Wir sind dann mal weg …

  … zum Indian Summer in Neuengland

Unsere Reise im Wohnmobil durch Massachusetts, New Hampshire, Maine, Vermont, New York und Connecticut.

Von Wilfried R. Virmond

Kursiver Text kann unbeachtet bleiben.

Falls sich Links beim Draufklicken nicht sofort öffnen, „Strg“ + „Enter“ gleichzeitig drücken.

Indian Summer in Neuengland  2011

 

1. Tag

Sonntag. 16. Oktober 2011
Düsseldorf – Frankfurt – Boston = 236 + 5.912 km

Ingrid hat sich gewünscht, Nonstop nach Boston zu fliegen und das geht nicht von Düsseldorf aus, also fliegen wir von Frankfurt am Main ab. Wir wollen durch den vielgerühmten Indian Summer Neu-Englands (engl.: New England)  fahren, um „Fall Foliage“, die hier besonders intensive Blattverfärbung zu sehen.

„Hervorgerufen wird diese Farbenpracht durch die kalten Nächte und relativ warmen und sonnigen Tage. Viele Bäume produzieren aufgrund dieser Temperaturschwankungen eine korkhaltige Substanz, die den Flüssigkeitsaustausch zwischen Blättern und Ästen blockiert. Dadurch sinkt der Chlorophyllgehalt der Blätter und der Zucker in den Blättern läßt sie in den schönsten warmen Farben erblühen. Dabei tun sich Baumsorten hervor, die bei uns in Europa schon lange ausgestorben sind: Z.B. die Ahornarten  Silver Maple und  Red Maple, die Eichen  Northern Red Oak und  Scarlet Oak sowie andere Baumarten wie  Sweetgum, Sassafras und Dogwoods“.

Indian Summer – Wikipedia

Diesmal passe ich auf und habe vorher zweimal den korrekten Abflugtag überprüft, damit wir nicht am falschen Tag abfliegen wollen – und unser Flugzeug schon längst weg ist. (Ist mir ja schließlich schon passiert…)

Ist ja klar, drei Tage vor Abflug ärgert mich die Lufthansa mit einem Sonderpreis für unseren Flug: z.B. München – Boston für 399 Euro. Ich sehe lieber gar nicht erst nach, wie viel mehr ich mal wieder für unseren Flug in der Business-Class bezahlen mußte.

Wir haben der Einfachheit halber einen Leihwagen genommen, den wir am Flughafen zurückgeben können. Die Sonne scheint und die Autobahn ist frei, was will man mehr? Für die sonntagvormittäglichen zweihundertsiebzehn Kilometer brauchen wir gutgelaunte anderthalb Stunden. Die Bäume unterwegs im Westerwald sind bunt und rufen uns zu: „Was wollt Ihr da drüben, warum bleibt ihr nicht hier? Wir sind mindestens genauso schön bunt wie unsere Kollegen da drüben!“ Aber das geht natürlich nicht, und außerdem ist es wahrscheinlich unverschämt gelogen. Aber wir werden sehen...

Zum Glück streikt gerade niemand, keine Luftlotsen, kein Bodenpersonal, keine Flugzeug-Putzfrauen, niemand, sodaß wir wahrscheinlich pünktlich starten können.

Schade, die Lufthansa-Lounge ist voll wie immer. Und was für Leute hier herumlaufen! Haben die alle den teuren Business-Aufschlag bezahlt? (Glaub‘ ich bei manchen nicht!) Oder sind sie Vielflieger und hatten genug Meilen gesammelt? (Danach sehen sie auch nicht aus.) Oder erhielten sie alle kostenlose Upgrades? (Wäre ungerecht, jedenfalls mir gegenüber…)

Dasselbe frage ich mich später im Flieger. Ich bin ja nun nicht besonders vornehm oder gar elegant, aber manche Typen, die sich hier herumdrücken, sehen doch schon sehr, hmm, na sagen wir mal, merkwürdig aus.

Eigentlich denke ich ja immer an eine mögliche Flugzeugentführung, wenn ich an einem Gate stehe und mir die Leute so ansehe, die mit mir aufs Einsteigen ins Flugzeug warten. Genug arabisch aussende Leute sind stets dabei. Diesmal drehen sich meine Gedanken noch mehr darum, 9/11 war schließlich vor genau zehn Jahren…

Unser Jumbo 747-400 ist pünktlich, wir starten um 13:20 Uhr. Toll, wir sitzen auf der richtigen Seite und sehen bei klarem Wetter das Ijsselmeer mit dem Houtribdijk mitten hindurch (und auf dem wir schon so oft ans Meer gefahren sind) und den großen Afsluitdijk.

 

  Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

houtribdijk - Google-Suche mit vielen Fotos

(Ja, ich weiß: Im Holländischen wird „IJ“ am Anfang eines Wortes immer großgeschrieben, also eigentlich „IJsselmeer“, ich gehorche hier aber (ausnahmsweise!) mal der Rechtschreibempfehlung meines PCs.)

Später sehen wir dann Nord-England und tatsächlich, endlich mal wieder, die Südspitze von Grönland mit den wunderschönen bläulichweißen Gletschern und vielfarbigen Felsen.

gletscher grönland - Google-Suche   mit vielen Fotos

  Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Wir landen bei herrlichem Sonnenschein nur zwei Stunden später nach unserem Abflug (schön wäre es ja) nachmittags um drei Uhr Ortszeit in Boston, Massachusetts. (Die Sonne flog neben uns her - tatsächliche Flugzeit 7,45 Stunden). Wir beeilen uns etwas und sind deshalb auch recht bald durch die von mir so „heißgeliebte“ Immigration-Control.  So ein vollbesetzter Jumbo spuckt ganz schön viele Menschen aus. Jetzt sieht man sie mal alle im „Laufpferch“ vor den Einreiseschaltern, denn wir sind das einzige gerade gelandete Flugzeug.

  Indian Summer in Neuengland  2011

Ingrid raucht schnell eine Zigarette und ich organisiere inzwischen ein Taxi für unsere Fahrt ins Holiday Inn in Peabody. Den Fahrpreis kann ich von $ 45 auf $ 30 runterhandeln, einschließlich Tipp (Trinkgeld). Dafür läßt mich der Taxidriver  unser Gepäck selbst einladen, das ist aber OK, ein bißchen Sport soll ja der eigenen Gesundheit recht förderlich sein. Am Ziel wird der bisher stumme Fahrer plötzlich redselig und meckert etwas mit mir herum, daß er sich mit dem Preis angeblich vertan hat und ein normales Taxi viel teurer gewesen wäre und will auf einmal $ 60 für die zwanzigminütige Fahrt, (lt. Google exakt siebzehn Meilen), aber ich bleibe natürlich bei dem vereinbarten Betrag.

Amerikanische Taxifahrer sind ja in der Regel nicht sehr freundlich, vielleicht auch nur mit Ausländern, vielleicht auch nur mit mir. Ich hatte nur einmal einen ebenso hilfsbereiten wie freundlichen Fahrer, in Chicago, vor vielen Jahren, da hat es mir direkt leid getan, irgendwann am Ziel angekommen zu sein.

Wir fuhren gerade auf dem berühmten Highway 1, der hier an der Ostküste von Key West im äußersten Süden wirklich rauf bis an die kanadische Grenze führt. (Man beachte bitte: Es gibt noch seinen deutlich berühmteren gleichnamigen Zwillingsbruder „Highway 1“ (und später dann 101) an der Westküste von San Diego rauf bis Seattle.)

U.S. Highway 1 – Wikipedia

Witzig: Angeblich sind hier im Hotel für uns zwei Zimmer für zwei Nächte von zwei verschiedenen Auftraggebern bestellt, was uns aber gar nicht interessiert, unser Voucher gilt, und da steht eine Nacht für zwei Personen in einem Zimmer drauf, und das heutige Datum ist auch korrekt.

Das Personal in den Motels und Hotels ist oft auffallend hilflos. Ich staune immer noch darüber. Jedes Mal. Wer weiß, welche Angaben der Typ da in seinem Computer zu unserem Zimmer gefunden hat - und wie er sie interpretiert hat. (Vor ein, zwei Jahren hat mich einer dieser Leute tatsächlich gefragt, wie man „Germany“ schreibt…)

Um 16:30 Uhr sind wir in unserem Zimmer, das zwar wie immer am Ende des langen Ganges liegt, aber im Übrigen ganz OK ist, vielleicht ein bißchen eng, wenn man vier Koffer dabei hat. Schade, das Fenster läßt sich mal wieder nicht öffnen, es ist zugeschraubt. Und zugeklebt! Da nutzt mir mein Werkzeug auch nichts. Na gut, eine Nacht müssen wir durchstehen. Die schlechten Bewertungen für dieses Holiday Inn bestätigen sich, aber wir mußten es nehmen, weil die Moturis-Leute ihre Kunden nur aus diesem und einem weiteren Hotel abholen.

Übrigens, es fällt mir gerade wieder ein, ich habe es irgendwo bei der Vorbereitung gelesen und mir ausgeschnitten:

Neuengland war bis in dieses Jahrhundert hinein das kulturelle Zentrum der USA und deswegen auch Geburts- und Wohnstätte einiger der größten amerikanischen Literaten. Hier ein paar der Berühmtesten, die ich aber nicht alle kenne:

Louisa May Alcott  (Kenne ich nicht!)

Harriet Beecher-Stowe

Emily Dickinson

Ralph Waldo Emerson

Robert Lee Froste

Nathaniel Hawthorne

Herman Melville

Henry David Thoreau  (Kenne ich auch nicht! Ja, bin blöd.)

Mark Twain

Mark Twain wird folgendes weit verbreitetes Sprichwort zugeschrieben: „If you don’t like New England weather – wait a minute!“  Und er hat recht damit – hier soll sich keine Schlechtwetterlage allzu lange halten. (Aber, hat er das nicht in Wirklichkeit zum Wetter San Franciscos gesagt?) Mal sehen, ob es stimmt…

Bei dieser Gelegenheit: Die Geschichte Massachusetts beginnt mit der Landung der Mayflower in Plymouth im Jahre 1620.

Ingrid schreibt an dieser Stelle jetzt täglich ihren kurzen Kommentar dazu:

Der Flug war kurz und sehr bequem. Ich will immer wieder Business fliegen, bin total ausgeruht. Wilf natürlich auch. Freue mich auf die kommenden Tage.

2. Tag

Montag, 17. Oktober 2011
Rowley, MA – Salisbury Beach, MA = 17 + 30 Meilen

Die erste Nacht war wie immer unruhig, man wird ständig wach. (Die meisten USA‑Reisenden werden es mir bestätigen können.) Um halbsechs stehen wir auf, denn ich glaube, mich zu erinnern, daß wir um 7:00 Uhr abgeholt werden. Wenn unser Bett sprechen könnte, würde es wahrscheinlich sagen „Leute, bleibt lieber bei mir, das wird heute nicht Euer Tag...“

Ich rufe mindestens zehnmal bei Moturis an und spreche dabei mehrmals aufs Band, aber niemand ruft uns zurück, geschweige denn, daß ein Auto kommt, um uns abzuholen. Deshalb frühstücken wir erst einmal im Hotel-Café, immer mit einem Auge nach draußen. Um viertel nach zehn dann endlich: Eine menschliche Stimme antwortet mir! Eine offenbar lebendige Person nuschelt am anderen Ende etwas ins Telefon: Abholen ginge jetzt nicht, wir sollen ein Taxi nehmen und uns zur Vermietung bringen lassen. (Übrigens, der Ordnung halber, Reisende werden, falls überhaupt, erst um 7:30 Uhr abgeholt, da hatte ich mich um dreißig Minuten geirrt.)

Das Taxi hat keinen Taxameter, der schon wieder stumme Fahrer verlangt für die zwanzig Minuten (erneut siebzehn Meilen) kurz und bündig „Fifty Dollar“, dazu bekommt er dann auch nur ein mageres Tipp in Höhe von fünf Dollar. Dieser Fuhrlohn ist mir im Übrigen egal, denn die fünfundfünfzig „Bucks“  will uns Moturis (heißt jetzt „Camping World RV Rental“) bei der Rückgabe des Autos auf der Kreditkarte gutschreiben. Soviel Bargeld habe man nicht im Haus. Erfreulicherweise ging die Taxi-Fahrt weiter nach Norden auf Highway 1 durch ländliches Gebiet.

Linda, die Chefin, empfängt uns überfreundlich und erklärt uns mit vielen Worten, daß das gemietete große Wohnmobil leider einen Schaden habe und daß wir jetzt ein anderes Wohnmobil mit Alkoven („Class C“ Freedom Super Elite) bekämen, und das wäre sowieso viel besser. Damit sind wir aber bestimmt nicht einverstanden, wir bestehen darauf, daß wir ein Fahrzeug wie bestellt bekommen. Schließlich haben wir Luxus bezahlt und wollen jetzt auch Luxus haben. Wir bekommen also das defekte Fahrzeug, ein „Class A Double Elite“ mit 32,5 Feet (= zehn Meter) Länge von Firma Thor Motor Coach, der V 10‑Motor (und das Chassis) ist von Ford, mit ca. 44.000 Meilen auf der Uhr. Der rechte Slide‑out ist beschädigt und kann nicht mehr ausgefahren werden, deshalb ist er fest mit der Außenwand verschraubt worden; das Getriebe darin ist kaputt, was aber nicht tragisch ist, der linke funktioniert noch einwandfrei, sodaß wir trotzdem genug Platz im „Wohnzimmer“ haben werden. (Einen „Slide-out“  fährt man elektrisch aus, um den Platz im Innern bei Stillstand auf dem Campingplatz zu vergrößern. Vor dem Abfahren sollte er besser eingefahren werden, sonst ist er ab...)

  Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Als Ausgleich bekommen wir zwei neue Campingstühle, (die wir eigentlich kaufen wollten, weil sie dann bequemer gewesen wären), Toaster, Schaufel und Handfeger, einen Broom (= Besen),  zusätzliche Bettwäsche, zwei weitere Kopfkissen und jede Menge Kleinkram umsonst dazu, was sonst reichlich gekostet hätte. Außerdem brauchen wir vor Rückgabe des Fahrzeugs nicht zu dumpen  (= die beiden Abwassertanks zu leeren) und das Propangas muß auch nicht wie sonst üblich vor der Abgabe aufgefüllt werden. Eigentlich müssen wir dann vor dem Abliefern nur noch Saubermachen und Volltanken. Linda hat offenbar ein schlechtes Gewissen. Ingrid hat sogar das deutliche Gefühl, sie hätte es übersehen, daß wir heute ein Fahrzeug abholen, aber das ist ja gar nicht vorstellbar. Die haben ganz sicher ein Computersystem, dem kein Kundentermin entgeht.

Linda erklärt uns dann die Technik unseres Fahrzeugs, was aber gar nicht nötig ist, denn diese ist dem Wohnmobil von 2008 in allem sehr ähnlich.

  Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Minuspunkt: Die beiden vorderen Sitzbezüge sind abgezogen und es würde jetzt zu lange dauern, sie aufzuziehen, deshalb bekommen wir einfach zwei Bettlaken lose über die unansehnlichen und total abgeschabten Sitze drübergehängt. Außerdem, dicke häßliche Flecken auf den Polstern im Wohnzimmer!

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Das Fahrzeug muß noch etwas in Ordnung gebracht werden, deshalb leiht uns Linda ihren Firmen-Van. Damit können wir schonmal bei „Market Basket“  das Wichtigste einkaufen. Schade, daß man in den USA keinen Würfelzucker kennt.

Indian Summer in Neuengland  2011 

Als wir zurückkommen, ist das Auto fertig und wir können endlich losfahren. Aber so richtig doch noch nicht, wir müssen erst noch zum Liquor‑Shop  (Getränkeladen für Alkohol), um die wichtigsten Alkoholika für unseren Lebenserhalt zu besorgen. (Etwas Rotwein, Bier, Margaritas, Wodka, Martini...) Die kosten dann über $ 60, mehr als die Hälfte vom Einkauf vorher, wo wir für $ 103 einen Riesen-Einkaufswagen voll bekommen haben.

-       Die Alkoholgesetze sind in den US-Staaten, Counties und sogar Städten sehr unterschiedlich. In Massachusetts und Rhode Island kann man Alkohol relativ einfach kaufen. In Maine, Vermont und New Hampshire dagegen nur in „Liquor Stores“.

-       In einigen Städten im Nordosten wird gar kein Alkohol verkauft. Man muß ihn in der Umgebung besorgen und darf z.B. eine eigene Flasche Wein ins Restaurant mitbringen.

-       Alkoholika sollten immer im Kofferraum untergebracht werden, möglichst nie im Innern des Autos bei den Passagieren! Dies empfiehlt sich im Übrigen für die gesamten USA.

-       Mein Rat: Wer ein Fahrzeug steuert, sollte in den USA am besten nichts Alkoholisches trinken! Falls doch, vorher sehr explizit nach der gesetzlichen Regelung erkundigen!

Wir besteigen unseren Dampfer, schließen die Luken, lichten den Anker und stechen in See. Unser Auto ist ja durchaus mit einem Ozeandampfer vergleichbar:

Ich bin natürlich Käpt‘n, Erster Offizier, Navigator, LI (Leitender Ingenieur), Maschinist und Kadett in Personalunion. Ingrid macht den Smutje und spielt ansonsten vor allem die verwöhnten Erste Klasse-Passagiere. (Hoffentlich meckert sie nicht ständig wie diese…) Fehlt nur noch, daß ich mit unserem „Schiffshorn“ beim Ablegen laut hupe, aber das erspare ich den Umstehenden. Unser TomTom-Navi ist der Radarschirm, der Kompaß ist im Spiegel, unser Funkgerät sind die Handys und wir sitzen beide so hoch wie im Kommandostand einer Brücke.

Ganz hinten ist das Schlafzimmer mit unserem Doppelbett, (195 cm lang, 150 cm breit und ungefähr so hoch wie ein Tisch (90 Zentimeter), auf das man abends also geradezu hochklettern muß) und vier Staufächern, davor das Badezimmer mit Waschbecken, Dusche, (bestenfalls 190 cm hoch, also nichts für lange Menschen), und Toilette (natürlich mit Wasserspülung, ich wurde deswegen kürzlich mal gefragt), sowie zwei Türen für die Einhaltung der Intimsphäre. Weiter vorne ist die Küche mit Kühl- und Gefrierschrank, Mikrowelle, Kaffeemaschine, Gasherd und Doppel-Spülbecken. Dann unser Wohnzimmer mit den beiden Slide‑outs, einem Eßtisch für vier schlanke bzw. zwei normale Personen wie wir und gegenüber eine längs zur Fahrtrichtung stehende Sitzbank. Sie ist ausklappbar und für Kinder bestimmt sehr gut geeignet. Ganz vorne zwei superbequeme, ebenso dreh- wie verstellbare Polstersitze. (Nur sehr bedauerlich, daß jetzt die üppigen Sitzbezüge fehlen. Denn dann würde ich sie als „opulent“ bezeichnen.) Darüber TV und DVD‑Player. Tempomat, Automatik und Rückfahrkamera sind selbstverständlich.

Ich finde, daß das Lenkrad in einem so großen Fahrzeug so waagerecht wie möglich stehen sollte, deshalb stelle ich es gleich entsprechend ein. Ich müßte hier auch kein automatisches Getriebe haben. Schalten, mit Zwischengas, wäre mir auch recht.

Aber dann geht es endlich los. Denken wir. Es ist 14:45 Uhr. Doch irren ist menschlich...

Ich verpasse die Abbiegung auf den schöneren parallel und mehr am Meer (Atlantik) verlaufenden Highway 1A. Also Wenden. In einer Abbiegung. Eine kleine flache Verkehrsinsel ist etwas im Weg, aber es geht.

Ein überholender Autofahrer macht uns darauf aufmerksam, daß irgendetwas am Auto nicht stimmt. Ich halte an. Nach etwas Suchen sehe ich, daß der innen liegende linke Hinterreifen keine Luft hat! (Eine Blondine würde jetzt sagen: Wir haben noch Glück, er ist nur untenrum platt!) Das heißt, wir müssen die drei Meilen schnell zu Moturis zurück. Gut, daß wir noch nicht weit weg sind. Ingrid lacht sich schief, weil wir schon wieder zurück müssen und immer noch nicht endgültig abfahren.

 „Der eine Reifen ist ja ganz platt! Da war der Vormieter wohl etwas unvorsichtig!“ schnauze ich Linda an. Ihre Mitarbeiter hätten sich die Reifen bei der Rückgabe ja auch wirklich etwas besser ansehen können! Schließlich hat der Vormieter schon den einen Slide-out kaputt gemacht. Die beiden Jungs müssen die beiden Räder abmontieren, den defekten gegen das Reserverad austauschen und alles wieder montieren. Das dauert leider etwas. Linda spricht von einer halben Stunde, irgendwann nur noch von fünf Minuten, aber die Reparatur zieht sich dann doch anderthalb Stunden hin. Die beiden Monteure sind recht nett und meckern nicht mit uns; das angebotene Trinkgeld für ihre Kaffeekasse verweigern sie sogar. Linda nimmt es „for my children“. Die Sonne scheint warm und lächelt uns aufmunternd zu.

Leider sagt uns Linda erst jetzt, daß wir besser im zwanzig Meilen entfernten New Hampshire hätten einkaufen sollen, weil man dort keine Verkaufssteuern kennt. Es lohne sich ganz besonders bei Alkohol und Zigaretten…

Im Internet habe ich mir folgende Informationen wegen der unterschiedlichen sales taxes (Verkaufssteuer) ausgeschnitten, die sich aber im Übrigen natürlich jederzeit ändern können:

Connecticut:  6%, keine Steuer auf Kleidung

Maine:  5.5%, 7% bei Lebensmitteln

Massachusetts:  5%

New Hampshire:  Keine Verkaufssteuer

Rhode Island:  7%, keine Steuer auf Kleidung

Vermont:  5%

Nach New Hampshire fahren sehr viele Neuengländer aus den umliegenden Staaten zum Einkaufen, da es dort keine  sales tax (entspricht unserer Mehrwertsteuer) gibt.

Gegen 16:15 Uhr verlassen wir den Hof endgültig. Oder passiert uns jetzt noch etwas? Nein, alles OK. Wir bleiben auf Highway 1 und 1A nach Norden und nehmen ein kurzes Stück eine Nebenstraße. Schöne Gegend hier. Viele vornehme Häuser. Jede Menge bunter Laubbäume. Die Sonne scheint noch immer. Endlich fängt unser gemeinsamer Urlaub an. Neue Gegend, hier oben im Nordosten der USA waren wir noch nie, mal sehen, wie es weitergeht.

Schade, unsere Kiste ist reichlich ausgelutscht, die Vorderachse ist total ausgeschlagen, jedes Schlagloch und jede Unebenheit der Straße, und davon gibt es hier sehr viele, ist eine Katastrophe und rüttelt und schüttelt uns durch. Die Rückfahrkamera flackert ständig und ist kaum brauchbar. Ich schalte sie lieber aus.

In zwei Stunden dunkelt es, deshalb nehmen wir den nächsten RV-Park, um für die Nacht unterzuschlüpfen: „Salisbury Beach State Reservation“. Wir müssen etwas hin- und herfahren, weil wir über eine andere Straße in den Ort kommen, (Linda hat uns eine Info mit einer schlechten Wegbeschreibung mitgegeben), und den Platz etwas suchen, aber die Zeit fürs Rumfahren lohnt sich, wir stehen zum Schluß direkt am Strand mit Blick aufs Meer. Und das Beste: Das Kassenhäuschen ist geschlossen. Wir sind fast allein im riesigen Park, zu den nächsten beiden Nachbarn müßten wir Rauchzeichen senden, um ihnen etwas mitzuteilen. Seltsam.

Wasserschlauch und Stromkabel sind rasch angeschlossen. Abwasserschlauch und TV-Antennenkabel auch. Ingrid bereitet ein leckeres Abendessen zu und wir speisen ganz hervorragend, wenn sich der Korken der Rotweinflasche auch noch etwas sträubt. (Ich habe an alles gedacht, nur nicht an einen vernünftigen Korkenzieher.) Der Rotwein (immerhin $ 12,99) kommt aus Chile und besteht leicht erkennbar zu 100 Prozent aus Chemie, aber dafür kann man ihn bestimmt auch sehr gut als Rostlöser oder vielleicht sogar zur Selbstverteidigung benutzen. Um neun liegen wir in unserer weichen kuscheligen Heia.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Ingrid: Na ja, unser Schiff entspricht nicht ganz meinen Vorstellungen.

Wo ist der versprochene Luxus? Lose Bettlaken über den Sitzen! Matratzen so hart wie ein Brett! Aber Wilf ist zufrieden, dann mal loos!!!

 

3. Tag

Dienstag, 18. Oktober 2011
Salisbury Beach, MA – Freeport, ME = 111 Meilen

Die Nacht war angenehm, wir haben beide sehr gut geschlafen. Ich wecke um sieben. Zum Sonnenaufgang gibt es ein geruhsames üppiges amerikanisches Frühstück. Draußen ist es wenig über null Grad. Dann packen wir endlich unsere Koffer aus und richten uns häuslich ein. Endlich, wird auch Zeit. Lenkrad, Frontscheibe innen und vor allem die Außenspiegel müssen noch gesäubert werden. Alles klebt und ist schmutzig. Die Leute bei Moturis waschen zwar die Fahrzeuge (außen) nach der Rückgabe und reinigen sie innen grob und oberflächlich, aber insgesamt bleibt alles etwas schmuddelig. Schade, vor allem für Deutsche.

  Indian Summer in Neuengland  2011

Vierzehn Außenklappen für Staufächer und Versorgungsleitungen (und weitere kleine noch nicht mitgezählt für zusätzliche Versorgung, z.B. TV-Kabel, Dumping-Schlauch usw.) müssen vor der Abfahrt überprüft werden. Dann den Slide‑out einfahren. Abfahrt um halbzehn. Zum Schluß etwas überstürzt, denn der Ranger schmeißt uns raus! Montags und dienstags darf hier niemand übernachten. Aus welchem Grund auch immer. Die spinnen, die Amis! Wir machen es, wie Katzi es empfiehlt: Sei schlau, stell Dich dumm!   Das Schild? Nein, haben wir nicht gesehen, nein, No Sir, ganz bestimmt nicht...

Keine Möglichkeit, wenigstens zu bezahlen. Es ist immer noch niemand im Kassenhäuschen.

Jetzt habe ich endlich eine Vergleichsmöglichkeit zwischen zwei verschiedenen Wohnmobilen: Unser Winnebago vom letzten Mal und jetzt der Hurricane. Der Winnebago war mir damals „als Mercedes unter den Wohnmobilen“ angeboten worden und das kann ich jetzt auch eindeutig bestätigen. Unser jetziges Auto ist ihm zwar sehr ähnlich, aber in einigen nützlichen Dingen doch etwas sparsamer und einfacher ausgestattet. Bei Ablagefächern, Steckdosen, Außenanschlüssen und vielen anderen Kleinigkeiten spürt man es deutlich. Hinzu kommt, daß unser Fahrzeug wirklich ziemlich am Ende ist, Vorderachse habe ich ja bereits erwähnt, aber auch die Stoßdämpfer und/oder Federung sind ausgelutscht. Bei jedem Schritt im Innern schwankt die Kiste heftig.

Bisher waren wir in Massachusetts, heute Morgen überqueren wir unmittelbar nach unserer Abfahrt die Grenze nach New Hampshire.

Indian Summer in Neuengland  2011 

Ein paar Minuten später kommen wir durch Hampton Beach, einem wunderschönen aber nur „in der Saison“ offenem Ort; jetzt ist die Saison gerade vorbei und 99,9 Prozent aller Läden (sogar McDonald‘s) sind geschlossen und bereits im Winterschlaf. Aber der Strand bleibt offen und wir genießen es, ein bißchen über den feuchten Sand zu laufen. Ist natürlich totaler Luxus, immer sein Badezimmer dabei zu haben, um die Füße z.B. nach einem Strandspaziergang waschen zu können.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Noch einmal ein paar Minuten später und nach heute immerhin schon insgesamt 16,8 Meilen erneuter Stopp zum Einkaufen in Hampton bei Walmart (nur 125 Dollar, obwohl Ingrid bei allem die besseren Produkte nimmt). Alle Walmart- Supercenter sind ja im Prinzip immer gleich, hier gefällt es uns aber nicht so sehr. Die Fleischtheke ist fast leer, wer weiß, wann sie endlich wieder aufgefüllt wird. (Den Fleischeinkauf habe ich zu meiner persönlichen Sache erklärt.) Die Wursttheke ist genauso leer. Das, was noch da ist, läuft natürlich bald ab. Schade, gestern wäre es im Market Basket viel günstiger gewesen, aber wir hatten im geliehenen Wagen noch keine Kühlung. (Deshalb war ich dagegen, verderbliche Dinge dort schon einzukaufen.) Wenn wir mit dieser Geschwindigkeit, oder besser Langsamkeit weiterfahren, werden wir diesmal wohl kaum die gebuchten und bezahlten 2.250 Meilen aufbrauchen. Trotzdem gibt es erst einmal ein geruhsames Mittagessen; wir haben eins der phantastischen gegrillten heißen Hähnchen mitgenommen und dazu Amish-Kartoffelsalat. Der Rest des Vogels wird wohl noch für mehrere Mahlzeiten ausreichen.

Wolkig ist es heute, kaum Sonne. Um 12:50 Uhr geht es endlich weiter auf dem Highway 1 und später ab und zu auch mal auf Hwy 9. Nach zwanzig Meilen überqueren wir schon die Grenze nach Maine. Direkt nach der Grenze, in Kittery, kommen wir an vielen Outlet-Läden vorbei, einer reiht sich an den anderen.

Der Nachmittag führt uns durch schöne Herbstwälder, die Sonne kommt sogar ein paarmal heraus. Kennybunkport, sehr idyllisch. Präsident Bush soll hier sein Sommer-Haus haben. Und viele andere berühmte Leute. Aber wir müssen achtgeben, überall stehen dunkle Gestalten in den Vorgärten herum und passen auf, daß die orangenen Kürbisse nicht geklaut werden - ach so, Halloween nähert sich und deshalb sind alle Monster aus ihren dunklen Höhlen herausgekrochen. (Zufall: Ich bin ja jetzt jedes Jahr zu Halloween in den USA.)

Schöne Ortschaften werden von uns durchfahren. Aber unzählige der wunderschönen Häuser stehen zum Verkauf.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011   

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

 

Obwohl wir inzwischen hundert Meilen gefahren haben, zeigt die Tankanzeige immer noch unverändert voll an. Falls sie kaputt ist, sollte ich vielleicht schnellstens mal nachtanken?! Jetzt ohne Sprit liegen zu bleiben, wäre zumindest peinlich.

Irgendwie ist die Zeit knapp, wir kommen auf der schmalen holprigen Straße kaum voran, deshalb muß ich ein paar zu Hause herausgesuchte Ziele canceln und brav weiterfahren, wir wollen heute Freeport erreichen, wo wir gegen 17:00 Uhr am Visitor Center  eintreffen. Ein paar vorher angefahrene RV-Plätze waren schon geschlossen, der einzige offene, ein KOA-Campground, hat uns nicht gefallen, deshalb frage ich hier nach einem schönen Platz. Ein solcher wird mir empfohlen, obwohl ihn die ältere Dame im Visitor Center nicht persönlich kennt. Auf jeden Fall soll er direkt am Meer liegen.

Die Straße durch den herbstlichen Wald schlängelt sich ein bißchen, plötzlich ein Stück unbefestigte Holperstrecke, eine Brücke wird gerade renoviert, unser Dampfer hüpft ganz schön, obwohl die Kuhlen in der Straße kaum sichtbar sind. Endlich erreichen wir unser Ziel, den „Recompence Shore Campground“, die Registration  (Anmeldung) ist schon geschlossen. Das Gelände ist wahrhaft riesig, mitten in der Natur, ohne erkennbare Grenzen, die Wege sind lang und erneut sehr holprig. Wir können uns unseren Standplatz nach Lust und Laune aussuchen. Nach etwas Suchen finden wir auch einen schönen unter einigen Bäumen an der etwas abfallenden Küste mit Blick aufs Wasser. Die Stellplätze hier unten sind leider ohne alle Versorgungsanschlüsse, also heute Nacht kein Strom und kein Wasser, schade. Unser Platz ist ganz leicht abschüssig und mit Gras bewachsen, hoffentlich komme ich da morgen, wenn die Wiese noch feucht ist, wieder auf den Fahrweg zurück. Eigentlich ist der Platz für fast dreißig  Dollar etwas teuer. Indian Summer in Neuengland  2011

Wir richten uns ein, Ingrid bereitet das Abendessen zu, ich fahre schonmal den Slide-out aus. Will ihn ausfahren, aber er will nicht, obwohl der Motor zu hören ist. Ich sehe es mir mal von außen an. Mist, die Kiste steht eine Handbreit aus dem Fahrzeug heraus. Das bedeutet nichts Gutes. Innen versuchen wir es zu zweit mit Überredung, nichts, er weigert sich, seine Pflicht zu tun und ist kaputt. Ich rüttle mal etwas, um eine eventuelle Blockade zu überwinden – und die Kiste rollt etwas raus. Fuck!  (= Dumm gelaufen!) Das sieht übel aus! Das ausfahrbare Seitenteil hätte unterwegs in einer der vielen Kurven einfach rausrollen können. Der Schaden könnte auf einer der Holperstrecken vorhin entstanden sein. Wahrscheinlich ist ein Teil im Getriebe beim Rütteln gebrochen, so sehr hat sich unser Auto geschüttelt. Oder (und wahrscheinlicher): Das betreffende Teil war schon zusammen mit dem anderen Slide-out beschädigt worden.

Das heißt, daß ich die Service-Hotline anrufen muß. Das Callcenter verbindet mich mit einem unverkennbaren Schweizer. Herr Stm. sitzt aber nicht etwa in der Schweiz, sondern in Denver, Colorado. Ich schildere ihm unsere Situation und er verspricht baldige Hilfe. Ein Monteur wird morgen früh zu uns kommen, um den Schaden zu reparieren. Mein Handyakku ist reichlich leer, wer konnte so etwas auch ahnen. Ohne Stromanschluß gibt es keine Energie zum Laden. Oder wir müßten den Generator laufen lassen. Das ist aber nur am Tag erlaubt.

Nachdem unser Problem jetzt erst einmal erledigt ist, essen wir in Ruhe zu Abend und gehen Schlafen. Wir müssen Strom sparen. Also auch kein Radio, so wenig Licht wie möglich. Und Wasser auch.

Bisher noch keine einzige Zigarre geraucht.

Ingrid:  Das kann ja nur noch besser werden. Ich ahne, dass alles nicht so einfach mit einem Monteur getan ist. Fällt unser Urlaub ins Wasser?  Hoffentlich kann ich schlafen.

 

4. Tag

Mittwoch, 19. Oktober 2011
Freeport, ME – Rowley, MA – Hampton Beach, NH = 102 + 29 Meilen

Die Nacht war saukalt, so ein Wohnmobil ist offensichtlich nicht für den Winterurlaub vorgesehen. Mehrmals muß ich den (eigentlich zu Nachtstunden) verbotenen Generator anwerfen, damit uns die Heizung Wärme spendet.

Morgens ist es wieder trüb, sehr trüb und es wird gar nicht richtig hell. Aber wir bleiben fröhlich und frühstücken erst einmal gutgelaunt. Ein Reiher stolziert stolz vor uns am Ufer entlang. Schade, ich kann nicht raus, um Fotos zu machen, muß ja jederzeit am Telefon (und am Schreibblock) sein, um etwas notieren können.

Zehn Uhr, wir warten aufs Christkind, äh, auf unseren Monteur. (Aber das Christkind kommt irgendwann!) Warum sind wir eigentlich schon um sieben aufgestanden? Nichts tut sich, alles ist ruhig, genauso wie das Meer vor unserer Nase. Das Problem wirft meine ganze Reiseplanung erheblich durcheinander. Aber, ich liebe ja Abenteuer im Urlaub, mal sehen, wie es weitergeht. Eigentlich hat Herr Stm. von Moturis gestern versprochen, uns „so bald wie möglich“ Bescheid zu geben. Auf Schweizer kann man sich doch eigentlich verlassen, dachte ich bisher immer. Doch kein Telefon klingelt, nichts passiert. Keine Kavallerie kommt angeritten, um uns endlich zu retten. Auch kein weißer Prinz. Noch nicht einmal ein Monteur…

Der erste Anruf (von mehreren) kommt um 10:30 Uhr. Herr Stm. ruft endlich an und teilt uns mit, daß der erwartete Monteur nicht vor Morgen hierher kommen kann. Wir sollen es uns hier auf dem Platz gemütlich machen und den Ort besichtigen. Das geht ja wohl gar nicht! Nein, ein Ersatzfahrzeug sei leider auch nicht verfügbar. Er empfiehlt uns bei einem der nächsten Anrufe, den linken Slide-out mit zwei Holzstücken zu blockieren, damit wir endlich vorsichtig weiterfahren und den Schaden unterwegs reparieren lassen können. Er will aber zusätzlich versuchen, im Büro vorne auf dem Platz anzurufen und einen „Handyman“,  also einen Allround-Handwerker für alle kleinen Arbeiten, die auf so einem Platz anfallen können, vorbeischicken lassen. Wir haben ja weder Holz noch eine Säge zur Hand! (Schrauben und Schraubenzieher bräuchten wir auch noch.) Wir warten weiter. Unser Launepegel: Unverändert hoch. Erkenntnis: Shit happens!  (= Es passiert halt immer etwas Unvorhergesehenes!)

Neuer Anruf von Herrn Stm!  Auf dem Platz kann oder will uns niemand helfen. Er hat irgendjemand anders gefunden, dieser Mensch wird aber mindestens(!?) noch zwei Stunden benötigen, bis er hier ist. Jetzt reicht es uns und ich nehme mich des Problems an. (Hätte ich schon viel eher tun sollen!) Ich gehe zu ein paar Wohnmobilen in der Nähe und frage dort nach einem handwerklich begabten Menschen. Einer von ihnen gibt mir wenigstens ein paar Holzscheite und – ich habe Glück, ich kann den Slide-out einschieben und auf beiden Seiten die Holzstücke provisorisch festklemmen. Sie passen fast haargenau, ich muß nur etwas verhalten fahren. Außerdem erhalten wir die telefonische Nachricht, daß wir jetzt auf einmal doch unser Wohnmobil gegen ein gleiches intaktes umtauschen können. Das bedeutet, jetzt schnellstens zurück zum gestrigen Ausgangspunkt in Rowley fahren! Wir hören vom Nachbar, daß es heute noch stärker regnen und windig werden soll. Er empfiehlt uns, vorsichtig zu fahren. Aber er übertreibt bestimmt.

So nebenbei: Die ganzen Handygespräche werden hinterher mit etwas über sechzig Euro zu Buche schlagen, denn auch die empfangenen Gespräche sind sehr teuer.

„Uschi“ hat ausgerechnet, daß es nur einhundertzweiundsechzig Kilometer über die Autobahn sind. (Wie alle Frauen nennt auch Ingrid die Stimme in unserem Navi „Uschi“. Mir soll‘s recht sein.) Na also, die 162 km sollten doch zu schaffen sein. Wie vorhergesagt, beginnt es zu nieseln. Dreimal muß Toll  (=  Maut) auf dem „Turnpike“  bezahlt werden, insgesamt $ 11,50. Personenwagen kriegen’s billiger und kosten nur jeweils ein oder zwei Dollar, wir immer deutlich mehr. Der Zeiger der Tankuhr hat sich inzwischen minimal bewegt.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

 

Unterwegs sehe ich mal nach den Holzstücken im Slide-out. Auf einer Seite haben sie sich etwas gelockert.

Ah, perfekt, meine weltweit erprobten Sandalen dienen jetzt hervorragend dazu, die Holzscheite zu fixieren. Eigentlich kann ich meine Sandalen schon fast so vielfältig wie ein Leatherman-Werkzeug einsetzen. Oder wie eins der berühmten Schweizer Taschenmesser. Hämmern, Vampire und sämtliche Blutsauger töten (Stechmücken totklatschen), nach größeren Tieren (z.B. Löwen, Tigern usw.) werfen, um sie zu vertreiben, sie als Kopfkissen verwenden (wie beim Brand des Motels vor zwei Jahren), Krach machen oder im Rhythmus zur Musik auf den Tisch klopfen, und, und, und...

Indian Summer in Neuengland  2011 

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Pünktlich um 14:00 Uhr sind wir zurück am Ausgangspunkt, an der Station bei Moturis. Linda drückt sich, bestimmt hat sie ein schlechtes Gewissen uns gegenüber, sie ist angeblich heute zu Hause geblieben, deshalb bedienen uns die zwei jungen Leute aus Büro und Werkstatt. Sie wissen schon, daß wir zurückkommen und haben tatsächlich alles für uns vorbereitet. Ein anderes absolut gleiches Fahrzeug wartet in ihrer trockenen Werkstatt auf uns. Naja, ganz gleich ist es nicht, es ist viel neuer, hat nur 22.000 Meilen auf der Uhr, also ca. die Hälfte des anderen und macht einen erheblich besseren Eindruck.

Jetzt heißt es ranklotzen. Alles aus dem draußen im Regen stehenden Fahrzeug holen und ins neue Fahrzeug bringen! Ingrid muß alles wieder einräumen. Anderthalb Stunden Schwerstarbeit für uns beide. Ich kann nicht glauben, wieviel Equipment sich inzwischen im Fahrzeug angesammelt hat. Klamotten, Bettzeug, Ausrüstung. Und vor allem Lebensmittel! Und Getränke. Und der ganze Kleinkram! Trotzdem, um halb vier ist alles erledigt. Die ganze Zeit schüttet es in Strömen. Natürlich bin ich längst total durchnäßt und muß mich erstmal komplett umziehen. OK, da habe ich dem Ami heute Vormittag Unrecht getan. Aber die übertreiben ja sonst sehr gerne, deshalb habe ich ihm das mit dem heftigen Regen nicht glauben wollen. Manchmal haben sie halt doch Recht.

Ingrid ist glücklich. Ich auch. Endlich sitzen wir in einem verkehrstüchtigen und bequemen Luxus-Fahrzeug. Alles funktioniert, alles ist in bestem Zustand, die Sitzbezüge der vorderen Sitze und die Polster auf den Sofas sind sauber und kuschelig weich, das Armaturenbrett relativ aufgeräumt, das Radio viel moderner, die elektrische Spiegelverstellung funktioniert, die Rückfahrkamera wackelt nicht, alles wirkt absolut schön und perfekt. (Ich liebe ganz besonders meinen Fahrersitz! Ich habe noch nie so komfortabel und bequem gesessen wie in den beiden Vordersitzen dieser großen Wohnmobile.) Die Duschtür läßt sich jetzt sogar von einer Frau öffnen und schließen. Und wir haben ein brandneues unbenutztes Reserverad im Kofferraum! Und Tagfahrlicht. Einzige Verschlechterung: Es gibt ein paar Staufächer weniger an Bord. Und jetzt sechs Schlüssel am Bund, noch einen mehr als vorher. (Für die Motorhaube vorne.) Ist das Stand der (amerikanischen) Technik? Trotzdem: Die Kiste ist einfach cool!

Indian Summer in Neuengland  2011 

Aber das i-Tüpfelchen: Ingrid hat ein großes aufklappbares Fach oben im Armaturenbrett vor sich, mit seitlichen Steckdosen darin für 110 und 12 Volt, in dem z.B. der Laptop nach der Benutzung immer wunderbar einfach verschwinden kann. Ingrid kann es auch sehr gut während der Fahrt nutzen. Sehr praktisch! Raffiniert! Einfach supergeil! Manchmal haben die Amis auch ganz gute Einfälle.

Merke: Auch mit kleinen Sachen

kann man Frauen glücklich machen…

 

 

Um kurz vor vier legen wir erneut gutgelaunt ab. Endlich hat unser Urlaub begonnen. Aber wir wissen ja auch noch nicht, welch Ungemach heute Abend noch auf uns wartet...

Gestern Morgen hatten wir in Hampton Beach einen schönen RV-Park direkt am Meer gesehen (Hampton Beach State Park) und bedauerten noch, nicht auf ihm übernachtet zu haben. Jetzt haben wir Gelegenheit dazu. So schnell ändert sich alles.

Schon wieder sitzt niemand in der Registration, schon wieder können wir nicht bezahlen, na, OK, bestimmt Morgen früh. Es ist fünf Uhr nachmittags und es dämmert schon. Wir suchen uns einen schönen Stellplatz aus, mit Blick direkt aufs Meer hinaus. Jetzt nur noch schnell Wasserschlauch und Stromkabel anschließen und dann die ganze Nacht dem aufs Dach klopfenden Regen zuhören. Schön.

Tür auf und raus. Flutsch! Peng! Sie wird mir brutal von einem orkanartigen Sturm aus der Hand gerissen und schlägt mit voller Wucht gegen die Außenwand! Neue Katastrophe! Der Stoßdämpfer oben an der Tür wird dabei herausgerissen. Es passiert halt ständig etwas Schlimmes. Der Wind ist extrem stark. Dazu heftiger und lauter Regen. Deshalb haben wir auch nichts vom Sturm mitgekriegt. Vor ein paar Minuten im Ort habe ich noch ein paar Kleinigkeiten eingekauft, dort war außer Regen nichts zu spüren.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Der Platz ist direkt am Wasser, ohne jeglichen Schutz. Deshalb sind wir Wind und Wetter total hilflos ausgeliefert.

Aber wir haben Glück, trotz des Unwetters kann ich die Tür reparieren und wenigstens unser Stromkabel anschließen. Offenbar ist nichts passiert, kein Lackschaden wie schon befürchtet. Alle anderen Versorgungsleitungen  sind jetzt nicht so wichtig. Ich bin patschnaß, trotz Regenjacke, und ziehe mir erstmal die inzwischen getrocknete Hose von heute nachmittag an. Befehl vom Käpt’n: Die Luke (Außentür) darf heute Abend nicht mehr geöffnet werden!

Und dann sitzen wir gemütlich im leicht schwankenden Wohnmobil und hören dem Orkan zu, während wir voller Genuß unser üppiges Abendessen genießen. (Es gibt Kartoffeln, Rosenkohl und Rinderfilet. Und genießbaren Rotwein aus dem Nappa Valley. Mmh!) Unser erstes Wohnmobil würde jetzt bestimmt ständig unheimlich stark hin- und her schwanken, wie ein Schiff im Sturm auf hoher See, schließlich haben Federn und Stoßdämpfer längst ihr Ablaufdatum überschritten und sind schon lange am Ende ihrer Verwendbarkeit angekommen. Rasch ist es im Wagen mollig warm. Ingrid freut sich schon auf die Nacht. Obwohl, der Orkan gibt sich alle Kraft, unser Motorhome  umzuwerfen. Die beiden Slide-outs lassen wir heute Nacht lieber drin. Wir sind auch so glücklich und zufrieden.

Die MP3-CDs wurden und werden von beiden Jensen-Autoradios einwandfrei gelesen, sodaß wir auch unsere mitgebrachte Musik genießen können. Hier im neuen Fahrzeug könnte ich sogar einen USB-Stick anschließen. Außerdem haben wir eine AUX- (Kopfhörer) und eine iPhone-Steckdose.

(Auf die iPhone-Steckdose kann ich jetzt gut verzichten, ich habe inzwischen das viel modernere und benutzerfreundlichere Samsung Galaxy und kann über die AUX-Steckdose meine Musik übers Autoradio abspielen.) Ich hatte mich vorher extra wegen der Anschlüsse im Auto beim Reiseveranstalter erkundigt und eine falsche Auskunft erhalten. Überall gibt es halt uninteressierte Schlafmützen, denen solche Fragen gleichgültig sind. Der Reiseveranstalter, der vor allem Canada- und USA-Reisen anbietet, kann also auch nicht besonders von mir empfohlen werden.

Hoffentlich verschlimmert sich der Orkan nicht auch noch in einen Hurrikan. Es genügt, wenn unser Auto so heißt: Hurricane.  Hurrikan Irene hat schließlich vor zwei Monaten hier getobt und vieles verwüstet. Ist die Hurrikan-Zeit nicht längst vorbei?

Schade: Ich habe immer noch keine meiner vielen mitgenommenen Zigarren geraucht.

Ingrid: Endlich der versprochene und bezahlte Luxus. Jetzt kann es richtig losgehen! Schade um die zwei verlorenen Tage.

 

5. Tag

Donnerstag, 20. Oktober 2011
Hampton Beach, NH – Belfast, ME = 198 Meilen

Nachts versuchte der Wind mit größter Kraftanstrengung, unser Auto ins Wasser zu schubsen, aber es stemmte sich dem Wind entgegen und blieb brav auf seinen sechs Rädern stehen. Ingrid hatte doch etwas Angst; ich machte mir auch ein paar Sorgen. Wenn ich jetzt nochmal bei Moturis einen Schaden melde, werden sie mich vierteilen.

Hier stehen noch ein paar große Wohnmobile, alle haben sich „verkehrt“ herum aufgestellt, alle (vernünftig) mit der Schnauze (windschnittig) zum Wind gerichtet. Nur wir sind unvernünftig und parken „richtig“ herum, mit der Nase zum Wasser, damit wir etwas von der Aussicht haben. Uns greift der Wind also von hinten an. Deshalb findet der Sturm viel mehr Angriffsfläche an unserem Auto und unsere Dach-Aufbauten sind viel stärker gefährdet!

Indian Summer in Neuengland  2011 

Gegen vier Uhr in der Nacht ließ der Orkan stark nach und mutierte zu einem heftigen Sturm.

Da wir gestern notgedrungen viel zu früh schlafen gegangen sind, stehen wir um sechs Uhr auf. Ahh, endlich die erste Dusche! Welch eine Wohltat! Wir sind wieder in die Zivilisation zurückgekehrt!

Um acht geht’s los. Für die Übernachtung müssen wir bei der Rangerin (wir sind schließlich in einem State Park) unverschämte fünfzig Dollar bezahlen. Draußen vor der Tür tobt immer noch heftiger Wind mit Regen. 55°F (= 12°C). Mal sehen, was uns heute widerfährt...

Auf jeden Fall wollen wir ja nach Freeport zurück, um wenigstens L.L.Bean zu besuchen, die andern Outlet-Stores dort müssen wir uns wohl sparen, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren. Morgen Abend will ich am Acadia Nationalpark sein.

Die Autobahn (Turnpike mit wieder dreimal Toll) ist relativ leer, aber es nieselt und regnet ununterbrochen.

Indian Summer in Neuengland  2011 

Um elf sind wir zurück bei L.L.Bean. Jetzt sind wir da, wo wir gestern unsere Reise abgebrochen haben, um das Wohnmobil umzutauschen; also einen ganzen kompletten Tag unnötig verschwendet!

Die Erfolgsgeschichte von L.L.Bean begann vor vielen Jahren, als er für sich, der er ein leidenschaftlicher Angler und Jäger war, ein paar wasserdichte Schuhe anfertigen ließ. Die waren dann so gut, daß jeder auch solche Schuhe haben wollte und ein großer wirtschaftlicher Aufstieg begann. L.L.Bean soll einen besseren Kundendienst als Apple, (das dürfte nicht schwer sein!), Lexus oder Starbucks (wofür brauchen die einen Kundendienst?!) haben. Der Laden soll 365 Tage geöffnet sein. (Und was ist mit dem 366. Tag?)

Ingrid strahlt, sie hat sofort mit ihrer Schnüffelnase (für meinen Geschmack ganz besonders, hm, „wenig schöne“) schwarze Schnürstiefel mit Pelzfütterung gefunden, auf die sie bestimmt wieder ständig angesprochen werden wird. (Frauen haben eben einen oft seltsamen Geschmack.) Wenn sie genug Platz im Koffer hätte, könnte sie noch jede Menge anderer Dinge kaufen.

Indian Summer in Neuengland  2011 

Für mich gibt es leider nichts, ich hatte mir erheblich mehr von diesem Laden versprochen. Wir stöbern noch in ein paar Outlet-Läden in der Nähe herum, finden sonst aber nichts. Diese ganze Outlet-Masche ist in meinen Augen deutlich überbewertet.

Wir essen auf dem großen Parkplatz im Auto zu Mittag und machen uns um 13:00 Uhr wieder auf die Socken, äh, auf die Räder. Wir nehmen jetzt endlich wieder die Landstraße, natürlich Highway 1. „Drüben“ an der Westküste haben wir ihn ja schon komplett vom tiefsten Süden bei San Diego bis zum hohen Norden bei Seattle befahren. Jetzt endlich mal wenigstens ein Stück an der Ostküste. (Irgendwann fahre ich ihn auch hier nochmal komplett...)

Es regnet weiter. Temperatur steigt am Nachmittag bis auf 62°F. Die Straße an der Küste entlang ist leicht hügelig mit vielen herbstlich-bunten Bäumen und im Sonnenlicht wäre sie bestimmt traumhaft. Jetzt im Regen ist sie nur wunderschön. Wir sind bester Laune und haben viel Spaß.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Übrigens, BTW, ausgesprochen wenig Polizeiautos sehe ich hier herumfahren. Auf der Autobahn war auch nichts. Nicht wie sonst im Mittleren Westen oder ganz drüben an der Westküste, da sind sie überall und natürlich ständig am Abkassieren.

Unser Ziel ist ein Campground in Belfast, „Moorings Oceanfront RV Resort“. USA Today schreibt angeblich: „Belfast is one of the top ten culturally cool towns in our country“. Diesen Platz habe ich im „2011 RV Parks & Campgrounds“-Katalog herausgesucht. Das Buch (ein dicker schwerer Wälzer mit fast 1.800 Seiten!) liegt in jedem gemieteten Wohnmobil, sodaß man da im Allgemeinen leicht einen der millionen RV-Plätze heraussuchen kann. Neben vielen anderen Angaben steht auch genau drin, von wann bis wann die Plätze geöffnet haben. Ich muß mir ab jetzt für jede Nacht unseren Platz in diesem Buch raussuchen, anders geht es gar nicht mehr. Ich würde ihn mir ja lieber „frei nach Schnauze“ aussuchen. Doch man muß einfach erkennen, wenn man nachgeben muß! Denn wir fahren in der falschen Jahreszeit, die allermeisten Plätze werden hier in Maine und überhaupt im Nord-Osten bereits zwischen Ende September und Mitte Oktober zugemacht (spätestens nach Columbus Day, zweiter Montag im Oktober).

Auch viele Motels und andere Geschäfte, die vom Tourismus leben, sind bis zur nächsten Saison in 2012 bereits in Winterschlaf, viele Reklameschilder und andere Blickfänge sind dick mit blauer Folie umhüllt und eingepackt, damit sie den Winter über nicht so frieren müssen. Unser Platz hat zu unser beider Erleichterung immerhin heute noch als letzten Tag geöffnet.

Nächstes Mal fahren wir hier im Sommer herum. Auf Kreta ist es ja ähnlich, ab, ich glaube, Ende Oktober wird die gesamte Insel für den Tourismus bis zum Frühling „ab“geschlossen.

Hier haben wir Glück, wir bekommen einen sehr schönen „Premium“-Stellplatz, (relativ teuer, kein Nachlaß, schon wieder schlappe fünfzig Dollar), etwas erhöht direkt am Atlantikstrand, in der weiten Bucht, nach Süden liegend und mit wunderschönem Ausblick aufs Wasser. Sogar die Sonne freut sich mit uns und kommt noch für ein paar Minuten hinter den Wolken heraus. Ingrid ist glücklich und hüpft mit ihren neuen Stiefeln fröhlich draußen im Gras herum, während ich alle Leitungen anschließe und zum ersten Mal unsere beiden Slide-outs ausfahre. Jetzt können (könnten) wir im Wohnzimmer tanzen, soviel Platz gibt es.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Übers W-LAN kann ich endlich mal ins Internet. Freitag, Samstag und Sonntag soll es endlich wieder sonnig werden!

Aber es kommt noch ein weiteres Highlight, jedenfalls für uns beide: Unser abendliches Dinner. Leider werden zwei arme bedauernswerte unschuldige Tiere extra für uns sterben müssen, zwei Lobster, nur damit wir sie ganz profan aufessen können. Ich habe bisher nur einmal (in Mexiko) Hummer gegessen. Damals fand ich es nicht so toll, aber das war damals auch eine ausgesprochen lieblose Touristenfalle. Oben an der Straße soll es ein Lokal mit gutem Ruf geben. Schade für die beiden Tiere, ich habe ein ganz, ganz schlechtes Gewissen. Warum bin ich nur so verfressen?!

Super, das Lokal ist wohl eher eins für Einheimische, nicht gerade ein Geheimtipp, aber doch etwas Besonderes mit viel originellem Ambiente. Schummrig beleuchtet, die Gäste bekommen zur Speisekarte auf einer großen Tafel eine Taschenlampe gereicht. Also uns gefällt es hier, wir fühlen uns wohl. So etwas Besonderes wiegt alle vorher erlebte Unbill auf und entschädigt uns. Schön, so ein Urlaub.

Die beiden Tiere kosten jedes sechsundzwanzig Dollar, was ich nicht als zu teuer empfinde. In  den zahlreichen Imbißbuden an der Straße bekommt man sie wahrscheinlich billiger, aber bestimmt nicht in dieser einzigartigen Atmosphäre – und sitzt dabei im Freien. Karen bedient uns und erklärt uns mit wenigen Worten, wie man es macht. Alles was man abbrechen kann, an dem armen roten Typ auf dem Teller vor einem abbrechen und das Teil mit Hilfe des dazu gereichten „Nutcrackers“ (Nußknacker) aufbrechen, dann das weiße zarte Fleisch mit dem beiliegenden Plastikspieß herausholen. Eine kleine Schürze wird gleichfalls mitgeliefert. Erkenntnis: Alles ganz easy, viel einfacher als befürchtet! Dazu gibt es Pommes frites, je einen Maiskolben, flüssige Butter und Ketchup.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011   

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Zwei Stunden später. Hicks! Also, mir persönlich gibt so ein Lobster nichts. Hicks! Ingrid eher, sie ist begeistert. Hicks! Wir haben jeder einen ganzen roten Lobster bzw. dessen Inneres aufgefuttert. Hicks! Dazu gab es eine Flasche kalifornischen Merlots (ist mir lieber als Weißwein) und zwei Long Island Ice Tea. Hicks! Ich jedenfalls bin ziemlich blau. Hicks! Ingrid noch mehr!. Hicks! Gutgelaunt laufen wir zum Auto runter. Hicks! Warum geht denn das blöde Schloß am Wohnmobil nicht mehr auf? Hicks! Hat da jemand Klebstoff reingespritzt? Hicks! Oder die blöden Schlüssel vertauscht? Hicks! Irgendwann habe ich die blöde Sch...tür aber doch auf...

Auf dem Rückweg bewundern wir sämtliche Sterne der Milchstraße. Morgen soll es wohl wirklich Sonne geben. Ist ja klar, wenn Engel reisen! Und es ist auch längst nicht mehr so kühl wie nachmittags. Die Brandung brandet immer noch.

Ingrid: Unsere Landstraße im Regen war soo schön. Und der Hummer war wirklich gut! Ein wirklich schöner Tag!

 

6. Tag

Freitag, 21. Oktober 2011
Belfast, ME – Acadia NP - Trenton, ME, 118 Meilen

Die Nacht war sehr angenehm, wir haben wunderbar geschlafen, mal so ganz ohne Orkan, mal so ganz ohne Lebensgefahr. Um halb sieben stehen wir auf, Petrus will seinen Fehler wieder gutmachen und hat ein Einsehen mit uns: Er hat wie versprochen die Sonne wieder rausgelassen und spendiert uns einen wunderschönen Sonnenaufgang. Kein Wölkchen mehr am Himmel. Die 55°F fühlen sich heute gar nicht so kalt an wie gestern. So muß ein Urlaub sein, schönes Wetter, gutes Frühstück und viel Meer.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Wir liegen hier an einer riesigweiten Bucht, deshalb ist der Atlantik hier eben wie ein Spiegel.

Um neun haben wir Klarschiff und rollen vor zur Dump-Station, ein paar Minuten später sind wir „on the road again“. Wir tanken für $ 3,53 pro Gallone bis sich die Zapfsäule bei $ 75 abschaltet. Schade, die Straßen hier oben sind den ganzen weiten Weg sehr schlecht und werden es wohl auch bleiben. Unser Schuhkarton klappert und rumpelt eigentlich ununterbrochen. Der erste Cop lauert versteckt am Straßenrand auf Kunden. (Am Schluß der Reise werden es insgesamt nur zwei gewesen sein.)

Wir fahren weiter auf unserem geliebten Highway 1, weiter nordöstlich, leider sind es nur noch fünfundachtzig Kilometer bis zum Acadia National Park. Der Hwy 1 ist für manche Leute und speziell für uns beide eine ganz besondere Straße. Vom Mythos her folgen die beiden Highway 1 direkt der alten Route 66, die aber in Wirklichkeit leider kaum noch besteht.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Wir bleiben noch bis Ellsworth auf dem Highway 1 (ergänzen unsere Vorräte für nochmal $ 72), biegen dann auf den 3er ab und fahren in einer Schleife südlich nach Bar Harbor und dem Acadia NP. Vor Bar Harbor liegen zwei große weiße Kreuzfahrtschiffe in der Frenchman Bay auf Rede.

Gegen 13 Uhr sind wir da und durchfahren den Acadia Park auf Mount Desert Island. Ein bißchen schwierig wird es, weil es zwei zu niedrige Brücken im Park gibt, die uns wegen unserer Höhe nicht durchlassen wollen. Aber mir gelingt es auf ein paar Schleichwegen ganz gut, wir müssen nicht Wenden.

Strahlende Sonne und blauer Himmel: Indian Summer! Ein Feuerwerk an Farben. Hier sind wir glücklich. So haben wir es uns gewünscht!

Wir fahren den Cadillac Mountain hinauf. Er ist mit (in Wirklichkeit lächerlichen) 466 Metern Höhe der höchste Berg an der amerikanischen Atlantikküste. Trotzdem: Abgründe tun sich vor uns auf, oft gibt es keine Leitplanken. Ingrid hat Probleme mit ihrer Höhenangst. Altmodisch aussehende Trolleybusse fahren ständig durch den Park. Amis können ja keine Kurven fahren. Deshalb lassen sie ihre Autos lieber unten in Bar Harbor stehen, um sich mit den Bussen durch den Park fahren zu lassen.

Cadillac Mountain – Wikipedia

Oli's Trolley Bar Harbor and Acadia's Original Trolley Sightseeing Tour

Leider ist es hier oben auf dem Gipfel trotz der Sonne kalt und windig. Ich laufe wenigstens die kleine Loop (Schleife) um die Bergspitze herum und bestaune die herrliche und weite Aussicht. Hier oben würde ich zu gerne mal den Sonnenaufgang erleben. (Hier auf dem Gipfel des Cadillac Mountain sollen die morgendlichen Sonnenstrahlen zuerst die USA berühren. Wäre mir persönlich aber nicht so wichtig.)

Indian Summer in Neuengland  2011   

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

 

Das Wetter ist so schön, der Himmel so blau und der Wald so bunt, daß ich schon befürchte, bald nicht mehr genug Farbe in meiner Kamera übrig zu haben. Ein wunderschöner Nachmittag.

Die Ranger im Visitor Center  erweisen sich dagegen leider als etwas unkooperativ, bestimmt, weil sie jetzt am Ende der Saison auch langsam die Schnauze voll haben. (Wenn man sie bzw. die Leute in den Visitor Centers nicht braucht, überschütten sie einen mit angebotener Hilfe und Gequatsche.) Wie versprochen, leuchtet wenigstens das Laub in den wunderschönsten Farben. Den ganzen Tag war es zwischen 56 und 62°F warm bzw. kalt. Merkwürdig finde ich, daß wir keinen Eintritt (eigentlich $ 10 oder $ 20 pro Fahrzeug) bezahlen müssen

Gegen vier sind wir auf dem einzigen weit und breit noch geöffneten Campground „Narrow Too Camping Resort“ und müssen für unseren angeblichen „best of the best“-Stellplatz direkt am Strand der riesigen Bucht mit wunderschönem Blick auf die Insel und den Nationalpark schlappe zweiundachtzig Dollar bezahlen. Die Preise werden immer unverschämter; die Hochsaison („Peakseason“) wird schamlos ausgenutzt. Wenigstens gibt es wieder Strom und Wasser. Übrigens: Die Gegend hier wird „Down East“  genannt und ist wohl insgesamt sehr teuer.

Weil das Schloß unserer Außentür etwas schwer geht, lasse ich mir an der Registration eine Sprühdose WD‑40 geben und sprühe es etwas ein.

Immer noch herrliche Sonne, auch für Morgen.

Wir überlegen bei meiner (ersten) Zigarre und ein paar Wodka Martini, ob wir unsere Tour etwas ändern sollen/wollen. Es ist doch etwas schwierig, immer wieder vor bereits geschlossenen Plätzen zu stehen. Auch unser heutiger wird in ein paar Tagen am 25. Oktober schließen.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Abendessen bei Sonnenuntergang. Wie bei uns ist es um halb sieben schon  stockdunkel. Ein Eis rundet den Tag ab. Draußen ist es (eigentlich) immer noch nicht kalt.

Im Internet lese ich, daß Gaddafi und seine Söhne getötet worden sein sollen. Gut so!

Ingrid: Ich will die Route nicht ändern. Der Atlantik ist einfach zu schön. Amerika ist hier ganz anders. Die Häuser und die ganze Gegend gefallen mir, einfach alles. Erinnert mich ein wenig an Holland und die Nordsee.

 

7. Tag

Samstag, 22. Oktober 2011
Trenton, ME – Bethel, ME = 199 Meilen

Guten Morgen, liebe Sonne! Sonne? Nix da, eine dichte Wolkendecke hängt über uns und der Bucht und dräut vor sich hin. Cadillac Mountain wird von einer Wolke (oder ist es Nebel?) überzogen. Es ist sieben Uhr und Petrus hat sein Versprechen nicht eingehalten! Schade, daß ich seine Handynummer nicht kenne; keine Möglichkeit zur Beschwerde. Aber wenigstens bekommen wir während des Sonnenaufgangs schöne Farben ganz hinten am Horizont zu sehen. Das gestern vollmundig angekündigte „Mostly sunny  (vielfach sonnig) ist jedenfalls gelogen.

Indian Summer in Neuengland  2011 

 Ingrid beherrscht ihre Küche immer perfekter, das Frühstück wird mit jedem Morgen besser. In den letzten Tagen unserer Reise wird man es dann vielleicht sogar genießen können...  Autsch! Warum boxt Du mich jetzt?! War doch nur ein Spaß!! Wirklich! Ingrids Frühstück (leider ungesundes Frühstück - alles was schmeckt ist ungesund und vice versa), Ingrids American Breakfast mit Bohnen, Bacon, Bratkartöffelchen, Spiegeleiern, Steak und vielem anderen mundet mir sehr, hoffentlich nehme ich auf unserem Trip nicht schon wieder zu. Zum Glück brauche ich ihr nicht zu helfen, bin leider zu ungeschickt...

Ich überlege erneut, die Tour umzuplanen, bleibe dann aber letztlich doch auf unserer alten Route. Maine ist offenbar etwas langweilig, es gibt hier keine touristisch empfohlenen (im Atlas gepunkteten) Straßen, außer natürlich Hwy 1 an der Küste entlang. Also fahren wir jetzt westwärts auf möglichst kurzer Strecke durch den Staat und werden die Grenze nach New Hampshire bei Bethel überqueren.

In Elsworth kommen wir am Supermarkt von gestern vorbei, ob Barb (Barbara) aus Stuttgart heute wieder an der Kasse steht?

Wir nehmen den Highway 1A bis Brewer und können endlich mal (für $ 3,46 pro Gallone) volltanken, ohne daß sich die Säule schon bei $ 75 abschaltet.

Dann weiter auf Hwy 2. Den ganzen Tag bleibt es bei 53 bis 56°F.

Unser Wetter bleibt trüb, aber wenigstens ist es meistenteils trocken, so ist es auch noch ganz schön. Wenn nur die Straßen nicht in so katastrophal schlechtem Zustand wären. Das wie immer lose auf das Armaturenbrett gelegte Navi tanzt Samba und hüpft vor Freude zentimeterhoch herum.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Wieder gibt es unzählige Kirchen und Sekten am Straßenrand mit ihren vielen Kapellen.

Überall in Maine sieht man viele Schneepflüge, große, mittlere und ganz kleine, es scheint hier viel Schnee zu geben. Und außerordentlich viele Snowmobiles stehen zum Verkauf am Straßenrand.

Bisher keine besonderen Vorkommnisse, Gottseidank. (Wenn ich jetzt nochmal mit einer neuerlichen Schadensmeldung die Moturis-Hilfe-Hotline anriefe, brächten die uns vermutlich um...)

Wir halten an einem Fluß.  Mr. Bob Ross könnte hier herumstehen und eines seiner (scheußlichen) Bilder malen. (Trotzdem, wir schätzen ihn beide sehr.) Nur schade, daß die Sonne kaum rauskommt.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Unterwegs besuchen wir mal wieder einen Walmart, Ingrid braucht dringend Klamotten. Sie hat eigentlich so gut wie nichts zum Anzuziehen...

Schade, auch hier im Norden sind die meisten Orte ausgestorben. Fast alle Privathäuser sind verkommen oder sogar verfallen. In den Großstädten gibt es ja bekanntermaßen sehr großen Reichtum, aber hier auf dem Land verkommt alles, Straßen, Häuser, einfach alles, kleine Orte, große Orte, sogar Kleinstädte. Ich war ja schon oft in den USA, aber leider ist es fast überall so schlimm. Sogar hier oben im „reichen“ Nordosten. Trotzdem, ich liebe Amerika. (Wir schätzen, daß auf unserer jetzigen Reise durchschnittlich mindestens jedes vierte Haus zum Verkauf steht. Oft ganze Straßenzüge, ein Haus neben dem anderen.) In den Nebenstraßen sieht es oft noch schlimmer aus.

Amerikaner verwenden bekannte Städtenamen ja auch gerne für ihre eigenen Dörfer und Städte, so gibt es hier in der Umgebung z.B. Peru, Paris, Cambridge, Oxford, Norway, Sweden, China und Palmyra. Palmyra?! Ja, gibt es hier auch, wir fahren sogar durch. Palmyra ist ja eigentlich als antike Oasenstadt in Syrien bekannt, in der ich im April noch war. Zuhause sehe ich dann, daß es allein in den USA elf Orte mit diesem Namen gibt, plus einmal in Australien.

In Mexico, ME sehen wir zufällig das Highlight des Tages, nein, der Reise: Eine gigantische Paul Bunyan-Holzfäller-Figur.

(Einer meiner Lieblingsfilme ist „Fargo“. Ich liebe ja alle Filme der Coen-Brüder, Fargo aber am meisten. In Fargo kommt so eine riesige Paul Bunyan-Holzfällerfigur vor. Sie war speziell für den Film gebaut worden und stand für die kurze Zeit der Filmaufnahmen in Bathgate, ND - und wurde dann versteigert. Seitdem war ich davon fasziniert und wollte sie schon immer einmal sehen. Lange Zeit wußte ich nicht, daß es davon eine ganze Anzahl gibt. Jetzt ist der Moment gekommen! Ich bin außerordentlich happy! In Bangor hatten wir sie heute mittags verpaßt und jetzt steht hier eine andere einfach so herum und wartet auf mich! Nein, auf uns! Unglaublich!)

Paul Bunyan – Wikipedia

Schade, für seinen zu ihm gehörenden blauen Ochsen „Babe, the blue Ox“  im Nachbarort Rumford haben wir keine Zeit mehr, wir wollen noch vor Dunkelheit an unserem Campground ankommen.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Wir übernachten im „Pleasant River Campground“ in West Bethel am Androscoggin-River, kurz vor der Grenze nach New Hampshire für außerordentlich günstige (bzw. endlich normale) knapp dreißig Dollar. (Ist ja klar, auch dieser Platz wird in ein paar Tagen am 31. Oktober geschlossen.) Der Campingplatz macht einen guten Eindruck und ist hervorragend gut gepflegt; wir stehen in einem schmucken Park mit jeder Menge Bäume. Erst einmal bekommt jeder einen Drink draußen auf der Bank, wenn es auch schon reichlich kühl ist, und ich die heißgeliebte Zigarre, erst die zweite der Reise. Ist das Leben nicht schön?

WiFi (WLAN) gibt’s auch. Jetzt muß ich erstmal die E-Mails checken und dann kann ich die Welt retten, äh, nein, zum Essen kommen.

Der kalifornische Rotwein (Pinot Noir für $ 19,99) mundet uns ganz besonders,  zum Glück kein Barrique. Dazu gibt es „knuspriges“ (ich nenne es schwarz verkohltes) Weißbrot und ein saftiges Steak. (Wir haben heute Abend keinen allzu großen Hunger.) Jeder Abend ist jetzt der schönste Abend unserer Reise. Entspannung pur. Wie damals, auf unserer ersten Wohnmobilreise, entdecken wir beide jeden Tag mehr die Freuden einer langsamen Fortbewegungsart. Wir fühlen uns wohl und gewöhnen uns immer mehr an solch ein Leben auf der Straße. (Ingrid meinte schon vor ein, zwei Tagen, daß sie sich durchaus eine deutlich längere Reise in einem so komfortablen Wohnmobil vorstellen könnte...)

Indian Summer in Neuengland  2011   

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Die Margaritas hauen ganz schön rein. Nuna, die Bcuhtsbn snid ja pöltzlcih gnaz waodnres afu der Tsatutar!

Ingrid: Essen zuzubereiten und es zu verspeisen ist schön, Spülen und Aufräumen nicht.

 

8. Tag

Sonntag, 23. Oktober 2011
Bethel, ME – Conway, N.H. = 124 Meilen

Wir haben hier so gut geschlafen, daß wir zum ersten Mal erst um halbacht wach werden. Der Sonnenaufgang wäre jetzt schon längst vorbei, aber hier gibt es ja auch gar kein Meer. Himmel stark bewölkt, immerhin gibt es ein paar kleine blaue Flecken am Himmel.

Um zehn geht’s los, weiter westwärts, es sind nur noch ein paar Meilen bis New Hampshire und bis zu den White Mountains. Neues Ungemach wartet schon auf mich.

Schade, leider dürfen wir mit unserem Dampfer nicht die Straße zum Mt. Washington rauffahren. (Schlecht für mich, gut für Ingrid. Mit ihrer Höhenangst hätte sie die Strecke bestimmt nicht überlebt. Jedenfalls werden hier solche Menschen extra gewarnt. Mein Tipp: An den schlimmsten Stellen könnte man ja auch mal kurz die Augen zumachen.) Die Fahrt den Berg rauf ist nicht billig und kostet für Pkw mit einem Beifahrer dreiunddreißig Dollar. Mit einem der kleinen weißgrünen Vans (für $ 30 pro Person) will ich mich nicht hochfahren lassen, zumal oben alles wegen Eis und Schnee gesperrt und überhaupt alles im dicken Nebel liegen soll. (Wäre mir auch zu unprofessionell! Da muß man doch wohl selbst rauffahren! Später zuhause sehe ich auf Google Earth, daß es keine einzige Serpentine gibt. Amerikaner sind halt sehr vorsichtig bei solchen Straßen.)

Indian Summer in Neuengland  2011 

Wir gondeln auf ein paar romantischen Straßen und zum Schluß auf der Crawford Notch Road um den Berg herum und kommen schließlich zu einem weiteren Highlight: Das frühere Hotel „Mount Washington“ in Bretton Woods, ein außerordentlich berühmtes Luxus-Hotel. 1944 gab es hier eine Konferenz für ein neues Weltwährungssystem. (Vom „Bretton Woods-Abkommen“ hat man ja schonmal gehört.) Breit und schön ist es in der herrlichen Landschaft eingebettet, überragt von mächtigen Bergen, allen voran der berühmte Mount Washington.

(Frage: Wie sind die Politiker damals nur alle hierhergekommen? Gab es 1944 schon Hubschrauber?)

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Bretton Woods (New Hampshire) – Wikipedia

Bretton-Woods-System – Wikipedia

mount washington - Google-Suche   mit vielen Fotos

Hier biegen wir ab, ich will mit der ebenso berühmten „ältesten Zahnradbahn der Welt“, der „Mount Washington Cog Railway“, zum 1.917 Meter (6.288 feet) hohen Gipfel rauffahren. Siebenundfünfzig Dollar „for Adults over 65“   (statt normal $ 62). (Dafür könnte man auch hochklettern, wenigstens im Sommer. Ein paar Leute tun es tatsächlich, ich sehe sie unterwegs und ganz oben auf dem Berg.) Der Fahrkartenverkäufer will noch nicht einmal meinen Ausweis sehen. Sehe ich inzwischen wirklich schon so alt aus? („Cog“  heißt „Zahnrad“. Ich wußte das jedenfalls bisher nicht. Auf jeder USA-Reise lernt man ein paar Wörter hinzu. Ein Seitenschneider soll z.B. „dike“ oder so ähnlich genannt werden. Wie er tatsächlich geschrieben wird, konnte der Typ mir nicht sagen…)

Ich habe Glück, ich bekomme meine Karte und kann auch in einer halben Stunde mit der nächsten Bahn um 14:30 Uhr hochfahren. Die Bahn kommt langsam auf dem krummen Gleis herunter geschwankt, ein paar Minuten dahinter noch eine. (Praktisch: An der jeweiligen Endstation werden vom Zugbegleiter sämtliche Rückenlehnen der hölzernen Sitzbänke umgeschwenkt, damit die Leute immer in Fahrtrichtung gucken.)

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Ich steige in die jetzt vordere Bahn ein. Aber es geht noch nicht gleich los, erst müssen sich alle siebzig Leute im vollbesetzten Waggon einen „witzigen“ Vortrag des Wagenbegleiters anhören. Um kurz nach halb drei geht es endlich langsam den Berg hinauf. Die „Züge“ bestehen aus je einer Diesel-Lok, („Bio“-Diesel, wie man stolz verkündet; die mit Kohle und Wasser betriebenen Loks sind inzwischen längst zu teuer und schon seit Jahren auf dem Abstellgleis), also aus einer kleinen Lok und einem langen 70-sitzigen Waggon. Alle Plätze sind ausverkauft.

(Die früheren Dampfloks sahen sehr skurril aus, weil das Oberteil mit Dampfkessel und Führerhaus waagerecht auf dem schrägen Fahrgestell montiert war. Aber leider werden sie nur noch einmal morgens um halbneun rausgeholt, für eine einzige Fahrt. Logisch: Heute Morgen war es zum letzten Mal für dieses Jahr. Ich wäre also mal wieder zu spät für die Dampflok gekommen. Deshalb: Wer sich das Vergnügen gönnen will, mit dieser alten Dampflok zu fahren, sollte den Fahrplan beachten und möglichst frühzeitig vorher online buchen.)

Mount Washington Cog Railway - Climb to the Top of Mount Washington on the world's first mountain-climbing Cog Railway trains!

Die Fahrt bergauf dauert ca. vierzig Minuten. Steil, sehr steil geht es auf wackeligen Schienen den Berg im Kriechtempo hinauf. In der Mitte gibt es eine Ausweichstelle, an der sich zwei Züge begegnen können und einen Wasserturm für die Dampflok. Nach einiger Zeit wird es neblig, dann kommen noch Schnee und Eis dazu. Oben auf dem Gipfel sind wir ganz knapp über den Wolken, die Sonne kommt immer wieder ein bißchen durch.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Ich sehe mir alles an, aber es gibt halt nicht allzuviel zu sehen. Ein paarmal werde ich angesprochen und muß fremde Leute mit ihren Kameras fotografieren.

Pardauz! Bums! Platsch! Au! Auf dem kurzen Weg von der Aussichtsterrasse zum großen Platz hinunter kürze ich etwas ab, weil vor mir ein paar alte Leute rummachen, rutsche auf dem Eis aus und setze mich knallhart auf meinen Po bzw. mit eben diesem aufs betonharte Eis. (Leider ist meine Adoleszenz (Jugend) schon viel zu lange her; ein junger Mann hätte den Ausrutscher vielleicht gerade noch so abfangen können.) Warum bin ich auch immer so risikobereit und bleibe nicht auf dem normalen Weg? Dabei habe ich (auf Ingrids Anraten) extra meine Sandalen unten gelassen und die Sportschuhe angezogen. (Und drei Jacken - und sogar die lange Hose!) Immerhin handele ich mir beim Aufprall ein paar leichte Hautabschürfungen an der rechten Hand ein. Ein Mann will mir zu Hilfe kommen, es ist aber nicht nötig, es ist sonst nichts passiert. Er bestätigt mir aber, daß ich mich noch relativ elegant hingesetzt hätte...

Es ist zwar nichts passiert, aber die Kamera ist weg! In großem Bogen habe ich sie beim Fallen durch die Luft geschleudert. Jetzt ist sie irgendwo zwischen den großen Felsen in irgendeine der vielen Felsspalten hineingerutscht. Man könnte es auch so ausdrücken: Der Höllenschlund tat sich auf und verschlang sie! Wahrscheinlich hat sie sich beim Aufprall in ihre Einzelteile zerlegt. Aber ich habe Glück, wie immer, wenn ich es wirklich brauche. Zwei sportliche junge Leute, die offensichtlich zu Fuß heraufgekommen sind, bieten sich an, mir bei der Suche zu helfen. Nach einigen Minuten wird die Kamera entdeckt und mithilfe eines Wanderstocks auch aus den Tiefen des Orkus herausgeangelt. Kamera wieder da, unbeschädigt, ich bin auch unbeschädigt, nix gebrochen oder ernsthaft verletzt! Ich schicke erstmal ein Dankgebet nach oben. Vielen Dank für alles, mein lieber Schutzengel! (Wie vor zwei Jahren. Damals war ich mit dem blöden GBS noch total gelähmt! - Immer, wenn ich wirklich in großer Not war, ward mir von ihm geholfen! Schon so häufig! Und mein Schutzengel muß manchmal ganz schön schnell fliegen. Wie lang hilft er mir eigentlich noch?) Wenn die Kamera weg wäre, könnte ich mich auch gleich aufhängen. Oder mich hier im ewigen Eis einfrieren lassen. Alle heutigen Fotos weg. Nicht auszudenken. (Deshalb immer Fotos sichern und eine zweite Kamera mitnehmen...)

Übrigens: Auf einem großen Schild sind die (einhundertachtundvierzig) Namen derjenigen Leute verzeichnet, die hier oben oder auf dem Weg hinauf oder hinunter gestorben sind. Gut, daß mein Name hier noch nicht eingetragen werden muß.

Die weißgrünen Vans sind auch hier oben; sie bringen die Leute, die nicht selbst hochfahren können bzw. wollen, über die Straße herauf.

Man rühmt sich großspurig damit, daß hier oben das schlechteste Wetter der Welt sein soll: „The worst weather in the world“.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Nach etwas mehr als einer halben Stunde dürfen wir wieder runterfahren, viel länger kann man es auch gar nicht hier oben im eisigen Wind aushalten. (Es gibt aber auch ein Gebäude aus Beton mit Cafeteria und dem unvermeidlichen Souvenir-Shop. Ich bin wirklich glücklich, daß ich die Treppe ins kleine Museum im Untergeschoß runterlaufen kann.) Im Sommer ist es bestimmt ganz schön hier oben. Die Fahrt bergab dauert genauso lang, wieder vierzig Minuten. Der jeweilige Wagenbegleiter muß jetzt an zwei großen Stellrädern zusätzlich bremsen. Und weil in unserem jetzigen Wagen die Lüftung ausgefallen ist, beschlagen die Scheiben ständig und der Schaffner muß sie dauernd mit einem Wischer abwischen; er braucht Sichtkontakt zum Lokführer vor uns, der ihm Winkzeichen fürs zusätzliche Bremsen gibt.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Ingrid wartet unten schon und ist etwas unwirsch mit mir, weil es so lange gedauert hat, dabei hätte es wirklich nicht schneller gehen können. Um halb fünf fahren wir wieder weiter. Das Navi schickt uns auf einer ausgesprochen schmalen Straße durch den Wald; die Schranke am Ende ist erfreulicherweise geöffnet…

Alle drei herausgesuchten Campgrounds (einer aus dem dicken Buch, zwei aus dem Navi) gibt es gar nicht. Das kommt hier leider manchmal vor. Oder wir haben sie einfach nicht gefunden. Inzwischen ist es neunzehn Uhr und längst stockdunkel und ich habe einfach keine Lust mehr, jetzt im Finstern noch ewig weiterzusuchen. Deshalb stellen wir uns in einem kleinen Ort einfach auf einen kleinen Parkplatz vor ein paar Läden. Wofür sind wir autark und haben alles dabei, um komfortabel eine Nacht zu verbringen?

Wir vermuten, daß wir in Conway sind. (Ortsschilder sind in den USA mehr oder weniger unbekannt, man muß oft raten, wie der jeweilige Ort oder die Stadt heißt. Man weiß es eigentlich nur, wenn ein Willkommensschild am Straßenrand steht, „Welcome to XY“.) Jetzt hoffen wir, daß wir hier unbelästigt bis Morgen früh stehen bleiben können. (Übrigens: Walmart lädt Wohnmobilisten geradezu ein, die Nacht auf seinen riesigen Parkplätzen zu verbringen. Aber hier ist leider keiner weit und breit.)

Indian Summer in Neuengland  2011 

Mein Steißbein schmerzt noch immer vom Fall. Hoffentlich ist es Morgen nicht noch schlimmer. (Später zuhause höre ich wahre Horrorgeschichten über Handgelenke, Wirbelsäulen und Bandscheiben, die bei solchen Stürzen gerne schonmal verstaucht, angeknackst, gebrochen oder sonst wie beschädigt werden. Das hätte ganz schön unangenehm ausgehen können…)

Heutige Erkenntnis: Eiskristalle wachsen zum Wind hin!

Ingrid: Gemeckert habe ich gar nicht, Sorgen hatte ich um ihn. Wer Wilf kennt, weiß ja, wie sehr er das Risiko liebt!!!! Und hatte ich nicht Recht, man kann ihn nicht alleine lassen! Kleine Strafe: Steißbein!!

 

9. Tag

Montag, 24. Oktober 2011
Conway, NH – Andover, VT = 188 Meilen

Wir stehen um halbsieben auf. Draußen ist es 34°F = ca. 0°C! Zur Feier des Tages frühstücken wir gleich neben unserem Auto in Bea's Café. Ausnahmsweise. Vielleicht essen wir auch noch einmal irgendwo zu Abend, ist ja einfacher, als selbst kochen und spülen müssen. Mal sehen, ob es eine Gelegenheit dafür gibt. Übrigens, wir sind tatsächlich in Conway.

Indian Summer in Neuengland  2011 

Mein Steißbein ist OK, der Schmerz ist auszuhalten. (Es ist ein durchaus erträglicher Schmerz, eigentlich nur lästig, keiner dieser schlimmen stechenden Schmerzen.) Auch mit der rechten Hand und dem dazugehörigen Arm ist alles in Ordnung, nichts zurückbehalten. Was habe ich da mal wieder ein Glück gehabt! Jetzt mit angeknackstem oder gar gebrochenem Handgelenk oder sonst einem beschädigten Körperteil weiterfahren zu müssen oder gar im Krankenhaus liegen zu müssen ‑ das will ich mir lieber gar nicht erst weiter ausmalen.

Keine Wolke am Himmel, wenn sich erst einmal der Dunst aufgelöst hat, werden wir einen strahlend-sonnigen Tag bekommen.

Jetzt, nach Studium der Karte, klärt sich auch das Rätsel, warum ich gestern Abend den anvisierten Campingplatz in Twin Mountains nicht gefunden habe: Das blöde Navi hat uns an einen völlig falschen Ort geführt! Und dann bin ich auf der Hauptstraße leider auch noch in die falsche Richtung abgebogen! (Bedauerlich: Winzige Fehlentscheidung, große Wirkung.) Dabei hätte es in Twin Mountains ja sooo schön werden können. Warum habe ich nicht in der Karte nachgesehen?! (Erklärung: Wir waren schon etwas spät und ich wollte nicht noch mehr Zeit verlieren. War echt blöd von mir! - Aber die Nacht auf dem Parkplatz war auch ganz schön! Nicht gerade ein Abenteuer, aber halt mal was anderes.)

Zwei Meilen weiter nördlich gibt es mal wieder eine Reihe Outlet-Läden, aber ich will jetzt nicht schon wieder soviel Zeit mit Einkaufen verschwenden. Ich fahre deshalb ein paar Meter südlich und biege nach Westen ab, auf den hier beginnenden Kancamagus-Highway. Er soll ja nicht so besonders sein, (vor allem die Straße ist mal wieder bzw. wie immer sehr schlecht und hoppelig), aber er bietet sich uns einfach an. Und fahren wollte ich ihn auf jeden Fall.

Indian Summer in Neuengland  2011 

Am Swift River entlang führt uns unsere Fahrt durch die White Mountains weiter in westlicher Richtung ganz romantisch und idyllisch nach Lincoln. Hier wollten wir eigentlich „The Flume“ besuchen, einen tiefen Taleinschnitt, eigentlich eine Klamm, mit steilen Wegen und Treppen hinunter und wieder rauf, und vielen Holzstegen entlang eines wilden Flusses und zu einem Wasserfall. Leider ist alles seit ein paar Tagen geschlossen und die Boardwalks  werden gerade abmontiert. Nicht schlimm, wir haben uns ja schon dran gewöhnt, daß alles Mögliche bereits „closed for the season“ ist.

 

Wenigstens habe ich ja gestern die Fahrt mit der Zahnradbahn zum Mt. Washington hinauf noch machen können.

the flume - Google-Suche  mit vielen Fotos

Wir haben (rein zufällig) insgesamt gerade den richtigen Zeitpunkt für die Foliage erwischt. Unten im Süden war sie noch nicht richtig angekommen, weiter oben im Norden und besonders auf den Bergen ist sie gerade am Abklingen. Jetzt findet sie gerade hier statt. Und das Wetter, insbesondere Frau Sonne, spielt heute auch wieder mit. Besser hätten wir den Termin also nicht legen können.

Und zu Halloween sind wir hier auch gerade richtig unterwegs, denn überall sitzen und stehen sie jetzt herum, unverschämte Gestalten, deren Köpfe, Hände und Hintern orangenen Kürbissen sehr ähnlich sehen, zerlumpte Typen, denen man noch nicht einmal tagsüber begegnen möchte, daneben krabbeln oft furchterregende Spinnen herum, die dicke Spinnweben über alles gewoben haben, und überhaupt sieht man alle Arten von Gruselmonstern und Geistern. Sie sitzen meist vor den Häusern und haben es sich dort in den ansonsten gepflegten Vorgärten gemütlich gemacht. Die Hausbesitzer sind offenbar völlig machtlos gegen diese Plage...

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011   

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Hier in Lincoln fahren wir südwestlich am Connecticut River entlang nach Hanover, (das zweite „n“ fehlt tatsächlich!), einer ausnahmsweise mal quicklebendigen kleinen Stadt, und zur Quechee Gorge, einer tiefen Schlucht. Diese ist bestimmt auch geschlossen, es gibt nur ein, zwei Autos auf dem Parkplatz, ich halte gar nicht erst an, um mühselig einzuparken.

Unterwegs tanken wir mal wieder (für $ 3,55). Jetzt überqueren wir auch wieder eine Grenze. New Hampshire geht, Vermont kommt. Hier ist die Straße noch erheblich schlechter, vor allem die rechte Hälfte unserer Straßenseite ist ganz grauenhaft schlimm. Stundenlang. Für einen Europäer nicht vorstellbar.

Auch hier lungern vor vielen Häusern zerlumpte Typen herum, oft in kleinen Gruppen, sitzen an Tischen und spielen Karten, haben es sich dreist in Schaukelstühlen bequem gemacht, fahren orangene dicke Kürbisse in Schubkarren durch die Gegend und machen überhaupt allerlei Unsinn und Schabernack. Freche weiße Geister sehen ihnen dabei gerne zu. Abgemagerte Skelette hängen an Ästen und Hauswänden herum und gucken blöd aus der Wäsche. Die Adams-Family hat hier offensichtlich auch überall ein Domizil. Untote klettern gerade aus ihren offenen Särgen heraus und wollen wohl auch mitmachen...

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Genau wie es uns Uschi angekündigt hat, sind wir pünktlich (und relativ früh) um 16:00 Uhr an unserem heutigen Campingplatz, dem „Horseshoe Acres Campground“. (Wir wollen heute kein Risiko eingehen und ihn erneut nicht finden oder vor einem geschlossenen Platz stehen.) An der Registration kann ich den Preis für unseren Stellplatz von $ 34 auf $ 23,32 runterhandeln. (Fast habe ich ein schlechtes Gewissen für den eigentlich zu hohen Nachlaß.) Zumal der Platz außerordentlich angenehm ist. Wir stehen auf sauberem grünem Rasen, alle Anschlüsse sind vorhanden, sogar für die Fernseh-Antenne. Einziger (winziger) Wermutstropfen: Kein WiFi.

Gut: Morgen (erst Morgen!) wird das Wasser für den Winter abgestellt...

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011   

Indian Summer in Neuengland  2011

Schnell noch eine Zigarre und ein, zwei gemütliche Drinks in der relativ warmen Spätnachmittagssonne am Tisch, bevor sie gleich hinter den Bergen untergeht.

Die beiden netten Mädchen im Registration-Office erzählten mir, daß es dieses Jahr leider nicht so toll mit der Foliage sein soll, weil Hurrican Irene am 28. August 2011 vieles zerstört und dabei auch die Blätter an den Bäumen abgerissen hat und dabei kennt man hier in Vermont eigentlich keine Wirbelstürme. Um viertel nach sechs Uhr abends ist es stockdunkel.

Ingrid: Ein wunderschöner Tag, bis auf die Straßen, deshalb haben wir tagsüber   nur ein wenig Obst gegessen.

Heute Abend wird’s gemütlich. Heizung an und den Fernseher natürlich auch,

obwohl, Wilfs Musik ist super.

Und wie lieb er ist. Er hat mir eine Stange Marlboro vorhin an der Tankstelle gekauft.

(Nur zur Info: Die kosten hier inzwischen auch schon $ 62!)

 

10. Tag

Dienstag, 25. Oktober 2011
Andover, VT – Saugerties, NY, = 208 Meilen

Saukalt ist es heute Morgen, wie vorhergesagt, ist es mit 26°F deutlich unter dem Gefrierpunkt. Und wie angekündigt, ist unsere Wasserleitung über Nacht leicht eingefroren. Um sieben stehen wir auf, Frau Sonne kommt gegen acht über den Terrible Mountain, der gar nicht so schrecklich aussieht. Wir haben blauen Himmel mit ein paar weißen Schäfchenwölkchen. Der Ahorn neben uns hat über Nacht seine letzten Blätter abgeworfen. Zwei Handwerker laufen im Gelände herum und stellen tatsächlich das Wasser ab. Gut, daß wir unseren Wassertank bereits gefüllt haben.

Gegen zehn lichten wir unseren Anker und starten in ein neues Abenteuer. Viele Berge gibt es hier in Vermont, es geht rauf und runter. Hier in dieser Gegend hat Irene schwer gewütet, reichlich viele Baustellen mit einspuriger Verkehrsführung (und „Flaggers“, nicht „Flagmen“ wie sie sonst heißen, obwohl ja auch oft Frauen dabei sind) halten uns etwas auf. Zahlreiche schon reparierte Stellen sieht man; es muß wirklich sehr schlimm gewesen sein. Straßen sollen wochenlang gesperrt gewesen sein, die Leute mußten und müssen noch immer weite Umwege machen. Außerdem sind auf unserer gesamten Reise wirklich sehr viele Brücken beschädigt, zerstört oder weggespült und werden gerade repariert oder wieder neu aufgebaut.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Eigentlich wollte ich erst noch ein bißchen nach Süden und dann wieder nach Norden rauf. Aber hier sind schon viele Bäume (vor allem die Birken) kahl, im Norden bestimmt noch mehr, deshalb ändere ich meinen Plan und fahre weiter nach Süden runter. Hier ist die Foliage noch im vollen Gang. Dann wird es südlicher erst recht so sein. Unsere Augen können weiter im Farbenrausch schwelgen.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Wir fahren auf der US 100 über Jamaica, Wilmington und Bennington weiter nach Süden. Und dann ein Stück durch Massachusetts auf der US 7. Später am Nachmittag überqueren wir die Grenze nach New York. (NY State, nicht NYC die Stadt, die ist viel weiter südlich). Hier sind die Straßen auch nicht besser. Sie sind überall miserabel, geradezu katastrophal schlecht. In einem Pkw fallen sie einem vielleicht gar nicht mal so stark auf, aber unser Schuhkarton schwankt ständig hin und her; alles klappert hinten, ich wundere mich, daß kein Geschirr oder sonst etwas zu Bruch geht. Aber wenigstens bleibt es sonnig; Petrus hält sein gestriges Versprechen. Am späten Nachmittag fahren wir genau westlich, die Sonne blendet uns am späten Nachmittag ständig durch die große Frontscheibe.

Wir tanken für $ 100 in Lanesboro. Unser Navi liegt schon seit Tagen in der Kuhle des Dosenhalters am Boden zwischen unseren beiden Sitzen; auch da unten empfängt es genug Satelliten und arbeitet einwandfrei - und vor allem hüpft es mir nicht ständig weg.

(Ich weiß auch nicht, warum ich den Sauger für die Frontscheibe so ungern verwende. Aber hier im Auto wäre das Display des Navis auch wirklich sehr weit von meinen Augen entfernt. Mindestens anderthalb Meter. Viel zu weit, um noch Details zu erkennen. Da nützte mir auch die affige Fernbedienung nichts. Wegen seiner bauchigen Form (TomTom GO 910) läßt es sich aber auch sehr gut überall hinstellen, ein modernes flaches Gerät wollte stattdessen immer an seinem Halter angebracht werden.)

Ein weiterer Einkauf in Lenox. MA. Für eine leere Cola-Glasflasche bekommen wir hier immerhin 5 Cent Pfand zurück.

Weiter geht es südlich über die US-Highways 7 und 23. Später überqueren wir den Hudson River auf einer der üblichen langen Stahlbrücken. In der anderen Richtung müßten wir Toll bezahlen.

 

Indian Summer in Neuengland  2011 

Wir wollen auch diesmal sichergehen und haben uns schon mittags den weit und breit einzigen noch offenen Campingplatz in Saugerties, NY ausgesucht. Eigentlich schade, unsere Fahrtroute wird hauptsächlich durch die wenigen noch geöffneten Campingplätze bestimmt. Aber sie ist wenigstens schön und nie langweilig.  (Paßt zu mir: „Keine Angst, der will nur fahren!“)

Unser Navi führt uns erneut an einen völlig falschen Ort, obwohl ich den Campground unter den POIs mit seiner korrekten Adresse eingegeben habe, das TomTom macht manchmal solche Späße mit uns, aber wir sind ja flexibel, ich gebe jetzt nur die Straße ein und wir fahren einfach weiter, unser Platz ist tatsächlich noch vierzehn Meilen entfernt. Er ist auch offen, der „Saugerties/Woodstock KOA Campground“. (Nein, immer noch nicht das „richtige“ Woodstock, aber das liegt auch hier im Staat NY, wahrscheinlich weiter südwestlich. Gestern sind wir in New Hampshire schon durch ein anderes Woodstock gekommen.)

Indian Summer in Neuengland  2011 

Wir erreichen den Platz kurz vor Sonnenuntergang. Natürlich, ist ja klar, er schließt am 1. November. Aber heute ist er noch offen und bietet uns alle Anschlüsse, außer TV, dafür aber wenigstens WiFi. Mit der noch zuhause ausgefüllten KOA-Karte kostet er ermäßigte (und akzeptable) $ 34. Wir stehen wieder in einem ordentlichen sauberen Wäldchen unter hohen Kiefern und sind offensichtlich  die einzigen Gäste auf dem Platz, es gibt nur noch ein paar ganz wenige unbewohnte hier wohl immer stehende überwinternde Wohnmobile.

Im letzten Sonnenlicht nehmen wir unsere abendlichen Drinks und rauchen eine Zigarre (ich).

Ingrid: Bergauf, bergab, Wilf hat seine Freude daran, ich ja nicht so sehr mit meiner Höhenangst.

Wilf vermisst sein Moped oder den Mustang!!!! (Männer und ihr Spieltrieb!)

Mir gefällt unser Schuhkarton, könnten wir doch einfach noch ein paar Tage dranhängen.

Freue mich schon wieder auf den Atlantik. Ich mag keine Berge.

11. Tag

Mittwoch, 26. Oktober 2011
Saugerties, NY – Roscoe, NY = 107 Meilen

Die Nacht war etwas aufregend, denn die Sirene auf dem Campground gab dreimal Signal: Feueralarm! Aber zum Glück ist das Unglück nicht hier auf dem Gelände gewesen, sondern war weiter weg. Jede Menge Feuerwehren mit unterschiedlichen Sirenen fuhren bei uns vorbei, dazwischen hörten wir auch noch mehrmals die Alarmsirenen in den umliegenden Orten. Da wir hier unter hohen Bäumen stehen, beobachtete ich unsere Situation sehr sorgfältig. Nach der Feuerkatastrophe vor zwei Jahren am Monument Valley wollte ich nicht noch einmal in eine so schwere Gefahr kommen. Aber hier blieb alles ruhig und so durfte unser Auto stehen bleiben.

Morgens nieselt es, aber es ist kein Regen, sondern Nebelnässe, die in winzigen Tröpfchen aufs Dach unseres Autos fällt und doch laut zu hören ist. Um halbneun stehen wir auf, es sind 44°F (7°C).

Der Typ im gelben KOA-Shirt in der Registration weiß noch nicht einmal, was heute Nacht konkret los war und wo es gebrannt hat. Er vermutet aber etwas Größeres, weil so viele Feuerwehren unterwegs waren.

Um kurz nach elf fahren wir endlich los. Inzwischen ist es trocken geworden. Die Temperatur bleibt heute zwischen 50 und 58°, also kühl; der Himmel ist trüb. Umso besser ist unsere Stimmung.

Besonders, als wir kurz nach der Abfahrt in Woodstock landen. Sicherheitshalber frage ich zwei alte Männer, ob es „das“ Woodstock wäre. „Yes Sir, it is!“ Da habe ich mich ja ganz schön getäuscht! Ich wußte ja, daß Woodstock nördlich im Staat New York ist, aber hier sieht es gar nicht danach aus, irgendwie habe ich mir den Ort ganz anders vorgestellt.

Achtung, aufpassen, wichtige Information: Die beiden alten Leute erklären mir dann nämlich, daß der eigentliche Platz des Festivals von 1969 noch dreißig Meilen südwestlich (am White Lake, NY) entfernt sein soll, nur die Organisatoren haben damals hier im Ort gelebt.

Zurück zuhause suche ich ein bißchen bei Google Earth herum und finde den Platz dann auch:

Ø         White Lake, Bethel, NY              

und dann mit dem Cursor etwas nach links gehen. (Am besten Kopieren und als gesuchten Ort eingeben.) Hier war das Spektakel damals. Schade, da war ich mal wieder sehr schlecht vorbereitet. Aber bei der Planung dieser Reise wußte ich auch noch gar nicht, daß es uns hier in diese Gegend und überhaupt nach New York State verschlagen würde.

Woodstock-Festival – Wikipedia

woodstock festival - Google-Suche   mit vielen Fotos

Naja, weiter vorne im Ort finden wir dann noch zwei, drei kleine Läden mit etwas übriggebliebenem Hippieflair von damals. Inzwischen haben sich hier viele Künstler niedergelassen; Woodstock, NY ist längst eine kleine Künstlerenklave geworden, mit vielen schönen Dingen in den Schaufenstern. Ingrid schlägt natürlich gleich zu, aber wir haben ja nur wenig Platz im Gepäck. Jedenfalls ist das ein weiteres Highlight unserer Reise. Wir sind begeistert!

(Für Morgen habe ich kurzentschlossen noch ein weiteres Highlight eingeplant, ich habe auf der Karte gesehen, daß Montgomery, NY nur noch wenig entfernt ist...)

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Wir bleiben heute in den Catskill Mountains und fahren erst auf einer schmalen aber umso romantischeren Straße an einem kleinen Flüßchen entlang, (unsere Straße führt eigentlich ständig an einem kleineren oder größeren Fluß entlang, schon seit vielen Tagen), und dann auf der 212, 28 und 30 über Arkville und East Branch nach Roscoe. Hier in der Gegend ist der Indian Summer längst vorbei, die meisten Bäume sind kahl, aber braune Blätter haben wir jetzt auch genug gesehen.

Unterwegs in Downsville erzählt uns ein Typ, daß hier kürzlich schweres Hochwasser alles schlimm verwüstet hat, alle Orte wurden überschwemmt, eine Katastrophe, besonders Margaretville, hat schwer gelitten. Das Wasser des Delaware River stand bis zu zwei Metern in den Häusern, ein neu gebauter millionenschwerer Supermarkt ist einfach von den Fluten zerlegt und weggespült worden, nichts ist davon übrig geblieben. Einfach, als wäre er nie dagewesen! Vorhin haben wir schon über längere Zeit jede Menge abgebrochene Bäume, Holzreste und anderes Treibgut herumliegen sehen. Es wird wohl noch lange dauern, bis alles wieder aufgeräumt ist. Natürlich auch eine Folge des Tropical Storm Irene. Insgesamt wurden allein hier und in der unmittelbaren Nähe 229 Häuser von den Wassermassen zerstört. (Bei YouTube findet man zahlreiche Videos der Katastrophe.)

Ausnahmsweise nehmen wir für ein paar Kilometer die Autobahn Interstate 86. Auch sie ist in einem desaströsen Zustand und deshalb sind hier auch nur 55 mph erlaubt. Wann sollen die Straßen eigentlich mal repariert werden?

New York City ist nah und nur noch 122 Meilen entfernt. Ingrid würde gerne, aber da dürfen wir mit unserem Dickschiff sowieso nicht rein, gesetzlich verboten.

Gegen vier sind wir an unserem heutigen Ziel: „Russell Brook Campsite“, der glücklicherweise auch erst am 31. Oktober geschlossen wird. Die Besitzer sind auf einer Beerdigung, deshalb führt uns ein bärtiger Helfer an unseren Stellplatz, unter hohen Bäumen direkt am Ufer eines munter rauschenden Baches. Wenigstens haben wir Strom und Wasser, kein WiFi, kein TV. Auch hier sind wir wohl die einzigen lebendigen Gäste.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Ingrid: Woodstock, ja das war es!! Sofort denk ich an meine Jugend! Ist ja noch nicht so lange her. (Ha,ha! Wilf.) Ein paar alt gewordene vergessene Hippies sind auch noch da, ich bliebe am liebsten auch gleich hier! Love, Peace and Happyness! Wilf hat dafür kein Verständnis.  (Stimmt gar nicht! Wilf)  Er fährt einfach weiter. (Stimmt! Wilf) Spielverderber!!!  (Einer muß ja vernünftig bleiben. Wilf)

love peace and happiness - Google-Suche  mit vielen Bildern

 

12. Tag

Donnerstag, 27. Oktober 2011
Roscoe, NY – Watertown, CT = 169 Meilen

Regentropfen, die auf mein Hausdach klopfen...  Es scheint hier normal zu sein, daß sich nachts und morgens im Nebel über einem Tropfen bilden und dann einfach runterfallen. Aber es ist kein richtiger Regen. (Hoffe ich.) Schon wieder schlafen wir lang, herrlich lang, fast wie die Murmeltiere, oder wie die buschigen Eichhörnchen des nachts, die alle Tage leichtfüßig und elegant um uns herumhüpfen, possierlich spielen, die Bäume rauf- und runterklettern und dabei ihren Futtervorrat für den Winter aufstocken. Um acht stehen wir endlich auf. Um elf bezahlen wir unseren Stellplatz im Office. Hier am Gebäude haben wir WiFi und deshalb sehe ich im Laptop noch schnell die Adresse nach, wo wir heute hinwollen. (Hätte ich nicht gebraucht, man fährt direkt dran vorbei.) Ingrid füttert derweil die Enten. Dann geht’s auch schon los.

  Indian Summer in Neuengland  2011

Eigentlich hätten wir auch liegen bleiben können, denn diesen Tag können wir abhaken und vergessen. Es regnet in einem fort,  in der Nacht fing es an und bis zum Abend ändert sich nichts. Dazu ist es nur um die 50°F warm, äh, kalt.

Indian Summer in Neuengland  2011 

Außer, daß es ein Regentag wird, wird es auch ein Autobahntag. Wir gehen gleich wieder auf die I 57 und dann ein kurzes Stück auf die Landstraße 17K. Schon sind wir in Montgomery und kurz darauf in Newburgh, NY. Ingrid weiß immer noch nicht, wo es heute hingehen wird, sie ist ratlos. Meine sibyllinischen Andeutungen helfen ihr auch nicht wirklich weiter.

Doch dann, direkt an unserer Straße, sehen wir es, das Hauptgebäude von OCC, Orange County Chopper!! Direkt neben dem riesigen Flughafen Newburghs. Ihre Show ist ja zuhause schon seit zig Jahren meine wichtigste Lieblingssendung im Fernsehen. Ich gehöre schon fast zur Familie. Jetzt bin ich endlich da, im OCC‑Headquarter!

Orange County Choppers – Wikipedia

Jede Menge bekannte Themenbikes stehen hier herum, dazu gibt es reichlich OCC-Klamotten. Wir sind beide begeistert und kaufen natürlich ein paar Kleinigkeiten. Paul ist zwar nicht da, Paulie und Mikey natürlich schon gar nicht, dafür sehen wir aber hinten in der vom Fernsehen her bekannten Werkstatt tatsächlich Mike Ammirati und Rick Petko an ihrer gewohnten Arbeit. Leider müssen die Besucher durch eine Art Lochwand gucken, sodaß keine brauchbaren Fotos möglich sind. Ein roter Hummer steht draußen vor dem Eingang zur Werkstatt. Ist Mr. Paul Teutul Sr. vielleicht doch im Haus? Aber wir haben keine Zeit zu warten.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Nach einer Stunde haben wir alles gesehen und suchen uns unseren heutigen Campground im dicken Buch aus. Viel Auswahl gibt es leider nicht, auch hier sind die meisten Plätze längst geschlossen.

Wir sind rasch wieder auf der Autobahn I 84. Für die Riesenbrücke über den Hudson müssen wir für unser Dickschiff $ 2,50 Toll bezahlen (Pkw übrigens immer viel weniger, in der Regel immer nur ein, zwei Dollar). Bald darauf sind wir in Connecticut. Das WelcomeCenter ist geschlossen, obwohl das offiziell erst in ein paar Tagen geschehen soll.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Hier ist die Foliage noch im vollen Gang, nur interessiert sie uns jetzt im Dauerregen und auf der katastrophal schlimmen Autobahn kaum. Mit einem Pkw fällt einem der bedauernswerte Zustand der Straßen wahrscheinlich nicht so sehr auf, aber in unserem Schuhkarton ist es oft unerträglich, alles klappert ständig, die Kiste schüttelt sich ununterbrochen. Man hat eigentlich immer Angst, daß plötzlich eine Tür aufspringt und irgendetwas kaputt geht. Wie sollen die Straßen hier oben im Nord-Osten nur je in Ordnung gebracht werden, wo will man anfangen, wenn einfach alles kaputt ist?

Zum Schluß fahren wir noch ein paar Meilen Landstraße bis Watertown, unserem heutigen Ziel. Hier tanken wir für $ 3,59.  Angenehm, der „Branch Brook Campground“ ist gut beschildert, liegt direkt an unserer Straße und ist diesmal wieder rasch gefunden. (Er schließt übrigens auch am 1. November. Insoweit haben wir ja noch etwas Glück im Unglück, ein paar wenige Campgrounds sind noch ein paar Tage geöffnet, oft bis 31. Oktober, wir müssen uns nur schon mittags einen aussuchen und unsere Fahrtstrecke dann danach ausrichten. Wenn wir nach dem 1. November hier herumführen, wäre alles viel schwieriger!)

Die Registration ist unbesetzt, jede Menge Zettel mit Hinweisen, Vorschriften, Geboten und Verboten sind an die Tür genagelt. Wie Luthers 95 Thesen. Wir müssen uns unseren Stellplatz selbst aussuchen, ein „Receipt“  (Anmeldeformular) ausfüllen und zusammen mit vierzig Dollar in bar, (Kreditkarten werden hier grundsätzlich nicht angenommen), durch einen schmalen Schlitz in der Mitte der Tür durchschieben.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Im Wetterkanal werden Schnee und Graupel und Temperaturen zwischen 28 und 48°F vorhergesagt.

Heute kocht Ingrid mal kein Menü, es gibt stattdessen eine Pizza; also nur Warmmachen, kein Kochen und kein Abspülen. Im Fernseher sehen wir eine Show mit Bob Ross „The Joy of Painting“, den wir so sehr lieben (seine Bilder ja nicht so sehr, aber wie er malt und wie angenehm er spricht); vor ein paar Tagen haben wir schon einmal an ihn gedacht...

Bob Ross (Maler) – Wikipedia

bob ross - Google-Suche   mit vielen Fotos seiner Bilder

Wegen des Regens gibt es leider auch keine Zigarre. Merkwürdig, die Regentropfen sehen sehr hell aus und fallen viel langsamer als vorhin. Sind wir Morgen früh vielleicht eingeschneit?

Mein Steißbein sendet noch immer sein Feedback an mein Schmerzzentrum. Warum muß ich jetzt eigentlich auf jeder großen Reise irgend so ein schmerzhaftes und lästiges Problem haben?

Ingrid:  OCC! Jede Frau möchte da mal hin, sagte Wilf zu mir. Deshalb kam ich nicht drauf. Fantastisch all die tollen Bikes zu sehen. Ich überlege nur, ob man auch damit fahren kann. Man braucht auf jeden Fall laaange Arme. Bequem sind sie bestimmt auch nicht. Meine Dragstar ist mir jedenfalls lieber. Ein trotz des Regens schöner Tag!

Indian Summer in Neuengland  2011

13. Tag

Freitag, 28. Oktober 2011
Watertown, MA – Oakham, MA = 156 Meilen

In der Nacht haben die Zwerge aufgehört, Erbsen aufs Dach zu werfen, d.h. es hat aufgehört zu regnen. Schnee gibt’s auch keinen. Um viertel vor acht kommt die helle klare Sonne über den Hügel und begrüßt uns mit herrlichem Herbstlicht. Aber es ist wieder saukalt draußen, Pfützen und Gras sind (noch) gefroren. Ich bin ganz allein hier draußen. Die wenigen übrig gebliebenen Blätter an den Bäumen leuchten in allen goldgelben Farben. Leichter Nebel steigt aus dem ganz zart plätschernden Bach vor mir auf. (Da muß man einfach an das „Oktoberlied“ von Theodor Storm denken: „Der Nebel steigt, es fällt das Laub…“)  

Unser Reiher von vor ein paar Tagen ist wieder da; er guckt immer noch so stoisch in die Gegend. Der Arme friert bestimmt.

Meine Nase sendet kleine Atemwölkchen aus. (Wie ein Taucher seine Luftblasen.) Die Wasserleitung ist auch wieder eingefroren.

Nach unserem Frühstück sehe ich zuallererst im Computer nach dem Wetter, aber das bleibt heute wirklich sonnig. Versprochen! Jetzt muß ich uns nur noch eine angenehme Route aussuchen, dann steht einem weiteren schönen Tag nichts mehr entgegen.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Wie immer trödelt Ingrid etwas herum, sodaß wir mal wieder erst nach elf Uhr loskommen. Auf dem autobahnähnlichen Expressway 8 fahren wir nordwärts, der sich später in eine ganz normale Landstraße verwandelt. Hier überqueren wir auch wieder mal die Grenze von Connecticut nach Massachusetts. Die Straße steigt ständig etwas an, rechts und links wird es weiß. Schnee! Er wird immer vorherrschender, je höher wir kommen. Jede Menge Schneepflüge begegnen uns nach getaner Arbeit auf ihrem Heimweg. Und wir haben natürlich keine Winterreifen drauf, Winterausrüstung schon gar nicht. Ingrid bekommt natürlich gleich wieder Angst. (Ein dickes Buch: Frauen und ihre Ängste...)

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Ab Otis geht es östlich und dann bald durch ein größeres Stadtgebiet, Northampton und Amherst. Leider müssen wir hier durch, Ampeln mit langen Staus quälen uns hier. Da, plötzlich entdeckt Ingrid ein Schild: Durchfahrtshöhe an einer alten abbruchreifen Eisenbahn-Brücke direkt vor uns nur 11 Fuß! Und wir sind 13 Fuß (= ca. 3,96 Meter) hoch!! Obwohl wir auf der Hauptdurchgangsstraße fahren! Ich kann gerade noch rechtzeitig abbiegen. Die nächste Brücke ist noch niedriger! Also fahre ich erst einmal am Bahndamm entlang ohne ihn zu unterqueren.

Indian Summer in Neuengland  2011 

Da die Autobahn nur wenig entfernt ist, mache ich einen kleinen Umweg über  diese und schaffe es schließlich, die niedrigen Brücken zu umgehen.

Ingrid entdeckt aber auch so manches Positive, nämlich einen Walmart, leider etwas zu spät. Also wieder einen Schlenker zurück und dann sind wir da, in unserem Einkaufs-Paradies. Nanu, was ist denn das? Der Walmart ist ja ganz klein, viiiel zu klein! Ich Schussel habe nicht aufgepaßt. Das ist hier nur ein ganz „normaler“ Walmart, kein SuperCenter. Hier gibt es hauptsächlich Non-Food und nur ganz, ganz wenig Lebensmittel, viele Fächer vernachlässigt, kein Eis, kein vernünftiges Brot, kaum Gemüse, so gut wie kein Fleisch.

Anschließend wird für $ 3,51 getankt. Danach geht es über ein paar schmale Straßen weiter. Ich muß mit der großen Kiste ständig aufpassen, um keine Äste oder vorwitzig in die Straße ragenden Schilder oder gar Briefkästen zu streifen. Auch enge Kurven und Abbiegungen aller Art verlangen besondere Aufmerksamkeit, denn unser Hinterteil will gerne mal den Weg abkürzen, z.B. mit den Hinterrädern über Bordsteine an Ecken rollen, Schilder umreißen, Bäume streifen oder sonstigen Schabernack machen. Man muß also immer, wirklich immer, auf alles Mögliche achten.

Unzählige Kabel sind quer über die Straßen gespannt, wir haben ständig Sorge, daran hängenzubleiben.

Draußen war es den ganzen Tag herrlich sonnig, aber kalt, sehr kalt, nur knapp über null Grad Celsius.

Gegen 17 Uhr treffen wir am mittags von uns ausgesuchten Campingplatz ein: „Pine Acres Familiy Camping Resort“ in Oakham, MA. Der Platz liegt im Wald und an einem wunderschönen See. Unser Stellplatz kostet feste 38 Dollar und ich kann leider mal wieder nichts runterhandeln.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Flüssiggas muß auch getankt werden. (LPG = Liquefied Petroleum Gas.)  Zum Glück gibt es eine Füllstation hier auf dem Gelände. Schock: Eine Füllung mit zwanzig Gallonen Propane  kostet exakt siebzig Dollar! Reichlich teuer. Ob das korrekt ist?

(Ja, war es, ich habe mich am nächsten Tag bei einer anderen Gastankstelle erkundigt; der Preis war mit zehn Dollar nur leicht überhöht und gerade noch akzeptabel. Wieder zu Hause sehe ich noch einmal genauer nach und finde Preise zwischen $ 1 und $ 5 pro Gallone, die meisten aber zwischen zwei und vier Dollar, in der Praxis wird man zwischen $ 3,50 bis $ 4,00 bezahlen müssen.)

Der Typ vom Gas kündigt uns für Morgen einen heftigen Schneesturm an. Es werden tatsächlich 60 Zentimeter Schnee erwartet! Und mehr! Vor allem auch für Rhode Island, wo wir eigentlich hinwollten. Oberhalb von NYC die gesamte Ostküste rauf. Offenbar wird der Sturm durch die Tide (ansteigende Flut) auf dem Meer verschlimmert, jedenfalls verstehe ich den Typ so. Das bedeutet, daß wir Morgen früh hier etwas eher abfahren sollten. Außerdem rät uns der Typ, heute Abend den Wetterbericht im Fernsehen anzuschauen. Je nachdem, was ich dort erfahre, soll ich dann ggf. unsere geplante Fahrtroute noch etwas abändern. Aber ich mache mir erstmal noch keine Sorgen. Ist ja schließlich Abenteuer...

Richtig, im TV sehen wir Berichte, daß es in New York City und überhaupt hier in der Gegend so früh nur selten um diese Zeit Schnee gab und vor Halloween schon gar nicht. Ob das wieder nur die gewohnte Sensationsmache des US‑Fernsehens ist? Die kleinste Unwichtigkeit wird sofort zur Katastrophe erklärt und mit allen Mitteln hochgepuscht. Und immer gibt es Augenzeugen, die alles hautnah beobachtet haben oder ihre Kommentare dazu abgeben. Die sind hier ja groß mit solchen Wahrheitsveränderungen. Noch schlimmer als bei uns RTL...

Indian Summer in Neuengland  2011 

Ingrid: Unsere Schneeballschlacht hat er natürlich „vergessen“, die habe ich nämlich gewonnen! (Aber nur, wenn man wie eine Frau auch halbe Treffer und sogar Wenig-Streif-Schüsse mitzählt! Wilf)

Und dann, ganz wichtig: Erst Woodstock, dann Massachusetts. Die BeeGees lassen grüßen. Viele Erinnerungen aus meiner (und unser beider) Jugend sind wieder hervorgekommen.

 

14. Tag

Samstag, 29. Oktober 2011
Oakham,MA – Middleboro, MA = 95 Meilen

Nanu? Blauer Himmel um halbacht, in einer halben Stunde kommt bestimmt die Sonne über die Bäume hoch. (Ingrid ist skeptisch und glaubt es mir noch nicht.) Ist der Schneesturm auf einen anderen Termin verschoben worden? (Wie bei einem Konzert: „In drei Wochen. Alle Karten behalten ihre Gültigkeit“.) Wäre mir ja am liebsten. Dann sind wir längst wieder zu Hause.

Aber erst einmal frühstücken wir ganz in Ruhe. Und tatsächlich, Ingrid behält recht, der Himmel hat sich schon wieder zugezogen. So schnell geht das hier.

Inzwischen wird der Wintersturm für heute Abend sechs Uhr angekündigt. Vor allem Schneeschieber und kleine Schneefräsen werden in den Geschäften knapp. Man sieht fast leere Fächer mit den letzten paar Schneeschaufeln. Die Leute kaufen aber auch alle anderen Dinge ein, Decken, Flüssiggas, Lebensmittel, Trinkwasser und tanken ihre Autos und Benzinkanister voll. Auf jeden Fall erhöht so eine Sturmwarnung schlagartig die Umsätze. Alle unnötigen Fahrten soll man morgen, Sonntag, vermeiden. Man hofft, daß sich bis übermorgen, Montag auf Dienstag, die Halloween-Nacht, das Wetter wieder halbwegs beruhigt hat.

Wir starten um zehn Uhr. Auf jeden Fall nehme ich heute den direkten Weg, nur Autobahn. Boston Area breitet sich hier wie ein Riesenkrake aus, eine Stadt an der anderen. Und auf Stadtverkehr habe ich echt keine Lust.

Eigentlich schade: Ich wollte ja auch Rhode Island auf meiner Liste der gewesenen US-Staaten abhaken zu können. Das kann ich jetzt leider vergessen. Unser Ziel für heute ist nur 135 km und 1:45 Stunden entfernt. Das sollte ganz in Ruhe zu schaffen sein. Wenn es dann noch möglich ist, können wir ja dort noch eine kleine Runde ans Meer fahren.

Inzwischen weiß ich, daß wir definitiv die falsche Jahreszeit für unsere Reise ausgewählt haben; eine solche Tour muß man einfach im Hochsommer machen! Egal, mit welchem Fahrzeug. Dann lebt alles, nichts ist einem verschlossen, einfach purer Spaß und viel Freude. (Aber auch extrem überlaufen!) Jetzt ist hier doch alles recht herbstlich. Aber bitte nicht falsch verstehen, wir haben trotzdem sehr viel Spaß und gute Laune – und sehen und erleben Vieles, was wir sonst nicht erlebt hätten. Für uns beide war es richtig, die Erfahrungen dieser Reise zu machen.

Vorhin auf der samstäglichen Landstraße gab es wenig Verkehr, aber hier auf der Interstate I 90 (Massachusetts Turnpike  für günstige 90 Cent) und später auf der I 495 ist es umso voller, aber nie zähflüssig.

Indian Summer in Neuengland  2011 

In Worcester tanken wir erneut (für $ 3,35); endlich ist der Tank mal ganz voll. Weil wir gestern bereits getankt hatten, ist der Tank mit knapp 80 Dollar jetzt endlich mal wieder bis zum Rand gefüllt. Die Uhr schaltet allermeistens bei 75 oder 100 Dollar automatisch ab und man müßte neu beginnen, wozu ich meistens zu faul bin. Übrigens, überall wurde die Kreditkarte beim Tanken ganz einfach angenommen, nur in Connecticut gab es Schwierigkeiten und ich mußte die Kreditkarte an der Kasse hinterlegen.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Endlich, Ingrid ist in ihrem Element, wie ein Fisch im Wasser: Wir haben unterwegs kurzen Stopp gemacht, im „Wrentham Premium Outlets“. Zwei Stunden lang kauft sie ein und läßt ihre Kreditkarten glühen. Für mich gibt es hier leider nichts. (Bin ja genügsam, habe ja gestern im Walmart eine günstige Jeans bekommen.)

Ich persönlich halte sowieso nicht viel von dieser Outlet-Masche, für mich ist das meistens (ich bitte die geneigten Leser um Entschuldigung) Beschiß. Ich war schon in zu vielen Outlet-Centern. Ganz selten kann man mal etwas Gutes wirklich günstig bekommen. Vor einem Laden (auf jeden Fall keine Edelmarke) warten die Leute und es wird immer nur einer reingelassen, wenn ihn ein anderer verläßt. Was für ein Getue!

Ich warte lieber im Auto. Der riesige Parkplatz ist jetzt um 12 Uhr bis auf den letzten Platz voll. Was für ein Ansturm!

Im Internet fand ich später zuhause durchweg positive Bewertungen. Man sollte sich aber vorher online anmelden und erhält dann ein kostenloses Couponheft, das sonst fünf Dollar kostet. (Wenn man es vorher weiß, könnte man es ja auch noch hier unterwegs übers kostenlose WiFi machen.)

Wrentham Village Premium Outlets

Es ist etwas dunkler geworden, es regnet heftig; der Wintersturm wirft seinen langen Schatten schon voraus. Schwer bepackt kommt Ingrid gutgelaunt und mit breitem Grinsen zurück. Hoffentlich paßt das alles in unsere Koffer. Als Ausgleich bekomme ich wenigstens eine warme (natürlich Campbell’s) Tomatensuppe und bin dann auch glücklich.

Campbell Soup Company – Wikipedia

1:00 Uhr pm. Es schüttet. (Nur gut, daß das kein Schnee ist!)  Angenehm, daß es hier in den USA so gut wie keine Spurrillen gibt. Es fahren in der Regel ja auch nur wenige große Lkw herum. Lkw dürfen übrigens fast immer so schnell wie Pkw fahren, rund um die Uhr, rund um die Woche. (Meistens sind sie aber deutlich schneller als erlaubt. Ich mache ihnen immer bereitwillig Platz. Oder behalte meine Spur, damit sie rechts oder links vorbeiziehen können. Egal ob ich mit Moped oder Auto unterwegs bin.)

Auch diese Autobahn ist in schlechtem Zustand. Besonders nerven sämtliche Brückenanstöße, auf unserer gesamten Tour, da hüpft unsere Kiste immer besonders hoch vor Freude. Brücken sind überhaupt ein Problem, wir müssen ständig aufpassen, daß wir auch drunter durch passen. Manchmal ist nur noch ein Fuß Luft nach oben, also eigentlich genug (über 30 Zentimeter). Trotzdem ziehen wir oft genug unwillkürlich die Köpfe ein und warten darauf, daß das Dach oder zumindest irgendetwas von den Aufbauten abgerissen wird. Ingrid achtet vorbildlich und peinlich genau auf die Schilder vor Brücken mit der jeweiligen Höhenangabe.

Unser Auto kann auch Pfeifen. So bei zwischen fünfzig und sechzig Meilen pro Stunde fängt es an. Da das auch bei dem ersten Wohnmobil so war, nehme ich an, daß man es absichtlich so eingerichtet hat, damit die Mieter weniger schnell fahren.

Auf der Interstate (Autobahn) sehen wir immer wieder Schilder, die darauf hinweisen, daß Abfall zum Fenster hinauszuwerfen bis zu 10.000 Dollar Strafe kosten kann. Oder: Zweimal in der Baustelle zu schnell fahren, kostet sofort den Führerschein. Beides sollte man bei uns auch unbedingt einführen.

Wir sind gegen 14:30 Uhr an unserem heutigen Campingplatz, „Boston/Cape Cod KOA“ in Middleboro, MA für 38 Dollar. (Es gab immerhin korrekte zehn Prozent Nachlaß mit der KOA-Karte.) Wir haben jetzt keine Lust mehr, bei dem Wetter die eigentlich noch möglich gewesene Runde ans Meer zu machen. Im heftigen Regen schließen wir uns an die Versorgungsleitungen an, verbringen einen kuscheligen Nachmittag und machen unsere Tür nach draußen erst gar nicht mehr auf. Ingrid schmökert in einem ihrer Bücher und ich beschäftige mich mit meinem Reisebericht. TV gibt es nicht, dafür aber WiFi. Ist immerhin besser als gar nichts von beidem. Und die Freuden des Internets können ja sehr vielfältig sein. Ungesehene DVDs haben wir ja auch noch dabei. Schnee soll höchstens über Nacht fallen und wenn, dann auch nur wenig, also alles im grünen Bereich. Übrigens: „Myvideo.tv“ läuft hier in den USA nicht.

Wie brave Kinder liegen wir um neun Uhr abends schon im Bett und zählen Regentropfen.

Ingrid: Kälte und Regen machen uns doch nichts aus. Solange wir gemütlich im Warmen sitzen können.

 

15. Tag

Sonntag, 30. Oktober 2011
Middleboro, MA – South Dennis, MA = 189 Meilen

Wie vorhergesagt, liegt morgens etwas Schnee herum. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie es jetzt weiter oben in den Bergen aussieht. Da hätten wir mit unserer Kiste bestimmt ein paar Probleme bekommen. (Oder wir müßten einfach noch zwei, drei Stunden abwarten.) Zunächst sah es ja nicht danach aus, aber gegen acht Uhr erkennt man schon ganz kleine blaue Stellen in der schnell dahin ziehenden Wolkenschar.

Indian Summer in Neuengland  2011

Passend zum Draußen singt Andrea Berg von Winterzeit und Weihnachten („Eisblumen blüh’n“). Etwas melancholische Gedanken schleichen sich zusammen mit dem Saxophon-Solo in unsere Köpfe, morgen Abend ist Schluß, übermorgen früh müssen wir unser liebgewonnenes Wohnmobil abgeben. Und dabei könnten wir leicht noch ein paar Wochen anhängen. Am liebsten würden wir es zurück in seine Heimat nach California bringen. Ja, das wäre es! Da unten sind es immer noch bis zu dreißig Grad, Celsius-Grade wohlgemerkt! Mit jedem Tag würde es sonniger und wärmer werden. Schade, geht aber nicht. Zwei Wochen sind ganz einfach viiiel zu wenig, nächstes Mal fahren wir ein halbes Jahr herum. Bestimmt! Versprochen! ...

Bei Bourne fahren wir über eine große (kostenlose) stählerne Riesenbrücke und sind jetzt auf Cape Cod, („Cod“ = Kabeljau) einer langen Halbinsel. Die Insel wurde entweder so genannt, weil sie einem Kabeljau ähnlich sehen soll, (ich sehe eher den Arm eines Muskelmannes vor mir), oder weil hier früher viel Kabeljau gefangen wurde.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011

 

cape cod - Google-Suche  mit vielen Fotos

Wir nehmen den Highway 28 runter nach Süden bis Falmouth, der dann nach Osten weiterführt. Jede Menge Cranberry-Felder gibt es hier. Die Pflanzen stehen im Wasser und in kleinen Arrondierungen, sind aber gerade abgeerntet worden. Eine Herde Turkeys  (Truthähne) watschelt betont langsam über die Straße, alle Autos halten friedfertig an.

cranberry fields - Google-Suche   mit vielen Fotos

Wegen des Sturms liegen viele Äste auf der Straße, ich muß ständig ausweichen. Plötzlich Gefahr: Ein vom Wind gefällter Baum versperrt uns hinter einer Kurve unsere Hälfte der Fahrbahn. Niemand kümmert sich darum. Der Name des Teaticket-Highway bleibt uns wegen seines Namens noch einige Zeit in Erinnerung.

Eigentlich sind wir jetzt wieder am Atlantik, aber von Meer ist nichts zu sehen. Noch lange nicht. Alles bebaut. Von Schnee übrigens auch schon lange nichts mehr. Wahrscheinlich hätten wir unsere Reiseroute also gar nicht ändern müssen. Schade, Rhode Islands habe ich offenbar unnötigerweise gecancelt.

Elf Kreisverkehre haben wir auf der gesamten Fahrtstrecke gesehen. Sechs davon heute hier auf Cape Cod. Sie heißen hier oben im Nord-Osten übrigens „Rotary“. (Habe in anderen Gegenden auch schon „Traffic Circle“  und „Roundabout“  gelesen.) Auf jeden Fall haben Amerikaner manchmal ihre Probleme damit, egal wie sie heißen…

Indian Summer in Neuengland  2011

Und acht Windräder. (Bei uns in Deutschland sind es auf hundert Kilometer schon mindestens fünfzig (oder hundert) Stück. Also, von Wind-Energie usw. halten die Amerikaner (immer noch) nicht so viel.)

Unterwegs finden wir ein weiteres Outlet, wo Ingrid schnell nochmal zwischendurch erneut ihren (eigentlich) unstillbaren Appetit auf Klamotten befriedigt. Ich auch. Ich bekomme Schal und Mütze von ihr gekauft.

Und ein Einkauf für die letzten beiden Tage muß auch noch sein. Damit wir nicht verhungern. Übrigens, jetzt weiß ich auch, wo der Ausdruck  „Spam“ wirklich herstammt. Es ist Fleisch in Dosen. Bei uns wird es ganz normal  „Frühstücksfleisch“ genannt und in den gleichen Dosen verkauft – nur mit anderer Aufschrift.

Indian Summer in Neuengland  2011 

Frühstücksfleisch – Wikipedia   „Achtung! Spam!“

Eine Stunde fahren wir an der Küste entlang nach Norden hinauf, bis wir endlich mal ans Meer (und an einen Leuchtturm) abbiegen können. Mann, sind die Wellen hier hoch! Unwahrscheinlich hoch! Gewaltig! Das ist endlich mal eine Brandung! Absolut beeindruckend!

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011   

Indian Summer in Neuengland  2011

Gegen drei sind wir am Ende der Halbinsel ganz oben im Norden am Provincetown Municipal Airport. Aber das hätten wir uns alles auch sparen können, es gibt außer vielen Dünen und der schon erlebten Brandung nicht viel mehr zu sehen. (Ich habe mir die Spitze hier eigentlich mehr wie in Key West vorgestellt.)

Mit dem großen unhandlichen Auto muß ich fast alle zuhause ausgesuchten Besichtigungspunkte ausfallen lassen, es wäre viel zu beschwerlich. Man kann nicht einfach am Straßenrand (Achtung, sehr gefährlich, soll man eigentlich nicht machen!) oder in einer Parkbucht schnell mal anhalten oder wenden, wie z.B. mit einem Pkw oder Motorrad, um ein Foto nachzuholen oder etwas zu besichtigen. Leuchttürme und alles andere müssen wir deshalb fürs nächste Mal und für ein normales Auto aufheben. (Und dabei habe ich extra zwei dicke Reiseführer mitgenommen. Das also ist der (einzige) Nachtteil in einem so großen unhandlichen Fahrzeug.) Aber auf der anderen Seite ist es auch nicht zu verachten, immer Küche, Wohn- und Schlafzimmer, Kühlschrank, Klo, Waschbecken und alles Mögliche an Bequemlichkeit ständig dabei zu haben. Eigentlich ist es so, daß man in seinem Haus sitzt und die Landschaft an einem vorbeiziehen läßt. - Und aus seinem Luxus-Dampfer auf alle anderen Verkehrsteilnehmer in ihren „einfachen“ und kleinen  Fortbewegungsmitteln herunterschauen zu können, ist auch nicht zu verachten...

Die Zeit wird etwas knapp, Ingrid möchte ungern im Dunkeln ankommen, deshalb wenden wir schließlich unseren Dampfer und sausen auf der Schnellstraße Hwy 6 ca. achtzig Kilometer zurück. Unser heutiger Campground liegt noch auf Cape Cod, in South Dennis, und heißt „Old Chatham Road RV Resort“. Morgen, am 31. Oktober ist auch hier der letzte Tag. Gegen halb fünf treffen wir ein. Niemand ist mehr im Office der Registration. Aber das ist kein Problem, bei solchen Sachen sind die Amis (manchmal) ja recht pragmatisch. Es stecken ein paar Zettel mit je einem unterschiedlichen noch freien Stellplatz in einer Art Briefkasten. Der Reisende nimmt sich einen der hellblauen Zettel heraus und fährt den dort aufgeführten Platz an. Bezahlt wird am nächsten Morgen nach acht Uhr, wenn die Registration wieder besetzt ist. So einfach kann man es auch machen. Leider weder WiFi noch TV, dafür mit den angekündigten $ 48 nicht ganz billig.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Übrigens „US-Highway  6“. Er führt quer durch den gesamten amerikanischen Kontinent, „from coast to coast“, von hier oben in Provincetown bis rüber nach Long Beach bei Los Angeles und ist exakt 3.205 Meilen (5.158 km) lang. Vielleicht fahre ich ihn demnächst mal ab...

U.S. Route 6 - Wikipedia, the free encyclopedia

Ingrid: Heute war ein ausgesprochen schöner Tag, Einkaufen und den Atlantik bestaunen. Was will ich mehr. Ich würde auch bis Long Beach weiterfahren. Wärmer würde es von selbst werden.

 

16. Tag

Montag, 31. Oktober 2011
South Dennis, MA – Rowley, MA = 160 Meilen

Schade, heute ist unser letzter Tag, morgen Vormittag muß die Kiste zurückgegeben werden. Wir stehen um halbacht auf. Auch hier waren wir recht gut von den uns umgebenden Bäumen gegen den starken Wind geschützt und konnten wieder prima schlafen. Ist ja auch außer uns und den Eichhörnchen fast niemand auf dem großen Platz mit den vielen fest aufgebauten Mobilhomes  und Wochenendhäusern zu sehen. So ruhig war noch keine Nacht bisher. Angenehm: Die drei weiteren Stellplätze neben uns für mobile Reisende mit RVs (Recreational Vehicle  = fahrbares Wohnmobil) sind leer geblieben.

Indian Summer in Neuengland  2011 

Rein rechnerisch sind es heute über die Autobahn nur knapp zweihundert Kilometer bis zum Ort der Rückgabe. Autobahn (lt. Navi mit Maut) muß heute sein, denn wir fahren genau nach Norden rauf und müssen durch das riesige Stadtgebiet von Boston. Mal sehen, wie es klappt. Zwei, drei kleine Schlenker an die nahe Küste habe ich trotzdem schonmal eingeplant. Wir haben ja Zeit.

Aber erst einmal genießen wir unser Breakfast. Zum letzten Mal. Morgen früh das allerletzte (Henker-)Frühstück kann man ja eigentlich nicht so nennen. Das ist dann einfach zu unruhig, denn dann wird eingepackt, ausgeräumt und abgerechnet und wir werden (hoffentlich) zum Flughafen nach Boston gebracht.

Die Sonne taucht schon um halbacht über den Bäumen auf und beglückt uns durch ihre freundliche Anwesenheit. Sie verspricht uns zum Abschied einen letzten schönen Tag. Aber es ist natürlich erneut sehr kalt. Heute lassen wir uns Zeit. Leider hat man sich immer erst am Ende seines Urlaubs so richtig eingelebt und eingewöhnt. An- und Abnabeln des Autos läuft jetzt wie geschmiert, jeder weiß, was er zu tun hat, wir sind eben ein inzwischen eingespieltes Team. An der Ausfahrt bezahle ich unseren Stellplatz, um fünfzehn Prozent heruntergehandelte vierzig Dollar. Um viertel vor elf starten wir in unser letztes Abenteuer.

Wir fahren erst einmal ein paar Kilometer an die Küste. Aber wie schon gestern, kommen wir gar nicht in Sichtweite des Wassers. Vielleicht sollte ich das Navi zu Rate ziehen, aber das große Auto läßt halt vieles, was sonst so einfach ist, nicht zu. Deshalb sind wir schnell wieder auf dem Hwy 6 und über die große Brücke bei Bourne. Weiter auf Hwy 3 und dann biegen wir noch einmal ab, auf den Hwy 3A. Eine schöne Straße an wunderschönen vornehmen Häusern vorbei, eng, mit vielen Schildern und Ästen, die gerne auch in die Straße ragen, aber es geht. Die Seitenstraßen sind übrigens in den meisten Fällen für unser Dickschiff sehr schmal und sie schreien eigentlich ständig nach höchster Aufmerksamkeit. 

Plötzlich ein Schild: Nächste Brückenhöhe 13“ 1'! Unser Auto ist 13 Fuß hoch, also bleiben ca. 2,5 Zentimeter übrig. Soll ich es riskieren? Ingrid meint Nein, warum ein Risiko eingehen, also gebe ich nach, wende unseren Dampfer  und fahre zurück auf die Schnellstraße. (Obwohl, ein bißchen bedauere ich es hinterher, bestimmt haben die Leute von Moturis noch genug „Luft“ nach oben miteingerechnet. Ich kann mich jedenfalls noch genau an eine irgendwo gelesene Höhe von 11“ 7' erinnern.)

Indian Summer in Neuengland  2011 

Später versuchen wir noch den anderen geplanten kleinen Abstecher ans Meer. Diesmal klappt es und wir werden zufälligerweise mit dem wunderschönsten Panoramablick belohnt: Wir können im Sonnenlicht und bei herrlich blauem Himmel die gesamte Halbinsel Cape Cod bis ans Ende überblicken! Den gesamten Bogen! Da, ganz da drüben und kaum noch zu erkennen, da waren wir gestern noch!

Indian Summer in Neuengland  2011 

Dann sind wir schnell zurück auf der Autobahn und fahren nordwestlich über die vierspurige US 3,  I 93 und I 95 (und ohne jede Maut) durch die Boston-Area. Wir kommen aus der richtigen Richtung und können die ganze Skyline in der Sonne bewundern, bevor es in und durch einen langen Tunnel unter der City und dem Hafen drunter durch geht, direkt am Flughafen vorbei, weiter nach Norden.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Plötzlich passiert es! Wir fahren wie auf weichen Wolken! Ungefähr fünfzehn Kilometer der Autobahn sind erneuert und wir fahren ganz ungewohnt weich und angenehm. Und fast lautlos. Wir schweben geradezu mit dem Auto. So schön angenehm hätte es die ganze Fahrt über sein sollen!

Kurz vor Rowley tanken wir das Auto an einer engen kleinen Tankstelle für besonders günstige $ 3,31 pro Gallone voll. Das Tankstellendach ist gerade hoch genug, daß wir drunter durchpassen, der Cola-Automat läßt uns auch gerade so an den beiden Zapfsäulen vorbei. Also alles bestens.

Überall liegen noch reichliche Schneereste herum, es muß hier vorgestern also doch ganz schön geschneit haben. Das Wetter ist mit 55°F wieder recht warm und sonnig; immer noch kein Wölkchen am blauen Himmel. Petrus meint es nun schon den zweiten Tag in Folge gut mit uns und hat uns nun als Ausgleich für die Regentage strahlenden Sonnenschein beschert.

Exakt um 15:00 Uhr sind wir bei Moturis. Lächerlich: Linda kann sich (angeblich) gar nicht an uns erinnern! (So viel Kunden hat sie jetzt auch nicht mehr. Und an Kunden, die so viel Ärger hatten (bzw. gemacht haben), erinnert man sich ja wohl ganz bestimmt…) Sie gibt vor, schwer im Streß zu sein, obwohl sie eigentlich nicht viel zu tun haben kann. Ihr Freund ist da, der ein paar Wohnmobile hin und herrangiert. Sonst tut sich hier den ganzen Nachmittag nichts.

Indian Summer in Neuengland  2011 

Zwanzig bis dreißig Alkoven-Camper stehen inzwischen auf dem Platz herum. Wenn wir es nicht schon längst wüßten: Die Saison ist offensichtlich vorbei.

Ich erkläre ihr also, wer wir sind und daß wir das Auto statt morgen Vormittag schon heute Nachmittag zurückgeben möchten. Wir dürfen die Nacht über hier stehen, bekommen sogar Strom. Wasser haben wir noch genug im Tank. Ist das nicht großzügig? Die Rückgabe macht sie morgen früh.

Mit einem kleinen weißen alten Auto, (ich dachte, sie ist die zweitwichtigste Geschäftsführerin in der gesamten Moturis-Kette?), holen sich die beiden etwas zum Essen. Sonst tut sich hier nichts Besonderes am späten Nachmittag. Irgendwie scheinen sie sich nicht übermäßig darüber zu freuen, daß wir schon da sind. Nichts von der „Krokodils-Freundlichkeit“ des ersten Tages ist übrig geblieben. Hat sie „von oben“ eins draufgekriegt und ist deshalb mit uns sauer? Aber muß man sich so verstellen?

Ingrid packt unsere Koffer und räumt schonmal ein bißchen auf. Zur Feier des Tages und der gelungenen Reise (und weil es noch relativ warm ist), bekomme ich seit langem mal wieder eine Zigarre zur eisgekühlten Margarita.

Heute ist die Nacht der Nächte: Halloween! Von allen Kindern und vielen Erwachsenen sehnsüchtig erwartet. Die Kinder werden an allen Hauseingängen klingeln, klopfen, rufen, schreien, um Naschereien zu fordern. Endlich können auch alle Monster, Spinnen, Untoten und Gruselgestalten ihre Warteplätze verlassen und die Gegend unsicher machen. Morgen müssen sie verschwunden sein.

Ingrid: Tja, ich habe gleich nichts von Lindas Freundlichkeit gehalten. Sie ist eine falsche Schlange.

Trotzdem war auch der letzte Tag wunderschön. Vor allem, weil das Wetter mitgespielt hat. Der Panorama-Blick auf Cape Cod war einfach genial und ein würdiger Abschluß.

Das war mein schönster Urlaub seit langem! Wilf ist vorbildlich gefahren und hat immer dafür gesorgt, dass wir am Abend einen warmen Platz zum Schlafen  hatten. (Okay, manchmal fuhr er ein bisschen schnell.) Hut ab, so ein Monster-Schiff zu handeln war für Wilf kein Problem!!! Ich kenne sonst niemand, der es ihm so gut nachmachen könnte!

 

17. Tag

Dienstag, 1. November 2011
Rowley, MA – Boston, MA – Frankfurt = 38 Meilen + 5.700 km

Um sieben Uhr stehen wir auf. Viel zu früh. Um neun ist alles eingepackt und wir haben gemächlich gefrühstückt. Kalt ist es draußen, gut, daß wir Strom aus der Firmensteckdose bekommen haben und die Heizung laufen konnte. Die Sonne lacht natürlich wieder mit uns.

Die Nacht war OK. Wir standen ein paar Meter von der Straße (Hwy 1) entfernt und „ein paar“ Autos fuhren an uns vorbei. Und über uns eine Laterne mit Wackelkontakt, die alle paar Minuten an- und ausging.

Um neun wird der Laden aufgemacht. Um zehn kommt Linda. Jetzt sehe ich auch im Office, da ist nix mit Computer, alle Kunden werden vorsintflutlich in einer Kladde notiert. Also ist es doch möglich, daß die uns am Anfang einfach vergessen hatten…  

Ich habe dort zwar noch keine praktischen Erfahrungen gesammelt, aber so stelle ich es mir vor: Wie im Freudenhaus ist man jetzt, nachdem die Dienstleistung vollbracht ist, auch nicht mehr so um seinen Gast bemüht…

Um elf ist alles abgerechnet. Für einen kleinen Kratzer im Blechkleid der Plastikaußenwand wird uns fast die volle Kaution ($ 950) berechnet.

Indian Summer in Neuengland  2011 

Warum mußte auch der blöde Stein ausgerechnet da herumliegen, wo ich drehen und auf Eis ein kurzes Stück rückwärtsfahren mußte! Die Rückfahrkamera lieferte ein viel zu schlechtes Bild. (Die Kamera ist in der Karosserie eingebaut und weil die Glasscheibe davor ständig beschlägt, müßte diese alle paar Tage aufgeschraubt und gereinigt werden.) OK, Pech gehabt. Ist aber nur ärgerlich, aber nicht wirklich schlimm, weil der Schaden von der im Reisepreis enthaltenen Haftpflichtversicherung übernommen werden soll. (Und tatsächlich auch wird!) Große Steine stehen mir jetzt offenbar häufiger im Weg herum…

Aber sonst findet man immerhin keine weiteren Schäden und Kratzer am Plastikkleid und Windschutzscheibe unseres Autos – obwohl die beiden Jungs ganz schön fleißig danach suchen.  

Einer von Lindas Leuten wohnt im nahen New Hampshire und erzählt mir, daß er seit Tagen keinen Strom mehr hat. Der Strom ist wegen des Schneesturms  in der Nacht von Freitag auf Samstag in weiten Gebieten total ausgefallen. Er (und die meisten anderen Menschen hier oben) heizt elektrisch und betreibt deshalb einen kleinen Stromgenerator – mit Benzin, das er irgendwie sehr mühsam herbeischaffen muß. Das Wasser für seine Toilettenspülung muß er aus Schnee schmelzen. Also waren die beängstigenden Ankündigungen im TV doch echt. So kann man sich täuschen. Da haben wir ja sehr viel Glück gehabt!! (Den Originalbericht von Focus online  habe ich ganz hinten angehängt.)

Zusammenfassung der Zahlen:

Wir haben 1.940 Meilen gefahren,

201,4 Gallonen Benzin verbraucht

und $ 697,39 dafür bezahlt.

Das entspricht umgerechnet 3.120 Kilometern und ca. 505 Euro für Benzin.

Unser durchschnittlicher Benzinverbrauch: 24,39 Liter auf 100 km.

(Mit dem ersten Fahrzeug haben wir weitere ca. 300 Meilen gefahren, die natürlich unberücksichtigt blieben. Dieses Fahrzeug haben wir vor der Rückgabe auch nicht mehr volltanken müssen.)

Der andere von Lindas beiden Mitarbeitern bringt uns mit dem Firmen-Van zum Flughafen in Boston. Eine Stunde dauert die Fahrt, aber sie wird recht kurzweilig, denn zwei andere Deutsche haben heute Morgen ebenfalls ihren Camper zurückgegeben und fahren mit uns. Natürlich gibt es dabei viel zu erzählen und zu vergleichen. Sie haben übrigens auch einen (winzigen) Schaden verursacht, (an der Antenne) und müssen $ 300 dafür abdrücken. (Gegen diese überhöhten Forderungen ist man halt machtlos.)

Um zwölf sind wir da, aber Boston Airport ist so klein, daß hier heute nur zwei Lufthansa-Flüge abgehen. (Ich hätte vorher nicht geglaubt, daß Boston Logan so klein und unbedeutend ist. Überhaupt gehen hier im Terminal E nur wenige Flüge internationaler Fluggesellschaften ab.) Alle Lufthansa-Schalter für die Gepäckaufgabe sind noch geschlossen. (Air-France hat schon auf, obwohl deren Flieger erst lange nach uns abfliegt.) Wir müssen zwei Stunden in einem der beiden Cafés verbringen. Viele andere Leute warten auf den Sitzbänken, sind wegen der Warterei unzufrieden und meckern. Erst um 14 Uhr werden endlich zwei, drei Schalter aufgemacht, sodaß wir uns vom lästigen (und schweren) Gepäck befreien können.

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

Nachdem das „Geschäftliche“ erledigt ist, haben wir Zeit für die Lufthansa-Lounge. Bisher gab es keine in Boston, auch keine irgendwelcher anderer Fluggesellschaften für die LH-Business-Kunden. Doch wir haben Glück, vor ein paar Tagen ist hier (extra wegen uns?) eine Lounge ganz neu eröffnet worden, sodaß wir dort die restliche Wartezeit komfortabel verbringen können. Hier herrscht, wenigstens anfangs, angenehme Ruhe – und Einsamkeit. Ganz im Gegensatz zu Frankfurt kürzlich.

Unser Jumbo wird gegen fünfzehn Uhr eintreffen und soll planmäßig um siebzehn Uhr dreißig wieder zurückfliegen. Was er auch macht.

Der unschätzbare Vorteil eines so kleinen Airports: Wir sind sofort durch den Security-Check und die übrigen Kontrollen! So schnell ging es wirklich noch nie in den USA. (Noch nicht einmal in Köln/Bonn. Da hat man schonmal ein paar Leute vor sich.)

Indian Summer in Neuengland  2011   

Indian Summer in Neuengland  2011

Ingrid: Es hat sich wieder bewährt, Business zu fliegen. Ist einfach super bequem.

 

18. Tag

Mittwoch, 2. November 2011
Frankfurt – Düsseldorf = 231 km

Unser Flug dauert nur sechseinhalb Stunden, weil man Richtung Osten Rückenwind hat und eine deutlich südlicher gelegene Flugroute nimmt. Vor unserer Landung steht der Wind für uns günstig, deshalb können die Piloten eine „lange“ Landung machen, also direkt ohne die meistens übliche riesige „Platzrunde“ runtergehen. Morgens gegen 5:15 Uhr sind wir am Flugsteig in Frankfurt.

Wir sind hier an der Gepäckausgabe das einzige (und erste?) gerade gelandete Flugzeug, außerdem fliegen offenbar die meisten Leute aus unserem Flieger weiter. Am Gepäckband stehen deshalb kaum fünfzig Leute. So haben wir unser Gepäck sehr schnell und gehen noch in die Empfangs-Lounge der LH, um dort in Ruhe zu frühstücken. Das ist doch etwas bequemer, als das Frühstück an Bord.

Unseren Mietwagen haben wir genauso schnell. Um kurz nach halbneun sind wir schon zu Hause in Düsseldorf.

Ingrids Fazit: Endlich wieder zu Hause, habe Wilf aber schon gefragt, wann wir wieder los machen. So ein Wohnmobil ist einfach mein Ding. Ich habe mich gut erholt. Mit Wilf fahre ich immer wieder los!! Er ist ein Traveller!!

Ein (fast) perfekter Urlaub!

Indian Summer in Neuengland  2011

Indian Summer in Neuengland  2011 

P.S.

1)  Wir haben jetzt auf dieser Reise für die billigste Qualität Benzin (mit 87 US‑Oktan) zwischen 3,30 bis 3,60 Dollar bezahlt. (Vor allem an der Westküste, in California, ist der Sprit etwas teurer.) Dabei haben wir (aus Gewohnheit und wegen meiner manchmal etwas übertriebenen Pfennigfuchserei) wie immer auf die günstigeren Tankstellen geachtet, oft war der Sprit in der Umgebung etwas teurer. Die beiden besseren Qualitäten kosteten jeweils zehn bis zwanzig Cent mehr. Diesel war immer am teuersten und kostete meistens um die vier Dollar per Gallone; Diesel-Fahrzeuge sind hier aber selten.

Die Preisunterschiede benachbarter Tankstellen erscheinen zwar hoch, sind es aber im Endeffekt gar nicht, denn man tankt ja meist nur zehn, fünfzehn Gallonen. Bei 5 Cent Preisunterschied sind das dann im Endeffekt 50 oder 75 Cent im Endbetrag, also eigentlich recht wenig.

Bei angenommenen 3,60 pro Gallone (= 3,6 Liter) kostete ein Liter Benzin einen Dollar. Ein Dollar entspricht ungefähr 75 EuroCent. Demnach kostet Benzin hier zurzeit ungefähr die Hälfte wie bei uns.

2)  Mein Rat für Wohnmobilreisende: Mit Bedacht Einkaufen! Gerade bei nur zwei Personen. Wir hatten viel zu große Packungen gekauft und deshalb am Ende der Reise viel zu viel übrig. Besonders schade war es um das gute teure Olivenöl und um eine noch dreiviertelvolle Flasche Wodka…

3)  Mein A... bzw. das darin enthaltene Steißbein wird mich wohl noch länger an mein Mißgeschick auf Mt. Washington erinnern.

4)  Tja, und tatsächlich ist in diesem Jahr das Laub der hiesigen Bäume in Deutschland mindestens genauso schön bunt wie drüben. Sogar auf meiner Wiese hinten am Haus. Auf der Heimfahrt konnte ich schon alle Farben bewundern, grün, gelb, orange, rot, braun. Und alle Töne dazwischen. Wegen der Foliage muß man also nicht unbedingt rüberfahren. Um die Gegend um Down East  herum kennenzulernen, schon.

5)  Einen Jetlag kenne ich glücklicherweise immer noch nicht.

6)  Immerhin habe ich drei Kilogramm Gesamtgewicht abgenommen.

7)  Für Leute, die es interessiert, hier noch eine Erklärung zum System der Interstate-Nummerierung. (Ich vergesse es auch immer wieder.)

Ein und zwei Ziffern in der Interstate-Nummer:

Gerade Zahl, z.B. 68 = Ost-West-Route

Ungerade Zahl, z.B. 75 = Nord-Süd-Route

Drei Ziffern in der Interstate-Nummer:

Erste Ziffer gerade, z.B. 265 = Straße führt durch oder um eine Stadt herum

Erste Ziffer ungerade, z.B. 195 = Straße führt in die Stadt hinein

8)  Vorankündigung: Die nächste bereits fest gebuchte Reise wird uns beide im April 2012 nach Washington, D.C. führen. Wir waren von der jetzigen Reise so sehr angetan, daß wir uns wahrscheinlich erneut ein Wohnmobil mieten werden. Bis dahin werden wir noch nichts vom Handling vergessen haben. Wohin wir fahren? Vielleicht noch einmal über den Blue Ridge? Wer weiß…

 

Und hier zum Abschluß der oben erwähnte Bericht zur Wetterkatastrophe vor ein paar Tagen:

 

Focus online (dpa)

Schneesturm in den USA: Mehrere Tote

Montag, 31.10.2011, 07:11

Unerwartet früher Schneefall hat den Nordosten der USA in ein Chaos gestürzt. Bis zu vier Millionen Menschen waren ohne Strom. Mindestens drei Menschen starben, möglicherweise sind aber bis zu elf Todesfälle auf das Wetter zurückzuführen, wie US-Medien berichteten.

 

Der Nachrichtensender MSNBC sprach von „einem der dunkelsten Halloween-Feste“. In einigen Orten seien die Kinder sogar von den Behörden gebeten worden, die am Montagabend bevorstehende, traditionelle Süßigkeiten-Sammlung von Haustür zu Haustür an Halloween zu verschieben, berichtete der Sender.

In Massachusetts, Connecticut, New Jersey und Teilen New Yorks riefen die Gouverneure den Notstand aus. Die Meteorologen berichten unterdessen von Rekorden, die nach mehr als einem Jahrhundert purzelten.

Obwohl die Region raue Winter gewöhnt ist, galt der Herbst noch als mild – und schneefrei. Jetzt fiel in einigen Gebieten in ein paar Stunden mehr als ein halber Meter Schnee. Autobahnen verwandelten sich in Parkplätze, die U-Bahnen kamen aus dem Takt und der Flugverkehr brach zusammen. Am John-F.-Kennedy-Flughafen hatten die Maschinen sechs, acht und mehr Stunden Verspätung, der Airport in Newark wurde gleich ganz geschlossen. Teilweise saßen die Passagiere neun Stunden mit den Flugzeugen auf der Rollbahn fest, berichtet CNN – bei Flügen, die nur ein, zwei Stunden dauern sollten. An kleineren Flughäfen wurden gar Notbetten für gestrandete Fluggäste aufgestellt. 48 Passagiere eines Zugs saßen in Massachusetts 13 Stunden fest, ehe sie ein Ersatzbus über die verschneiten Straßen erreichte. Millionen Menschen saßen im Dunkeln, da die Stromleitungen entweder von der Schneelast oder von umstürzenden Bäumen gekappt wurden. Die Zahlen schwanken zwischen drei und vier Millionen, weil einige Versorger mit Personen, andere mit Haushalten und wieder andere mit Kunden rechnen – was auch Wohnhäuser mit Dutzenden Wohnungen sein können. Das dramatische: Viele Menschen heizen mit Elektrizität oder brauchen den Strom zumindest zum Betrieb ihrer Gas- oder Ölheizungen. Die Stromversorger konnten den Betroffenen keine Hoffnung machen – die Reparaturen würden vielerorts sogar bis Mittwoch dauern.

 

Für eingefügte Links übernehme ich keine Verantwortung.
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Autors!

VorFotos 1

Reise Übersicht