Nächste Station: Hölle Meine unfreiwillige Bekanntschaft mit dem Guillain-Barré-Syndrom (GBS) Ein Tagebuch von Wilfried R. Virmond
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Warnung:
Dieser Bericht kann Ihr Weltbild verändern. (Das meine und das meiner
Angehörigen hat sich verändert.) Außerdem
berichte ich der Objektivität wegen gelegentlich über Körperfunktionen,
die üblicherweise eher im persönlichen Bereich bleiben sollten und über
die man deshalb nicht öffentlich spricht. Hier
eine Kurzfassung der Fakten: Am
24. September 2009 wache ich morgens an Armen und Beinen gelähmt auf
und komme ins Krankenhaus. Am Abend zuvor war ich noch völlig gesund. Diagnose:
GBS Es
folgen dreizehn Tage Intensivstation Danach
bin ich zwölf Tage in einer Reha-Klinik. Insgesamt
bin ich 35 Tage = exakt fünf Wochen von zu Hause weg. Am
28. Oktober 2009 bin ich wieder (mit Krücken) zu Hause. P.S.
Ich bin 64 Jahre alt. Prolog Es
ist Ende September 2009. Noch herrscht eitel Sonnenschein. Meine
Wanderung in den französischen Cevennen zusammen mit meiner Jack
Russell Hündin Hanni war ein voller Erfolg. Einen Tag bin ich zurück,
als mich abends im wahrsten Sinn ein „durchschlagender“ Durchfall überfällt.
Sechs Tage (und Nächte!) verläßt mich alles in flüssiger Form.
Vielleicht ist das am letzten Tag der Reise eingenommene Crème brûlée
daran schuld? Oder ist es eher das in Frankreich direkt aus einem Bach
getrunkene Wasser?? Ich werde es nie klären können! Der
samstags herbeigerufene Arzt „verschreibt“ mir Cola (Zucker) und
Salzstangen (Salz), um meinen Elektrolyt-Haushalt wieder in Ordnung zu
bringen. Mein Hausarzt ist am Montag auch nicht klüger und verschreibt
mir ähnlich „wichtige“ Medikamente – und die natürlich sämtlich
alle nicht helfen. Dann, nach endlosen sechs Tagen und fast immer im
Bett, ist endlich von selbst alles (fast) wieder in Ordnung.
Das
Drama beginnt Mittwoch,
23. September 2009, Tag -1 Ein
ganz normaler Tag folgt. Es ist ein strahlender Spätsommertag. Ich
arbeite vormittags in meiner Firma und fahre nachmittags zu meinem
Freund J. und lasse mir von ihm bei den Anfangs-Problemen mit dem gerade
frisch erworbenen Apfel-Handy helfen. Abends gehe ich ganz normal zu
Bett und freue mich wie immer auf den nächsten Tag. Nebenbei gesagt: So ein iPhone
taugt nicht viel. Ständig hat man Netzprobleme und der Akku hält auch
nur eine niedrige zweistellige Stundenzahl. Einem Freund würde ich es
nicht empfehlen. Da kenne ich deutlich bessere Smartphones. Und nach ein
paar Wochen Nutzung mußte es schon ausgetauscht werden…
Die
Katastrophe Donnerstag, 24. September 2009, Tag
1und folgende
Morgens
wache ich auf. Was ist mit mir los??? Ich kann meine Arme und Beine kaum
noch bewegen! Ist das ein Albtraum? Bin ich jetzt selbst die Hauptperson
in einem Buch von Franz Kafka? Ich bin fast total gelähmt! Erstmal
schleppe ich mich ins Bad. Irmgard muß mich anziehen. Warum hört die Lähmung
eigentlich nicht auf? Was ist nur los mit mir? Ein mühsames Frühstück
folgt. Mühselig
schleppe ich mich mit Irmgards Hilfe die Treppe runter ins Büro und bis
an meinen Schreibtisch. Der angerufene Hausarzt kommt sofort
herbeigeeilt und verordnet erneut Elektrolyte. Eine Infusions-Flasche hängen
wir am Gitter der Deckenleuchte über meinem Schreibtisch auf.
Inzwischen kann ich noch nicht mal mehr den Telefonhörer halten. Der
Arzt will mich vor seiner Mittagspause noch mal anrufen. Mittags,
auf dem Weg zur Toilette, rutsche ich Irmgard aus den Händen und
verbringe die nächsten Stunden auf dem (immer kälter werdenden) Fußboden,
weil sie mich einfach nicht mehr hochheben kann. Als
ich um 16 Uhr immer noch nichts vom Hausarzt gehört habe, rufe ich ihn,
viel zu spät, noch einmal an. Er
entscheidet, daß ich sofort ins Krankenhaus muß. Um 17 Uhr kommt
endlich der Krankenwagen. Ein Zimmer wird in einem Krankenhaus in
Koblenz (fast 50 km entfernt) gefunden. Hier liege ich erst einmal ein
paar lange Stunden sehr schlecht im Aufnahmezimmer herum. Um 21 Uhr wird
endlich meine Krankengeschichte aufgenommen. Danach darf ich endlich
Pippi machen. Eine unfreundliche Nachtschwester lehnt jegliche
Hilfestellung dabei ab, obwohl ich mich nicht bewegen kann, geschweige
denn meine Hände. „Den fasse ich nicht an!“ schnauzt sie mich an, als ich um ihre
Hilfe bitte. Aber eine freundliche Schwester, die das Drama mitkriegt,
hilft mir, obwohl sie schon Feierabend hat. Auf
dem Weg nach oben wird noch schnell eine Computer-Tomographie (CT) von
meinem Kopf gemacht, obwohl ich mich erst mal dagegen wehre. Um 22 Uhr
komme ich in ein Dreibettzimmmer, das extra für mich geräumt worden
ist. Es
folgt eine schmerzensreiche Nacht. Die Nachtschwester ermahnt mich, sie
nicht zu oft zu belästigen. „Ich bin hier oben ganz allein!“ Die
Schmerzen in den Beinen, vor allem in den Waden sind erheblich. Dazu
kommt Durst, entsetzlicher Durst. Ich „schlafe“ immer nur ein paar
Minuten, sonst liege ich die meiste Zeit wach. Ich kann mich schon lange
nicht mehr bewegen, keine Arme, keine Hände, keine Beine. Nichts! Ich
kann noch nicht einmal mehr einen Finger bewegen. Schon gar nicht die
Bettdecke etwas hochziehen, obwohl ich doch so friere. Noch nicht einmal
etwas trinken. Dabei steht das wohlgefüllte Wasserglas nur ein paar
Zentimeter neben meinem Mund auf dem Nachttisch herum. Aber ich darf ja
auch nichts trinken, denn niemand kann mich zur Toilette schaffen, wenn
ich mal „müßte“, die Krankenschwester schon gar nicht. Und die
Pippiflasche schon wieder „anlegen“ lassen – viel zu peinlich! Nach
der Nachtschwester kann ich auch gar nicht klingeln. Unmöglich, wenn
man keinen einzigen Finger bewegen kann. Deshalb muß ich warten, bis
sie endlich mal im Zimmer nachsieht. Sprechen kann ich zum Glück noch
und dann wenigstens um einen kleinen Schluck Wasser bitten. Lange,
unendlich lange dauert es, bis der Morgen endlich graut. Aber es dauert
noch länger, bis der Tagesdienst endlich beginnt. Dann kommt Schwester
Magdalena, die ihren Namen zu Recht trägt, denn sie läßt mich die
Qualen dieser Nacht schnell vergessen. Sie ist es, die mich dazu überredet,
zu frühstücken und die Zähne zu putzen. Dann duscht sie mich voller
Freundlichkeit, obwohl schon längst feststeht, daß ich in ein anderes
Krankenhaus verlegt werde, weil es hier im Haus keine Neurologische
Abteilung gibt, denn bei meiner Krankheit handelt es sich offenbar um
eine Nervengeschichte. Vormittags
werde ich in ein anderes Koblenzer Krankenhaus transportiert.
Katastrophe: Es soll hier kein Einzelzimmer für mich geben! Jetzt habe
ich vierzig Jahre extra eine inzwischen sündhaft teure
Krankenversicherung bezahlt, komme mit meinen 64 Jahren zum ersten Mal
in meinem Leben in ein Krankenhaus - und bekomme kein Zimmer für mich
allein. (Ich möchte schon immer ausschließlich in einem Einzelzimmer
liegen, meine Ruhe haben und mich weder mit fremden Leuten über ihre für
mich langweilige Krankengeschichte unterhalten müssen, noch ihre
private Hygiene mitbekommen.) Ich will gleich wieder „gehen“, doch
Prof. W. überredet mich, erstmal zu bleiben. Er weiß offenbar schon,
an welcher Krankheit ich leide, behält es aber noch für sich. Es ist
auf jeden Fall eine seltene, aber zum Glück hier im Haus keine ganz
unbekannte Krankheit. Mein
Zimmergenosse wird gerade entlassen. Also erstmal alle Aufregung
umsonst. Frau Dr. C. entnimmt mir Rückenmark-Flüssigkeit. Dazu muß
ich auf der Bettkante einen runden Rücken machen und sie sticht mir mit
einem dünnen Rohr und einer noch dünneren langen Nadel in meinen Rücken.
(Lumbalpunktion). Dann zieht sie die glasklare Flüssigkeit heraus. Naja,
falls sie jetzt daneben sticht und etwas schief geht, ist es nicht so
schlimm, schließlich bin ich ja bereits gelähmt... Dann
folgt im Keller eine Magnet Resonanz Tomographie (MRT). Mindestens eine
Stunde, aber gefühlte drei Stunden, bin ich in der gleichermaßen engen
wie lauten Röhre. Keine Möglichkeit sich zu bewegen - und schon gar
keine, dieser schlimmen Lage zu entkommen. Irgendwie gab es bei den
Aufnahmen Schwierigkeiten, sodaß die Aufnahmen gleich wiederholt werden
mußten, daher die lange Dauer der Tortur. Leider haben schon alle
Mitarbeiter in dieser Abteilung Feierabend, fast alle, nur ein einziger
junger Mitarbeiter ist noch geblieben und macht die Aufnahmen. Es könnte
sein, daß er noch zu wenig Erfahrung hat. Nach
dieser Quälerei komme ich in ein anderes Zimmer, in dem mittels
verschieden hoch dosierter Stromstöße die Funktion der Nerven im
rechten Arm und im rechten Fußgelenk gemessen wird. Die Stromstöße
werden immer heftiger und gemeiner, ich erwarte ständig den Geruch
verbrannter Haut in der Luft – der dann aber zum Glück doch nicht zu
riechen ist…
Nervenleitgeschwindigkeit
(NLG) (Bei
mir wird trotzdem eine Nadel benutzt…) Tja,
und dann geht es in den dritten Stock, auf die Intensivstation! Hier
wird mir die Diagnose eröffnet: Ich leide am Guillain-Barré-Syndrom,
kurz „GBS“ genannt! Noch nie gehört! Hierbei handelt es sich um
eine seltene Nervenkrankheit. (1-2 Menschen von 100.000 erkranken
daran.) Ganz kurz und laienhaft erklärt: Im Körper war eine Infektion
(meist eine schwere Erkältung, oder, wie bei mir, der lange Durchfall),
die von ihm mit Antikörpern bekämpft wurde. Und weil die feindlichen
Störenfriede, meist Bakterien vom Stamm Campylobacter, (manchmal sind
es auch Viren), vielen Nervenzellen im Körper sehr ähnlich sind,
werden sowohl die bösen Feinde als auch die eigentlich unschuldigen
eigenen Nervenzellen von den Antikörpern aufgefressen. Und dann ist man
an allen Extremitäten gelähmt. Die Lähmung kann ganz langsam von
unten nach oben erfolgen, oder, wie bei mir, schnell und über Nacht.
(Manchmal beginnt sie auch an den Händen.) GBS
kann leicht und schwer sein, kurz und lang dauern. Meistens hat GBS
einen schweren Verlauf und dauert ein halbes Jahr und länger! Natürlich
gibt es viele Varianten. Herr Dr. R. hat eine gute und eine schlechte
Nachricht für mich. Zuerst die schlechte: Es könnte schwere
Verlaufskomplikationen bei mir geben. Schwere Lungenentzündung und zum
Teil heftige Infektionen sind sogar sehr wahrscheinlich. Außerdem
besteht die große Wahrscheinlichkeit, daß ich unter künstlichem Koma
künstlich beatmet werden muß und daß nach ca. 14 Tagen ein Luftröhrenschnitt
durchgeführt werden muß. Hierzu, zum Luftröhrenschnitt, soll ich
jetzt meine Zustimmung geben - oder später ein Angehöriger. Nach dem
Luftröhrenschnitt werde ich für einige Zeit nur über ein
Spezialmikrofon sprechen können. Die
gute Nachricht: Hier im Haus kennt man sich mit GBS sehr gut aus und hat
genügend Erfahrung damit. Deshalb hat man zum Glück auch gleich meine
Erkrankung richtig erkannt und es bleiben mir weitere unnötige
Untersuchungen erspart. Und vor allem: Die richtigen Gegenmaßnahmen können
ohne weiteren Zeitverlust eingeleitet werden!! Beängstigend
sieht es hier im Zimmer aus: Drei Infusionsmaschinen, eine Reihe
Spritzenpumpen, ein Monitor für die Überwachung sämtlicher Körperfunktionen
und überhaupt jede Menge Angst einflößender Apparaturen! Dazu der
Schock über die Diagnose und der möglichen (und wahrscheinlichen)
Komplikationen. Das alles ist schon sehr heftig. Schließlich war ich
noch nie im Krankenhaus, schon gar nicht auf einer Intensivstation.
Warum gerade ich?? Frau
Dr. Z. will mir einen Katheder setzen lassen. Ich wehre mich anfangs
noch heftig dagegen, gebe aber schließlich nach. Ich muß nachgeben!
Aber das soll schließlich erst der Anfang vieler Peinlichkeiten sein.
Dann bekomme ich ein hinten offenes Nachthemd angezogen. Mehrere Nadeln
werden mir in Venen und Adern beider Handgelenke gebohrt und noch mehr
Schläuche daran angeschlossen. Warum gerade ich?? Draußen
ist ein sonniger und warmer Spätsommer-Nachmittag. Doch hier drinnen
ist längst die Welt für mich untergegangen. Ich habe eine unter
anderen Umständen als wunderschön zu bezeichnende Aussicht auf die
Stadt und auf die B 9. Später wird man mir sagen, daß dies das schönste
Zimmer der Station ist, als einziges direkt nach Süden schauend. Es ist
Freitag-Nachmittag. Ungerührt von der Katastrophe fahren die Leute ohne
Sorgen fröhlich nach Hause und freuen sich auf ein wohlverdientes
Wochenende. Autos, Lkws, Motorräder wuseln da unten herum, lautlos,
durch die Fenster dringt natürlich kein Ton, und hier oben bin ich echt
am Arsch, Entschuldigung! Warum gerade ich?? Tiefe
Verzweiflung hat mich umschlossen. Ich kann kaum noch atmen! Ich bin in
der Hölle angekommen! Ich bin dazu verdammt, viele Monate hier im
Krankenhaus zu verbringen. Weihnachten, Silvester, Ostern, Geburtstag,
allesamt weit weg von zu Hause… Dabei
wartet daheim jede Menge Arbeit auf mich. Nach dem Urlaub in Frankreich
liegt wirklich genug davon herum, und ich bin hier für viele Monate aus
dem Verkehr gezogen. Was soll jetzt aus meiner über 100 Jahre alten
Ein-Mann-Firma werden? Mein Kopf droht zu platzen. Das wäre
wahrscheinlich auch das beste für alle, besonders für mich. Warum
gerade ich?? Aber
mein Kopf platzt nicht, überhaupt platzt hier oben nichts. Gestorben
wird hier auf seiner Station schon gar nicht, klärt mich Krankenpfleger
Joachim auf. Keine Chance!
Die
Nacht wird lang, die Schmerzen, vor allem in den unteren Beinen und Füßen,
werden immer heftiger. So, wie ich gelegt werde, so bleibe ich liegen,
kann mich ja schon lange nicht mehr bewegen, alle anhängenden Körperteile
sind wie tot, als gehörten sie nicht mehr zu mir. Ich liege solange völlig
hilflos da, bis sich wieder jemand meiner erbarmt. Nur Kopf und Schulter
kann ich nach wie vor voll bewegen. Und, sehr wichtig, alle Berührungen
kann ich spüren! Oft geht nämlich auch die Sensibilität der Haut
verloren. Natürlich
kann ich hier auch keine Klingel drücken, muß rufen, wenn ich es gar
nicht mehr aushalte und gedreht werden möchte. Dazu habe ich ständig
heftigen Durst und muß immer viel zu lang auf das nächste Glas Wasser
warten. Die
Tage und Nächte sind eintönig. Gegen die Schmerzen bekomme ich immer
mehr starke Schmerzmittel und schon bald Morphium (Dipidolor)
Piritramid
– Wikipedia in
immer höherer Dosierung bzw. in kürzerer Folge und Beruhigungsmittel,
die mich allesamt etwas ruhiger machen. Dadurch wird alles etwas erträglicher,
nein, nicht erträglicher, nur etwas weniger schlimm. Überhaupt, mein
bester Freund in diesen Tagen auf der Intensivstation heißt „Dipidolor“!
Zum
Essen muß ich komplett gefüttert und getränkt werden, während ich
wie eine Puppe herumliege. Kauen, schlucken und trinken kann ich
wenigstens selbst. Pippi wird über den Katheder abgeleitet. „Groß“
kann ich gar nicht machen. Die täglichen Waschungen sind immer wieder
peinlich, schließlich war mein hier so genannter Intimbereich noch nie
den Blicken fremder Menschen derart lang ausgesetzt, so wie es jetzt überhaupt
reichlich peinliche Momente
gibt. (Aber irgendwann ist einem hier nichts mehr peinlich; dafür sehen
mich zu viele Personen nackt herumliegen. Man gewöhnt sich eben an
alles.) So
verlaufen die Tage erst einmal alle gleich. Professor W. hat mir erklärt,
daß sich mein Zustand jetzt erst einmal jeden Tag etwas verschlechtern
wird. Man weiß nicht, wie lange. Dann soll mein Gesundheitszustand
einige Zeit auf einem niedrigen Niveau bleiben. Irgendwann, bei jedem
GBS-Kranken zu einem anderen Zeitpunkt, geht es dann ganz langsam wieder
aufwärts. Der einzige Trost: Es besteht eine große Wahrscheinlichkeit,
daß ich am Ende wieder vollständig hergestellt sein werde. GBS ist die
einzige Lähmung, von der (meistens) nichts zurückbleibt. Das
Wichtigste schon mal hier: Die schlimmen Sachen wie Lungenentzündung,
schwere Infektionen, künstliche Beatmung mit Koma, Luftröhrenschnitt
und alle anderen avisierten Begleiterscheinungen bleiben mir erspart.
Mein Zustand wird, wie angekündigt, zwar erst einmal jeden Tag etwas
schlechter, jedenfalls höre ich das bei den täglichen Visiten heraus,
bei denen jedesmal eine ganze Menge Ärzte um mich herumstehen. Aber
dann, nach fünf Tagen Immun-Globulin-Therapie stagniert die
Verschlechterung und ich bleibe auf diesem niedrigen Niveau, das aber im
Vergleich zu vielen anderen an GBS Erkrankten vergleichsweise hoch ist.
Alle Ärzte, Krankenschwestern und Krankenpfleger sind über meinen
„immer noch relativ guten“ Zustand verwundert. Mein
Krankheitsverlauf entspricht nicht dem Üblichen, nein, er ist viel
leichter als befürchtet. Aber was sage ich stets: Ich bin schon immer
ein Glückskind! Mindestens zehn Mal war ich schon in akuter
Lebensgefahr und bin doch immer wieder haarscharf am Leben geblieben!
Und immer, wenn ich wirklich in echter Not war, bekam ich Hilfe! Sprechen
kann ich während der ganzen Zeit. Aber die entsetzlichen Schmerzen, vor
allem nachts und vor allem an den Knien, Waden und Fußgelenken bleiben.
Da hilft dann das Morphium auch immer nur für kurze Zeit. Es
gibt gute Schwestern und Pfleger – und weniger gute. Aber leider gibt
es auch eine hundsgemeine Nachtschwester, Schwester R..., die mich in
den letzten vier Nächten nur allzu gerne meinen Schmerzen überläßt
und mich mit Worten und Taten quält. Meine Hilferufe überhört sie
geflissentlich. Hier kann sie ihre Überlegenheit und Machtgefühle
gegenüber wehrlosen Intensiv-Patienten ausleben. Später, wenn ich
wieder gesund bin, werde ich mich bei der Pflegedienstleitung über sie
beschweren. Warum
hat es mich so schlimm getroffen? Warum gerade ich? Ich war doch noch
nie ernsthaft krank. Diese Frage geht mir nicht aus dem Kopf. Wenn ich
mich auch immer mehr darüber freue, daß es wohl nicht so schlimm für
mich werden wird. Und das, obwohl am Anfang ein wichtiger Tag unnötig
verplempert wurde, weil mein Hausarzt nicht schnell genug reagiert hat. Irmgard
und Ingrid besuchen mich jeden Tag. Sie arbeiten inzwischen zu Hause eng
zusammen und retten jetzt als Erstes die Firma. Auch das beruhigt mich
und inzwischen sehe ich meine Situation auch nicht mehr so defätistisch. Ganz
besonders Krankenschwester Ina und Krankenpfleger Sascha geben mir zusätzliche
Kraft. Sascha wäscht mich besonders gründlich. Irgendwann überredet
er mich sogar zu einer Rasur und nimmt mir den inzwischen ganz schön
strubbeligen Bart ab. Danach werde ich wieder jeden Morgen rasiert und
achte überhaupt wieder mehr auf mein Äußeres. Inzwischen
habe ich endlich ein Radio in mein Zimmer bekommen und kann meinen
Lieblingssender SWR 1 hören. Freundliche Menschen und meine
Lieblingslieder geben mir unglaublich viel zusätzliche Kraft und
Energie, meine schlimme Situation zu überstehen. Überhaupt sorgen
folgende drei Säulen für meine täglichen Verbesserungen: Erst einmal
natürlich alles Ärztliche und als zweites die Musik aus dem Radio.
(Ich habe zu Hause immer gesagt, für den Fall, daß ich einmal nicht
mehr aus dem Koma aufwachen sollte: Spielt mir meine Musik vor, dann
wache ich sofort auf!) Der dritte wichtige Punkt für meine Gesundung
sind Fotos meiner Angehörigen, von Hanni und vor allem von meiner neuen
Corvette, die jeder hier (zum Spaß) gerne für mich einfahren würde,
denn sie hat ja erst 800 km auf der Uhr. Auf diese Fotos an der Wand
habe ich während der langen Tage auf der Intensivstation so oft
geblickt und sie haben mir immer wieder neuen Mut und zusätzliche Kraft
gegeben. Ich bin sicher, Musik und Fotos haben viel zu meiner
schnelleren Gesundung beigetragen. Außerdem
mache ich ständig meine kleinen Übungen, egal was, Hauptsache ich
bewege etwas, bzw. ich versuche, irgend etwas an mir zu bewegen oder
anzuspannen. Zeit dafür habe ich ja genug. Viele,
sehr viele Gebete können auch nichts schaden. Ich bin ja sonst nicht
allzu fromm, aber in einer solchen Situation wird wohl jeder beten, natürlich
auch ich. Ich bin absolut sicher, daß es mir weitere Kraft gegeben hat!
Meine Angehörigen und besten Freunde beten auch für mich und helfen
mir damit. Bestimmt
haben auch die handvoll besonders guten Schwestern und Pfleger dazu
beigetragen, daß ich schon bald ungewöhnlich deutliche Fortschritte
mache. „Groß“
kann ich immer noch nicht. Ich habe deshalb schon heftige
Bauchschmerzen. Wenn ich mal pupsen muß (und kann), dann sind es ganz
besonders große Blasen, die sich da rausquälen. Überhaupt muß ich
pupsen und rülpsen wie ein Asozialer – und bin dann auch noch froh
darüber. Mehrmals wird mir ein sogenanntes „Darmrohr“ hinten
reingeschoben, damit die Luft entweichen kann. Aber das hilft immer noch
nicht wirklich. Meine
Tränen fließen oft. Jetzt weiß ich aus eigener schmerzvoller
Erfahrung, wie salzig Tränen sind. Getrocknete Tränen sind sogar noch
schlimmer, sie verkrusten und brennen. Ich muß mir immer wieder die
Augen feucht auswischen lassen. Nach
den ersten Tagen werde ich vormittags immer in einen Spezialstuhl (er
heißt hier „Norbert“) umgebettet, in dem ich dann ein paar Stunden
sitzend verbringen kann. Die
Verbesserung meines Gesundheitszustands kündigt sich dadurch an, daß
ich Daumen und Zeigefinger der rechten Hand „bewegen“ kann. In
Wirklichkeit muß man aber sehr genau hinsehen, um dort ein erstes
leichtes Zittern erahnen zu können. Nach
ein paar Tagen muß ich endlich „groß“. Ein aufgelöstes Pulver,
ein paar Zäpfchen, ein weiteres Darmrohr und ein besonders qualvoller
Einlauf sind dazu notwendig. Aber dann kommt „es“ zum Glück. Ein
paar Tage später klappt es immerhin schon auf einfachere Art. Das
Essen hier im Krankenhaus ist hervorragend. Das gilt gleichermaßen für
die riesige Auswahl wie für den hervorragenden Geschmack. Mein Appetit
ist zwar nicht allzu groß, aber trotzdem esse ich inzwischen immer
lieber. Sogar Rotwein (schmeckt leider schrecklich) kann ich jederzeit
bekommen. Bier auch, aber Bitburger mag ich nicht. Irgendwann
geht es mit mir endlich etwas deutlicher aufwärts. So nach und nach
kann ich die Finger bewegen, erst nur rechts, dann auch links, nach und
nach immer mehr, dann die Hände, dann die Arme. Ein tolles
Erfolgserlebnis ist es, als ich es endlich schaffe, meine Nase wieder zu
berühren – sie hat irgendwie ständig gejuckt. Welche Wohltat! (Kennt
man ja vom Motorradfahren. Kaum hat man den Helm auf und ist
losgefahren, juckt es einen darunter – und man kann sich ja nicht
kratzen. Und deshalb juckt es einen immer mehr…) Füße und Beine
bleiben allerdings noch immer vollständig gelähmt. Nur die Knie kann
ich schon ganz leicht nach außen und innen „drücken“. Und ich kann
wieder selbstständig essen, ganz mühsam, die Gabel mit beiden Händen
haltend und jedesmal den Mund wieder neu suchen müssend. Aber es geht
irgendwie. Krankengymnastik,
Atemübungen, Ergo-Therapie und Lymphdrainage erfolgen fast täglich und
fördern meine Besserung. Trotzdem, Besuch will ich hier oben nach wie
vor nicht haben, außer von meinen beiden Frauen, auf deren fast tägliche
Besuche freue ich mich. Aber sonst soll mich niemand so hilflos
herumliegen sehen. Auch Anrufe will ich noch nicht haben. Tag
13, Dienstag, 6.Oktober 2009 Endlich,
ich bin soweit wiederhergestellt, daß ich aus der Intensivstation nach
unten, in die normale Station verlegt werden kann. Ich kann es gar nicht
abwarten und bin schon reichlich aufgeregt. Es ist fast wie Geburtstag
oder Weihnachten, was heißt „fast“, es ist Geburtstag, Weihnachten
und Ostern zusammen! Schon wieder mußte ich um mein Einzelzimmer kämpfen
– und bekomme es dann auch zum Glück. Tschüss, Ihr lieben Leute auf
der Intensivstation – und vielen Dank für alles! Ihr habt mir so sehr
geholfen, wo wäre ich ohne all Eure Hilfe. Und vielen Dank für Eure
Geduld mit mir. Ich weiß, ich bin manchmal etwas schwierig… In
Wirklichkeit war alles noch viel schlimmer, als ich es hier mit meinen
Worten beschreiben kann. Vor allem, weil ich vorher nie damit gerechnet
habe, jemals auf einer Intensivstation zu liegen. Aber: Mein Aufenthalt
in der Hölle ist hiermit beendet. Ich habe mich wieder zurückgearbeitet,
nach oben, in die normale Welt. Allzu
schön ist mein neues Zimmer nicht, aber es geht, es gibt sogar einen
kleinen Kühlschrank und einen kleinen Safe, TV ist ja selbstverständlich,
allerdings mit lästigen Kopfhörern, obwohl dies hier ein Einzelzimmer
ist. Natürlich liegt es wieder als vorletztes am Ende des Ganges. Die
Aussicht ist nicht mehr so schön wie bisher, es sei denn, ich wäre
Klimaanlagen-Fan, denn ich blicke genau auf die acht Ventilatoren des
OP.
Tag
14, Mittwoch, 7. Oktober 2009 Meine
erste Nacht auf der Normal-Station ist schwer. Nachtschwester Maria tröstet
mich bei meinen heftigen Schmerzen. Sie streichelt mich sogar ein bißchen.
Das hilft mir unendlich. Leider soll ich sie nie mehr wiedersehen, sodaß
sie mir nach ein paar Tagen wie ein Traum vorkommt, aber die andern
Schwestern bestätigen mir, daß es tatsächlich eine „Nachtschwester
Maria“ hier auf der Station 1A geben soll. Ein
Mann muß ja immer mal wieder seine „privaten“ Teile kratzen.
Endlich, endlich kann ich schon mal mühselig meine Hand unter dem Bund
der Hose durchschieben und fühlen, ob noch alles da ist. OK, sämtliche
Kronjuwelen sind noch an Ort und Stelle. Katastrophe:
Nachts falle ich aus dem Bett! Drei Nachtschwestern müssen mich zurück
ins Bett hieven. Ich habe reichlich Glück, keine Verletzung, keine
Prellung, überhaupt keine Blessuren! Zur „Strafe“ bzw. zu meiner
eigenen Sicherheit bekomme ich jetzt jede Nacht seitliche Gitter am Bett
angebracht. Obwohl ich wirklich nur nach der heruntergefallenen
Fernbedienung für die Bettverstellung geangelt hatte. Aber niemand
glaubt mir. Überhaupt ist die Nacht schlimm mit den vielen Schmerzen.
Ich lasse mir eine zusätzliche Spritze gegen die Schmerzen in den Waden
geben. Tagsüber
besucht mich eine Grüne Dame, Frau Herz, und macht mir Mut, die
Krankheit zu überstehen.
Tag
15, Donnerstag, 8. Oktober 2009 Wieder
eine schlimme Nacht mit vielen Schmerzen. Die Schwestern Anika (wirklich
mit einem „N“) und Melanie waschen mich morgens gründlich und ich
ernenne sie gleich zu meinen neuen Lieblingsschwestern. Dann werde ich
auf dem Toilettenstuhl über die Toilette geschoben und darf mich „auf
natürliche Weise“ erleichtern. Anschließend
werde ich angezogen und darf ab jetzt alle Tage im Rollstuhl verbringen.
Welch ein Segen, nur noch die Nächte im Bett verbringen zu müssen. Vormittags
werde ich während der Physiotherapie mittels „Rollboard“ (welch
geniale Erfindung! Ich wurde schon so oft ohne jegliche Quälerei hin-
und hergelagert. Ich danke dem Erfinder herzlich und wünsche ihm Geld
wie Heu!), also, ich werde auf ein zunächst waagerechtes
„Stehbrett“ geschoben, auf dem ich mit drei Gurten festgeschnallt
werde. Danach muß ich mich mittels Fernbedienung nach und nach
senkrecht aufrichten. Dann werden abwechselnd die Gurte etwas gelockert
und die entsprechenden Körperteile vorsichtig bewegt.
Tag
16, Freitag, 9. Oktober 2009 Endlich
habe ich in dieser Nacht (anfangs) keine Schmerzen in den Beinen. Doch
zu welchem Preis? Seitenlage, egal ob mit 30° oder mit 90°: Nein, geht
nicht, schmerzt bald. Dann versuche ich Bauchlage – geht auch nur für
wenige Minuten. Welche Lage bleibt übrig? Richtig: Rückenlage! Rückenlage
für über 14 Stunden! Doch dann muß ich nachts erneut die
Morphiumspritze fordern. Diesmal mit doppelter Dosis. Professor
W. schimpft bei der Visite mit mir wegen der nächtlichen permanenten Rückenlage.
Ich soll dringend darauf achten, daß ich nachts öfters umgelagert
werde. Die
Untersuchung mit den gemeinen Stromstößen wird demnächst wieder
notwendig werden, um eventuelle Verbesserungen erkennen zu können. (Mir
bleibt aber auch nichts erspart...) Morgens
duscht mich Schwester Anika, (sie spielt Frauenfußball bei SG 99
Andernach), und wäscht mir die Haare. Was für eine Wonne! Weiches
warmes Wasser umschmeichelt mich. Die erste Dusche seit 14 Tagen!
Schwester Melanie hat leider keine Zeit, kommt dann aber später noch
ein, zwei Mal kurz bei mir vorbei, um mir wenigstens Guten Morgen zu
sagen. Jetzt bin ich endlich wieder so sauber, daß ich mich eigentlich
gar nicht mehr zu kratzen brauche, nirgends. Nur noch aus reiner
Gewohnheit. Erneut
darf ich auf den Toilettenstuhl rüberrutschen und werde über die
Toilette geschoben. Am
Vormittag wird mir ein lästiges Langzeit-Blutdruck-Meßgerät angehängt.
Dann erfolgt wieder die Physiotherapie mit dem Steh-Brett.
(„Physiotherapie“ hieß bis vor zwei, drei Jahren noch einfach
„Krankengymnastik“.) Denis,
(er ist Russe, deshalb hat er nur ein „N“), Denis kommt vorbei und
macht eine Lymph-Drainage, zusammen mit einer wohltuenden Bauchmassage. Heute
bekomme ich meinen ersten „fremden“ Besucher: Mein Freund Günni
kommt vorbei. Sein Sohn hatte einen schweren Arbeitsunfall mit
schwersten Verbrennungen und ich bin riesig erleichtert, als ich höre,
daß es auch ihm inzwischen wieder deutlich besser geht. Mittags
lege ich mich aufs Bett zu einem entspannenden Schläfchen. Mit
meinem Rollstuhl bin ich ja jetzt wieder viel beweglicher. Deshalb
besuche ich nachmittags mit Irmgard gleich mal die Cafeteria. Sieht gut
aus hier unten und ich freue mich, zum ersten Mal wieder unter
„normalen“ Menschen zu sein und etwas anderes zu sehen. Meine Welt
ist wieder etwas größer geworden. Ambiente und Essensauswahl sind hier
hervorragend. Irmgard
hat mir den Laptop mitgebracht, sodaß ich endlich mit meinem Tagebuch
beginnen kann. Ich halte dazu einen Bleistift mit Radiergummi in der
rechten Hand verkehrt herum, mit dem ich dann auf die Tasten tippe; so
kann ich auch mit rechts schreiben. Die linken Finger benötigen keine
Tipphilfe, sie sind schon beweglicher. Das ganze ist reichlich mühselig,
aber es befreit kolossal. Endlich kann ich den Druck in meinem Kopf
ablassen und das Erlebte rauslassen und aufschreiben. Leider
gibt es kein Internet im Haus, noch nicht einmal als W-LAN. Ist aber
auch nicht wichtig. Viel wichtiger ist mir, daß mir Irmgard meine
inzwischen viel zu langen Fingernägel schneidet. Am
späten Nachmittag koste ich meine neue Reisefreiheit aus und wage mich
ganz alleine aus meinem Zimmer raus und in die Wildnis, die ganzen zwei
Meter bis ans Fenster am Ende des Flurs. Am
Abend putze ich mir zum ersten Mal wieder selbst die Zähne. Mit zwei Händen
und noch sehr unbeholfen. Im
Radio höre ich, daß Präsident Obama den Friedens-Nobelpreis erhalten
hat, obwohl von ihm bisher nur Hoffnungen und Versprechungen kamen.
Total unverständlich für mich. Eine solche Entscheidung der Jury ist
nur schwer nachvollziehbar. Da hätte es bestimmt hunderte Leute und
Organisationen gegeben, die einen solchen Preis viel eher und das viele
Geld viel besser hätten gebrauchen können. Krankenpfleger
Reiner hilft mir heute Abend bei der Toilette. Endlich mal ein starker
Mann, denn ich muß mich immer mit den Armen oben am Hals meines Gegenüber
einhängen und werde dann hochgezogen. Bei den zarten Krankenschwestern
habe ich immer Angst, ihnen vielleicht wehzutun. Obwohl, ich wiege
inzwischen ja kaum noch etwas. Mein
Freund Sascha von der Intensivstation besucht mich abends, um zu sehen,
wie es mir hier unten inzwischen ergangen ist. Sie haben da oben jetzt
mehr „Kunden“ und darum auch viel mehr Arbeit. Wieder hatte ich Glück,
denn jetzt hätten sie nicht mehr so viel Zeit für mich. Tag
17, Samstag, 10. Oktober 2009 Nachts
habe ich gut geschlafen. Neue Sensation: Ich kam ohne Tablette und
Spritze gegen die Schmerzen aus. Zum ersten Mal! Nach dem Frühstück
rolle ich erneut ans Fenster auf dem Gang. Dann arbeite ich am Laptop,
natürlich vor allem am Tagebuch, habe schließlich viel aufzuschreiben. Dann
kommen zwei Mädchen von der Physiotherapie, heute vom Notdienst. Zum
ersten Mal werde ich seitlich gehalten und gestützt und auf die eigenen
Beinen gestellt. Ich hänge wie ein nasser Sack zwischen den beiden Mädchen,
das ganze ist unheimlich anstrengend. Ich bin total naßgeschwitzt, eins
der Mädchen aber auch. Anschließend bin ich total fertig. Zum
Mittag gibt es Karottensuppe. Ich liebe ja Eintopf.
Am Nachmittag kommt Besuch von Irmgard mit meinen
Freunden Jürgen + Heide, und dann sogar Ulli + Hermine aus Köln.
Tag
18, Sonntag, 11. Oktober 2009 Wieder
bin ich nachts ohne Tablette und Spritze ausgekommen, nur
Novalgin-Tropfen brauchte ich. Erneut betreut mich Reiner und dann auch
Schwester Albina aus Albanien. Sensation: Heute morgen kann ich zum
ersten Mal selbst mein T-Shirt wechseln. Zähneputzen
ist immer noch sehr mühselig; gut, daß ich zwei Hände habe. (Obwohl,
mit drei Händen ginge es noch besser.) Das gleiche gilt für die erste
eigene Rasur mit dem Elektrorasierer. Weil
ich immer noch keinerlei Kraft habe, sind alle Verpackungen sehr schwer
zu öffnen, manche aber immer noch nicht, z.B. die Deckel vom Joghurt.
Aber ich habe ja auch noch Zähne dafür. Fürs Duschgel benötige ich
Hilfe, die blöde Flasche widersetzt sich erfolgreich meinen Bemühungen
und will (vorerst) nichts von ihrem Inhalt preisgeben. Auch das
Deo-Spray will mir noch nicht gehorchen. Aber ich kann mich immerhin
schon selbst (und alleingelassen!) ein wenig am Waschbecken
„waschen“ und dann abwechselnd heißes und kaltes Wasser über die
Arme laufen lassen. Ah, tut das gut! Mein Spiegelbild will ich
immer noch nicht sehen. Gut, daß der Spiegel vom Rollstuhl aus per
Seilzug verstellbar ist. Meine
Füße und Zehen wackeln endlich! Obwohl, man muß schon ganz genau
hingucken, man ahnt es mehr und sieht es kaum. Morgens
und abends erfolgt jetzt regelmäßig mein Besuch auf der Toilette. Heute
ist Sonntag und ich mache meinen ersten großen Sonntagsausflug: Ganz
alleine fahre ich mit meinem Rollstuhl den langen Gang hinunter. Rückwärts!
Beim Vorwärts-Fahren bremsen die blöden Schuhe meinen Vorwärtsdrang,
weil ich die Füße nicht auf die Fußbretter stellen kann. Es ist ein
bißchen zum Verzweifeln. Trotzdem, ich bin riesig erleichtert über
meine neue Reisefreiheit. Herr
Dr. Sch. macht heute Visite und streicht viele Medikamente. Und ich
finde das auch noch gut! Außerdem läßt er mir endlich, endlich, den
inzwischen reichlich lästigen Katheder-Schlauch ziehen. Obwohl
gestern angekündigt, erfolgt heute keine Physiotherapie. Darüber bin
ich nicht allzu traurig, denn das war gestern eine einzige Tortur, die
mir viel Kraft entzogen hat. Ingrid
und Tanja besuchen mich heute Nachmittag. Abends
interviewt mich Krankenpflegeschüler Michael und füllt dabei einen
Fragebogen aus. (Er möchte später Palliativmedizin = Sterbebegleitung
machen, wofür ich ihn sehr bewundere.) Ab morgen wird eine
Schwesternschülerin meine tägliche Morgenpflege übernehmen und wird
dann von einer examinierten Schwester dabei beobachtet und begutachtet.
Aber es ist keine Prüfung.
Tag
19, Montag, 12. Oktober 2009 Die
letzte Nacht war die beste bisher, ohne Tablette, Spritze oder Tropfen.
Schwesternschülerin Daniela und meine Lieblingsschwester Anika kümmern
sich bei der Morgentoilette um mich. In der Dusche kann ich jetzt schon
so manches selbst waschen. Am
späten Vormittag kommen zwei Mädchen von der Physiotherapie. Leider
sind die Gurte fürs Stehbrett über Nacht verschwunden, vielleicht
sogar geklaut. In Krankenhäusern verschwindet viel. Statt dessen muß
ich mit viel Hilfe wieder stehen. Die Übungen sind sehr schwer für
mich und ich schaffe sie nur mit großer Anstrengung. Danach mache ich
mit ihnen noch ein paar Übungen im Bett liegend. Nachdem
ich schon wieder zwei Tage Durchfall habe, empfiehlt mir der Professor,
am besten sämtliche Säfte wegzulassen und nur noch Wasser zu trinken.
(Dieser Rat ist OK, denn danach ist schon bald alles wieder in Ordnung.)
Er verordnet mir zwei Liter Wasser am Tag. (Wasser ist hier im Haus
knapp und man muß es in der Cafeteria kaufen.) Lymphdrainage
mit Denis folgt direkt nach dem Mittagessen. Meine
Lieblingsschwester Melanie war letztes Jahr das erste Mal in den USA und
wir tauschen Reise-Erlebnisse aus. Sie will jetzt am 22. Oktober mit
ihrem Freund nach Florida reisen. Natürlich beneide ich die beiden
heftig. Ich empfehle ihr Haikos Florida-Reisebericht: Haikos
Bericht! : Mein Florida Roadtrip Juni 2009 - Es wird immer das, was man
daraus macht ! Meine
Füße und Zehen bewegen sich schon etwas mehr; man muß aber immer noch
genauer hinschauen. Arme und Hände sind inzwischen fast wieder so
beweglich wie vorher, natürlich immer noch etwas schwach.
Zahnpastatube, Joghurt, Marmelade usw. sind sehr schwer zu öffnen. Aber
ich kriege sie inzwischen auf! Bei den blöden Wasserflaschen muß ich
mir (noch lange) helfen lassen. Bei
der Ergotherapie mit Frau L. oben im 3. Stock muß ich verschiedene
„Regenmacherrohre“ bewegen und an einem Stechbrett arbeiten. Danach
„spielen“ wir mit einem Ball und müssen dabei abwechselnd Vornamen
und Städte alphabetisch aufsagen. Nach
all den Übungen bin ich aus unerklärlichen Gründen total kaputt und
friere entsetzlich. Erwin + Elfi besuchen mich überraschend und lenken
mich etwas ab. Danach geht es mir wieder etwas besser. Heute
abend muß/soll/darf ich mich aus dem Rollstuhl direkt auf die Toilette
setzen, ohne den Umweg über den Toilettenstuhl.
Tag
20, Dienstag, 13. Oktober 2009 Die
Nacht verläuft wieder friedlich. Erneut brauchte ich um keine
Schmerzmittel zu bitten. Nachtschwester Anna wechselt die volle
Pippiflasche von selbst aus, ohne, daß ich sie darum bitten muß. Neue
Sensation: Ich kann mich, auf dem Rücken liegend, selbst etwas auf die
Seite drehen und meine Lage damit entscheidend verbessern. Aber die
Beine sind tonnenschwer und die gesamte Prozedur ist sehr anstrengend. Schülerin
Daniela wäscht mich morgens, von Schwester Mandy dabei beobachtet,
danach komme ich wieder direkt auf die Toilette, der Toilettenstuhl wird
rausgeschoben. Draußen
ist es endgültig Herbst, es gab den ersten Nachtfrost. Die Schwestern müssen
teilweise schon um 4 Uhr morgens aufstehen, damit sie pünktlich zum
Dienstantritt um 6 Uhr da sind. Heute
werde ich etwas früher geweckt, um 7 Uhr, denn es gibt viele
Anwendungen. Jeden
Tag wird Blut abgenommen. Weil ich kaum sichtbare Venen habe, werde ich
dabei ziemlich gequält. Die
Lymphdrainage macht wieder Denis, um das Wasser aus Beinen und Füßen
zu kriegen. Dann
erfolgt wieder Physiotherapie, endlich wieder auf dem Stehbrett mit
Gurten. Die Gurte wurden nach langem Suchen zum Glück in einem
Nebenraum gefunden und waren doch nicht geklaut, wie schon befürchtet.
Die Gurte werden wieder an den Knien etwas gelockert, um die Gelenke zu
stärken. Dann muß ich von der Bettkante aus aufstehen und mich dabei
am Rücken eines Stuhles festhalten, wobei ich natürlich seitlich gestützt
und gesichert werde. Das ist sensationell, Frau H., Katharina, Vanessa
und ich sind begeistert. Ich hoffe, daß ich diesmal anschließend nicht
wieder total fertig bin. Für morgen wird mir „etwas anderes“ angekündigt.
Alles geht gut, die Anwendungen haben mich diesmal nicht überanstrengt. Um
13 Uhr holt mich Frau L. zur Ergotherapie. Ich muß in zugedeckten
Schalen in Graupen, Leinsamen und Kies wühlen und erraten, was es
jeweils ist. (Ist sehr schwierig, geradezu unmöglich.) Dann wird mit
Knete geknetet und ein Ball hin und hergerollt. Zum Glück bin ich
danach nicht so erschöpft wie gestern. Ganz im Gegenteil. Mein
Freund J. hat mir ein Thera-Band mitgebracht, mit dem ich wieder fleißig
Übungen mache. Die
Beine kommen nur langsam, die Füße noch weniger, es gibt nur minimale
Fortschritte, langsam werde ich ungeduldig. Meine Beine sind insgesamt
immer noch wie Gummi, die Knie ohne jede Kraft, sie geben sofort nach,
von Stehvermögen kann keine Rede sein. Werde ich vielleicht nie mehr
Stehen, nie mehr Laufen können? Heute
bekomme ich Besuch von Ingrid. Als wir aus der Cafeteria zurückkommen,
eröffnet mir Schwester Jenny, daß ich am kommenden Freitag endlich in
die Rehabilitations-Klinik komme. Allerdings „vorerst“ in einem
Zweibettzimmer. Ich weiß nicht, wie ich damit zurecht kommen soll. Wenn
ich mich darauf einlasse, komme ich da bestimmt nicht mehr raus. Niemand
kann verstehen, daß ich absolut und unter keinen Umständen mit einem
fremden Mann Zimmer und Bad teilen will. Schrecklich! Ob ich mir eine
andere Reha-Klinik aussuchen soll? Meine
Lieblingsschwester Ursula läßt beim Messen wie stets meinen Blutdruck
steigen. (Sie wird bald heiraten. Viel Glück Euch beiden!) Jeden
Abend bekomme ich eine Anti-Thrombose-Spritze. Ergänzend dazu muß ich
auch noch Tag und Nacht ebensolche Strümpfe tragen.
Die
Nacht ist wieder sehr gut. Nachtschwester Anna öffnet die Türen nachts
so leise wie möglich und wechselt wieder die Pippiflasche aus. Ich
merke es kaum. Endlich hat man die Gitter am Bett weggenommen und ich
sehe meine nächtliche Umgebung ohne die lästigen Gitterstäbe; endlich
kann ich wieder „ungesiebte“ Luft atmen… Schon
wieder gab es Nachtfrost, ich höre, daß erneut verschiedentlich
Scheiben freigekratzt werden mußten. Ich
darf wieder mit Daniela und Mandy als Aufsicht duschen. Frau
Dr. Z. aus der Intensivstation kommt noch mal bei mir vorbei und
verabschiedet sich herzlich von mir. Denis
aus Wladiwostok macht wieder Lymphdrainage wie gewohnt. Die
Physiotherapie erfolgt oben im 3. Stock mit Katharina (aus Polen) und
Vanessa, ich muß einen „Vierfüßler“ auf zwei zusammengeschobenen
Liegen machen. Herr
Dr. Sch. macht erneut die Visite in Vertretung von Herrn Prof. W.
Nachmittags
mache ich Ergotherapie mit Kieselsteinchen, Knete und Fingerkreisen.
Mein neuer Corvette-Freund Walter besucht mich heute
zweimal. Meine Lieblingsschwester Daniela verabschiedet sich von mir. Frau
B. teilt mir mit, daß es in der Reha-Klinik in Vallendar immer noch
kein Einzelzimmer für mich geben soll. Die angeblich so freundliche
Frau B. entpuppt sich in Wirklichkeit als unfreundlich, schwierig und äußerst
unkooperativ, bestimmt, weil ich mich nicht mit „ihrem“
Zweibettzimmer abfinden will. Ingrid
führt daraufhin viele Telefongespräche mit dem zuständigen
Sachbearbeiter bei meiner Krankenversicherung wegen einer anderen
Reha-Klinik. Diese wird in Bad Godesberg gefunden, man hat dort ein
angeblich schönes Bett für mich frei.
Tag
22, Donnerstag, 15. Oktober 2009 Erneutes
Unglück: In der Nacht falle ich vom Toilettenstuhl! (Ich komme schon
vollkommen selbständig aus dem Bett im Rollstuhl bis ins Bad und zurück.)
Als ich mich im Bad vom Rollstuhl auf den Toilettenstuhl rüberziehen
will, gibt die blöde Armlehne plötzlich nach, weil ich sie zuvor nicht
richtig eingerastet hatte. Ich falle mit dem Oberkörper auf den Rand
des ungeschützten Toilettenbeckens, denn leider ist der Toilettensitz
hochgeklappt. Und dann noch mit den Knien auf den harten Boden. Das
Ergebnis ist eine heftige Prellung im rechten Brustkorb. Trotzdem, ich
habe mal wieder richtig Glück gehabt, es hätte Schlimmeres passieren können... Nach
dem Frühstück erfolgt eine letzte Blutabnahme. Zwei Schwestern und ein
Arzt probieren es. Ich werde sieben Mal gestochen. Diesmal hat sogar
Schwester Anika ihre Probleme. Zum
Abschied erfolgt nochmal die lästige Untersuchung mit den immer stärker
werdenden Stromstößen und ich werde dabei erneut heftig gequält.
Endlich kann ich zurück aufs Zimmer – und muß doch tatsächlich noch
einmal zurück in die Folterkammer! Die Finger wurden vergessen und ich
muß noch mehr quälende Stromstöße über mich ergehen lassen. Frau
L. und ein paar meiner Lieblingsschwestern verabschieden sich herzlich
von mir. Auch hier an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank an alle
Schwestern und Krankenpfleger auf der Station 1A für all Eure Hilfe.
Ich bekomme einen Arztbrief und eine CD mit den wichtigsten Bildern mit. Dann
warte ich bis 13 Uhr bis der Krankenwagen der Johanniter-Unfallhilfe
endlich kommt. Zwei nette Jungs laden mich ins Auto. Wir brauchen fast
eine Stunde für die siebzig Kilometer nach Bad Godesberg und fahren
dreimal durch den Tunnel hin und her. Dann fragt einer der Jungs an
einer Tankstelle nach dem Weg. Das blöde Navi hatte uns jedes Mal in
den Tunnel gelotst, statt daran vorbei. Unsere Fahrtzeit verlängert
sich dadurch „geringfügig“. Und dabei fühle ich mich hier hinten
im Krankenwagen nicht allzu behaglich, man sieht nämlich kaum etwas von
draußen. Die
neue Klinik entpuppt sich als „Neurologisches Rehabilitationszentrum
Godeshöhe e.V.“ oberhalb von Bad Godesberg und ist riesig. Godeshöhe
- Neurologisches Rehabilitationszentrum Der
Weg zu meiner Station H0 ist weit, wir müssen Aufzüge rauf- und
runterfahren, über lange Flure und Glasbrücken, müssen unterwegs auch
mal fragen, aber wir finden sie dann doch. Mein Haus (und das direkt
daneben) ist noch ganz neu und beide wurden erst im Juli eröffnet. Mein
Zimmer ist ausnahmsweise mal gleich am Eingang zur Station, der
Flachbild-Fernseher (ohne Kopfhörer, an die ich mich nie gewöhnen
konnte) ist riesig (schlappe 47“) und größer als meiner zu Hause, es
gibt einen kleinen Tresor und einen Kühlschrank, dazu ein riesiges
komfortables Badezimmer, alles ist behindertengerecht, die vier fast
deckenhohen Fenster lassen sehr viel Licht rein, überall wohltuende
Farben, ich bin unendlich froh, daß es in Vallendar kein Zimmer für
mich gab, weil es sich dort um ein sehr altes Haus handeln soll, hier trägt
allein der Komfort gleich zur halben Genesung bei.
Herr
Dr. M. nimmt meine Krankengeschichte sorgfältig auf. Ein
Behandlungsplan soll extra für mich erstellt werden. Schwester
Jeanine empfängt mich freundlich; ihr Hund zu Hause heißt Timmi. Sie
macht gleich einen Termin beim hauseigenen Friseur. Dieser ist leider
nur donnerstags da, heute ist Donnerstag, also kann ich erst in einer
Woche hin. Doch ich habe Glück, der Friseur ruft zurück, ich darf
ausnahmsweise sofort kommen. Schwester Heba („Geschenk Gottes“)
schiebt mich auf meinem Rollstuhl hin und ratzfatz sind die Haare ab. Als
ich zurückgebracht werde, steht schon mein Name außen an der Zimmertür. Die
Anti-Thrombose-Strümpfe werden mir ausgezogen; sie werden hier nicht
mehr benötigt und können für immer an den Nagel gehängt werden! Eine
aus einer ganzen Reihe wichtiger Erkenntnisse, die ich während meiner
Erkrankung gewonnen habe, lautet: „Der Weg führt zum Ziel“ und
nicht „Der Weg ist das Ziel“. Die zweite Version gilt nur fürs
Motorradfahren und ist im Grunde ein unnötiger und überhaupt etwas dümmlicher
Spruch. (Genauso wie „am falschen Ort zum falschen Zeitpunkt“, denn
das ist ja eigentlich doppelgemoppelt. Ich denke dann immer an die
Rechenregel „minus mal minus gleich plus“.) Tag
23, Freitag, 16. Oktober 2009 Nachts
habe ich Schmerzen in der Brust und schlafe schlecht, die Nachtschwester
kommt zweimal zu mir rein und gibt mir zusätzliche Schmerzmittel. Ich
kann heute morgen zum ersten Mal im Bett liegend die Knie ganz
hochziehen und inzwischen kräftig mit Füßen und Zehen wackeln. Der
Morgen beginnt mit trübem Himmel und Regen, gestern und überhaupt die
letzten Tage war es noch sonnig. Eiskalte Polarluft kommt schon die
ganzen Tage vom Norden. Rechts
und links neben meiner Toilette sind zwei stabile waagerechte Stangen,
an denen ich mich hochdrücken und vorsichtig stehen kann. Um
9 Uhr habe ich meinen ersten Termin zur Rollstuhlanpassung. Shera (von
den Philippinen) und Aishe (aus der Türkei) vom hauseigenen Hol- und
Bringdienst holen mich, Manni von der Physiotherapie nimmt meine Maße
und gibt mir dann einen fabrikneuen Rollstuhl mit einem Spezialkissen
und empfiehlt mir dringend, den Po öfters mal kurz zu lupfen, damit da
unten keine Druckstellen entstehen können. Hier
im Untergeschoß sehe ich jede Menge behinderte Leute, auch viele ohne
Haare nach Kopfoperationen. Viele „radeln“ im Rollstuhl sitzend mit
ihren Füßen und Beinen auf entsprechenden Trainern. Andere humpeln
herum oder werden in Rollstühlen herumgefahren. Auf jeden Fall ist hier
unten ganz schön was los. Ich bin froh, daß es mir im Vergleich mit
all den vielen Leuten doch so gut geht. Fast die Hälfte der Leute ist türkisch
oder überhaupt arabisch aussehend, (der Chef soll „gute Kontakte“
nach dort unterhalten...), auch beim Personal gibt es sehr viele ausländische
Leute. Tanja
ruft jetzt immer morgens und abends an und macht mir weiter Mut. Frau
O. kommt zur Therapieplanung vorbei. Mit
dem neuen Rollstuhl fahre ich mal gleich meine Etage ab, auch hier über
die Hälfte arabische Namen an den 17 Zimmertüren, was ja nicht
schlecht ist, denn diese Leute wissen genau, was gut für sie ist. Herr
Dr. M. nimmt mir Blut ab; er findet auf Anhieb meine Vene. Wie
erwartet ist hier die Verpflegung noch besser als bisher, heute mittag
gibt es Gemüsesuppe, Fisch mit Kartoffelsalat und Remoulade,
Gurkensalat, Karamel-Pudding. Die
Blätter an den Bäumen vor meinen Fenstern verfärben sich langsam und
der Wind treibt sie im Kreis herum. Prof.
K. und Dr. M. versprechen mir bei der Visite, daß ich wieder ganz
gesund werde. Ich bin unendlich erleichtert. Ist das Leben nicht schön? 17
meiner 31 TV-Programme sind deutsch, dazu je ein italienisches und
englisches, alle anderen arabisch, mindestens eins kommt ganz schön
weit her, aus Dubai. Mit
Ingrid und den Kindern rolle ich in die mickrige Cafeteria.
Danach habe ich mit Herrn S. Ergotherapie.
Schwester
Lilli bringt mir heute das Abendessen.
Tag
24, Samstag, 17. Oktober 2009 Des
Nachts ist meine Pippiflasche während der Nutzung einfach übergelaufen;
ich trinke nach wie vor so viel wie möglich. Schwester Sarah muß mein
Bett mitten in der Nacht frisch beziehen. Abends zuvor habe ich je eine
Schlaf- und Schmerztablette bekommen, deshalb habe ich da wohl nicht
genug aufgepaßt. Hoffentlich hält mich Schwester Sarah jetzt nicht für
alt und vertrottelt. Offenbar
bin ich etwas schmal geworden, mein Doppelkinn ist total weggeschmolzen,
die Wampe (mein Bauch) ist fast weg, Arme und Beine dünn und
zerbrechlich. Schwester Sarah fragt, ob ich der Typ auf einem der Fotos
bin, was ich bejahe. So sehr habe ich mich verändert. (Dabei ist das
Foto erst vor drei Monaten gemacht worden!) Die
Kaltfront verschwindet in diesen Tagen, spätestens ab Montag soll
deutlich wärmeres Frühherbst-Wetter einsetzen. Die Sonne kommt wieder
öfters raus, aber heute es ist immer noch sehr kalt. Die Wolken kommen
immer noch vom Norden. Der Baum vor meinem Fenster am Bett hat über
Nacht die Hälfte seiner gelben Blätter verloren. Viele andere Bäume
drum herum sind aber noch reichlich grün. Ich
muß noch mehr Gas geben, wenn ich Mitte übernächster Woche wieder
laufen können und hier endgültig raus will, immerhin haben wir schon
lange im voraus einen Lufthansa-Flug nach München zum Geburtstag
unserer Freundin Angie gebucht, und der Billig-Flug (immerhin 99 Euro) läßt
sich nicht umbuchen oder stornieren. Den
Rasierapparat kann ich inzwischen mit einer Hand halten, Haar- und Zahnbürste
auch. Ohren endlich auch wieder so säubern, wie es notwendig ist. Dazu
kann ich endlich wieder selbst den Popo sauber machen, überhaupt alles
unten rum waschen, (die Schwester muß sich dann beim Duschen immer
etwas von mir wegdrehen...), nur die unteren Beine und die Füße (und
natürlich der Rücken) müssen noch von ihr gewaschen und vor allem
eingecremt werden. Trotzdem,
jetzt geht mir meine Rekonvaleszenz auf einmal nicht mehr schnell genug
voran! Leider tut sich heute am Samstag und morgen am Sonntag nichts an
Physiotherapie, also muß ich mir selbst ein paar neue Übungen
ausdenken. Ich darf nicht vergessen, nachher bei der Visite zu fragen,
ob ich etwas an den beiden waagerechten Stangen neben der Toilette
turnen darf, das wäre mir am liebsten. Von
ärztlicher Seite erhalte ich (inoffiziell und eher privat) vorsichtige
Signale, mich vorerst lieber nicht gegen Grippe oder gar Schweinegrippe
impfen zu lassen, da die Impfungen auch deutliche Beschwerden mit sich
bringen könnten. Später höre ich im Fernsehen, daß die Wirkverstärker
im Impfstoff sogar meine jetzige Krankheit GBS = „Aufsteigende Lähmung“
mitverursachen können! Inzwischen
weiß ich auch schon etwas mehr über die arabischen Leute. Die meisten
sind eigentlich eher arme Menschen, für die die jeweiligen Regierungen
die Kosten übernehmen. Nur ganz selten ist mal ein reicher Araber
dabei, der selbst für sich bezahlt. Ohne die vielen arabischen Leute wären
hier die beiden neuen Gebäude (noch) nicht gebaut worden. Die
Schwestern und Pfleger sprechen meistens englisch und auch ein wenig
arabisch mit diesen Patienten. Außerdem stehen natürlich immer
entsprechende Dolmetscher zur Verfügung. Meine
sonst so lustig radebrechende und stets freundliche liebenswerte
marokkanische Putzfrau ist heute ein stummer Mann. Frau
M. kommt mittwochs und samstags zur Fußpflege, zur ersten Fußpflege
meines Lebens. Brauche ich ja eigentlich auch gar nicht, ich habe ja zum
Glück so gut wie keine Hornhaut. Aber während meiner Wanderung in
Frankreich mußte ich meine Fußnägel notdürftig (und sehr schlecht)
mit meiner Schere nachschneiden, weil sie mir auf den steilen Wegen die
Berge hinab weh taten. Und seitdem bin ich ja krank und konnte mir die Nägel
leider noch nicht wieder selbst in Ordnung bringen. Noch angenehmer als
die Fußpflege selbst ist es, daß sie kostenlos ist; sie wird tatsächlich
von der Klinik bezahlt. Am
Nachmittag kommen Irmgard und Willi und wir fahren wieder in die
Cafeteria. Irmgard muß mir schon wieder die Fingernägel schneiden.
Hier gibt es W-LAN, endlich kann ich ins Internet. Ich habe dafür ein
paar Stunden gekauft. Ein Telefon läßt sich nur werktags, also erst am
Montag anmelden. Schwester
Susanne ist gerade aus dem Urlaub aus Dresden zurück. Sie bringt mir
den neuen Therapieplan für die kommende Woche. Tag
25, Sonntag, 18. Oktober 2009 Mein
Freund der Baum draußen hat über Nacht fast den gesamten Rest seiner
Blätter abgeschüttelt. Heute morgen ist es trüb. Die Nacht habe ich
gut verbracht, nur die Prellung auf der rechten Brust und Seite nervt
immer noch. Und mein linker Vorderfuß schmerzt deutlich und muß mit
Voltaren-Salbe eingecremt werden. Bei
meiner Krankheit habe ich, seitdem es mit mir wieder aufwärts geht,
jeden Morgen ein deutliches Erfolgserlebnis. Ganz am Anfang konnte ich
die Finger bewegen, dann die ganzen Hände, dann die Arme etwas anheben,
dann ganz hochheben. Dann kamen ganz, ganz langsam die Fußzehen, dann
die Füße, dann die Unterschenkel. Dann konnte ich selbstständig vom
Bett auf den Rollstuhl und von dort auf den Toilettenstuhl und wieder
zurück rutschen. Inzwischen kann ich allein aus dem Bett, mit dem
Rollstuhl ins Bad rollen und dort auf der Toilette alles, wirklich alles
selbstständig erledigen, ohne jede Hilfe. Nur morgens beim Anziehen muß
mir eine der Schwestern noch bei Hose und Socken etwas helfen. Sensation:
Heute morgen stehe ich zum ersten Mal alleine auf meinen eigenen Beinen!
Dazu stehe ich von der Toilette auf und stütze mich dabei auf den
beiden stabilen waagerechten Stangen rechts und links neben der Toilette
ab. (Diese beiden Stangen sind überhaupt das beste am Zimmer, obwohl
der Rest ja auch ganz OK ist.) Sobald ich stehe, lasse ich die Stangen
ganz leicht los und stehe freihändig! Ich bin schon wieder glücklich.
Mein Tag ist erneut gerettet! Es ist schon erstaunlich, welche sonst
normalen und völlig unbedeutenden Kleinigkeiten des täglichen Lebens
einen hier zufrieden machen. Im übrigen erwartet mich auch heute wieder
ein langweiliger Tag des Wochenendes. Vielleicht kann ich nächstes
Wochenende mal nach Hause. Ob ich das schaffe...? Von
einer Schwester erfahre ich, daß es hier auf der Station eine
(deutsche) Patientin gibt, die gerne schon mal mit einem Waschlappen
nach einer Schwester wirft, wenn ihr etwas nicht paßt. Am
Samstag hatte ich meinen Behandlungsplan für die kommende Woche
erhalten. Am Vormittag (und dann jeden Tag) gibt es je eine halbe Stunde
(warum so kurz?) Physio- und Ergotherapie. Montagnachmittag dann EKG und
EEG. In neun Tagen muß ich perfekt laufen können, um nach München
fliegen zu können! Aber das schaffe ich doch locker! Vormittags
schreibe ich am Tagebuch, inzwischen längst ohne den Bleistift als
Fingerverlängerung. Draußen kommt bald die Sonne raus; ich höre meine
Corvette und meine GoldWing förmlich nach mir rufen: „Bitte, hol uns
hier raus und fahr uns endlich!“ Und ich antworte ihnen dann:
„Gemach, gemach Leute, bald ist es wieder so weit!“ Obwohl, gegenüber
dem Motorrad ist es gelogen, denn ich bin die nächsten Wochen bestimmt
noch viel zu schwach zum Mopedfahren – und dann ist längst Winter mit
viel Salz auf der Straße. Vorhin
habe ich erneut an den beiden Stangen meine Übungen gemacht. Das
(manchmal freihändige) Stehen an den beiden Stangen fällt mir schon
gar nicht mehr so schwer. Deshalb bleibe ich zuversichtlich, meine
Planung für nächstes Wochenende und für meine endgültige Entlassung
(letzter Termin 28.10.2009!) einhalten zu können! Das
sonntägliche Mittagessen entspricht meinen Erwartungen. Heute gibt es
ein wahrhaft zartes Rumpsteak mit Zwiebeln,
Salzkartoffeln und grünen Spargel. Dazu eine schaumige Kaffeecrème als
Nachtisch. Außerdem
gibt es Obstkuchen für den Nachmittagskaffee. Den Kuchen nehme ich mit
in die Cafeteria, als mich Ingrid, Tanja und ihr Mann Markus nachmittags
besuchen. Natürlich führe ich stolz allen erstmal mein neues Kunststück
vor, nämlich an den Stangen freihändig zu stehen. So ist der
Nachmittag viel zu schnell vorüber. Zu
meiner größten Überraschung besuchen mich auch noch Erwin & Elfi
am späten Nachmittag für eine kurzweilige Stunde. Auf
die Schlaftablette verzichte ich heute Abend mal versuchsweise und
schlafe auch „ohne“ gut. Tag
26, Montag, 19. Oktober 2009 Zum
ersten Mal schlafe ich morgens um 8 Uhr noch, als Schwester Petra
hereinkommt. Ich muß mich mit Morgentoilette, Dusche und Frühstück
etwas beeilen. Trotzdem bin ich schon wieder von meiner Aussicht
begeistert. Über dem Rheintal liegt dicker Nebel, über den Wolken kann
man das Siebengebirge mit ein paar Burgen und Schlößchen sehen. Darüber
kündigt die Sonne einen neuen sonnigen Herbsttag an. Um
9 Uhr ist schon mein erster Termin: Physiotherapie. Die bezaubernde und
immer gut gelaunte Shera bringt mich zu meiner Verabredung mit Frau K.
Aus der halben Stunde werden dann allerdings nur zehn Minuten, den Rest
braucht sie, um meine Daten im Computer einzugeben. Aber ich bin
immerhin an einem Rollator gelaufen und soll heute Nachmittag einen
eigenen aufs Zimmer geliefert bekommen. Direkt
anschließend habe ich Ergotherapie, wo ich von Herrn G.-G. die vollen
dreißig Minuten mit harter Knete „gequält“ werde. Anschließend
bringt mich Shera zurück aufs Zimmer. Nach
dem Essen lege ich mich hin, allerdings kommt überraschend Besuch: Zwei
Töchter, ein Schwiegersohn und unser Baby. Von
der Cafeteria fahre ich dann um halb drei gleich raus zum EEG. Hier wird
mir erst ein Gumminetz über den Kopf gestreift und jede Menge Kabel
daran angeschlossen. Dann Augen zu und entspannen. Dabei werden die
Hirnströme gemessen. Dann wird noch mal bei offenen Augen gemessen und
noch mal das ganze von vorn. Das EEG wird gemacht, um festzustellen, ob
nach meiner GBS-Erkrankung eventuell Epilepsie-Potential vorhanden ist.
Die Prozedur tut nicht weh, ist nur etwas lästig, weil sie so lange
dauert.
Anschließend
folgt noch ein schnelles EKG und ich bin für heute mit meinen Terminen
fertig. Ich
fahre selbst den weiten Weg zurück zum Zimmer. Der Rollator ist noch
nicht da. Aber zwei Minuten später wird er schon geliefert. Ist ja
klar, daß ich jetzt erstmal eine Runde damit drehe. Drehen will. Doch
der linke Fuß schmerzt heftig und macht mir einen Strich durch die
Rechnung. An der Zimmertür drehe ich schon wieder um. Prof. K. meinte
vorhin bei der Visite, daß es sich bei meinem Fuß außer um eine
normale Begleiterscheinung zum GBS auch um Gicht handeln könnte.
Gicht?! Ich?! Hören denn die Schicksalsschläge gar nicht mehr auf? Na,
es soll überprüft werden. Hoffentlich wird meine Terminplanung dadurch
nicht über den Haufen geworfen! Mein
ganzes Leben habe ich immer gedacht, „mit so einem Rolli willst Du nie
in Deinem Leben rumfahren, ist schließlich nur etwas für alte
Frauen“ - tja, und so schnell ändert sich Deine Situation! Jetzt würde
ich gerne und kann nicht! Und die beiden Drahtkörbchen für den Einkauf
und das Sitzbrett zum Ausruhen unterwegs sind natürlich auch dran. Ich
bin ein altes Weib geworden! (Schäm!) Draußen knallt draußen die
Sonne vom Himmel und ich bin hier zusammen mit einem Rollstuhl und einem
Rollator im Zimmer eingesperrt... Neuer
Fortschritt – und winzig kleiner Trost: Ich kann endlich meine erste
Wasserflasche selbst aufdrehen! Tag
27, Dienstag, 20. Oktober 2009 Die
Nacht war OK, (obwohl ich die Einnahme der angebotenen Schlaftablette
schon wieder verweigert hatte), aber wegen meines Fußes brauchte ich
viel Schmerzmittel. Der Tag wird wieder sonnig und ein schöner
Herbsttag kündigt sich an. Während
der Physiotherapie stellt Frau K. fest, daß die Schmerzen in meinem
linken Fuß wohl wegen starker Ansammlung von Lymphflüssigkeit
verursacht werden, also nicht nur durch mögliche Gicht allein. Sie
massiert Bein und Fuß, was mir einigermaßen Erleichterung bringt und rät
schnellstens zur Lymphdrainage. Als
ich fertig bin und rausrolle, sehe ich, daß eine der vielen
Tretmaschinen im Vorraum gerade frei ist und setze mich einfach dran –
und darf auch eine halbe Stunde radeln. Schaden kann das schließlich
nicht. Man muß also auch mal „frech“ sein.
Um
halb zwölf folgt dann wieder eine halbe Stunde langweilige und in
meinen Augen nicht so lebensnotwendige Ergo. Schließlich werden hier
nur Arme und Hände trainiert, und das kommt auch durch die normale tägliche
Bewegung. Tatsächlich muß ich dann in eine große Schale mit kleinen
warmen Kieskörnchen greifen, die mit einem Handtuch abgedeckt ist. Und
dann muß ich sieben kleine unbekannte Gegenstände heraus“fühlen“.
Kleinigkeit, denke ich, habe ich in fünf Minuten erledigt. Aber
Pustekuchen, ich brauche exakt die volle halbe Stunde und schaffe es in
der vorletzten Minute, den letzten Gegenstand, eine winzig kleine Kugel,
zu finden. Die Übung ist ganz schön, viel besser als gestern die Quälerei
mit der harten Knete, aber ob es mir etwas bringt, wage ich zu
bezweifeln. Zum
Mittag gibt es leckere Matjes-Heringe und Salzkartoffeln. Danach lege
ich mich wieder hin und lasse mir ein Kühlpack auf den Fuß legen. Überraschender
Besuch: Peter und Uschi haben das schöne (und kalte) Wetter mit der
GoldWing zu einer Stippvisite bei mir ausgenutzt. Die
Ärzte haben bei der Visite immer noch keine Erklärung für die
Beschwerden in meinem Fuß. Ein Ergebnis liegt inzwischen vor: Gicht ist
es eher nicht, denn die Harnsäure-Werte liegen im Normbereich. Sie
verschreiben erst einmal Voltaren morgens und abends. Hilft zwar nicht,
aber die Schmerzen sind nicht mehr so schlimm. Was sind das für Ärzte,
die sich nur um die Schmerzbekämpfung, nicht aber um die Ursache kümmern??
Die dringend empfohlene Lymphdrainage kann nicht sofort beginnen, weil
erst einmal entsprechende Termine dafür frei sein müssen. Dieser blöde
Fuß wirft mich in meiner Planung arg zurück. Ich kann einfach nicht
mit dem Laufen beginnen. Ich bin reichlich deprimiert. Jetzt ging alles
so schnell aufwärts und dann dieser herbe Tiefschlag! Beim
Abendessen zähle ich mal nach: Neun verschiedene Tabletten und Kapseln
muß ich einnehmen. Eine Menge, die auf der Intensivstation
wahrscheinlich auch nicht viel höher war. Über unerwünschte
Kombinationswirkungen darf ich gar nicht erst nachdenken. Aber möglicherweise
haben sie, oder das Kühlpack, oder alles zusammen, (ist das dann auch
eine Kombinationswirkung?), geholfen, denn die Schmerzen im linken Fuß
lassen deutlich nach! Vorsichtige Erleichterung schleicht sich in meine
Gedanken. (Ich
– und neun Tabletten! Das habe ich mir bisher nicht vorstellen können
und wollen, denn ich hatte immer schon reichlich Probleme, auch nur eine
einzige zu schlucken. Das ging bis jetzt nur mit allerlei Tricks. Aber
wie heißt es so schön: Der Mensch wächst an seinen Aufgaben. Jetzt
denke ich mir nichts mehr dabei – schwupps sind sie unten. Eigentlich
ganz einfach…)
Tag
28, Mittwoch, 21. Oktober 2009 Die
Nacht ist supergut! Keine Schmerzen im Fuß! Naja, bei soviel
Schmerzmedikamenten?! Nur die rechte Seite schmerzt noch immer
erheblich, Tag und Nacht. Da ist ja noch immer die Prellung von der
Nacht Mittwoch auf Donnerstag vor einer Woche, als ich beim Rüberziehen
auf den Toilettenstuhl aufs Toilettenbecken gefallen bin. Gegen diese
Schmerzen helfen die eingenommenen Medikamente einfach nicht. Leider
bin ich von meiner Schwester vergessen worden und werde um 8 Uhr recht
spät geweckt, denn die erste Behandlung steht schon um 8.30 Uhr an.
Also keine Dusche, nur Katzenwäsche, ein Schluck Kaffee und dann warte
ich darauf, daß ich abgeholt werde. Es kommt aber niemand, deshalb
fahre ich um 5 Minuten vor halb neun los. Leider bin ich aber bei der
Physiotherapie falsch, jetzt ist Ergo. Ich hätte halt auf meinen
Behandlungsplan sehen sollen! Also
muß ich anrufen und mich abholen lassen. Zehn Minuten sind schon rum,
als ich endlich da bin und die Ergo losgeht. Aber die ist ja auch
eigentlich nicht so wichtig. (Ergotherapie kümmert sich eher um Arme, Hände,
Greifen; Physiotherapie während sich die Krankengymnastik
eher um Beine, Füße und ums Gehen kümmert.) Dann rolle ich wieder zurück
aufs Zimmer. Das mache ich immer selbst, denn dann habe ich Zeit genug. Ich
fahre den Laptop hoch, laufe ein bißchen mit dem Rolli und sehe mal
nach dem nächsten Termin auf meinem Terminplan. Scheiße, der läuft ja
schon: 9.00 bis 9.30 Uhr ist Physiotherapie. Mein wichtigster Termin am
Tag. So ein Mist!! Also rolle ich den ganzen weiten Weg so schnell es
geht zurück, dorthin, wo ich gerade war, nur eine Etage tiefer. Drei
Aufzüge muß ich benutzen. Zwanzig Minuten zu spät erreiche ich die
Physio-Abteilung und bekomme deshalb nur noch zehn Minuten. Frau
K. sieht nach meinem Fuß und ist, wie ich, ganz zufrieden; er ist
deutlich weniger geschwollen als gestern. Fuß und Bein werden umwickelt
und damit bin ich entlassen. Das ist wohl nicht mein Tag heute. Zurück
auf meinem Zimmer frühstücke ich erstmal in Ruhe. Morgens bekomme ich
acht Tabletten und Dragees, eine weniger als abends. Und dann beginne
ich endlich mit dem Laufen über den langen Flur vor meinem Zimmer.
Welch eine Freude, endlich mobil, endlich auf eigenen Füßen unterwegs,
wenn auch mit Hilfe des ungeliebten Rollators. Aber der ist mir ja nur
geliehen. Draußen
kommt schon wieder die Sonne heraus – und ich bin nach wie vor im
„Knast“, äh, in der Klinik und immer noch krank und kann nicht
raus. Die letzten grünen Bäume vor meinem Fenster werden langsam bunt;
der Herbst greift mit vollen Händen zu. Wenn
ich viel Glück habe, kann ich meine Terminplanung doch noch einhalten:
Am Wochenende nach Hause und kommenden Mittwoch endgültige Entlassung.
Obwohl alle, denen ich davon erzähle, eher skeptisch sind und obwohl
mir niemand Mut macht. Neuer
Fortschritt: Wasserflaschen sind jetzt kein Problem mehr; Arme und Hände
sind ab jetzt OK. Wo ich mich noch verbessern muß, das sind die Beine.
Laufen geht nur am Rolli, mühselig, Schritt für Schritt. Die geschätzten
80 Meter Rundkurs auf dem Flur schaffe ich mit Mühe und Not. Der
Nachmittag ist langweilig, ich harre auf Besuch, werde aber enttäuscht.
Ich fühle mich einsam und alleingelassen.
Tag
29, Donnerstag, 22. Oktober 2009 Liebes
Tagebuch! (Ich wollte schon immer mal ein Kapitel so beginnen.) Liebes
Tagebuch! In der letzten Nacht habe ich gut geschlafen. Draußen ist es
wieder etwas trüb. Meine Aussicht überwältigt mich jeden Tag aufs
Neue. Rechts in Richtung Eifel kommt blauer wolkenloser Himmel in Sicht.
Während links die acht Hügel des Siebengebirges noch unter vielen
Wolken im Dunst liegen. Diesmal
werde ich rechtzeitig zur Physiotherapie abgeholt. Heute bekomme ich
statt der halben Stunde fünfundvierzig Minuten spendiert. Ein neues
kleines Wunder: Ich laufe ohne Hilfsmittel geschätzte vierzig Meter.
Mein Laufen erinnert bestimmt an Frankensteins Monster oder an einen
Roboter, je nach Phantasie des mich Betrachtenden, aber das ist mir
egal. Frau R. zeigt mir, wieviele meiner Muskeln ihre Kraft verloren
haben. (Elefanten sollen übrigens allein 300 Muskeln im Rüssel haben!)
Schade, Muskeln bauen unheimlich schnell ab – und, wie wir ja alle
wissen, unsäglich langsam wieder auf. Deshalb soll ich heute tagsüber
viele Übungen machen. Um
halb zwölf habe ich dann wieder eine halbe Stunde langweilige Ergo. Da
sie ab jetzt für mich nicht mehr erforderlich ist, werde ich dort
ausgebucht. Bei
der Visite erhalte ich die Erlaubnis, morgen übers Wochenende nach
Hause fahren zu dürfen. Aus meiner Entlassung nächste Woche wird möglicherweise
nichts werden, da war ich wohl zu optimistisch. Schade, ich bedauere es
sehr, wahrscheinlich nicht zu Angies Geburtstag fahren zu können. Ingrid
besucht mich nachmittags und ich schiebe meinen Rollstuhl den ganzen
weiten Weg in die Cafeteria und wieder zurück.
Tag
30, Freitag, 23. Oktober 2009 Auch
diese Nacht verläuft wieder zufriedenstellend. Um halb neun habe ich
doch noch einmal Ergo, wo ich zum ersten Mal einen Treppenabsatz runter-
und raufsteigen muß. Ich schaffe es mühselig zweimal und bin ganz schön
fertig. Besonders die Treppe hinauf ist schwer. Dabei bin ich früher
zuhause 15 Etagen raufgelaufen. Es
folgt eine halbe Stunde Physio und dann eine Stunde Diagnostic. Mit „Diagnostic“
umschreibt man hier die Untersuchung mit den gemeinen Stromstößen.
Diese sind natürlich wieder sehr heftig und erfolgen an Armen, Fingern
und Füßen. Nadeln kommen dabei auch noch zur Anwendung. Der Oberarzt
bestätigt mir aber wenigstens einen guten Zustand meiner Nerven, wenn
man auch noch immer am Verlauf der Kurven deutlich meine GBS-Krankheit
erkennen kann. Dann
folgt eine halbe Stunde „Radfahren“ an einem der vielen
Motomed-Trainer. RECK
MOTOmed Bewegungs-Therapie-Geräte Mit
Rollstuhl und geliehenen Krücken geht es zurück aufs Zimmer zum
Mittagessen. Bei
der Visite erhalte ich die endgültige Erlaubnis, bis Sonntag nachmittag
nach Hause fahren zu können. Ich muß jetzt nur noch von 15 bis 16.30
Uhr zum Schwimmen ins Schwimmbad. Um
17 Uhr kommt Ingrid wie verabredet. Natürlich lege ich die Krücken in
den Kofferraum und setze mich selbst ans Steuer. Notwendige Tabletten
und Anti-Thrombose-Spritzen bekomme ich mit. Tag
31, Samstag, 24. Oktober 2009 Urlaub
vom „Knast“, ich bin übers Wochenende zu Hause. Tag
32, Sonntag, 25. Oktober 2009 Immer
noch Urlaub vom „Knast“, ich bin übers Wochenende zu Hause und
melde mich um 17 Uhr zurück.
Jede
Nacht schlafe ich jetzt besser, zumal die Schmerzen der Prellung
inzwischen fast verschwunden sind. Übers Wochenende haben auch die
restlichen hier herumstehenden Bäume ihr Laub verfärbt. Die Sonne
scheint heute wieder und lockt mit milden Temperaturen. Noch könnte ich
einen Ausritt mit der Corvette machen. Mein
neuer Fortschritt besteht darin, daß ich auch ohne Krücken etwas
laufen kann. Es sieht zwar sehr wacklig und unbeholfen aus, aber es
geht. Ob ich übermorgen wirklich entlassen werde?? Doch
zuerst gibt es eine halbe Stunde „Revital“. Damit wird die Übung am
Fahrradtrainer umschrieben. Dann eine dreiviertel Stunde Physiotherapie.
Die unnötige Ergotherapie ist nun endgültig beendet, sie steht nicht
mehr auf meinem Behandlungsplan der neuen Woche. Nachdem
ich endlich wieder fast gesund bin, habe ich den Mut, mal vorsichtig im
Internet nachzusehen, was es dort übers GBS zu finden gibt: Als erstes
lese ich, daß Markus Babbel 2002 ebenfalls an GBS erkrankt war. Andere
GBS-Patienten berichten von ihren Erlebnissen. Von kompletter Lähmung,
von Blutwäsche, und davon, nie wieder komplett zu genesen. Die
meisten anderen an GBS erkrankten Leute haben viel länger als ich
gebraucht, um wieder gesund zu werden. Da habe ich wirklich unendlich
viel Glück gehabt. Heute ist erst mein 33. Tag, alle anderen
„Kollegen“ haben dafür viele Monate gebraucht. Natürlich bete ich
immer wieder viele Dankesgebete! Visite
ist um 14 Uhr. HURRA! Ich habe gewonnen! Ich werde übermorgen,
Mittwoch, nach den vormittäglichen Therapien entlassen! München, wir
kommen! Angie, wir kommen! (Somit bin ich nach sensationellen nur 35
Tagen vom GBS (fast) genesen! Damit bin ich Weltmeister!) Ich könnte
vor Freude an die Decke springen – oder sonst was tun! Ich bin happy,
happy,happy - und glücklich! Aber
ich bin genauso schnell auch wieder unten, denn um 15.45 Uhr muß ich
erstmal wieder zur „Traningstherapie“, womit ganz normale Übungen
im hauseigenen Fitneßcenter umschrieben werden. Den ungeliebten
Rollator bringe ich schon mal zurück.
Tag
34, Dienstag, 27. Oktober 2009 Draußen
beginnt ein milder Herbsttag mit vielen Wolken. Ich beginne den Tag mit
erneutem Strampeln am Fahrradtrainer und dann mit einer dreiviertel
Stunde Physiotherapie, wie immer bei Frau R. Sie bestätigt mir meinen
relativ guten Zustand und hat nichts gegen meine morgige Entlassung.
Neue Krücken werden von ihr gleich für mich bestellt und sollen morgen
für mich bereitstehen. Danach
habe ich noch eine dreiviertel Stunde an verschiedenen Geräten im Fitneß-Center.
Damit ist mein „Arbeitstag“ für heute abgeschlossen. Tag
35, Mittwoch, 28. Oktober 2009 Heute
ist „der Tag der Tage“! Mein Entlassungstag! Endlich wieder frei!
Endlich bin ich (fast) genesen! Vom ersten Tag an (naja, nach ein paar
Tagen und der ersten Besserung auf der Intensivstation) wollte ich spätestens
am heutigen Tag entlassen werden – und habe es auf den Punkt
geschafft. Der Professor und Frau R. von der Physiotherapie haben endgültig
grünes Licht für meine „Freilassung“ gegeben. Der
Oberkörper arbeitet ja schon länger so wie früher. Vielleicht fehlt
noch etwas Kraft. (Ich schätze 75% sind wieder da.) Nur die Beine sind
noch nicht ganz OK. (Hier schätze ich mich auf 40%.) Mein Gang ist
immer noch recht wacklig, deshalb bekomme ich heute Nachmittag auch die
Krücken ausgehändigt; sie sollen mich beim Laufen unterstützen. Ohne
Krücken geht es aber auch schon schwerfällig ein paar Meter. Treppen
sind immer noch schwer zu bewältigen. Es wird wohl noch lange Zeit
dauern, bis ich zuhause wieder meine 15 Etagen schaffe. Aber
schade, letztlich war alle Konzentration auf das heutige Datum
vergeblich, denn Ingrid kann morgen nicht mit mir nach München fliegen.
Ade liebe Angie, ade Geburtstagsfeier, ade liebe Freunde von den Königlich
Bayrischen, Ihr müßt ohne uns feiern. Ingrid fühlt sich nicht wohl,
sie laboriert ja schon seit Mai mit ihrer Erschöpfung herum und sie
schafft es einfach nicht. Auch
gut, ich bin endlich wieder daheim. Und fast wieder gesund. Man muß
immer das beste draus machen. Hauptsache, Ingrid kann sich jetzt wieder
auf sich selbst konzentrieren und gesund werden. Sie (und natürlich
Irmgard) hat mir so sehr geholfen! Petrus
läßt extra die Sonne für mich scheinen, wir haben schon wieder einen
sonnig milden Herbsttag. Zwei
Anwendungen habe ich am Vormittag, Revital und Physiotherapie. Beides
ist rasch erledigt und ich fange mit dem Packen ein. Wie soll ich nur
all den Kram in die drei kleinen Taschen reinkriegen?! Professor
K. und Dr. M. verabschieden mich herzlich. Genauso die anwesenden
Schwestern. Auch hier noch einmal herzlichen Dank bei allen Schwestern
und Pflegern für die gute Pflege. Ein ganz kleines bißchen tut es mir
leid, mein schönes Zimmer zu verlassen und für immer heimzufahren.
Irmgard und Willi kommen wie verabredet um 15.30 Uhr und wir fahren
heim. ENDLICH
NACH HAUSE
! ! ! ! ! ! ! Zwei
gefährliche Dinge habe ich dieses Jahr gut überstanden. Erst die
Brandkatastrophe im Motel in den USA und jetzt auch noch die sonst
erheblich schlimmere GBS-Erkrankung. Beide Erlebnisse waren erheblich
glimpflicher als sie hätten sein können. Trotzdem, das reicht mir
jetzt erst einmal für längere Zeit. Nach
beiden schlimmen Erlebnissen wurde ich daran erinnert: „Wichtige“
Dinge, denen man täglich hinterher hechelt, sind gar nicht so wichtig.
Andere Dinge, die man längst vergessen hat oder über die man nie
nachdenkt, sind viel wichtiger, z.B. Laufen können, Sprechen können,
überhaupt die Gesundheit, genug zum Essen zu haben, Freude mit allen
Familienmitgliedern, Ruhe und Entspannung, Freunde zu haben und
Freundschaften zu pflegen, also die „kleinen“ sonst selbstverständlichen
Dinge des täglichen Lebens sind viel wichtiger! Deshalb sollte man
sich, so oft es geht, auch über diese kleinen Dinge freuen und sich
sein Leben nicht allzusehr durch den täglichen Streß und Ärger
kaputtmachen lassen.
P.S. Meine
Empfehlung (und mein Urteil) für das Neurologische
Rehabilitationszentrum Godeshöhe e.V. ist zweigeteilt: Ich
hatte riesiges Glück: Mein Zimmer im Haus H war hervorragend, geradezu
einsame Spitze, (leider gibt es nur je zwei dieser Luxus-Zimmer pro
Etage, also sechs im Haus), aber ich war auch in einem gerade eröffneten
Neubau. Die übrigen Zimmer im Gebäude H sind Zweibettzimmer mit
normalem Komfort. Die
Rehabilitations-Maßnahmen waren eher etwas sparsam, bei mir z.B. in den
ersten acht Tagen täglich nur je eine halbe Stunde Physiotherapie (=
Krankengymnastik) und Ergotherapie, und die natürlich auch nur montags
bis freitags. Das war in meinen Augen eindeutig zu wenig. Die meisten Übungen
mußte ich mir daher selbst „verordnen“, sonst hätte ich möglicherweise
deutlich länger gebraucht, um wieder auf die Beine zu kommen. Das
Schwimmbad habe ich auch erst nach acht Tagen von innen gesehen. Und die
für mich noch wichtigere Lymphmassage gab es auch nur mal zwischendurch
bei der Physiotherapie, weil alle Termine bereits lange voraus
ausgebucht waren. Zu
meiner anfänglichen Begeisterung für die Godeshöhe kam denn auch bald
etwas vorsichtige Skepsis hinzu. Aber offenbar braucht jede Reha-Maßnahme
etwas Zeit, bevor sie anläuft, ich kenne mich da nicht aus. Ein so großes
Haus ist wohl von Natur aus eher etwas schwerfällig. Schließlich war
ich nur zwölf Tage hier. Trotzdem,
ich war etwas enttäuscht, wie relativ wenig man sich hier um meine
Person gekümmert hat. Irgendwie habe ich mehr Anwendungen erwartet.
Aber vielleicht war ich auch von Anfang an eine Ausnahme, weil man
gleich bemerkt hat, daß ich es alleine schaffe. Das
aufs Zimmer gebrachte Essen war durchgehend OK. Im Speisesaal war ich
nicht; er ist leider auch immer nur für kurze Zeit geöffnet. Die
Cafeteria ist zu dunkel, wenig gemütlich und daher ausgesprochen wenig
einladend; hier ist die Essensauswahl auf Würstchen, Frikadellen,
belegte Brötchen und eine im übrigen zufriedenstellende Auswahl an
Kuchen beschränkt. Also kein Vergleich mit der Verwöhn- und Wohlfühl-Cafeteria
im Koblenzer Krankenhaus. Den
Krankenschwestern und Pflegern kann ich ein positives Urteil ausstellen,
sie waren alle freundlich, zwei, drei von ihnen sogar sehr freundlich. Insgesamt
habe ich mich in der Godeshöhe sehr wohl und gut aufgehoben gefühlt. Im
Internet finden Interessierte sehr viele Bewertungen zur Godeshöhe,
darunter leider auch sehr viel Unerfreuliches. P.S.2: Viele
Menschen haben mich gefragt, wodurch die GBS-Erkrankung entstanden ist.
Von den Ärzten konnte ich darauf keine Antwort erhalten. Meine
Vermutung war zunächst, daß es das Crème brûlée am letzten Abend
auf dem Heimweg meines Frankreich-Urlaubs gewesen sein könnte.
Inzwischen vermute ich aber, daß das in Frankreich aus einem Bach
getrunkene Wasser die Krankheit ausgelöst haben könnte.
Campylobacter-Bakterien haben eine Inkubationszeit von 4-11 Tagen, das könnte
passen. Letztendlich bleibt aber alles Suchen nach der Ursache reine
Spekulation. Fotos:
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