um zehn Uhr. Auf jeden Fall nehme ich heute den direkten Weg,
nur Autobahn. Boston Area breitet sich hier wie ein Riesenkrake aus,
eine Stadt an der anderen. Und auf Stadtverkehr habe ich echt keine
Lust. Eigentlich
schade: Ich wollte ja auch Rhode Island auf meiner Liste der gewesenen
US-Staaten abhaken zu können. Das kann ich jetzt leider vergessen.
Unser Ziel für heute ist nur 135 km und 1:45 Stunden entfernt. Das
sollte ganz in Ruhe zu schaffen sein. Wenn es dann noch möglich ist, können
wir ja dort noch eine kleine Runde ans Meer fahren. Inzwischen
weiß ich, daß wir definitiv die falsche Jahreszeit für unsere Reise
ausgewählt haben; eine solche Tour muß man einfach im Hochsommer
machen! Egal, mit welchem Fahrzeug. Dann lebt alles, nichts ist einem
verschlossen, einfach purer Spaß und viel Freude. (Aber auch extrem überlaufen!)
Jetzt ist hier doch alles recht herbstlich. Aber bitte nicht falsch
verstehen, wir haben trotzdem sehr viel Spaß und gute Laune – und
sehen und erleben Vieles, was wir sonst nicht erlebt hätten. Für uns
beide war es richtig, die Erfahrungen dieser Reise zu machen. Vorhin
auf der samstäglichen Landstraße gab es wenig Verkehr, aber hier auf
der Interstate I 90 (Massachusetts
Turnpike für günstige
90 Cent) und später auf der I 495 ist es umso voller, aber nie zähflüssig. In
Worcester tanken wir erneut (für $ 3,35); endlich ist der Tank mal ganz
voll. Weil wir gestern bereits getankt hatten, ist der Tank mit knapp 80
Dollar jetzt endlich mal wieder bis zum Rand gefüllt. Die Uhr schaltet
allermeistens bei 75 oder 100 Dollar automatisch ab und man müßte neu
beginnen, wozu ich meistens zu faul bin. Übrigens, überall wurde die
Kreditkarte beim Tanken ganz einfach angenommen, nur in Connecticut gab
es Schwierigkeiten und ich mußte die Kreditkarte an der Kasse
hinterlegen.
Endlich,
Ingrid ist in ihrem Element, wie ein Fisch im Wasser: Wir haben
unterwegs kurzen Stopp gemacht, im „Wrentham Premium Outlets“. Zwei
Stunden lang kauft sie ein und läßt ihre Kreditkarten glühen. Für
mich gibt es hier leider nichts. (Bin ja genügsam, habe ja gestern im
Walmart eine günstige Jeans bekommen.) Ich
persönlich halte sowieso nicht viel von dieser Outlet-Masche, für mich
ist das meistens (ich bitte die geneigten Leser um Entschuldigung)
Beschiß. Ich war schon in zu vielen Outlet-Centern. Ganz selten kann
man mal etwas Gutes wirklich günstig bekommen. Vor einem Laden (auf
jeden Fall keine Edelmarke) warten die Leute und es wird immer nur einer
reingelassen, wenn ihn ein anderer verläßt. Was für ein Getue! Ich
warte lieber im Auto. Der riesige Parkplatz ist jetzt um 12 Uhr bis auf
den letzten Platz voll. Was für ein Ansturm! Im
Internet fand ich später zuhause durchweg positive Bewertungen. Man
sollte sich aber vorher online anmelden und erhält dann ein kostenloses
Couponheft, das sonst fünf Dollar kostet. (Wenn man es vorher weiß, könnte
man es ja auch noch hier unterwegs übers kostenlose WiFi machen.) Wrentham
Village Premium Outlets Es
ist etwas dunkler geworden, es regnet heftig; der Wintersturm wirft
seinen langen Schatten schon voraus. Schwer bepackt kommt Ingrid
gutgelaunt und mit breitem Grinsen zurück. Hoffentlich paßt das alles
in unsere Koffer. Als Ausgleich bekomme ich wenigstens eine warme (natürlich
Campbell’s) Tomatensuppe und bin dann auch glücklich. Campbell
Soup Company – Wikipedia 1:00
Uhr pm. Es schüttet. (Nur gut, daß das kein Schnee ist!) Angenehm,
daß es hier in den USA so gut wie keine Spurrillen gibt. Es fahren in
der Regel ja auch nur wenige große Lkw herum. Lkw dürfen übrigens
fast immer so schnell wie Pkw fahren, rund um die Uhr, rund um die
Woche. (Meistens sind sie aber deutlich schneller als erlaubt. Ich mache
ihnen immer bereitwillig Platz. Oder behalte meine Spur, damit sie
rechts oder links vorbeiziehen können. Egal ob ich mit Moped oder Auto
unterwegs bin.) Auch
diese Autobahn ist in schlechtem Zustand. Besonders nerven sämtliche Brückenanstöße,
auf unserer gesamten Tour, da hüpft unsere Kiste immer besonders hoch
vor Freude. Brücken sind überhaupt ein Problem, wir müssen ständig
aufpassen, daß wir auch drunter durch passen. Manchmal ist nur noch ein
Fuß Luft nach oben, also eigentlich genug (über 30 Zentimeter).
Trotzdem ziehen wir oft genug unwillkürlich die Köpfe ein und warten
darauf, daß das Dach oder zumindest irgendetwas von den Aufbauten
abgerissen wird. Ingrid achtet vorbildlich und peinlich genau auf die
Schilder vor Brücken mit der jeweiligen Höhenangabe. Unser
Auto kann auch Pfeifen. So bei zwischen fünfzig und sechzig Meilen pro
Stunde fängt es an. Da das auch bei dem ersten Wohnmobil so war, nehme
ich an, daß man es absichtlich so eingerichtet hat, damit die Mieter
weniger schnell fahren. Auf
der Interstate (Autobahn) sehen wir immer wieder Schilder, die darauf
hinweisen, daß Abfall zum Fenster hinauszuwerfen bis zu 10.000 Dollar
Strafe kosten kann. Oder: Zweimal in der Baustelle zu schnell fahren,
kostet sofort den Führerschein. Beides sollte man bei uns auch
unbedingt einführen. Wir
sind gegen 14:30 Uhr an unserem heutigen Campingplatz, „Boston/Cape
Cod KOA“ in Middleboro, MA für 38 Dollar. (Es gab immerhin korrekte
zehn Prozent Nachlaß mit der KOA-Karte.) Wir haben jetzt keine Lust
mehr, bei dem Wetter die eigentlich noch möglich gewesene Runde ans
Meer zu machen. Im heftigen Regen schließen wir uns an die
Versorgungsleitungen an, verbringen einen kuscheligen Nachmittag und
machen unsere Tür nach draußen erst gar nicht mehr auf. Ingrid schmökert
in einem ihrer Bücher und ich beschäftige mich mit meinem
Reisebericht. TV gibt es nicht, dafür aber WiFi. Ist immerhin besser
als gar nichts von beidem. Und die Freuden des Internets können ja sehr
vielfältig sein. Ungesehene DVDs haben wir ja auch noch dabei. Schnee
soll höchstens über Nacht fallen und wenn, dann auch nur wenig, also
alles im grünen Bereich. Übrigens: „Myvideo.tv“ läuft hier in den
USA nicht. Wie
brave Kinder liegen wir um neun Uhr abends schon im Bett und zählen
Regentropfen. Ingrid:
Kälte und Regen machen uns doch nichts aus. Solange wir gemütlich im
Warmen sitzen können. 15.
Tag Sonntag,
30. Oktober 2011 Wie
vorhergesagt, liegt morgens etwas Schnee herum. Ich möchte mir nicht
vorstellen, wie es jetzt weiter oben in den Bergen aussieht. Da hätten
wir mit unserer Kiste bestimmt ein paar Probleme bekommen. (Oder wir müßten
einfach noch zwei, drei Stunden abwarten.) Zunächst sah es ja nicht
danach aus, aber gegen acht Uhr erkennt man schon ganz kleine blaue
Stellen in der schnell dahin ziehenden Wolkenschar. Passend
zum Draußen singt Andrea Berg von Winterzeit und Weihnachten
(„Eisblumen blüh’n“). Etwas melancholische Gedanken schleichen
sich zusammen mit dem Saxophon-Solo in unsere Köpfe, morgen Abend ist
Schluß, übermorgen früh müssen wir unser liebgewonnenes Wohnmobil
abgeben. Und dabei könnten wir leicht noch ein paar Wochen anhängen.
Am liebsten würden wir es zurück in seine Heimat nach California
bringen. Ja, das wäre es! Da unten sind es immer noch bis zu dreißig
Grad, Celsius-Grade wohlgemerkt! Mit jedem Tag würde es sonniger und wärmer
werden. Schade, geht aber nicht. Zwei Wochen sind ganz einfach viiiel zu
wenig, nächstes Mal fahren wir ein halbes Jahr herum. Bestimmt!
Versprochen! ... Bei
Bourne fahren wir über eine große (kostenlose) stählerne Riesenbrücke
und sind jetzt auf Cape Cod, („Cod“
= Kabeljau) einer langen Halbinsel. Die Insel wurde entweder so genannt,
weil sie einem Kabeljau ähnlich sehen soll, (ich sehe eher den Arm
eines Muskelmannes vor mir), oder weil hier früher viel Kabeljau
gefangen wurde.
cape
cod - Google-Suche mit
vielen Fotos Wir
nehmen den Highway 28 runter nach Süden bis Falmouth, der dann nach
Osten weiterführt. Jede Menge Cranberry-Felder gibt es hier. Die
Pflanzen stehen im Wasser und in kleinen Arrondierungen, sind aber
gerade abgeerntet worden. Eine Herde Turkeys
(Truthähne) watschelt betont langsam über die Straße, alle
Autos halten friedfertig an. cranberry
fields - Google-Suche mit
vielen Fotos Wegen
des Sturms liegen viele Äste auf der Straße, ich muß ständig
ausweichen. Plötzlich Gefahr: Ein vom Wind gefällter Baum versperrt
uns hinter einer Kurve unsere Hälfte der Fahrbahn. Niemand kümmert
sich darum. Der Name des Teaticket-Highway bleibt uns wegen seines
Namens noch einige Zeit in Erinnerung. Eigentlich
sind wir jetzt wieder am Atlantik, aber von Meer ist nichts zu sehen.
Noch lange nicht. Alles bebaut. Von Schnee übrigens auch schon lange
nichts mehr. Wahrscheinlich hätten wir unsere Reiseroute also gar nicht
ändern müssen. Schade, Rhode Islands habe ich offenbar unnötigerweise
gecancelt. Elf
Kreisverkehre haben wir auf der gesamten Fahrtstrecke gesehen. Sechs
davon heute hier auf Cape Cod. Sie heißen hier oben im Nord-Osten übrigens
„Rotary“. (Habe in anderen
Gegenden auch schon „Traffic
Circle“ und „Roundabout“
gelesen.) Auf jeden
Fall haben Amerikaner manchmal ihre Probleme damit, egal wie sie heißen… Und
acht Windräder. (Bei uns in Deutschland sind es auf hundert Kilometer
schon mindestens fünfzig (oder hundert) Stück. Also, von Wind-Energie
usw. halten die Amerikaner (immer noch) nicht so viel.) Unterwegs
finden wir ein weiteres Outlet, wo Ingrid schnell nochmal zwischendurch
erneut ihren (eigentlich) unstillbaren Appetit auf Klamotten befriedigt.
Ich auch. Ich bekomme Schal und Mütze von ihr gekauft. Und
ein Einkauf für die letzten beiden Tage muß auch noch sein. Damit wir
nicht verhungern. Übrigens, jetzt weiß ich auch, wo der Ausdruck
„Spam“ wirklich herstammt. Es ist Fleisch in Dosen. Bei uns
wird es ganz normal „Frühstücksfleisch“
genannt und in den gleichen Dosen verkauft – nur mit anderer
Aufschrift. Frühstücksfleisch
– Wikipedia „Achtung!
Spam!“ Eine
Stunde fahren wir an der Küste entlang nach Norden hinauf, bis wir
endlich mal ans Meer (und an einen Leuchtturm) abbiegen können. Mann,
sind die Wellen hier hoch! Unwahrscheinlich hoch! Gewaltig! Das ist
endlich mal eine Brandung! Absolut beeindruckend!
Gegen
drei sind wir am Ende der Halbinsel ganz oben im Norden am Provincetown Municipal Airport. Aber das hätten wir uns alles auch
sparen können, es gibt außer vielen Dünen und der schon erlebten
Brandung nicht viel mehr zu sehen. (Ich habe mir die Spitze hier
eigentlich mehr wie in Key West vorgestellt.) Mit
dem großen unhandlichen Auto muß ich fast alle zuhause ausgesuchten
Besichtigungspunkte ausfallen lassen, es wäre viel zu beschwerlich. Man
kann nicht einfach am Straßenrand (Achtung, sehr gefährlich, soll man
eigentlich nicht machen!) oder in einer Parkbucht schnell mal anhalten
oder wenden, wie z.B. mit einem Pkw oder Motorrad, um ein Foto
nachzuholen oder etwas zu besichtigen. Leuchttürme und alles andere müssen
wir deshalb fürs nächste Mal und für ein normales Auto aufheben. (Und
dabei habe ich extra zwei dicke Reiseführer mitgenommen. Das also ist
der (einzige) Nachtteil in einem so großen unhandlichen Fahrzeug.) Aber
auf der anderen Seite ist es auch nicht zu verachten, immer Küche,
Wohn- und Schlafzimmer, Kühlschrank, Klo, Waschbecken und alles Mögliche
an Bequemlichkeit ständig dabei zu haben. Eigentlich ist es so, daß
man in seinem Haus sitzt und die Landschaft an einem vorbeiziehen läßt.
- Und aus seinem Luxus-Dampfer auf alle anderen Verkehrsteilnehmer in
ihren „einfachen“ und kleinen Fortbewegungsmitteln
herunterschauen zu können, ist auch nicht zu verachten... Die
Zeit wird etwas knapp, Ingrid möchte ungern im Dunkeln ankommen,
deshalb wenden wir schließlich unseren Dampfer und sausen auf der
Schnellstraße Hwy 6 ca. achtzig Kilometer zurück. Unser
heutiger Campground liegt noch auf Cape Cod, in South Dennis, und
heißt „Old Chatham Road RV Resort“. Morgen, am 31. Oktober ist
auch hier der letzte Tag. Gegen halb fünf treffen wir ein. Niemand ist
mehr im Office der Registration. Aber das ist kein Problem, bei solchen
Sachen sind die Amis (manchmal) ja recht pragmatisch. Es stecken ein
paar Zettel mit je einem unterschiedlichen noch freien Stellplatz in
einer Art Briefkasten. Der Reisende nimmt sich einen der hellblauen
Zettel heraus und fährt den dort aufgeführten Platz an. Bezahlt wird
am nächsten Morgen nach acht Uhr, wenn die Registration wieder besetzt
ist. So einfach kann man es auch machen. Leider weder WiFi noch TV, dafür
mit den angekündigten $ 48 nicht ganz billig.
Übrigens
„US-Highway 6“. Er führt quer durch den gesamten
amerikanischen Kontinent, „from
coast to coast“, von hier oben in Provincetown bis rüber nach
Long Beach bei Los Angeles und ist exakt 3.205 Meilen (5.158 km)
lang. Vielleicht fahre ich ihn demnächst mal ab... U.S.
Route 6 - Wikipedia, the free encyclopedia Ingrid:
Heute war ein ausgesprochen schöner Tag, Einkaufen und den Atlantik
bestaunen. Was will ich mehr. Ich würde auch bis Long Beach
weiterfahren. Wärmer würde es von selbst werden. 16.
Tag Montag,
31. Oktober 2011 Schade,
heute ist unser letzter Tag, morgen Vormittag muß die Kiste zurückgegeben
werden. Wir stehen um halbacht auf. Auch hier waren wir recht gut von
den uns umgebenden Bäumen gegen den starken Wind geschützt und konnten
wieder prima schlafen. Ist ja auch außer uns und den Eichhörnchen fast
niemand auf dem großen Platz mit den vielen fest aufgebauten Mobilhomes und
Wochenendhäusern zu sehen. So ruhig war noch keine Nacht bisher.
Angenehm: Die drei weiteren Stellplätze neben uns für mobile Reisende
mit RVs (Recreational Vehicle =
fahrbares Wohnmobil) sind leer geblieben. Rein
rechnerisch sind es heute über die Autobahn nur knapp zweihundert
Kilometer bis zum Ort der Rückgabe. Autobahn (lt. Navi mit Maut) muß
heute sein, denn wir fahren genau nach Norden rauf und müssen durch das
riesige Stadtgebiet von Boston. Mal sehen, wie es klappt. Zwei, drei
kleine Schlenker an die nahe Küste habe ich trotzdem schonmal
eingeplant. Wir haben ja Zeit. Aber
erst einmal genießen wir unser Breakfast.
Zum letzten Mal. Morgen früh das allerletzte (Henker-)Frühstück kann
man ja eigentlich nicht so nennen. Das ist dann einfach zu unruhig, denn
dann wird eingepackt, ausgeräumt und abgerechnet und wir werden
(hoffentlich) zum Flughafen nach Boston gebracht. Die
Sonne taucht schon um halbacht über den Bäumen auf und beglückt uns
durch ihre freundliche Anwesenheit. Sie verspricht uns zum Abschied
einen letzten schönen Tag. Aber es ist natürlich erneut sehr kalt.
Heute lassen wir uns Zeit. Leider hat man sich immer erst am Ende seines
Urlaubs so richtig eingelebt und eingewöhnt. An- und Abnabeln des Autos
läuft jetzt wie geschmiert, jeder weiß, was er zu tun hat, wir sind
eben ein inzwischen eingespieltes Team. An der Ausfahrt bezahle ich
unseren Stellplatz, um fünfzehn Prozent heruntergehandelte vierzig
Dollar. Um viertel vor elf starten wir in unser letztes Abenteuer. Wir
fahren erst einmal ein paar Kilometer an die Küste. Aber wie schon
gestern, kommen wir gar nicht in Sichtweite des Wassers. Vielleicht
sollte ich das Navi zu Rate ziehen, aber das große Auto läßt halt
vieles, was sonst so einfach ist, nicht zu. Deshalb sind wir schnell
wieder auf dem Hwy 6 und über die große Brücke bei Bourne. Weiter auf
Hwy 3 und dann biegen wir noch einmal ab, auf den Hwy 3A. Eine schöne
Straße an wunderschönen vornehmen Häusern vorbei, eng, mit vielen
Schildern und Ästen, die gerne auch in die Straße ragen, aber es geht.
Die Seitenstraßen sind übrigens in den meisten Fällen für unser
Dickschiff sehr schmal und sie schreien eigentlich ständig nach höchster
Aufmerksamkeit. Plötzlich
ein Schild: Nächste Brückenhöhe 13“ 1'! Unser Auto ist 13
Fuß hoch, also bleiben ca. 2,5 Zentimeter übrig. Soll ich es
riskieren? Ingrid meint Nein, warum ein Risiko eingehen, also gebe ich
nach, wende unseren Dampfer und
fahre zurück auf die Schnellstraße. (Obwohl, ein bißchen bedauere ich
es hinterher, bestimmt haben die Leute von Moturis noch genug „Luft“
nach oben miteingerechnet. Ich kann mich jedenfalls noch genau an eine
irgendwo gelesene Höhe von 11“ 7' erinnern.) Später
versuchen wir noch den anderen geplanten kleinen Abstecher ans Meer.
Diesmal klappt es und wir werden zufälligerweise mit dem wunderschönsten
Panoramablick belohnt: Wir können im Sonnenlicht und bei herrlich
blauem Himmel die gesamte Halbinsel Cape Cod bis ans Ende überblicken!
Den gesamten Bogen! Da, ganz da drüben und kaum noch zu erkennen, da
waren wir gestern noch! Dann
sind wir schnell zurück auf der Autobahn und fahren nordwestlich über
die vierspurige US 3, I 93
und I 95 (und ohne jede Maut) durch die Boston-Area. Wir kommen aus
der richtigen Richtung und können die ganze Skyline in der Sonne
bewundern, bevor es in und durch einen langen Tunnel unter der City und
dem Hafen drunter durch geht, direkt am Flughafen vorbei, weiter nach
Norden.
Plötzlich
passiert es! Wir fahren wie auf weichen Wolken! Ungefähr fünfzehn
Kilometer der Autobahn sind erneuert und wir fahren ganz ungewohnt weich
und angenehm. Und fast lautlos. Wir schweben geradezu mit dem Auto. So
schön angenehm hätte es die ganze Fahrt über sein sollen! Kurz
vor Rowley tanken wir das Auto an einer engen kleinen Tankstelle für
besonders günstige $ 3,31 pro Gallone voll. Das Tankstellendach
ist gerade hoch genug, daß wir drunter durchpassen, der Cola-Automat läßt
uns auch gerade so an den beiden Zapfsäulen vorbei. Also alles bestens. Überall
liegen noch reichliche Schneereste herum, es muß hier vorgestern also
doch ganz schön geschneit haben. Das Wetter ist mit 55°F wieder recht
warm und sonnig; immer noch kein Wölkchen am blauen Himmel. Petrus meint es nun schon den zweiten Tag in Folge gut mit
uns und hat uns nun als Ausgleich für die Regentage strahlenden
Sonnenschein beschert. Exakt
um 15:00 Uhr sind wir bei Moturis. Lächerlich: Linda kann sich
(angeblich) gar nicht an uns erinnern! (So viel Kunden hat sie jetzt
auch nicht mehr. Und an Kunden, die so viel Ärger hatten (bzw. gemacht
haben), erinnert man sich ja wohl ganz bestimmt…) Sie gibt vor, schwer
im Streß zu sein, obwohl sie eigentlich nicht viel zu tun haben kann.
Ihr Freund ist da, der ein paar Wohnmobile hin und herrangiert. Sonst
tut sich hier den ganzen Nachmittag nichts. Zwanzig
bis dreißig Alkoven-Camper stehen inzwischen auf dem Platz herum. Wenn
wir es nicht schon längst wüßten: Die Saison ist offensichtlich
vorbei. Ich
erkläre ihr also, wer wir sind und daß wir das Auto statt morgen
Vormittag schon heute Nachmittag zurückgeben möchten. Wir dürfen die
Nacht über hier stehen, bekommen sogar Strom. Wasser haben wir noch
genug im Tank. Ist das nicht großzügig? Die Rückgabe macht sie morgen
früh. Mit
einem kleinen weißen alten Auto, (ich dachte, sie ist die
zweitwichtigste Geschäftsführerin in der gesamten Moturis-Kette?),
holen sich die beiden etwas zum Essen. Sonst tut sich hier nichts
Besonderes am späten Nachmittag. Irgendwie scheinen sie sich nicht übermäßig
darüber zu freuen, daß wir schon da sind. Nichts von der
„Krokodils-Freundlichkeit“ des ersten Tages ist übrig geblieben.
Hat sie „von oben“ eins draufgekriegt und ist deshalb mit uns sauer?
Aber muß man sich so verstellen? Ingrid
packt unsere Koffer und räumt schonmal ein bißchen auf. Zur Feier des
Tages und der gelungenen Reise (und weil es noch relativ warm ist),
bekomme ich seit langem mal wieder eine Zigarre zur eisgekühlten
Margarita. Heute
ist die Nacht der Nächte: Halloween! Von allen Kindern und vielen
Erwachsenen sehnsüchtig erwartet. Die Kinder werden an allen Hauseingängen
klingeln, klopfen, rufen, schreien, um Naschereien zu fordern. Endlich können
auch alle Monster, Spinnen, Untoten und Gruselgestalten ihre Warteplätze
verlassen und die Gegend unsicher machen. Morgen müssen sie
verschwunden sein. Ingrid:
Tja, ich habe gleich nichts von Lindas Freundlichkeit gehalten. Sie ist
eine falsche Schlange. Trotzdem
war auch der letzte Tag wunderschön. Vor allem, weil das Wetter
mitgespielt hat. Der Panorama-Blick auf Cape Cod war einfach genial und
ein würdiger Abschluß. Das
war mein schönster Urlaub seit langem! Wilf ist vorbildlich gefahren
und hat immer dafür gesorgt, dass wir am Abend einen warmen Platz zum
Schlafen hatten. (Okay,
manchmal fuhr er ein bisschen schnell.) Hut ab, so ein Monster-Schiff zu
handeln war für Wilf kein Problem!!! Ich kenne sonst niemand, der es
ihm so gut nachmachen könnte! 17.
Tag Dienstag,
1. November 2011 Um
sieben Uhr stehen wir auf. Viel zu früh. Um neun ist alles eingepackt
und wir haben gemächlich gefrühstückt. Kalt ist es draußen, gut, daß
wir Strom aus der Firmensteckdose bekommen haben und die Heizung laufen
konnte. Die Sonne lacht natürlich wieder mit uns. Die
Nacht war OK. Wir standen ein paar Meter von der Straße (Hwy 1)
entfernt und „ein paar“ Autos fuhren an uns vorbei. Und über uns
eine Laterne mit Wackelkontakt, die alle paar Minuten an- und ausging. Um
neun wird der Laden aufgemacht. Um zehn kommt Linda. Jetzt sehe ich auch
im Office, da ist nix mit
Computer, alle Kunden werden vorsintflutlich in einer Kladde notiert.
Also ist es doch möglich, daß die uns am Anfang einfach vergessen
hatten… Ich
habe dort zwar noch keine praktischen Erfahrungen gesammelt, aber so
stelle ich es mir vor: Wie im Freudenhaus ist man jetzt, nachdem die
Dienstleistung vollbracht ist, auch nicht mehr so um seinen Gast bemüht… Um
elf ist alles abgerechnet. Für einen kleinen Kratzer im Blechkleid der
Plastikaußenwand wird uns fast die volle Kaution ($ 950) berechnet. Warum
mußte auch der blöde Stein ausgerechnet da herumliegen, wo ich drehen
und auf Eis ein kurzes Stück rückwärtsfahren mußte! Die Rückfahrkamera
lieferte ein viel zu schlechtes Bild. (Die Kamera ist in der Karosserie
eingebaut und weil die Glasscheibe davor ständig beschlägt, müßte
diese alle paar Tage aufgeschraubt und gereinigt werden.) OK, Pech
gehabt. Ist aber nur ärgerlich, aber nicht wirklich schlimm, weil der
Schaden von der im Reisepreis enthaltenen Haftpflichtversicherung übernommen
werden soll. (Und tatsächlich auch wird!) Große Steine stehen mir
jetzt offenbar häufiger im Weg herum… Aber
sonst findet man immerhin keine weiteren Schäden und Kratzer am
Plastikkleid und Windschutzscheibe unseres Autos – obwohl die beiden
Jungs ganz schön fleißig danach suchen. Einer
von Lindas Leuten wohnt im nahen New Hampshire und erzählt mir, daß er
seit Tagen keinen Strom mehr hat. Der Strom ist wegen des Schneesturms
in der Nacht von Freitag auf Samstag in weiten Gebieten total
ausgefallen. Er (und die meisten anderen Menschen hier oben) heizt
elektrisch und betreibt deshalb einen kleinen Stromgenerator – mit
Benzin, das er irgendwie sehr mühsam herbeischaffen muß. Das Wasser für
seine Toilettenspülung muß er aus Schnee schmelzen. Also waren die beängstigenden
Ankündigungen im TV doch echt. So kann man sich täuschen. Da haben wir
ja sehr viel Glück gehabt!! (Den Originalbericht von Focus online habe ich
ganz hinten angehängt.) Zusammenfassung
der Zahlen: Wir
haben 1.940 Meilen gefahren, 201,4
Gallonen Benzin verbraucht und
$ 697,39 dafür bezahlt. Das
entspricht umgerechnet 3.120 Kilometern und ca. 505 Euro für
Benzin. Unser
durchschnittlicher Benzinverbrauch: 24,39 Liter auf 100 km. (Mit
dem ersten Fahrzeug haben wir weitere ca. 300 Meilen gefahren, die
natürlich unberücksichtigt blieben. Dieses Fahrzeug haben wir vor der
Rückgabe auch nicht mehr volltanken müssen.) Der
andere von Lindas beiden Mitarbeitern bringt uns mit dem Firmen-Van zum
Flughafen in Boston. Eine Stunde dauert die Fahrt, aber sie wird recht
kurzweilig, denn zwei andere Deutsche haben heute Morgen ebenfalls ihren
Camper zurückgegeben und fahren mit uns. Natürlich gibt es dabei viel
zu erzählen und zu vergleichen. Sie haben übrigens auch einen
(winzigen) Schaden verursacht, (an der Antenne) und müssen $ 300 dafür
abdrücken. (Gegen diese überhöhten Forderungen ist man halt
machtlos.) Um
zwölf sind wir da, aber Boston Airport ist so klein, daß hier heute
nur zwei Lufthansa-Flüge abgehen. (Ich hätte vorher nicht geglaubt, daß
Boston Logan so klein und unbedeutend ist. Überhaupt gehen hier im
Terminal E nur wenige Flüge internationaler Fluggesellschaften
ab.) Alle Lufthansa-Schalter für die Gepäckaufgabe sind noch
geschlossen. (Air-France hat schon auf, obwohl deren Flieger erst lange
nach uns abfliegt.) Wir müssen zwei Stunden in einem der beiden Cafés
verbringen. Viele andere Leute warten auf den Sitzbänken, sind wegen
der Warterei unzufrieden und meckern. Erst um 14 Uhr werden endlich
zwei, drei Schalter aufgemacht, sodaß wir uns vom lästigen (und
schweren) Gepäck befreien können.
Nachdem
das „Geschäftliche“ erledigt ist, haben wir Zeit für die
Lufthansa-Lounge. Bisher gab es keine in Boston, auch keine
irgendwelcher anderer Fluggesellschaften für die LH-Business-Kunden.
Doch wir haben Glück, vor ein paar Tagen ist hier (extra wegen uns?)
eine Lounge ganz neu eröffnet worden, sodaß wir dort die restliche
Wartezeit komfortabel verbringen können. Hier herrscht, wenigstens
anfangs, angenehme Ruhe – und Einsamkeit. Ganz im Gegensatz zu
Frankfurt kürzlich. Unser
Jumbo wird gegen fünfzehn Uhr eintreffen und soll planmäßig um
siebzehn Uhr dreißig wieder zurückfliegen. Was er auch macht. Der
unschätzbare Vorteil eines so kleinen Airports: Wir sind sofort durch
den Security-Check und die übrigen Kontrollen! So schnell ging es
wirklich noch nie in den USA. (Noch nicht einmal in Köln/Bonn. Da hat
man schonmal ein paar Leute vor sich.)
Ingrid:
Es hat sich wieder bewährt, Business zu fliegen. Ist einfach super
bequem. 18.
Tag Mittwoch,
2. November 2011 Unser
Flug dauert nur sechseinhalb Stunden, weil man Richtung Osten Rückenwind
hat und eine deutlich südlicher gelegene Flugroute nimmt. Vor unserer
Landung steht der Wind für uns günstig, deshalb können die Piloten
eine „lange“ Landung machen, also direkt ohne die meistens übliche
riesige „Platzrunde“ runtergehen. Morgens gegen 5:15 Uhr sind
wir am Flugsteig in Frankfurt. Wir
sind hier an der Gepäckausgabe das einzige (und erste?) gerade
gelandete Flugzeug, außerdem fliegen offenbar die meisten Leute aus
unserem Flieger weiter. Am Gepäckband stehen deshalb kaum fünfzig
Leute. So haben wir unser Gepäck sehr schnell und gehen noch in die
Empfangs-Lounge der LH, um dort in Ruhe zu frühstücken. Das ist doch
etwas bequemer, als das Frühstück an Bord. Unseren
Mietwagen haben wir genauso schnell. Um kurz nach halbneun sind wir
schon zu Hause in Düsseldorf. Ingrids
Fazit: Endlich wieder zu Hause, habe Wilf aber schon gefragt,
wann wir wieder los machen. So ein Wohnmobil ist einfach mein Ding. Ich
habe mich gut erholt. Mit Wilf fahre ich immer wieder los!!
Er
ist ein Traveller!! Ein (fast) perfekter Urlaub!
P.S. 1) Wir haben
jetzt auf dieser Reise für die billigste Qualität Benzin (mit 87 US‑Oktan)
zwischen 3,30 bis 3,60 Dollar bezahlt. (Vor allem an der Westküste,
in California, ist der Sprit etwas teurer.) Dabei haben wir (aus
Gewohnheit und wegen meiner manchmal etwas übertriebenen
Pfennigfuchserei) wie immer auf die günstigeren Tankstellen geachtet,
oft war der Sprit in der Umgebung etwas teurer. Die beiden besseren
Qualitäten kosteten jeweils zehn bis zwanzig Cent mehr. Diesel war
immer am teuersten und kostete meistens um die vier Dollar per Gallone;
Diesel-Fahrzeuge sind hier aber selten. Die
Preisunterschiede benachbarter Tankstellen erscheinen zwar hoch, sind es
aber im Endeffekt gar nicht, denn man tankt ja meist nur zehn, fünfzehn
Gallonen. Bei 5 Cent Preisunterschied sind das dann im Endeffekt 50 oder
75 Cent im Endbetrag, also eigentlich recht wenig. Bei angenommenen 3,60 pro Gallone (= 3,6 Liter) kostete ein
Liter Benzin einen Dollar. Ein Dollar entspricht ungefähr 75 EuroCent.
Demnach kostet Benzin hier zurzeit ungefähr die Hälfte wie bei uns. 2) Mein Rat für
Wohnmobilreisende: Mit Bedacht Einkaufen! Gerade bei nur zwei Personen.
Wir hatten viel zu große Packungen gekauft und deshalb am Ende der
Reise viel zu viel übrig. Besonders schade war es um das gute teure
Olivenöl und um eine noch dreiviertelvolle Flasche Wodka… 3) Mein A...
bzw. das darin enthaltene Steißbein wird mich wohl noch länger an mein
Mißgeschick auf Mt. Washington erinnern. 4) Tja, und tatsächlich
ist in diesem Jahr das Laub der hiesigen Bäume in Deutschland
mindestens genauso schön bunt wie drüben. Sogar auf meiner Wiese
hinten am Haus. Auf der Heimfahrt konnte ich schon alle Farben
bewundern, grün, gelb, orange, rot, braun. Und alle Töne dazwischen.
Wegen der Foliage muß man also nicht unbedingt rüberfahren. Um die
Gegend um Down East herum
kennenzulernen, schon. 5) Einen Jetlag
kenne ich glücklicherweise immer noch nicht. 6) Immerhin habe
ich drei Kilogramm Gesamtgewicht abgenommen. 7) Für Leute,
die es interessiert, hier noch eine Erklärung zum System der
Interstate-Nummerierung. (Ich vergesse es auch immer wieder.) Ein
und zwei Ziffern in der Interstate-Nummer: Gerade Zahl, z.B. 68 = Ost-West-Route Ungerade Zahl, z.B. 75 = Nord-Süd-Route Drei
Ziffern in der Interstate-Nummer: Erste Ziffer gerade, z.B. 265 = Straße führt durch oder um
eine Stadt herum Erste Ziffer ungerade, z.B. 195 = Straße führt in die Stadt
hinein 8) Vorankündigung:
Die nächste bereits fest gebuchte Reise wird uns beide im April 2012
nach Washington, D.C. führen. Wir waren von der jetzigen Reise so sehr
angetan, daß wir uns wahrscheinlich erneut ein Wohnmobil mieten werden.
Bis dahin werden wir noch nichts vom Handling vergessen haben. Wohin wir
fahren? Vielleicht noch einmal über den Blue Ridge? Wer weiß…
Und hier zum Abschluß der oben erwähnte Bericht zur
Wetterkatastrophe vor ein paar Tagen:
Focus online (dpa)
Schneesturm in den USA: Mehrere Tote
Montag,
31.10.2011, 07:11 Unerwartet
früher Schneefall hat den Nordosten der USA in ein Chaos gestürzt. Bis
zu vier Millionen Menschen waren ohne Strom. Mindestens drei Menschen
starben, möglicherweise sind aber bis zu elf Todesfälle auf das Wetter
zurückzuführen, wie US-Medien berichteten.
Der Nachrichtensender
MSNBC sprach von „einem der dunkelsten Halloween-Feste“. In einigen
Orten seien die Kinder sogar von den Behörden gebeten worden, die am
Montagabend bevorstehende, traditionelle Süßigkeiten-Sammlung von
Haustür zu Haustür an Halloween zu verschieben, berichtete der Sender. Für eingefügte Links übernehme ich keine Verantwortung. |